Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK ALLGEMEIN - Die Verwaltung der Armut


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       Rezension: Neumann/Schaper,  Die Sozialordnung der Bundesrepublik
       Deutschland
       

MIT DEM SOZIALSTAAT UNTERWEGS

Zwei Bochumer Vertreter dieser Disziplin haben sich kürzlich das Verdienst erworben, ein handliches Agitationsheftchen für Intel- lektuelle zusammenzustellen, in dem mit Hilfe einiger wissen- schaftlicher Kunstgriffe und Standardkalauer der Standpunkt nahe- gebracht werden soll, den Sozialstaat für eine segensreiche - wenn auch verbesserungswürdige, natürlich - Einrichtung zu halten und viel mit Sachkunde garniertes Verständnis für die Probleme der Sozialpolitiker aufzubringen. (Daß es in die offizielle Pro- pagandareihe der Bundesregierung aufgenommen wurde, geht also in Ordnung.) Sozialstaat ist, wenn's besser werden soll ------------------------------------------ Wer sich wissenschaftlich mit der Sozialpolitik auseinandersetzen will, lautet die erste Mitteilung von Neumann/Schaper, darf es sich nicht zu einfach machen. Denn der Gegenstand ist sehr "vielschichtig", er ist ein "Beziehungsgeflecht", befindet sich "in einem historischen Prozeß", ist ein "Teilsystem" neben ande- ren, unterliegt je nach sozialer Stellung, politischer Anschauung und persönlicher Bewertung" unterschiedlichem Verständnis. Bevor die Autoren also zur Sache kommen, möchten sie festlegen, wie man sich zum Gegenstand der Analyse zu stellen hat. Ihre Warnungen vor "zu einfachen" Sichtweisen sind zwar unlogisch - eine Aussage über den Sozialstaat kann ja nicht dadurch falsch werden, daß sie nicht bei den Bismarckschen Sozialgesetzen anfängt, oder daß sie nichts über andere Sphären der Politik verlauten läßt, oder gar dadurch, daß andere Leute ganz andere Vorstellungen von ihm haben -, aber sehr absichtsvoll und zielstrebig. Sie sollen nämlich den Entschluß der Verfasser plausibel machen, Sozialpolitik erst ein- mal gemäß ihrem Verständnis definieren wollen, zu müssen. Diese Definition ist natürlich nicht die Angabe dessen, w o r ü b e r verhandelt werden soll - schließlich herrscht darüber ohnehin bei niemandem Unklarheit -, sondern die Mitteilung, als was man Sozi- alpolitik gesehen haben will: "Theoretische und politische Sozialpolitik war und ist immer zugleich Kritik an bestehenden gesellschaftlichen Mißständen und Ungerechtigkeiten und der Versuch, bessere Lösungen im Sinne der schwächeren und benachteten Gruppen aufzuzeigen und zu verwirkli- chen. Die bestehende Sozialordnung ist daher immer als vorläufig und verbesserungswürdig anzusehen. S o z i a l p o l i t i k i s t d e r p e r m a n e n t e V e r s u c h d e r R e- f o r m d e r S o z i a l o r d n u n g und setzt die Re- formfähigkeit der Wirtschaftsgesellschaft voraus." Schon der logischen Form nach eine reichlich abstruse Definition: Sozialpolitik ist..., daß sie "immer zugleich" k r i t i s c h zu "bestehenden" Verhältnissen steht (die Unterstellung: zuvör- derst verhält sie sich mal p o s i t i v dazu, wird vornehm weggelassen); Sozialpolitik i s t der permanente Versuch, sie (?) besser zu m a c h e n (wieder fehlt die Angabe, worin sie denn jeweils so mangelhaft ist, daß beständige reformierende Selbstkritik ansteht). Aus lauter Liebe zu ihrem Gegenstand konn- ten die Autoren wohl keinen kühlen Kopf bewahren und schrieben sich stattdessen ihre Begeisterung für ihr Ideal vom durch und durch kritischen, reformfreudigen Sozialstaat von der Seele. Der grundlegende Trick einer solchen Definition der Sozialpolitik, die nicht zufällig Theorie (à la