Quelle: Archiv MG - BRD RECHTSSTAAT ALLGEMEIN - Eine humanitäre Errungenschaft?
zurück Der Veranstaltungskommentar "Der Nürnberger Justizskandal: KOMM-Prozeß"FÜR EINEN "ECHTEN" RECHTSSTAAT EINZUTRETEN,
ist eine verkehrte Konsequenz, die viele Linke aus ihrer Empörung über den Umgang des bundesdeutschen Staates mit polizeilich nicht zugelassenen Protestkundgebungen ziehen. Wenn der Staat in Ber- lin, Frankfurt, Nürnberg Demonstranten die Gleichung mit Knüppeln vorbuchstabiert, daß seine G e w a l t und sein R e c h t dasselbe sind - zu keinem anderen Zweck als zur Vollstreckung des Rechts schlägt die Polizei zu und urteilen die Gerichte ab -, wi- derlegt er selbst in unübertroffener Deutlichkeit die Illusion, daß er den Protest seiner Untertanen wegen dessen m o r a l i s c h e r B e r e c h t i g u n g respektieren müsse. Dieses Vorgehen "Unrecht" zu nennen, ist nicht einfach naiv. Im Bewußtsein der Rechtschaffenheit der eigenen Kritik be- klagen Hausbesetzer, Startbahngegener etc., daß der Staat partout nicht auf sie Rücksicht nimmt; lassen sich dadurch aber nicht von ihrer prinzipiell hohen Meinung von Staat und Recht abbringen und werfen ihm um so erbitterter vor, daß er keine Anstalten macht, den schönen Idealen seiner Untertanen von den wohltätigen Zwecken ihres Gemeinwesens ähnlich zu werden. Das Urteil, dies sei "kein Rechtsstaat" mehr, enthält nichts weiter als die treuherzige Be- schwerde, daß Polizei und Justiz e i g e n t l i c h nicht dürften, was sie dürfen, und umgekehrt Protest gegen eine so "mißbrauchte" Staatsgewalt e i g e n t l i c h e r l a u b t s e i n m ü ß t e, gerade, wenn es nicht erlaubt ist. Für dieses Urteil wollte der Münsteraner Verfassungsrechtler KÜ- CHENHOFF letzten Mittwoch Beweise anbieten. Er betreibt Rechts- pflege auf ganz besondere Weise: nicht vom Standpunkt einer mora- lischen Berechtigung von Hausbesetzungen überhaupt kritisiert er den Vollzug der Staatsgewalt; sondern auf der Basis eines ent- sprechenden Rechtsideals, welches er in den geltenden Gesetzen längst kodifiziert glaubt, um es gegen die juristische Praxis auszuspielen. Vom völlig "veralteten" Paragraphen über Hausfrie- densbruch, der bei leerstehenden Häusern schlecht in Anwendung zu bringen sei, da unbewohnte Wohnungen nicht "hausfriedensfähig" seien, bis zum grundsätzlichen Lobpreis des Grundgesetzes - eine "Magna Charta der wirtschaftlich Schwächen" - setzte Prof. "KÜCHENHOFF alternative Gutachten zu den im Nürnberger Prozeß einschlägigen, Artikeln auseinander, die sämtlich das eine Argu- ment durchspielten: der ursprünglich untertanenfreundliche und sozial verpflichtete "Rechtsgedanke" werde durch unsachgemäße Auslegung heutzutage verfälscht. Für ihn sind Vorfälle wie in Nürnberg kein Anlaß, zum Gegner des Rechts zu werden - er fühlt sich im Gegenteil verpflichtet, als V e r t e i d i g e r des wirklichen Rechts aufzutreten, das durch solche Rechtssprechung mißachtet sei überflüssig sein Hinweis, er stehe keineswegs auf Seiten der Steinewerfer - KÜCHENHOFF interessiert Höheres: ob dem Rechtsgedanken Gewalt widerfahren ist. Der Sache nach trug er also eine leidenschaftliche Werbung um V e r t r a u e n i n u n s e r e G e s e t z e vor, das man gerade angesichts eines Justizskandals nicht aufgeben dürfe. Da- her ging es im Hörsaal zu wie bei Kaz und Co.: zwar nicht gerade spannend, aber sehr erbaulich. Rechtsanwalt KEMPF aus Nürnberg trug in Form eines regelrechten Plädoyers vor Gericht die inzwi- schen offiziellen Vorwürfe gegen die Nürnberger Staatsanwalt- schaft vor, die Zeugenaussagen zugunsten der KOMM-Angeklagten un- terdrückt hat. Auch KEMPF präsentierte sich also als Liebhaber des Rechts, nicht als Gegner der Justiz, was an der peinlichen Konsequenz seiner "Dokumentation" zu sehen ist, daß bei Wahrung der Verfahrensvorschriften die Verfahrensvorschriften die Verur- teilung der Angeklagten für rechtmäßig befunden werden, also be- fürwortet werden müßte. zurück