Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK ALLGEMEIN - Die Verwaltung der Armut


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       Münchner Hochschulzeitung, 20.10.1981
       Sonderausgabe Sozialwesen
       
       Pedro Grafs "Geschichte und Funktion der Sozialarbeit"
       

ARMUT INTERESSANT GEMACHT

Was Sozialarbeit heute ist, klärt sich mit Herrn Grafs Rückgriff auf früh- und gar vorkapitalistischen Zeiten sicher nicht - und soll's auch gar nicht. Um "Verständnis" für Sozialarbeit geht's, nicht darum, w i e sie mit sozialem Elend umgeht Thema ist vielmehr, daß Sozialarbeit gottlob immer schon e x i s t e n t und w i c h t i g war. Damit ist zu Beginn schon klargestellt: daß es sich bei Herrn Grafs "jeweiligen Formen von Armut und Armutspflege" um eine bunte Palette aller nur erdenklichen Absonderlichkeiten handelt, die rühriger Professorenfleiß aus den Schubfächern der Kulturge- schichte hervorgezerrt hat, um an ihnen zu demonstrieren, was für ein i n t e r e s s a n t e r G e g e n s t a n d "die Armut" doch eigentlich ist, die da so fleißig die Weltgeschichte bevöl- kert. Als erstes erfährt man über sie, daß sie ein "Problem der Maß- stäbe" sei! Daß die von Graf geschilderten mittelalterlichen For- men von Unterdrückung und Ausbeutung - "freie, halbfreie und un- freie" Menschen werden da in's Feld geführt sowie deren "Verpflichtung zu Waffendienst" und "unentgeltlicher Arbeit für den Herrn" - für die davon Betroffenen einfach nicht lustig wa- ren, dieser reale Ausgangspunkt hält dem überlegenen Anspruch Grafs nach differenzierter Betrachtungsweise nicht stand. Er möchte verschiedene B e g r i f f e der Armut unters Volk ge- bracht haben. An "absoluter bzw. primärer", "relativer bzw. se- kundärer", "materieller", "psychischer" und "sozialer" Armut gibt es deshalb auch nichts Geringeres zur Kenntnis zu nehmen, als daß es in Sachen Armut einen Haufen Unterscheidungen gibt, die man kennen sollte. Wie überall sonst in der bürgerlichen Welt scheint auch hier - in Graf's "Einführung in Gegenstand und Begriffe der Sozialarbeit/Sozialpädagagik" - der erste Kontakt in einer Aner- kennung zu bestehen zu haben; anerkennende Zurkenntnisnahme in diesem Fall von Armutsklassifikationen, die schließlich Leute zu- stande gebracht haben, die es als berufsmäßige Spezialisten des Metiers ja irgendwie wissen müssen. Denn darin hat man Herrn Graf doch wohl recht verstanden: Eine solche Bekanntmachung mit dem Gegenstand der Vorlesung geht auf ein Sich-Auskennen im freien Reiche des "Überbaus" zur Armut. Ei- nes also ist damit klar: Um die Untersuchung der Art und Weise, in der sich im Mittelalter die Leute die Mittel ihrer Bedürfnis- befriedigung beschaffen mußten, ist es Herrn Graf nie gegangen. Wer sich nämlich als Kenner von "Definitionen" der Armut vor- stellt, sagt doch nur eins: daß er endlos "Fakten" der damaligen Zustände als Problem der Sichtweise thematisieren will. Hier las- sen sich interessante Trends ausmachen: Eine "finstere" Sicht des Mittelalters ist z.B. längst überholt! Der Armutstheoretiker Graf weiß gegen solche "Klischees" mit "faszinierenden" Ausblicken auf mittelalterliche Tisch- und Bettsitten zu locken. Klar, daß so- lehe Armutgepflegt sein will: "Vom jeweiligen Interesse her, von dem aus Armut definiert wird, ergeben sich die Reaktionen auf sie." Da schau her, das macht das schaurig-schöne Bild erst so richtig komplett wie da gleich neben der "Armut" die "Hilfe" wohnt. Nicht nur der Armut ist damit ein b e d e u t s a m e r Platz in der Welt erobert, sondern auch ihrer Pflege. Graf macht's möglich. Das wird die armen Leute freuen! P.S.: Eine Ausführung dieses Auftakts zu einer ganz anderen Theo- rie der Armut läßt sich finden in: "Resultate - Theoretisches Or- gan der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG)", Nr. 1/1980 zurück