Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION OEKOLOGIE - Reaktionäre Naturphilosophie


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       Münchner Hochschulzeitung Nr. 12, 25.06.1980
       
       Lehrstühle stellen sich vor:
       

HABERS ÖKOLOGIE

Zu einer Zeit, da ökologische Gedanken Allgemeingut der öffentli- chen Diskussion geworden sind und in Gestalt der Grünen sich an- schicken, "die Politik unter den Primat der Ökologie zu stellen", sieht auch Prof. HABER die Stunde für gekommen, sich und seinen Lehrstuhl für Landschaftsökologie zumindest der exklusiven TU-Öf- fentlichkeit vorzustellen. Begierig nimmt er die plötzliche Ak- tualität seiner Disziplin als Bestätigung für den "Weitblick der TU", die ihm schon '66 seinen Lehrstuhl eingerichtet hat, um sich gleich daneben mit der gespielten Entrüstung des Naturwissen- schaftlers, der er seinem akademischen Werdegang nach ist - Bio- logie, Chemie und Geographie studiert! - von ihrer populären Tri- vialisierung in den Medien zu distanzieren: "Fast unvorbereitet in das Licht einer Öffentlichkeit gezerrt, die sie mehr als Heilsbringer oder als Störenfried denn als ernsthafte Wissenschaft auffaßt", droht die Ökologie in den gie- rigen Händen der Öffentlichkeit zur ideologischen Hure zu verkom- men. Angesichts dieser Schändung baut sich HABER der der Ökologie seit den Zeiten ihres Mauerblümchendaseins in inniger Liebe zuge- tan ist, als Garant für ihre wissenschaftliche Jungfräulichkeit auf. Sein Metier ist die L a n d s c h a f t s ökologie, und da geht es noch mit rechten Dingen zu! Die HABERsche Wissenschaft hat also gleich zwei Gegenstände, Öko- logie und Landschaft eben, die zudem in einem höchst verzwickten Verhältnis stehen, - "'Landschaft' als geographischer Begriff ist ein ökologisch als einheitlich aufgefaßter Ausschnitt der Er- doberfläche" -, das von "'Landschaft' als geographischem Begriff" nichts mehr übrig läßt. Die geographische Bestimmung eines Trumms Erde ist nämlich seine ökologische, lautet das lakonische Urteil. Aber darum ist das Attribut Landschaft nicht einfach überflüssig. Denn glaubt man der Klage HABERs im folgenden Zitat, geht es in der Landschaft allein schon äußerst kompliziert zu mit allem, was da kreucht und fleucht wächst und gedeiht, so daß erst recht ihre "ökologische Untersuchung" die ganze Kraft eines Geistesriesen in Anspruch nimmt. Mit dem Präfix Landschaft schafft man den Ruch jener Komplexität, unter der wissenschaftliche Seriosität heute nicht mehr zu haben ist: "Mit diesem Inhalt ist die Landschaftsökologie durch eine beinahe entmutigende Komplexität gekennzeichnet. Die ökologische Untersu- chung eines Raumes erfordert die Verarbeitung von Methoden und Ergebnissen mehrerer anderer Disziplinen." Hier führt sich HABER als Durchblicker auf, der sich mutig zum Verständnis der Landschaftsökologie durchgerungen hat, um ihr als K e n n e r der Materie zu bescheinigen, daß sie ungeheuer kom- plex, also letztlich undurchschaubar sei. Und um diesem Wider- spruch einige Plausibilität zu verleihen, führt er die v i e l e n Disziplinen auf, als deren E r g e b n i s s e n sich die Landschaftsökologie gütlich tut. Statt nun froh zu sein, daß er fertige Resultate vorliegen hat und ihm deren Erforschung erspart bleibt, macht er ihre Anzahl zum Argument für die "beinahe (?) entmutigende Komplexität", als ob diese Resultate völlig unbestimmt und darum ohne jeden Zusam- menhang nebeneinander stünden. So stellt sich HABER mit seinem Gerede von der Komplexität hochwissensehaftlich dumm und benutzt die damit selbstgeschaffenen Probleme, um ihnen die ebenso erfun- dene Instanz zu ihrer Lösung beizugesellen, das Ökosystem: "Bei der Komplexität des Faches ist das 'Ökosystem' zum zentralen Begriff geworden. Ein Ökosystem besteht aus Lebewesen, techni- schen Systemen und unbelebten