Quelle: Archiv MG - BRD SOZIALPOLITIK ALLGEMEIN - Die Verwaltung der Armut


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       Dortmunder Hochschulzeitung Nr. 23, 14.06.1983
       
       Das Bundessozialhilfegesetz
       

DER ARMEN GUTES RECHT

1. "Paragr. 1 (2) Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Hilfe soll ihn soweit wie möglich befä- higen, unabhängig von ihr zu leben; hierbei muß er nach seinen Kräften mitwirken." Eines ist mit so einem Satz im Gesetzeswerk bundesdeutscher Rechtsordnung klar: Die Politiker rechnen offenkundig damit, daß unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung beständig einen Bodensatz von Leuten produziert, für die die nackte Existenzsicherung ein Problem ist; die vom Staat installierte Rechtsordnung des Privat- eigentums schließt sie nämlich von dem aus, was sie zum Überleben brauchen. Deswegen tritt der Staat auf den Plan und bietet seine H i l f e an. Dafür läßt er aber auch gleich kein Mißverständnis aufkommen; eigentlich ist das kein Zustand. Der Hilfefall ist nicht seiner Pflicht enthoben, alles zu tun, aus eigenen Kräften, also mit den Mitteln, auf die ihn die FDGO zwangsweise festlegt, zurechtzukom- men. Hilfe bedeutet nicht, daß man etwas geschenkt bekommt, daß der Staat plötzlich seine Spendierhosen anzöge, sondern daß er bedingt einspringt, wenn die Leute trotz Aufbietung all ihren guten Willens (den sie ständig beweisen müssen, dazu später) ein- fach zu nichts kommen. Darum braucht sich auch gleich gar keiner zu wundern, daß der Maßstab dieser Hilfe nicht die Bedürfnisse der Leute sind (d e n gibts ohnehin nirgends im Kapitalismus), sondern der viel edlere und prinzipiellere: "die Würde des Menschen". Und die kann, wenn die Leute nur kooperativ und opferwillig sind, bekanntlich bei noch so wenig Geld gewahrt werden. Die Kosten, die der Staat für diesen Sektor aufwendet, sind ihm sehr unlieb, weshalb er sie auch gerade dann ständig reduziert, wenn immer mehr Leute zu So- zialfällen gemacht werden, und er andererseits sehr ehrgeizige Programme zum Wohle der N a t i o n verfolgt. Da wird dann man- cher "ungerechtfertigte Luxus" bei den Armen ausgemacht, der die unterste Ebene des Sozialen Netzes "zur Hängematte" gemacht haben soll. Wenn schon alle Opfer bringen müssen für Deutschland, dann dürfen die, die vom Sozialhilfesatz leben, nicht plötzlich so "gut" dastehen wie diejenigen, die noch ehrlich arbeiten. 2. "Paragr. 11 Hilfe zum Lebensunterhalt ist dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitte vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann..." "Paragr. 1 (Regelsatzverordnung) Die Regelsätze umfassen die lau- fenden Leistungen für Ernährung, Kochfeuerung, Beschaffung von Wäsche von geringem Anschaffungswert, Instandhaltung von Klei- dung, Wäsche und Schuhen in kleinerem Umfang, Körperpflege, Be- schaffung von Hausrat von geringerem Anschaffungswert, kleinere Instandsetzungen von Hausrat, Beleuchtung, Betrieb elektrischer Geräte, Reinigung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Le- bens." Für einen Erwachsenen sind das summa summarum knapp 350,- DM pro Monat, die ihm zukommen (sein Einkommen wird natürlich davon ab- gezogen), daneben wird ihm die Wohnung, wenn sie nicht zu üppig ist, finanziert, und dann kann er noch diverse Geld- oder Sach- leistungen beantragen (größere notwendige Anschaffungen), wenn sie nachweislich nötig sind und er anständig mit seinen Sachen umgeht. So bietet der Staat jedem die