Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION TERRORISTEN - Die Gegengewalt der Ohnmacht
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Nicht, daß er etwa mit der "Praxis der Staatssicherheit" in jüng- ster Zeit groß ins Gerede gekommen wäre. Immerhin erfüllt der BRD oberster Staatsschützer Baum seinen Verfassungsauftrag, Staats- feinde zur Strecke zu bringen, so vorbildlich, daß auf den offi- ziellen Fahndungsplakaten schon fast alle Bildchen durchgekreuzt werden konnten: einige zogen sich selbst aus dem Verkehr - dem Rest besorgten es Polizei und Justiz. Juristisch bewältigt wird das "Problem" in zur Routine gewordenen Prozessen, die in der Öf- fentlichkeit kaum noch Beachtung finden: diese widmet der "1. Ge- neration" bereits historische Betrachtungen mit dem bezeichnenden Titel "Aufstieg und Fall der RAF", wobei deren von der Polizei würdevoll ausgerichtetes Begräbnis als letztes spektakuläres Auf- treten seine besondere Würdigung findet. Der Ausbau des Rechtsstaats wider Willen - ------------------------------------------ Angesichts dieser für einen Polizeiminister zweifellos erfreuli- chen Perspektive hält er selbst es wieder einmal für angebracht, sich öffentlichkeitswirksam von Gewissensbissen bezüglich der Ge- setze und Maßnahmen zwacken zu lassen, durch deren Einsatz er und seine Mannschaft das Terrorismusproblem so erfolgreich bewältigt haben. Um herauszufinden, daß er sie im Grunde seines Herzens nicht wollte, brauchte er bis heute - aber für Selbstkritik ist es ja nie zu spät. "Die terroristischen Anschläge... haben eine tiefe Erschütterung ausgelöst.. Auch ich habe mich dem nicht entziehen können... Wir neigen zu Überreaktionen. Wir rufen immer gleich nach neuen Ge- setzen. Wir brauchen mehr Gelassenheit." (Spiegel, 53/79) Zur Demonstration ihrer besonderen Eignung für die schwere Auf- gabe ergänzen die FDP-Innenminister deren Erfüllung seit eh und je mit der Selbstdarstellungsdebatte, ob man trotz bzw. gerade als Liberaler Polizeiminister sein könne. Ließ man sich nach Mo- gadishu gerne als Chef der GSG-9-Truppe ablichten, steht nun wie- der einmal das Gejammer darüber an; ständig wider die einem Libe- ralen besonders am - Herzen liegenden Ideale des Rechts der unan- genehmen Pflicht obliegen zu müssen, die rechtlichen Handhaben des Staates zu erweitern. Als habe er sich jahrelang selbst ver- leugnen müssen, webt Baum an der Legende des harten Strafverfol- gers wider Willen, um gebührend hervorzuheben, daß er - voller Skrupel und umso effektiver - mit dem Ausbau der W e h r h a f t i g k e i t des Rechtsstaats seiner Pflicht nachgekommen ist und tat, was getan werden mußte: "Im Herbst 77, als Reaktion auf den Schleyer-Mord, standen neue Gesetze im Vordergrund, auch der Ausbau des Apparates. Das war bis zu einem gewissen Grad unbestreitbar notwendig." (Spiegel, 53/79) ...und seine liberale Novellierung ---------------------------------- Für notwendig hält der Rechtsstaat nach wie vor u.a. folgende schöne Errungenschaften der Terroristengesetzgebung: die Verhaf- tung von Nichttatverdächtigen "zum Zwecke der Identitätsfeststel- lung" (Paragr. 163 c StPO) und den Verteidigerausschluß in Sachen Staatsschutz (138 b StGB) und Krimineller Vereinigung (Paragr. 