natürlichen Elementen, die unter- einander und mit ihrer Umwelt Energie und Stoffe austauschen und kann sowohl durch einen Urwaldbestand oder einen natürlichen See als auch durch einen Acker oder eine Stadt verkörpert sein. We- sentlich ist wie ein Ökosystem als dauerhaftes Gebilde und in Funktion erhalten wird. Dies geschieht in natürlichen Ökosystemen durch komplizierte, energetisch autarke systemeigene Regelungs- kräfte, in anthropogenen durch äußere Steuerungsmechanismen mit zusätzlichem Energie-Input, dessen Nebenwirkungen gewöhnlich die Ursache von Umweltbelastungen und -(zer)störungen sind." Das Ökosystem vereinfacht die Komplexität enorm, denn es bringt Ordnung ins Chaos des Lebens! Und das geht so: Erst werden die ach so vielen biologischen, chemischen und auch physikalischen Vorgänge, über die in einem natürlichen See z.B. das Leben von Fischen und Pflanzen abläuft, ihrer Spezifik beraubt und in den "Austausch von Energie und Stoffen" verwandelt, wodurch dann von den Lebensvorgängen im Teich nichts mehr übrig bleibt als der Um- stand, daß sie passieren. Und für die b l o ß e E x i s t e n z d e s L e b e n s, auch als Geheimnis des Lebens gehandelt war schon immer der Herrgott zuständig, bloß daß er sich jetzt auch - vorzugsweise für kritische Menschen - in Gestalt eines Ökosystems "verkörpert". Schwierigkeiten mit den Gesetzen der Natur sind also einem Ökosystem unbekannt, vielmehr vollbringt es wahre W u n d e r: Kraft seiner Macht und Herrlichkeit gebietet es über "energetisch autarke Regelungskräfte", die profane Dinge wie Energiezufuhr - also auch die liebe Sonne - nicht nötig haben, um wirksam zu bleiben, sondern ganz aus sich selbst wirken, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen! Gegen einen derart idealen Haushalter in Sachen Energie sehen die Menschen natürlich alt aus, aber schließlich ist er so ideal er- funden worden, damit die "äußeren Steuerungsmechanismen" des Men- schen mit ihrer "zusätzlichen Energiezufuhr" nicht nur als völlig überflüssig dastehen, sondern grade darum das sinnreiche Perpe- tuum Mobile der Natur aus dem empfindlichen Gleichgewicht zu bringen scheinen. Der kleine ökologische Schnitzer, daß zu den "anthropogenen Ökosystemen" die "äußeren Steuerungsmechanismen" wohl dazu gehören, also eher "innere" heißen müßten, darf hier nicht weiter stören, denn er belegt eindrucksvoll das Hauptgebot des Ökosystems, daß sich der Mensch am besten dem weisen Haushalt der Natur unterwirft, statt ihr mit der Verfolgung seiner weltli- chen Zwecke ins Handwerk zu pfuschen. Jetzt endlich hat sich HABER so weit vorgearbeitet, um vom Stand- punkt des autonomen Natursubjekts aus sich der Erdenwürmer anzu- nehmen. Neben dessen Trieb zur Selbsterhaltung nehmen sich die Absichten der Menschen erbärmlich aus, weil sie über das blanke Überleben hinaus auch noch ihren Vorteil verfolgen. Damit ist eine tiefgründige Problematik des Menschen entdeckt, seine land- schaftsökologische: "Mit dem Menschen ist eine besondere landschaftsökologische Pro- blematik verbunden. Er ist einerseits als biologisches Wesen ein Bestandteil der Umweltskomplexe und von ihnen abhängig, anderer- seits als geistig-kulturelles Wesen auch ein Veränderer, Gestal- ter und Beherrscher von Umwelt. Diese beiden Umwelteinstellungen des Menschen, von denen die letztgenannte ihn anzutreiben pflegt, stehen in einem ständigen Konflikt - in dem die Landschaftsökolo- gie ständig vermitteln muß." Wie das bei Menschheits- und ähnlichen Problemen so üblich ist, will ihr tieferer Sinn erst erschlossen sein. Prof. HABER bemüht dazu 2000 Jahre Philosophiegeschichte, Freisinger Primaneraus- gabe: einerseits läßt er "den Menschen als biologisches Muskelpa- ket" - genauer gesagt, Wesen, dumm in der Landschaft rumstehen, während andrerseits ausgerechnet der menschliche Geist auf seinem kulturellen