Möglichkeit, anständig arm zu sein; er erhält soviel, daß er nicht verrecken muß, aber damit auch stets zuwenig, um irgendein auch noch so harmloses Bedürfnis darüberhinaus zu befriedigen. Daß die Not "würdevoll" auszuhal- ten, nicht jedermanns Sache ist, daß die Leute "verwahrlosen", weil sie manchmal z.B. lieber sich etwas zu Saufen holen (das noch am billigsten zu habende trostlose Vergnügen), anstatt das Geld für dringend notwendige Kleidung oder Hausrat etc. herzuge- ben, weiß Vater Staat. Darum gibt es schon diverse Tricks in den Bestimmungen, wie auch erst recht in der Behördenpraxis, die staatlichen Leistungen vor "Zweckentfremdung" zu schützen (second hand Kleidung, Möbel, Gutscheine u. dergl.). Vor allem aber be- hält sich der Staat vor, auch das Lebens n o t w e n d i g e nochmals zu reduzieren; was dann noch gewährt wird, ist das zum Leben Unerläßliche. "Die Hilfe kann bis auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche ein- geschränkt werden... bei einem Hilfeempfänger, der trotz Beleh- rung sein unwirtschaftliches Verhalten fortsetzt." (Paragr. 25, 2.1.) 3. Der Zwang zur anständigen Lebensführung in Armut schließt ein, daß man prinzipiell bereit ist, jede Arbeit zu machen, auch und gerade dann, wenn sie einem nicht lohnend erscheint. Arbeit soll ja auch schon der Normalmensch nicht einfach danach betrachten, was er für die Ruinierung seiner Gesundheit kriegt, Arbeit soll er als einen Sinn, eine Aufgabe betrachten, als Dienst am Ganzen, darum hat er sich auch glücklich zu schätzen einfach dann, wenn er sie hat. Und für das Lumpenproletariat ist der Arbeitsdienst - Friedhofspflege oder sonstige gemeinnützige Tätigkeiten für ein Trinkgeld (pardon, auf keinen Fall wörtlich nehmen!) sein gutes Recht. "Paragr. 18 Jeder Hilfesuchende muß seine Arbeitskraft zur Be- schaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsbe- rechtigten Angehörigen einsetzen. Es ist darauf hinzuwirken, daß der Hilfesuchende sich um Arbeit bemüht und Gelegenheit zur Ar- beit erhält..." "Paragr. 25 Wer sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten, hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt." "Paragr. 19 Für Hilfesuchende, die keine Arbeit finden können, sollen nach Möglichkeit Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden" "Paragr. 20 ist es im Einzelfall erforderlich, einen arbeitsent- wöhnten Hilfesuchenden an Arbeit zu gewöhnen oder die Bereitschaft eines Hilfesuchenden zur Arbeit zu prüfen, soll ihm eine hierfür geeignete Tätigkeit angeboten werden." Arbeitswille ist eine unabdingbare Tugend, zu der auch gerade die, die als Lohnarbeiter ausgemustert sind, angehalten werden müssen. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, auch wenn der umgekehrte Spruch: Wer arbeitswillig ist, kriegt genug zum Essen, nicht wahr ist. 4. Daß in den Dienst der Bewahrung der menschlichen Würde der Staat nur letztinstanzlich treten will, schließlich will er die Pri- vatinitiative nicht eindämmen und die Gelder seiner Steuerzahler nicht aus dem Fenster werfen, heißt im Fachjargon "Nachrang". Zunächst einmal muß das eigene Vermögen aufgebraucht werden, nur wer buchstäblich nichts mehr hat, kriegt was. Und dann sind da noch die lieben Verwandten; und deren Liebe - vorhanden oder nicht - wird in die Pflicht genommen. Sie haben für die "gescheiterte Existenz" aufzukommen, warum gibt es schließlich die staatliche Zwangsgemeinschaft Familie! Sie können ja immer noch, gemeinsam einen Sozialhilfeantrag stellen. zurück