129 a StGB). Da Rechtsanwälte, die das Vertrauen der inhaftierten Terroristen genießen und deshalb mit dem schönen Namen "Vertrauensanwälte" für den Staat bereits als Komplicen derselben feststehen, also auch in deren "Nachrichtensystem einbezogen sind", war es seinerzeit ein ganz besonders dringliches G e b o t d e r R e c h t s s t a a t l i c h k e i t, den Kontakt zu den Anwälten ganz rechtmäßig zu verhindern ("Der Nach- teil fehlenden Anwaltsrates ist als unvermeidlich hinzunehmen" - Bundesverfassungsgericht). Nachdem die g e s e l l s c h a f t- l i c h e n A n f o r d e r u n g e n a n d a s R e c h t auf Grund der staatlichen Erledigung der Terroristen Gelassenheit nahelegen, leistet sich Baum als Gebot der Rechtsstaatlichkeit zur Stunde eine Novellierungsdebatte über das Kontaktsperregesetz (wobei die neue Gelassenheit schon darin zum Tragen kommt, daß die Novellierung der innerhalb von wenigen Tagen beschlossenen Gesetze monatelang sorgfältig besprochen wird). "Eine Sperre, die nicht einmal den Kontakt zu einem Anwalt er- laubt, muß wirklich weg. Deshalb haben die Liberalen auch die No- vellierung des Kontaktsperregesetzes gefordert." (Baum, Spiegel, 53/79) Zwar sind - abgesehen vom beabsichtigten Ausschluß jeder Vertei- digung - "konkrete Beeinträchtigung der Verteidigung" während der Kontaktsperre nicht "bekannt" geworden (Regierungserklärung, Frankfurter Rundschau, 4.2.). Um aber dem "berechtigten" Vorwurf einer "möglichen Beeinträchtigung" der Verteidigung durch ihre Verunmöglichung zu begegnen, setzen sich die Liberalen wacker da- für ein, den Terroristen während der Dauer einer solchen Sperre einen Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen. Dies hätte für den Verteidiger obendrein den Vorteil, daß diesem wenigstens die Ju- stiz Vertrauen entgegenbringt, eben weil er das seines Mandanten nicht genießt, um dessen rechtmäßige Isolierung man sich so rüh- rend besorgt zeigt. "Die Hochsicherheitstrakte für Terroristen in den Haftanstalten mußten wohl unter bestimmten Voraussetzungen eingerichtet werden, sind aber im Grunde unmenschlich und können auf die Dauer nicht akzeptiert werden." (FR, 18.1.) Deutschlands Polizeichef profiliert sich unverfroren als beson- ders ehrliche Politikerfigur mit der demokratischen Heuchelei, die von ihm selbst durchgesetzten Brutalitäten nunmehr selbstkri- tisch anzweifeln zu wollen. Der kärglichen Anzahl von Terrori- sten, denen das Kunststück gelang, Fahndung und Strafvollzug bis jetzt zu überleben, bietet er großzügig humanen Strafvollzug und Resozialisierungschance. Auch die "im Grunde" unmenschlichen Trakte sind zwar zu seinem Bedauern - welche Tragik! - zugleich notwendig, gehören solche Subjekte doch schließlich so einge- sperrt, daß sie "weder ausbrechen noch befreit werden können" (Spiegel). Sein innerstes Anliegen jedoch ist es, sie im Normal- vollzug willkommen zu heißen, damit sich der "Wille zur Umkehr" besser entfalten kann, was natürlich voraussetzt, daß der Delin- quent denselben bereits glaubwürdig demonstriert hat. Treuherzig versichert Baum, wie gut es der Staat mit seinen Gegnern meinen würde, könnten diese sich nur entschließen, es gut mit ihm zu meinen, und beschwört die Tugenden der Toleranz und, Solidarität als eigentliche Stärke des Rechtsstaats. "Als Politiker, als Repräsentant des Staates, hat man doch eine besondere Fürsorgepflicht (!) gegenüber Minderheiten... Der Wert von