Quelle: Archiv MG - BRD RECHTSSTAAT DEMORECHT - Die Sorge um den inneren Frieden
zurück Bremer Hochschulzeitung Nr. 55, 17.05.1982URTEIL GEGEN DUFFKE UND MOHR: 3 UND 5 1/2 JAHRE KNAST
Der Landfrieden kennt kein Pardon! ---------------------------------- Wegen "gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall" hat das Landgericht in Itzehoe "hohe" Freiheitsstrafen gegen zwei Demon- stranten ausgesprochen, die - so das Gericht - mit Schaufel und Knüppel bewaffnet gegen einen Polizisten vorgegangen sind. Der Tatbestand -------------- Am 28. Februar 81 wurde die Demonstration gegen das KKW Brokdorf verboten. Ein Heer von Polizisten garantierte, daß es sich bei jedem Demonstranten, der seine Meinung gegen das KKW kundtat, um einen (potentiellen) Landfriedensbrecher handelte. Die Polizei führte ganz einseitig einen "bürgerkriegsähnlichen Zustand" her- bei, indem sie - mit modernstem Gerät und Kampfhubschraubern aus- gerüstet die Demonstranten durch die Wiesen der Wilster Marsch hetzte. Jeder Demonstrant, den sie traf, war als jemand gestellt, der "politische Ziele mit Gewalt durchzusetzen sucht" (Urteilsbegründung). Das Gericht ----------- bekam also Michael Duffke und Markus Mohr von der Exekutive als Landfriedensbrecher frei Haus geliefert. Das ihnen außerdem zur Last gelegte Delikt der "gefährlichen Körperverletzung" behan- delte es entsprechend untergeordnet: "Nach Auffassung des Gerichts ist es zweifelhaft, ob der Beamte überhaupt eine Gehirnerschütterung davon getragen hat." (WK) Es diente dazu, diese beiden Demonstranten vors Gericht zu brin- gen, und hielt dort als Beweis für eine Verurteilung her, deren Härte sich von d i e s e m Tatbestand freimacht. Die Strafe ---------- begründete der Richter nämlich so: "Ein solches Verhalten hätte zur Initialzündung für bürgerkriegs- ähnliche Zustände werden können". Damit ist erstens dem bürgerkriegs m ä ß i g e n Einsatz der Po- lizei noch einmal der Segen der dritten Gewalt erteilt. Zweitens sind die beiden Demonstranten als Schuldige der ganzen Prügeleien ausgemacht. Drittens will das Gericht gar nicht behaupten, die beiden hätten tatsächlich Bürgerkrieg angezettelt. Aber so gewer- tet wird die Unbotmäßigkeit schon, sich dem von Polizeiknüppeln durchgesetzten Demonstrationsverbot nicht durch williges Kopfhin- halten gebeugt zu haben, wo sie schon nicht gleich zu Hause geblieben sind. Und die von der Polizei vor Ort erbrachte Beweis- führung für d i e s e s Vergehen ergänzte das Gericht um die folgende. "Der Angeklagte habe während der 54 Verhandlungetage niemals ge- zeigt, daß er sich von Gewaltanwendung distanziere. Es sei davon auszugehen, daß er auch künftig bereit sei, seine politische Auf- fassung gewaltum durchzusetzen." Er hat sich also nicht dazu bekannt, in Zukunft jedes staatliche Verbot an sich exekutieren zu lassen! Das Rechtsgut ------------- für dessen Wiederherstellung die beiden in den Knast geschickt werden, ist ein sehr prinzipielles. Der Richter sprach es aus, als er der Verurteilung der Demonstranten als politisch moti- vierte Gewalttäter folgenden bindenden Weg politischer Meinungs- kundgabe verpaßte: "Wer politische Ziele durchsetzen wolle, könne sich in Parteien und Organisationen betätigen und dafür werben, daß er dafür Mehr- heiten bekomme". Wer sich also nicht in die Organe gehorsamer Willensbildung be- quemt, die in diesem Fall den Ausbau des KKW beschlossen haben, der Anlaß der Demonstration war, ist ein potentieller Politkrimi- neller. Die von diesem Urteil Betroffenen ----------- wie zum Beispiel die BBU, haben wie folgt Stellung genommen: "Junge Menschen, die der offiziellen Politik der Bundesregierung in lebenswichtigen Energiefragen kritisch und ablehnend gegen- überstehen, sind durch diese Urteile zu politischen Märtyrern ge- worden, um die sich unsere Reihen fester schließen werden. Ein Staat, dessen Politik durch Macht und Kapitalkonzentration nicht in der Lage ist, die demokratischen Grundrechte aufrecht zu er- halten, zeigt mit diesem Urteil sein schlechtes Gewissen und seine Hilflosigkeit." Die Niederlage, die die bundesdeutsche Demokratie den Kernkraft- kritikern ziemlich abschließend eingeprügelt hat und nun auch zwei der Ihren im Knast in der ganzen Härte des staatlichen Ur- teils spuren läßt, daß ihre Gegnerschaft als Staatsdelikt gilt, wollen sie durchaus umgekehrt sehen. Ehe sie Zweifel an den "demokratischen Grundrechten" bekommen und daraus ihre Konsequen- zen ziehen, wollen sie sich lieber moralisch in ihrem Besitz wäh- nen und ihren wirklichen Vollstrecker blamieren - durch Märtyrer. zurück