Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION OEKOLOGIE - Reaktionäre Naturphilosophie
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ERNST HAECKEL: GRÜNDER DER ÖKOLOGIE?
Als Gründungsvater der Disziplin findet Ernst Haeckel noch in je-
dem modernen Lehrbuch der Ökologie lobende Erwähnung. Dieser
hatte die Forderung aufgestellt, die "unendlich verwickelten
Wechselbeziehungen" der einzelnen Lebensformen zu untersuchen und
als eigene Abteilung der biologischen Wissenschaft zu etablieren.
Dies in der Absicht, der Theorie Darwins zur Durchsetzung in der
eigenen Wissenschaft zu verhelfen. Haeckel lobt, daß die Ergeb-
nisse Darwins zeigen, wie die Verhältnisse in der Natur "nicht
die vorbedachten Einrichtungen eines planmäßig die Natur bearbei-
tenden Schöpfers", sondern die "nothwendigen Wirkungen der exi-
stierenden Materie" sind. Haeckel war ein Kritiker der Ideologi-
sierung der Natur als einem zweckhaften Sinngebilde, wie er sie
beispielsweise im "Dogma der Species Constanz" vorfand. Insofern
nimmt die Ökologie mit ihrer "Finalisierung" der Natur den alten
Biologen zu unrecht als ihren Ahnvater in Anspruch.
Gleichwohl verabsäumte es Haeckel nicht, die eben noch als Gegen-
einander von Schöpfungsglauben und Wissenschaft dargestellte Kon-
frontation als Unterschied in der Methode des Forschens zu erklä-
ren - und diesen Fehler teilt Haeckel in der Tat mit modernen
Ökologen:
"...das die meisten Zoologen und Botaniker lediglich in der sorg-
fältigen analytischen Beobachtung des Einzelnen, und nicht in der
ebenso wichtigen und nothwendigen synthetischen Betrachtung des
Ganzen ihre Aufgabe finden, so können wir uns gar nicht wundern,
daß der "Kampf ums Dasein" von den meisten entweder gar nicht be-
griffen oder doch nur unvollkommen verstanden wird." (V, 153)
In Wahrheit erzeugt weder die korrekte Analyse eines einzelnen
Organismus eine Ideologie über ihn, noch verhindert die Untersu-
chung der Zusammenhänge zwischen vielen Lebewesen per se das Ent-
stehen falscher = ideologischer Urteile darüber.
Haeckels Erklärung für das notwendige Scheitern seiner wissen-
schaftlichen Kontrahenten rechnet diesen gar nicht ihre gedankli-
chen Schnitzer vor, sondern moniert die Abweichung von der rich-
tigen Methode des Erkennens als Grund für die falschen Ergeb-
nisse. Wie an der Erkenntnismethode allerdings deren Angemessen-
heit an den Untersuchungsgegenstand bestimmt werden soll, wo ihre
Anwendung doch allererst zu richtiger Erkenntnis über diesen
führt, bleibt das unlösbare Rätsel dieses zirkelhaften Gedankens.
Die mittlerweile zum Allgemeingut gebildeter wissenschaftlicher
Zeitgenossen gewordene Entgegensetzung von "analytischer" und
"ganzheitlicher" Methode blamiert sich noch an jedem wirklichen
Erkenntnisfortschritt, den die Biologie in allen ihren Gegen-
standsbereichen machte und macht. Die Vorstellung, man habe in
der Wissenschaft durch immer weitergehende theoretische "Zer-
gliederung" des Gegenstandes, z.B. des menschlichen Organismus,
stets nur "Detailwissen", gerade deshalb aber kein- Wissen über
den gesamten Organismus hervorgebracht, ist schon darin recht
zweifelhaft, daß es ihr nie gelingt, auch nur eine zielgerichtete
Frage bezüglich des bislang immer verfehlten Gegenstandes - des
"Ganzen" - zu formulieren, die nicht an Elementen wirklicher
Erkenntnis über die für unzureichend betrachteten "Teile"
anknüpft. Die Probleme, die hier für wesentlich erachtet und be-
arbeitet werden, worin also dann die Natur tatsächlich als System
samt seiner Funktionsprinzipien zur Sprache kommen soll, sind da-
her einerseits Rückgriffe auf andernorts gemachte Erkenntnisse im
Bereich des Biologischen, führen allerdings in der konsequenten
Vollendung der systemtheoretischen Betrachtungsweise in der
"Ökosystemforschung" nur dahin, den besprochenen Gegenstand sy-
stematisch um den letzten Rest seiner biologischen Existenz zu
bringen.
V: E. Haeckel, in E. Schramm (Hg), Ökologie-Lesebuch
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