Neumann/Schaper) und Praxis der- selben nicht auseinanderhalten will, besteht denn auch darin, welcher Beurteilungsmaßstab damit als einzig 'sachgerecht' in die Welt gesetzt ist: man soll nicht einfach die t a t s ä c h l i c h e n F a k t e n des Sozialstaats und ihre Folgen für die Betroffenen beurteilen dürfen, sondern dabei immer im Auge behalten müssen, daß die g u t e A b s i c h t unab- hängig davon, also unangreifbar feststeht schließlich ist jede einzelne Maßnahme per se "vorläufig und verbesserungswürdig" und sowieso nur ein "Versuch"! Darüberhinaus ist aber aus dieser Definition schon sehr deutlich herauszulesen, w i e die Autoren zu ihrer freundlichen Sicht des Sozialstaats gelangen: 1. Mit der Rede von "Mißständen und Ungerechtigkeiten", mit denen sich Sozialpolitik herumzuschlagen habe, ist sehr deutlich klar- gestellt, was alles nicht als "Mißstand" der "Kritik" anheimfal- len darf: jedenfalls nicht die Normalität der Lohnarbeit in Fa- brik und Büro, s o l a n g e sie nicht zu den harten Resultaten für das Ausbeutungsmaterial führt, für die sich die soziale Ge- setzgebung zuständig erklärt; womit gleichzeitig diese Folgen der Lohnarbeit den Charakter von unschönen und eigentlich unnötigen übeln verpaßt kriegen. 2. Die Rede vom kritischen korrigierenden Bezug der Sozialpolitik auf "bestehende" und sog. "gesellschaftliche" Ärgerlichkeiten bringt es fertig, die staatliche Urheberschaft solcher Zustände einfach fortzuleugnen; als ob der Staat nicht per Garantie des Privateigentums, Arbeitsgesetzgebung usf. genauso wie durch sämt- liche wirtschaftspolitischen Maßnahmen diejenigen, die nichts als ihre Arbeitsfähigkeit besitzen, auf einen ruinösen Dienst an der Vermehrung des Kapitals mitsamt all den schönen, in den Paragra- phen der Sozialgesetzgebung minutiös aufgelisteten, Folgen prak- tisch verpflichten würde. Stattdessen wird ein Bild vom Staat als S o z i a l s t a a t gezeichnet, der sich unschuldig, mit den besten Absichten, Abhilfe zu schaffen, und doch einigermaßen hilflos mit Mißständen konfrontiert sieht, die weiß Gott woher immer wieder turmhoch vor ihm aufgebaut sind. 3. Und was ist eigentlich so idyllisch an sozialstaatlich verwal- teten - gelinderten oder gar beseitigten - 'Mißständen'? Nichts Schöneres als eine 'gerechte' Invalidenrente, eine angemessene' Sozialhilfe etc.? Das Lustige am Sozialstaatsideal ist doch, daß es ohne seine Grundlage, eine regelmäßig anfallende Not, an der man sich sozialpolitisch gütlich tun kann, überflüssig wäre wie ein Kropf! Zwischenfazit: -------------- die Ideologien 1. bis 3. sind für Neumann/Schaper fraglose Selbstverständlichkeiten, die man bloß per Ausgangsdefinition zu zitieren braucht. Das B i l d vom Sozialstaat steht also von vornherein fest; er ist eine Instanz, die - angesichts gegebener Mißlichkeiten - kompensierend W o h l f a h r t stiften möchte; und die Lage derjenigen, die sie verpaßt kriegen, besteht folge- richtig schlicht darin, daß sie ihrer bedürfen: "schwächer" und "benachteiligt" sind sie - und dem wird dankenswerterweise abge- holfen. Marktwirtschaft: Segen und Fluch -------------------------------- Der Sozialstaat, dieses hehre Unterfangen, hat's nun mal nicht leicht, ist doch im Verlauf der Gründung der BRD eine "ordnungspolitische" Vorentscheidung" gefallen (dabei haben die Sozialpolitiker gefehlt), die dem armen Vater Sozialstaat von An- fang an schwer zu schaffen machte: die Installation der Freien Marktwirtschaft. Zwar haben Neumann/Schaper weiß Gott nichts ge- gen sie, aber vom idealistischen Standpunkt zur Sozialpolitik ist sie auch wiederum nicht das Gelbe vom Ei. Zunächst die