Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK ALLGEMEIN - Die Verwaltung der Armut


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 5, 20.11.1979
       
       Teach-In
       

FIXER UND IHRE THERAPIE

Selbstzerstörung mit und ohne Drogen Seitdem die Buchveröffentlichung der STERN-Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" ("Die Lebensbeichte der 17jährigen Fixerin Chri- stiane F.") im Sturmlauf die Spitzen der Bestsellerlisten erobert hat, erfreut sich der Rauschgiftkonsum Jugendlicher endlich ein- mal wieder auch in der öffentlichen Diskussion einer gewissen Po- pularität - die das Thema für berufsmässig damit befaßte Sozial- arbeiter natürlich schon immer hatte. Das FAMILIENMINISTERIUM weist zum fünfzigtausendsten Mal (für die, die es noch nicht gewußt haben sollten) darauf hin, daß He- roin süchtig macht und Schäden für die Gesundheit hervorruft. Die ZEITUNGEN veröffentlichen ungeheuer informative Photographien to- ter Fixer auf Bahnhofstoiletten (für die, die bisher immer Heroin für eine Art Vitamin gehalten haben). KOMMUNALPOLITIKER lassen sich zu Podiumsdiskussionen einladen und versichern dort mit sorgenzerfurchter Stirn, daß ihnen "das Pro- blem" schwer auf dem Herzen liegt, und daß sie sich noch viel mehr als bisher um den neuen Staatsfeind Nr. 1 kümmern wollen. "Ausgeflippte Jugendliche, Babystrich, ständig wachsende Krimina- lität - die Bremer Drogenszene nimmt immer härtere Formen an, zeigt immer brutalere Züge. Wenn wir uns nicht endlich bemühen, mehr für die Aufklärung und Vorbeugung zu tun, laufen wir mit of- fenen Augen in eine Katastrophe hinein. Die Bekämpfung des Dro- genmißbrauchs hat für mich inzwischen den gleichen Stellenwert erlangt wie die Bekämpfung des Terrorismus." (E. von Schönfeldt, FDP) Einig ist man sich allerseits, daß HILFE für die Betroffenen das erste Gebot ist; streitet darüber, wo sie anfangen und wo sie auf hören muß; denkt sich immer wieder längst bekannte prophylakti- sche und therapeutische Tricks aus (und jammert hinterher gleich darüber, daß man eine 100%ige Methode leider immer noch nicht ge- funden hat); - das einzige, wofür sich kein Schwanz interessiert (obwohl jeder behauptet, genau DAS wäre ihm klar), sind die GRÜNDE, die Jugendliche zum Fixen und die schönen Therapievor- schläge zum Scheitern bringen. Die staatliche AUFKLÄRUNG gibt sich da von vornherein bescheiden: Sie will "niemand überzeugen (ach so!) oder (ein hübscher Über- gang!) schocken, sondern (noch besser!) einfach (das ist die Krö- nung!) informieren" - und die "Information" (siehe oben) ist auch danach; die sture Wiederholung der einfältigen Weisheit, Heroin- benutzer wüßten nicht, worauf sie sich einlassen! LEHRER geben vor ihren Schülern mit dem angelegenen Quatsch an, Drogen würden zum Zweck des "Angebens und sich in der Gruppe Hervortuns" genom- men - als ob das erklären würde, wieso einer gerade mit Drogen und nicht mit Body-Building angibt! PÄDAGOGEN und PSYCHOLOGEN vermissen an den Fixern das, was sie das ganze Jahr über sowieso an der ganzen Welt vermissen - "intakte Persönlichkeiten, nichtdefizitäre (duplex negatio est tautologia, sagt der Lateiner) Sozialisation und Bewältigung von Streßsituationen"; worin sie sich im übrigen mit den FIXERN selbst einig sind, die mit der Zurschaustellung ihrer "Probleme" unausgesprochen ihrer Verwunderung Ausdruck geben, daß nicht die ganze problembeladene Menschheit fixt. Da die MARXISTISCHE GRUPPE bekanntermaßen ein Verein der Freunde von ERKLÄRUNGEN ist, kann uns niemand übelnehmen, daß wir diese allgemeine Mischung von Verständnis gegenüber den Fixern und Bru- talität im Umgang mit ihnen wie üblich für einen (gelungenen) Versuch halten, das bejammerte Drogenproblem am Leben - und na- türlich in Grenzen - zu erhalten. Weswegen wir auch der umwerfen- den Logik von SOZIALARBEITERN nicht zustimmen können, ihre Vor- schläge zur Beseitigung der Rauschgiftsucht "müßten (!) so barba- risch (!!) sein, weil (!!!) die Sucht so barbarisch ist"; wobei der Gipfel der Barbarei selbstverständlich darin zu sehen ist, daß die therapierten Fixer zum allergrößten Teil immer wieder rückfällig werden (ja warum denn bloß?). Kurz und gut. Wer daran Interesse hat, zu erfahren, - wieso einer mit dem Fixen anfängt, - was das alles eigentlich mit den Drogen zu tun hat, - was Fixer und ihre offiziellen und inoffiziellen Helfer verbin- det, wieso die Therapien, die es gibt, ziemlich rücksichtslos sind und warum sie trotzdem (oder auch deswegen) nicht viel hel- fen oder wenn doch, warum den Klienten damit auch nicht gedient ist, ist zu unserer Veranstaltung am Donnerstag (Ort und Zeit siehe oben) herzlich eingeladen. PS. Die spannende Frage, ob Rauchen, Trinken, Fernsehen, Vögeln, etc. Varianten von Drogenabdarstellen, gelangt selbstverständlich auch zur Diskussion. zurück