Politik bemißt sich doch auch darin, wie, man mit Minderhei- ten, mit dem einzelnen, der in Not und Schwierigkeiten geraten ist, umgeht." (FR) "Geistige Auseinandersetzung anstatt Straf(rechts)verschärfung" lautet also nun die Devise, ohne auch nur den geringsten Zweifel aufkommen zu lassen, sie sei mehr als eine ideologische Ergänzung zur nach wie vor notwendigen Härte gegenüber den Unverbesserli- chen (die uneigentliche Stärke des Rechtsstaats). "Terrorismus ist keineswegs allein (!) mit Polizeilichen Mitteln zu bekämpfen". (FR) Völlig daneben daher der Angriff der Opposition, die es sich ein weiteres Mal nicht nehmen ließ, Baum als "unerträgliches Sicher- heitsrisiko" zu verunglimpfen und ebenso die Kritik Vogels an seinem Vorstoß. Beide beflügeln wiederum Baum darin, sich einge- denk der linksliberalen Klientel der FDP mit seinen lauten Reformüberlegungen als den allerweitblickendsten Garanten von law and order zu empfehlen, der sich "gerade auch im Hinblick auf die Innere Sicherheit" darum bemüht, "all diesen jungen Bürgern", die "an der Politik" nicht mehr teilnehmen, "Möglichkeiten des Enga- gements" f ü r unseren Staat aufzuzeigen (FR). Schließlich war und ist es immer schon die FDP, die am entschiedensten für die höheren Ideale des Rechtsstaats einsteht. Gesinnungsstrafrecht - Pyrrhussieg der Legalität? ------------------------------------------------- Was könnte sich für die Demonstration der Lauterkeit solcher Ab- sichten besser eignen als kritische Mäkelei an überflüssigen Grundrechtseinschränkungen, zumal solcher der Meinungsfreiheit! Der sachliche Kern: die Paragraphen 88a und 130a StGB stellen praktisch den Zusammenhang von "terroristischen Gewaltakten" und "geistigem Nährboden" her, indem sie die "Propagierung von Ge- walttaten" in Form "theoretischer Abhandlungen", also "extremi- stische Meinungsäußerungen" als Gewaltanwendung gegen den Staat behandeln. "Der Grund der Vorschriften liegt... in der Gefährdung der Allge- meinheit durch die Schaffung eines psychischen Klimas, in dem schwere Gewalttaten gedeihen und nachgeahmt werden." (Regierungs- erklärung) Da sie allerdings "nicht zur wirksamen Bekämpfung kriminellen Unrechts über die oh- nehin im Strafgesetzbuch vorhandenen Möglichkeiten hinausgeführt (...nur ein einziges rechtskräftiges Urteil)... " (FR) haben, schlägt die FDP in ihren "liberalen Thesen zur Stärkung des freiheitlichen Rechtsstaats" vor, sie zu streichen, und auch die SPD beschloß auf ihrem letzten Parteitag, die Korrektur einer solch "übereilten gesetzgeberischen Tat" ins Auge fassen zu wol- len. Recht so: weg mit Bestimmungen, die die Kriminalisierung staatsfeindlicher Gesinnung nicht über "vorhandene Möglichkeiten" hinausführen und deshalb ganz unnötig das schöne Bild des libera- len Rechtsstaats verunzieren. Für die diesbezügliche ideologische Offensive taugen sie allemal noch recht gut; wie bereits ihre Verabschiedung zeigt nun die De- batte um ihre mögliche Abschaffung alle Vorzüge des Rechtsstaats und seiner Repräsentanten im schönsten Licht. An ihrer Spitze hü- tet natürlich Innenminister Baum die Meinungsfreiheit. Schuf man sich im Zuge der Anti-Terror-Maßnahmen mit den beiden Paragraphen die gesetzliche Legitimation, mit den Anarchisten auch gleich al- les widerspenstige Denken aufs Korn zu nehmen, um die Meinungs- freiheit vor ihrem Mißbrauch durch solches zu schützen, entlarvt Baum nunmehr die Gesetze gegen die "Vergiftung des psychischen Klimas" als die eigentlichen Klimavergifter. Sie haben "negativ das geistige Klima und das Vertrauen zum Staat beein- trächtigt...". Gerade die Nicht-Betroffenen nämlich sind betrof- fen: "Die Befürchtung, mit dem Strafrecht in Konflikt zu geraten, ist so groß, daß Paragr. 