Abteilung Vorzüge der Marktwirtschaft: "Die Erfahrung zeigt, daß das marktwirtschaftliche System mit Privateigentum an Produktionsmitteln hohe Wachstumsraten der Ar- beitsproduktivität und des Volkseinkommens erzielte und zudem das Angebot an materiellen Gütern auf effiziente Weise der kaufkräf- tigen Nachfrage anpaßte. Neben diesen offensichtlichen Vorzü- gen..." Was ausgesagt sein soll, ist klar: noch ganz unabhängig von sozi- alpolitischen Ergänzungswohltaten ist das kapitalistische Wirt- schaftssystem auch von sich aus schon recht gut dazu geeignet, Wohlfahrt für jedermann zu spenden. Allerdings hat die Sache den Haken, daß die zitierten ökonomischen Sachverhalte, so wohlklin- gend verpackt sie aufmarschieren, durchaus die gegenteilige Wahr- heit verraten können. Was heißt denn 'Wachstumsrate der Ar- beitsproduktivität' unter dem Regime des 'Privateigentums an Pro- duktionsmitteln' anderes, als daß das Kapital beständig an der Lohn-Leistungsschraube dreht - mit all den lustigen Folgen für die davon Betroffenen -, um den Gewinn zu verbessern. Und die volkswirtschaftliche Kategorie "gestiegenes Volkseinkommen" - also Löhne, Gewinne, Staatsfinanzen je für sich summiert und dann zu einer Größe aufaddiert -: was besagt sie für die Lebenshaltung des kleinen Mannes? Und endlich die sog. 'Anpassung des Angebots an die kaufkräftige Nachfrage' (gibt es denn keine Überprodukti- onskrise?): steckt in dieser Formel nicht die harte Tatsache, daß nicht die Bedürfnisse der Maßstab der Nachfrage nach all den an- gebotenen Gütern sind, sondern die Kaufkraft, die Arbeitern tag- täglich im Betrieb und in jeder Lohnsenkungsrunde höchstoffiziell beschnitten wird? Also von wegen: Profitwirtschaft sei sowas wie eine rationelle Bedarfswirtschaft! Nun die Abteilung Nachteile: "Wie der geschichtliche Rückblick... genauer zeigt, schafft das Wettbewerbssystem und die industrielle Entwicklung aufgrund der ihnen innewohnenden Dynamik laufend Risiken für Teile der Gesell- schaft, filtert Gruppen und soziale Schichten aus, die systema- tisch benachteiligt werden und nur ungenügend am materiellen Fortschritt teilhaben." Wenn das keine schonungslose Aufdeckung der Gründe für die mate- rielle Not der 'Sozialfälle' ist: die gleiche Marktwirtschaft, der soeben lauter menschenfreundliche Zwecke und Wirkungen atte- stiert wurden, soll jetzt allerhand beklagenswerte Folgen zeiti- gen. Und warum? Weil sie eine "innewohnende Dynamik" hat. Nur so, indem man eine gänzlich inhaltsleere Eigenschaft zum Schuldigen erklärt (warum soll eigentlich die Dynamik einer Wohlstandsma- schine nicht dynamisch wachsenden Wohlstand ausspucken?), kann man eben theoretisch sein prinzipielles Dafürsein mit dem Schein einer partiellen Kritik in Einklang bringen. Sehr passend denn auch die Charakterisierung der negativen Wirkung - "schafft lau- fend Risiken" -, es ist schon ein Kunststück, sowas wie eine Not- wendigkeit von Extra-Opfern des Lohnsystems ("laufend") anzuspre- chen und sie im gleichen Atemzug in eine bloße Möglichkeit ("Risiko") zu verharmlosen, als ob nicht jeder Lohnarbeiter im Laufe seines Fabriklebens mit allen Zweigen des Versicherungswe- sens unliebsamen Kontakt bekommen würde! Und die Fortsetzung die- ser Charakterisierung - "systematisch benachteiligt... nur unge- nügend am materiellen Fortschritt beteiligt" - will schon rein gar nichts mehr vom Gegensatz zwischen Gewinn und Lohn und seinen Folgen für die Leidtragenden dieses Verhältnisses wahrhaben: überall soll es positive Nutznießer einer allgemeinen Wohlfahrt geben, lediglich Ungerechtigkeiten im Ausmaß sollen Stein des An- stoßes sein. Freilich - auch das ist jetzt klar, Sozialpolitik unter solch schwierigen Bedingungen kann auch nur zu einer noch längst nicht vollkommenen Lösung ihrer Aufgaben führen: Sozialplan für Deutschland: Ideal und Wirklichkeit -------------------------------------------------- "Zu dieser Erneuerung marktwirtschaftlich-kapitalistischer Ver- hältnisse in der Bundesrepublik paßte ohne Zweifel die Wiederher- stellung der tragenden Stützen der Sozialordnung, des schon im Kaiserreich begründeten und in der Folgezeit ausgebauten Systems der sozialen Sicherheit. Ein System, bei dem es eben nicht vor- rangig darum geht, die Risiken des Arbeitens und Wirtschaftens (??) unter marktwirtschaflichen Verhältnissen zu vermindern oder zur Ganze zu beseitigen, weil ein derartiges unterfangen unter Umständen bestimmte Strukturen (?!) des Wirtschaftsystems selbst in Frage stellen würden." Vom Standpunkt einer immerhin denkbaren "optimalen" Sozialpolitik aus begutachtet nimmt sich das Sozialsystem der BRD selbstver- ständlich mangelhaft aus; der "theoretische Sozialpolitiker" kann sein Ideal auch sehr unbescheiden ausspinnen: so richtig sozial wäre das System, wenn es die notwendigen Folgen - pardon: die Ri- siken - der Martwirtschaft "zur Gänze" (!) beseitigen würde. Ja, man muß es mal ganz radikal sagen dürfen: angestrebt werden müßte eine Marktwirtschaft ohne schädliche Folgen für die Arbeitnehmer! Ein Widerspruch? Aber sicher: wenn es denn sein muß, müssen unter Umständen (!) bestimmte (!) Strukturen (!) des Wirtschaftssystems in Frage gestellt (!) werden. Solch gewagte Gedankenumtriebe ge- hören zur Theorie der Sozialpolitik nun einmal dazu, unterstrei- chen sie doch eindrucksvoll die radikal gute Idee, die dem Staat als Sozialstaat eigentlich zugundeliegt. Und so vermittelt diese Theorie die Perspektive, daß alle derzeitigen Maßnahmen viel- leicht doch auch ein Stück dazu beitragen, daß jenes eigentlich Ziel eventuell einmal realisiert werden kann. So gibt es also bereits jetzt beachtliche Fortschritte, denn jede Sozialmaßnahme ist per se eine Veranstaltung "im Sinne der Schwä- cheren und Benachteiligten", weshalb die bloße Auflistung von So- zialgesetzen inklusive ihrer bisherigen Novellierungen - acht Seiten! eine einzige Glückwunschadresse an die politische Führung ist. "Die Erneuerung des Systems der Sozialen Sicherung ging im Gleichklang mit der ökonomischen Entwicklung schnell vonstatten. Da es die verbesserten wirtschaftlichen Verhältnisse bald gestat- teten, konnte auch frühzeitig an einen Ausbau des Systems gedacht werden, wobei sich aber die in der Wissenschaft genährten Hoff- nungen auf eine rationale Neukonzeption in Form eines umfassenden S o z i a l p l a n s f ü r D e u t s c h l a n d" (was immer das sein mag) "nicht erfüllten." Mit der obligatorischen theoretischen Träne im Knopfloch (ein So- zialplan für Deutschland steht noch immer aus) plädiert der Sozi- alwirt für eine "realistische Sicht": Da nun einmal obige "ordnungspolitische Vorentscheidung" gefallen ist, gilt es festzuhalten, daß es innerhalb dieses Rahmens große Möglichkeiten gegeben hat, die sogar genutzt wurden. Zwar ist die Sozialpolitik leider nach wie vor nachrangig, aber das vorrangige Ziel des Staates, Gutes zu tun, hat er, sobald die Gelder da waren, nach Kräften realisiert. Nachdem der Leser von Neumann/Schaper so zum richtigen Verständnis der Schwierigkeiten der Sozialpolitik hin- geführt ist, wird er mit den diversen Einrichtungen der Sozialpo- litik vertraut gemacht, ins Reich des Machbaren eingerührt. Das geschieht nach dem Muster: Bild ansehen 'Das Geschenkpaket des Staates' Beispiel: Gesetzliche