Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK ALLGEMEIN - Die Verwaltung der Armut
zurück Bremer Hochschulzeitung Ausgabe Sozialpädagogik, 11.12.1980AUS DER WELT DER SOZIALARBEIT
Ein Pennbüddel für Pennbrüder ----------------------------- Das Sozialamt der Hansestadt Bremen hat beschlossen, für seine Penner Schlafsäcke mit selbiger Aufschrift bereitzustellen, damit diese im Winter nicht so frieren, wenn sie auf ihren Parkbänken mächtigen. Daß es für die 450 stadtbekannten "Wohnungslosen" nur 50 Schlafsäcke gibt, ist zwar unzureichend, aber "immerhin ein Schritt in der richtigen Richtung" (Bremer Berichte). Es soll nur keiner sagen, das fortschrittliche Bremen täte nichts für die Leute, über die es beschlossen hat, daß sie sowieso zu nichts mehr taugen. Aber erfrieren sollen sie deshalb auch wieder nicht gleich. In der Hauptstadt des erzkonservativen Bayern ist beschlossen worden, für solche und ähnliche Leute (z.B. Rentner, die die ge- stiegenen Heizkosten nicht mehr verkraften können) sog. Wärmestu- ben einzurichten, meist in Gaststättenhinterzimmern, in denen diese sich "ohne Bestellzwang" (weil sie wohl sowieso nichts zu bestellen haben) aufhalten können. Und dieses Jahr sogar ein Hin- terzimmer mehr als bisher! Zudem finanziert die bayrische Landes- regierung noch "zwei Schrammelkapellen" (Weser-Kurier), die für die "armen und einsamen Menschen ein bißchen Unterhaltung bereit- stellen" sollen. Wenn das nichts ist! Diese bayrische Großzügigkeit sollte dem fortschrittlichen Bremer Sozialamt zu denken geben. Wäre das nicht auch eine schöne Ergän- zung zur Schlafsackmaßnahme? Zwei Schrammelkapellen, die nachts von Parkbank zu Parkbank ziehen, um den "armen und einsamen Men- schen" ein bißchen Unterhaltung bereitzustellen? Oder wäre es vielleicht kostengünstiger und auch zeitgemäßer, in die 50 Schlafsäcke kleine Transistorradios einzubauen, mit Hilfe derer sich "unsere Ärmsten der Armen" neben der Unterhaltung auf ihren Parkbänken gleichzeitig im Polizeifunk über die nächste nächtliche Razzia informieren können, um noch schnell den Schlaf- sack einzurollen. Denn dessen leuchtrote Aufschrift "Eigentum der Hansestadt Bremen" macht sie für jedermann deutlich als Stadt- streicher kenntlich, was als Verhaftungsgrund jederzeit aus- reicht. Noch ein Erfolg! ---------------- Die "Schlafsackbewohner", die das Sozialamt mit städtischem Ei- gentum ausgestattet und wieder zurück auf die Parkbänke geschickt hat, wollen einen ersten Erfolg ihrer Zeltaktion am Wall verbu- chen: Wohnungen haben sie zwar immer noch nicht, aber das Gefühl, das Sozialamt "auf Trab zu bringen". Für einige Auserwählte will das Amt ein Dach über dem Kopf mieten. Daß die "Penner" dazu allerdings eine harmlose "Aktion" gemacht haben - ein paar Zelte in den Wallanlagen -, nimmt das Sozialamt zum Anlaß, ihnen den Entzug von Schlafplätzen anzudrohen, um die es mit ihrer Aktion gerade ging. Klarer Fall von Klarstellung der "sozialen Dienste": zu f o r d e r n hat so ein unnützes Mit- glied der Gemeinschaft überhaupt nichts, sondern sich so aufzu- führen, wie es das Sozialamt verlangt. Andernfalls wird ihnen das Bett unterm Hintern weggezogen. "Solche Äußerungen billige ich nicht", meint die Vizeleiterin des Hilfe-zur-Selbsthilfe-Amtes, und da hat sie ganz Recht. Denn wenn die ganz selbstverständliche Praxis der staatlichen Verwaltung von Obdachlosen auch noch so platt ausgeplaudert wird, geht das liebliche Image dieser "helfenden Institution" am Ende noch den Bach runter, und das mitten in der Vorweihnachtszeit. Dabei hängen alle so daran: Stu- denten, die sich auf den Beruf in dieser Institution vorbereiten, Zeitungsleser, die ihren Haß auf die "Ausgeflippten" und das Ge- sindel der Gesellschaft zumindest in der Adventszeit mit dem Lob ihres Stadtstaates versöhnen, daß er selbst solchen Kreaturen noch unter die Arme greift, schließlich sogar die Betroffenen selbst, die trotz oder wegen ihrer einschlägigen Erfahrungen mit den bezahlten helfenden Brüdern ihre