Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION REVIS - Links von der SPD


       zurück

       Marxistische Schulzeitung Bremen, 02.02.1984
       
       Der MSB, die Studentenorganisation der DKP, zum Fall Kießling:
       
       Armer Kießling, böser Wörner, schlampiger MAD, Drahtzieher Rogers
       und das Ende vom Lied:
       

SOUVERÄNITÄT IM ARSCH

Die deutsche Generalität ist wahrscheinlich gar nicht ver- kehrtherum, die deutsche Bundeswehr nicht verkehrt, aber ihr man- gelnder Einfluß auf die militärische Führung der NATO ein Skan- dal. So der Befund eines Untersuchungsausschusses im Fall Kieß- ling, den der MSB eingesetzt hat: "Eine Beteiligung der Betroffenen ist nicht vorgesehen, schließ- lich könnte es ihnen im entscheidenden Moment vielleicht doch an der letzten Entschlossenheit zur Vernichtung ihres Kontinents fehlen. Dieses Restrisiko kann nur durch die Ausschaltung deut- schen Einflusses in der Militärstruktur bei der Vorbereitung des begrenzten Atomkrieges verhindert werden... Nach dieser Affäre kann die Bedeutungslosigkeit deutschen Einflusses auf die militä- rische Führung kaum noch gesteigert werden... Letzte Reste oder Ansätze bundesrepublikanischer Souveränität werden beseitigt." So wird bei uns mitten in der BRD mit den "Betroffenen" aus Gene- ralstab und Kanzleramt umgesprungen: die ganze Wucht deutscher Souveränität haben sie für die Aufstellung der Raketen gegen rus- sische SS20 aufgeboten, nun sollen sie vom Drücker einfach fern- gehalten werden. Da ist doch die ganze Souveränität im Arsch, wenn die deutsche Generalität höchstens das konventionelle Kano- nenfutter ins Feld schicken kann. Dabei ist die menschliche Tragik des Falls unübersehbar. Kießling wie andere Viersterne-Generale haben es auf die "Vernichtung ihres Kontinents" gar nicht abgesehen; alle Pershing-Ziele haben sie hinter dem "Eisernen Vorhang" plaziert. Nicht einmal an "Entschlossenheit" haben sie es fehlen lassen, die "Vorneverteidigung" energisch am Ural beginnen zu lassen. So ei- nig waren sich die NATO-Befehlshaber aller Bündnisstaaten, daß von einem besonderen deutschen Querulantentum des Herrn Kießling gar keine Rede sein kann. Um so gemeiner, daß der arrogante Ro- gers ihn abgeschossen haben soll: "Nichts deutet im übrigen darauf hin, daß der General sich in be- sonderer Weise als Vertreter deutscher oder westeuropäischer In- teressen profiliert hat." Bloß den Knigge hatte er nicht gelesen: "Er sei bei Rogers Eintritt nicht aufgestanden." Und Manfred von der Bundeswehr? Hat er sich wenigstens hinter un- seren deutschen General gestellt? Als hätte es die Friedensbewe- gung nicht geahnt! Statt sich seinen Friedensgeneral warm zu hal- ten und so für die Sicherheit der BRD zu sorgen, treibt er unver- antwortliche Spielchen mit ihm und feuert schließlich ein "Sicherheitsrisiko", das noch nicht einmal erwiesenermaßen schwul ist: "Daß Wörner keinesfalls aus tiefer Sorge um die Sicherheit der Bundesrepublik dieses Spiel mit dem General treibt, sondern aus- schließlich aufgrund des politischen Drucks der US-Führung, wird allein schon daran deutlich, daß Kießling eine mögliche Homose- xualität nicht erst im NATO-Stab entdeckt hätte." Kameradschaft, sonst der befohlene oberste Wert bei der kämpfen- den Truppe, wird von Wörner einfach entehrt: "Wenn Washington befiehlt, kennt Wörner keine Freunde mehr. Er hatte mit Kießling unterm Tannenbaum Weihnachtslieder gesungen, Kießling bereitete in Wörners Stab den Regierungswechsel vor." Ein untadeliger Offizier, maßgeblicher Wegbereiter und Freund von Wörners Rechstruck und nun wird ihm so übel mitgespielt. Und wes- sen Recherchen sind unter Kießlings tadellosem Dienstrock trotz- dem fündig geworden? Natürlich! Unser militärischen Abschirm- dienst, sonst immer auf Zack, wenn deutsche Wehrkraft gegen ihre Zersetzung durch Friedensdemos und russische Verhandlungsangebote geschätzt werden muß, wird schlampig, wenn Rogers pfeift: "Nun ließ Wörner den MAD von der Leine. Als dieser in bester Tra- dition unordentlich recherchierte, mußte die Gerüchteschleuder der Hardthöhe nachhelfen, eine tragikomische Mischung aus Spie- ßermentalität und Denunziation." Das vorläufige Endergebnis des Untersuchungsausschusses ist ge- heime Verschlußsache, liegt aber auch so auf der Hand. Ein wachs- weicher Manfred in Rogers Hand, ein schlampiger MAD, der angeb- lich schwulen Generälen Ehre und Zutritt zum NATO-Hauptquartier abschneidet - da bleibt der Friedensbewegung nichts anderes üb- rig, als für einwandfrei heterosexuellen Einfluß des deutschen Generalstabs auf die Raketendrücker zu kämpfen. Die Sache hat Perspektive: dafür finden sich noch am letzten Stammtisch Bünd- nispartner. zurück