Altersversorgung. Ihr Grund - die staatlich festgeschriebene Tatsache, daß die Lohnarbeiter, die den gesell- schaftlichen Reichtum produzieren, per Lohn von ihm ausgeschlos- sen sind und deshalb nur soviel Geld erhalten, daß sie ihre lau- fenden Ausgaben mehr schlecht als recht decken können und daher, wenn sie alt und verschlissen sind, mit nichts dastehen, wird vom Sozialwirt ganz idealistisch besprochen: der auf Versorgung be- dachte Staat kommt an die "Aufgabe" wie die Jungfrau zum Kind: "Aufgabenstellung: Mit der... Auflösung des 'ganzen Hauses', des Familienverbandes der vorindustriellen Gesellschaft, in dem ein innerer 'Generationenvertrag' die geringe Leistungsfähigkeit der Invaliden und Alten auszugleichen vermochte, wurden diese Probleme zu eigentlichen sozialen, denen nur im größeren Verband beizukommen war." Die Auflösung der Familienstruktur war es bzw. wieder mal die in- dustrielle Entwicklung; und was liegt näher, als daß der "innere Generationenvertrag" durch einen äußeren ersetzt wird. Wenn die Politiker beschließen, die arbeitenden Teile der ausgebeuteten Klasse für die Ausgemusterten geradestehen zu lassen, ihnen zwangsweise hierfür den Lohn zu kürzen, dann macht der Ideologe der staatlichen Maßnahmen die Idylle eines gegenseitigen Bei- standspakts der Generationen (größerer Familienverband!) aus, wo "Einkommensübertragungen" (ein schönes Wort) geregelt werden. "Wir sprechen hier von einem Generationenvertrag, bei dem die Ge- neration der aktiv im Erwerbsleben Stehenden die ältere Genera- tion über Transferzahlungen (Einkommensübertragungen) mit Einkom- men und damit mit den zum Leben notwendigen Gütern und Diensten versorgt, in der Erwartung, daß dies von der nachrückenden Gene- ration ebenso gemacht werden wird. Der gesetzlich fixierte Pflichtcharakter dieses Systems sichert der jeweils leistenden Generation zukünftige, der empfangenden Generation gegenwärtige Transferleistungen." Den staatlichen Zwang als Übereinkunft der Generationen darzu- stellen, deren Einhaltung der Staat als Pflicht absichert, und die nach Haushalts-, Konjunktur- und sonstigen staatlichen Ge- sichtspunkten ausgezahlten oder eben einbehaltenen Gelder der ge- setzlichen Versicherungen als solidarische Transferzahlungen zwi- schen den Generationen darzustellen, das sind die 'Informatio- nen', die ein Theoretiker der Sozialpolitik der Menschheit vermitteln will. Zuguterletzt landet er - sehr zeitgemäß - bei den "Problemen" staatlicher Sozialpolitik - und da steht an erster Stelle das Finanzierungsproblem. Ein Sozialexperte wäre der letzte, der sämtlichen von Politikern diesbezüglich verbreiteten Sachzwang-Ideologien den Respekt versagen würde - natürlich mit einem gespielten Unterton von Traurigkeit; aber man muß es ja einsehen: "Es läßt sich nicht leugnen, daß die ökonomischen und demographi- schen Rahmenbedingungen eine Sozialpolitik, wie sie etwa mit dem Kostendämpfungsgesetz im Gesundheitswesen und den Rentenanpas- sungsgesetzen in die Wege geleitet wurde, notwendig machen." Daß der Staat wegen der Ökonomie (für andere Vorhaben ist komi- scherweise jede nötige Milliarde vorhanden) und wegen der Demo- graphie (wahrscheinlich gibt's derzeit die geburtenstarken Ar- beitslosen-, Kranken-, Unfall- und Frührentnerjahrgänge!) nicht anders könnte, als die Sozialpolitik nach allen Regeln der Kunst zurechtzustutzen, das mag ein Sozialstaatsrealist gerne glauben. So versteht sich der Sozialpolitikwissenschaftler als der beru- fene Interpret, "gute Gründe" für die jeweils getroffenen Maßnah- men des Staates, die Armut nach seinen Notwendigkeiten zu gestal- ten, aufzuzeigen. zurück