88a auch außerhalb (!) seines Anwen- dungsbereiches zu einer erheblichen Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit führen könne..." (FR, 18.1.) Der Paragr. 88 also ein Pyrrhussieg, der dem Rechtsstaat mehr schadet als genutzt hat? Nun, die Verluste - zumal die an "Vertrauen in den Staat" - dürften sich in erträglichen Grenzen gehalten haben. Die Baum'sche Kampagne selbst widerlegt (obwohl es dessen wirklich nicht mehr bedarf) jene Kritiker, die da sei- nerzeit meinten, die Terroristengesetze seien ein Ausdruck der Bedrängnis, in die der Staat geraten sei. Mittlerweile kann er es sich leisten, in der Person eines Ministers in dem geistigen Klima der BRD selbst staatsabträgliche Tendenzen zu entdecken, um die Gewichtigkeit seines Anliegens gebührend herauszustreichen. Daß man sich zu diesem Zweck Absurditäten einfallen lassen muß, führt ein von Baums Liberalisierungspropaganda besonders angeta- ner Journalist anschaulich vor. "Man könnte sich sogar vorstellen, daß im Namen des Rechts die Absurdität so weit zu treiben wäre, den Bundesinnenminister selbst unter die Lupe zu nehmen, wenn er mit einem ehemaligen Terroristen diskutiert oder öffentlich über gesellschaftspoliti- sche Motive nachsinnt, die junge Menschen dem Terrorismus zuge- trieben haben könnten." (Süddeutsche Zeitung, 5.2.) So eine Absurdität kann sich allerdings nur ein Schreiber vor- stellen, der seinem Minister zu seiner Liberalität gratulieren möchte, kommt doch die Q u a l i t ä t des liberalen Rechts- staats "in der Art und Weise zum Ausdruck, wie sich dieser Staat mit ab- weichenden Meinungen auseinandersetzt." (SZ) Bei soviel Liberalität kann er es ihm auch kaum verdenken, wenn (womöglich) den "Reformüberlegungen aber auch opportunistische Planspiele der FDP" (SZ) zugrundeliegen: "Womöglich verhält es sich sogar so, daß eine liberale Partei sich mittlerweile wieder öffentliche Zustimmung ausrechnen kann, wenn sie dem Gedanken des freiheitlichen Rechtsstaats den Vorzug gegenüber dem Sicherheitsdenken (!) vergangener Jahre einräumt." (SZ) Und auf die Zustimmung kommt es bei der öffentlichen Bevorzugung von G e d a n k e n ja schließlich an - im Herbst zählt jede Stimme! Erste Erfolge kann Baum jedenfalls bereits in der Szene verbu- chen, deren Feindbild er ins Wanken gebracht hat. Der Frankfurter Sponti-AStA fühlte sich sogar bemüßigt, eigens eine Veranstaltung zu der Frage "Der Staat - ein Softi?" abzuhalten, um sie mit ra- dikalem Nein zu beantworten. Da die verstörten Kontrahenten sich aber weniger für Baums Kampagne als für die "Bedrohung der eige- nen Identität" als Staatsgegner durch diese interessieren - meinten die einen, "wir sind den Anbindungsversuchen des Staates hilflos (!) ausgesetzt", fanden die anderen die "Fadenscheinig- keit dieser Scheinliberalisierung leicht zu durchschauen" (Arbeiterkampf, 28.1.80) -, werden sie wohl schwerlich ausfindig machen, wie ("wahrscheinlich ehrlich") er es meint. zurück