Höhenflug sich als "Veränderer, Gestalter und Beherr- scher von Umwelt" entpuppt. Woher dieses ätherische Geistwesen dann die Muskeln für die "Veränderung usw." nimmt, ist dem Prof. - selbst nicht gerade kräftig von Statur und doch Großes im Sinn - kein Problem, ganz im Gegenteil! Durch die T r e n n u n g des Menschen in zwei Wesenheiten hat er nämlich dessen kon- fliktträchtige P r o b l e m a t i k erfunden: Natur- und Geist, die sich nicht vertragen - warum eigentlich? - wohnen (griechisch; wenn das nichts mit öko- zu tun hat!) in einem Men- schen zusammen, kein Wunder, daß es dauernd kracht. Weil aber Prof. HABER ein guter Mensch ist, dem es auf den schönen Konflikt nur ankommt, damit "die Landschaftsökologie ständig vermitteln muß", ist eine kleine Umbenennung fällig. Nicht am Streit der ewigen Prinzipien Natur und Geist will HABER sich fruchtlos abmü- hen, sondern er gedenkt sich der Moral des Menschen anzunehmen, weshalb die beiden verfeindeten Teil-Wesen nicht als solche, son- dern verwandelt in "Umwelt e i n s t e l l u n g e n des Men- schen" in ihrem unvermeidlichen Konflikt stehen. Ganz egal also, ob ein Sommerfrischler in den Wald bieselt oder ein Chemiekonzern am seine giftigen Abwässer abläßt, beiden mangelt es am richtigen Umwelt b e w u ß t s e i n. Daß jeder von ihnen handfeste Gründe für sein Tun hat, läßt den Ökologen völlig kalt. Für ihn zählt nur eines als Grund: sie füh- ren sich nicht so auf, wie sie seiner Meinung nach sollten, und darum hat die verkorkste Umwelteinstellung wieder zugeschlagen. Derart gleichgültig gegen den Lauf der Welt, wo unschädliche Be- seitigung giftiger Abwässer Kosten verursacht und so die Gewinne schmälert, also deshalb nicht stattfindet, erfindet HABER die falsche Abstraktion der Herrschaft des Menschen über die Natur. Ist so an den zweifelhaften Errungenschaften des Kapitalismus - sogar, daß sich Leute in der Fabrik kaputtschuften, soll ja an ihrer Gier nach den Reichtümern der Erde liegen - die herrsch- süchtige Sau in j e d e m von uns schuld, sieht die Ökologie ihre vornehmste Aufgabe darin, ihr gehörig Mores zu "vermitteln": 'Dabei hilft ihr eine andere Definition der Ökologie als 'Ökonomie der Natur'. Tatsächlich zeichnen sich die ökologischen Prozesse durch einen erstaunlich ökonomischen, d.h. sparsamen und wirkungsvollen Umgang mit den begrenzten Ressourcen aus, der schon über 3 Milliarden Jahre ein beständiges Wachstum des Lebens ermöglicht hat." Die Natur geht hier, wie immer in der Ökologie, mit gutem Bei- spiel voran. Sie denkt verantwortungsbewußt und macht sich, ganz im Gegensatz zum Menschen mit seiner Verschwendungssucht, ein G e w i s s e n aus den "begrenzten Ressourcen" - und darum hat sie das ewige Leben. Statt sich also dauernd von seinen Ansprü- chen treiben zu lassen, soll sich der Mensch die Sparsamkeit der Natur zum Vorbild nehmen und verzichten lernen, damit er auch in Zukunft leben kann. Ganz so, als gäbe es Naturwissenschaft und Technik nicht, wird hier ein m ö g l i c h e r Mangel an Res- sourcen zum Argument - sogar die Sonne soll ja nur noch ein paar Milliarden Jahre scheinen -, jetzt so zu tun, als wären sie alle, und einfach und in Bescheidenheit zu leben. Dieser Ertrag der auf ihre Wissenschaftlichkeit so stolzen Land- schaftsökologie macht sich nun ausnehmend gut als Moral in einer Gesellschaft, in der der Z w a n g z u r B e s c h e i d e n- h e i t dem größeren Teil ihrer Mitglieder als beständiges Loch im Geldbeutel gegenübertritt. So daß sich Prof HABER durchaus an die richtige Adresse wendet mit seinen beredten, aber so gänzlich unökologischen Klage: "Die personelle und räumliche Ausstattung des Lehrstuhls ist völ- lig unzureichend. ... bei den Sachmitteln ein schwerwiegender Engpass ... persönliche Opfer und Risiken ..." Herr Professor, wo bleibt da die Bescheidenheit? zurück