Abfertigung für ungerecht halten. Und auch noch der Pastor von Aderkas, der Heuchler. Aber was soll man von einem bezahlten Betbruder im sozialen Dienst an- deres erwarten: erstens möchte er seine Drohung, Sympathisanten der Zeltaktion aus seinem Männerwohnheim rauszuwerfen, nicht als solche v e r s t a n d e n wissen - macht sich immer blöd für einen Prediger der Nächstenliebe; zweitens steht er mit dem Sozi- alamt im Rücken voll dahinter: wer sich in ein Zelt hockt, weil er eine ordentliche Wohnung will, hat sein Bett im Verhau des Pa- stors verwirkt. Aber nur, weil er noch vielen, vielen anderen Schäflein helfen möchte: "Wir können es uns bei der kühlen Jah- reszeit nicht erlauben, Betten im Jacobushaus für längere Zeit freizuhalten. Wann wird es endlich wieder Sommer! * "Wohnungen für Obdachlose Zelte am Wall abgebaut Das Sozialamt hatte den Obdachlosen bis zum Nachmittag eine Woh- nung für fünf Personen und ein Haus für neun Männer fest zuge- sagt. Außerdem wurde mitgeteilt, mit zwei weiteren Bremern werde über die Anmietung von jeweils einem Haus verhandelt. Daraufhin unterbrachen die Wohnungslosen, die sich selbst Schlafsackbewoh- ner nennen, Ihre Aktion Am Wall. Zwar reicht der bereitgestellte Wohnraum noch lange nicht aus, doch ist zumindest das Ziel er- reicht, "die zuständigen Behörden auf Trab zu bringen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Männer. Mit Empörung reagierten sie auf die "Drohung der Inneren Mission, Bewohner des Jakobushauses (Männerwohnheim der Inneren Mission) auf die Straße zu setzen, wenn sie sich an der Aktion beteilig- ten". Während die stellvertretende Leiterin den Sozialamtes, Elke Steinhöfel, im Gespräch mit dem WESERKURIER sagte, "solche Äuße- rungen billige ich nicht", erklärte der Direktor der Inneren Mis- sion, Pastor von Aderkas, er habe seine Mitteilung an die Männer nicht als Drohung verstanden, zweitens werde er in dieser Frage von der Leitung des Sozialamtes unterstützt. Der Pastor argumen- tiert: "Wir können es uns bei der kühlen Jahreszeit nicht erlau- ben, Betten im Jakobushaus für längere Zeit freizuhalten."" (aus:WESER-KURIER) Bundespräsident Carstens packt aus: Mehr Orden für soziale Dienste ------------------------------ Na endlich! Wer hat denn alles einen verdient? "Bonn (cipa). Bundespräsident Carstens hat sich dafür ausgespro- chen, bei der Ordensverleihung stärker als bisher die Hilfe für Mitmenschen zu würdigen. Der Bundespräsident, der die Orden ver- leiht, hat dies in einem Schreiben an die Ministerpräsidenten der Länder empfohlen, von denen Vorschläge für die Ordensverleihung an den Bundespräsidenten gemacht werden. Noch Angaben des Präsi- dialamtes ist der Bundespräsident davon überzeugt, daß dadurch auch mehr Orden als bisher an Frauen verliehen würden, an die bisher durchschnittlich jährlich 11,5 Prozent dieser Auszeichnun- gen gehen. So sollten noch Auffassung von Carstens auch Frauen und Mütter ausgezeichnet werden, die aufopferungsvoll eigene oder fremde behinderte Kinder betreuen oder jahrelang selbstlos die Pflege schwerkranker Familienmitglieder auf sich nehmen. Als be- sonders verdienstvoll nannte der Bundespräsident auch die Eltern von drogenabhängigen Kindern, die sich in Elterninitiativen zu- sammenschließen, um anderen zu raten und zu helfen. Dies gelte aber auch für Kranken- oder Gemeindeschwestern, die ebenso wie viele männliche Pfleger ihre Patienten nicht nur versorgen, son- dern sich Ihrer menschlich annehmen." aus: WESER-KURIER Außer Karl Dall, ganz ohne Chancen, dürfte neben Mutter Theresa folgender Frauenvorschlag als Erfolgstyp für die Plakette gelten: möglichst ehemals drogenabhängige Vollwaise im Rollstuhl mit Keuchhusten, die sich ihresgleichen seit Jahren verdienstvoll an- nimmt. Vorausgesetzt natürlich, sie nimmt kein Geld sondern gibt Liebe (ihr versteht schon menschliche Wärme und so) - und kennt zufällig einen Ministerpräsidenten, der sie kennt. Im Aufopfern kennt der Bundespräsident keine Grenzen - bei anderen. zurück