Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK ALLGEMEIN - Die Verwaltung der Armut


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       Dortmunder Hochschulzeitung Nr. 24, 28.06.1983
       

BERUF: SOZIALARBEITER

Die Klienten ------------ sind Leute, die in der goldenen Freiheit, sprich: in der vom Staat eingerichteten und geregelten marktwirtschaftlichen Konkur- renz um Jobs und Einkommen, baden gegangen sind; die aus den Le- bensumständen, wie sie für die meisten Bundesbürger "normal" sind - geregeltes Arbeitengehen, bescheidener Verdienst und die dazu- gehörige Portion Disziplin und moralische Festigkeit -, herausge- fallen sind bzw. (wieder einmal) herauszufallen drohen. Es han- delt sich also um Menschen, die mit der ihnen aufgebrummten mie- sen materiellen Lage nicht zurechtkommen und auch nicht den Wil- len aufbringen, trotz aller erfahrenen Zumutungen "ordentlich" zu bleiben, sich in den staatlich definierten Rahmen der Wohlanstän- digkeit zu fügen - sei es als Familienvorstand, als arbeitsloser Jugendlicher, als Ex-Knacki, als Obdachloser, als Sozialhilfebe- zieher usf.. Das staatliche Angebot ------------------ besteht nicht darin, ihnen die materielle Last abzunehmen. Der Sozialhilfesatz reicht höchstens dann zum Leben, wenn man sich auch wirklich nichts leistet. Der Haftentlassene hat in der Regel einen Berg Schulden, selten einen einträglichen Job - kann sich bei der Einteilung seiner Gelder aber beraten lassen. Der ar- beitslose Jugendliche kann sich, wenn er schon die Zeit totschla- gen soll, in einem Freizeitheim aufhalten, also "Lasterhöhlen" meiden, und dort sinnvoll sich betätigen, am liebsten bei der Ausgestaltung des Freizeitheims und bei der Durchführung trostlo- ser Freizeitangebote. Die alleinstehende Mutter, die putzen geht und derweil ihre Kinder verwahrlosen läßt, kann sich erziehungs- beraten lassen - muß sie denn laufend die Aufsicht ihrer Kinder vernachlässigen, kann sie nicht ihre Sozialhilfe besser einteilen etc.. Das Hilfsangebot des Staates heißt also: mit der Not sollst Du zurechtkommen, bewähre Dich also wieder in der von mir einge- richteten Gesellschaft, in der Du zu nichts kommst. Dafür gibt es Sozialarbeiter, denen die Verwaltung der staatlichen Maßnahmen und der Beratung -------- der Opfer obliegt. Diese besteht darin, die Leute über die ihnen zugestandenen Hilfen aufzuklären und sie ihnen nach Maßgabe der Verwaltungsbestimmungen zu gewähren. Ziel ist, die Leute dahin zu bringen, - daß sie sich angewöhnen, selbständig und bereitwillig die Ein- teilung ihrer Not zu erledigen, - daß sie ihre Pflichten als Familienvorstand, Ernährer der Fami- lie, Schuldner, Arbeitssuchender erfüllen, - daß sie vor allem auf keine dummen Gedanken kommen - weil sich das "nicht lohnt". Ob die Leute mitmachen, wird kontrolliert; davon ist dann auch die weitere "gute Zusammenarbeit" abhängig - wenn's gar nicht klappt, sind schließlich andere staatliche Stellen einzuschalten; auf jeden Fall aber soll ein guter Sozialarbeiter immer wieder alles versuchen, die Leute zum Mitmachen zu bewegen. Dazu soll er ein Vertrauensverhältnis -------------------- zwischen sich und den Klienten herstellen. Er muß sich dem Klien- ten als einer darstellen, dem es nur um das Beste für den "Hilfesuchenden" geht. Dabei ist Kumpanei und Gefühlsduselei sehr unangebracht, der Einsatz der Person ist nämlich sehr berechnend. Das Verständnis für die Person und ihre mißliche Lage soll dazu dienen, daß sie wieder richtig funktioniert. Die Anforderung sei- ner Institution soll der Sozialarbeiter schon immer im Kopf be- halten. Dem Klienten muß er also beibringen, daß er ein "Problem" hat, eigentlich selber eines ist, weil er zu einem Sozialfall ge- worden ist. Vom Gutzureden, über moralische Anmache ("Das können Sie Ihren Kindern doch nicht antun!", "Sie sind doch so eine ver- nünftige Person", "Ich bin von Ihnen nun doch etwas enttäuscht"), psychologisierende Rumstocherei ("Haben Sie solche Unsicherheiten öfter?", "Als was empfinden Sie dieses Gespräch?"), ein gerüttelt Maß an Heuchelei ("Ich habe oft ähnliche Gefühle / Schwierigkei- ten") bis hin zur Erpressung ("Dann können Sie nicht mehr mit meiner Unterstützung rechnen!") reicht das Repertoire der Beacke- rung durch den Helfer. Die beherrscht natürlich glaubwürdig nur derjenige, der einige Selbstgerechtigkeit ------------------- besitzt. Schließlich ist er ja einer, der sich um das Elend k ü m m e r t, und das ist - weiß Gott - kein dankbarer Job - man sehe sich allein die Klienten an; die Institution macht's ei- nem auch nur schwer; keiner zeigt sich so richtig erkenntlich. Überzeugt ist man davon, daß Hilfe furchtbar schwer ist. Daß vieles nicht in Ordnung ist oder ungerecht läuft - freilich, aber wie dem auch sei, die eigene Wurschtigkeit gegenüber alledem ist eine senkrechte Sache, man ist nämlich s o z i a l. Und die Leute, mit denen man zu tun kriegt, sind ja auch nicht die Gera- desten (berechnend wie der Sozialarbeiter sind sie auch; so daß sich dem ständig Material aufdrängt, ihnen Vorwürfe zu machen). Allerdings gehören Selbstzweifel - von der Effizienz der ganzen Bemühungen bis zur Selbstbezichtigung hinsichtlich der "Omnipotenzgelüste" von Helfern oder der psychologischen Gewis- sensfrage "Will ich mich nicht nur vor der Realität drücken?" - zur Berufsmoral dazu; dient sie doch dazu, sich zu bescheinigen, daß man sicherlich ein - ja vielleicht leider oft etwas harther- zig wirkender - aber wirklich guter, prinzipienfester Mensch ist, der sich nichts schenkt. zurück