Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION OEKOLOGIE - Reaktionäre Naturphilosophie


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       Buchreport:
       
       Klaus Michael MEYER-ABICH: "Wege zum Frieden mit der Natur"
       

VON DER UMWELT ZUR MITWELT

Mit seinem neuen Buch "Wege zum Frieden mit der Natur. Praktische Naturphilosophie für die Umweltpolitik" ist der Hamburger Senator für Wissenschaft und Forschung seinem Ruf als professoraler Vor- denker der SPD in Sachen Wissenschaft und Umwelt mehr als gerecht geworden. Sein "Plädoyer für ein neues Verhältnis der Industriegesellschaft zur Umwelt" darf für sich in Anspruch nehmen, der bisherigen Um- weltphilosophie durch ihre konsequente Weiterentwicklung einen vorläufigen Höhepunkt aufgesetzt zu haben. Zur richtigen Würdi- gung dieser theoretischen Spitzenleistung ist es deshalb nicht überflüssig, noch einmal an den Ausgangspunkt zu erinnern. Der Gedanke einer Parteinahme für die "Umwelt" war schon von Anfang an nicht zu verwechseln mit einer Suche nach den Gründen für den beklagten rücksichtslosen Umgang mit den natürlichen Lebensbedin- gungen. Aus dem maßlosen Anspruch des Kapitals, das wegen seines Wachs- tums sämtliche Arbeits- und Lebensbedingungen in Gefahren und Schäden verwandelt, wurde vielmehr auf das I d e a l e i n e r N a t u r geschlossen, die als Lebensbedingung taugt, weil und solange sie e r h a l t e n wird. Nicht die Qualität des Um- gangs mit der Natur war und ist Gegenstand der Kritik, sondern das V e r g e h e n a n i h r, das mit Zerstörung gekenn- zeichnet wird. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die abkürzende Benen- nung des Tatbestandes, daß wesentliche Bestandteile der Natur un- brauchbar und der Gesundheit abträglich gemacht worden sind. Al- len Ernstes ergreifen die engagierten Kritiker des Drecks Partei für die "geschädigte Umwelt", setzen die vermißte Brauchbarkeit mit Unversehrtheit gleich und werden darüber zu A n w ä l t e n d e r U m w e l t. Aus deren Erfordernissen, denen sie Stimme verleihen, leiten sie Ge- und Verbote im Umgang mit der Natur ab, und die Maßstäbe des Erlaubten erstehen im ökologischen Denken nicht aus den Bedürfnissen der Leute, die das Kapital mit Dreck überschüttet, sondern aus vorgestellten Notwendigkeiten der Natur selbst, die Achtung verdient. Entsprechend dieser Logik stand von Anfang an d e r M e n s c h - quasi als Gegenstück zur Natur - im Mittelpunkt dieser Philosophie. Auf die Anklagebank kommt diese Gestalt, weil sie keinen Unter- schied aufweist - weder den zwischen Regierenden und Regierten noch den zwischen Betreibern eines Atomkraftwerks und denen, die den Strom bezahlen und die Verstrahlung gratis dazu nehmen müssen und nur die eine Sünde gutzumachen hat: Sie hat sich an den Ge- setzen der "Umwelt" vergangen, indem sie diese schamlos als Mit- tel für sich behandelt. Nur logisch ist es auch, daß diese Philosophie der Selbstbezich- tigung der Gattung "Mensch" Interpretationen und Fortentwicklun- gen erfährt von Leuten, die sich - den Dreck längst hinter sich lassend - nur noch um die darin enthaltene Moral kümmern. So ist es auch nicht verwunderlich, daß ein Mensch wie MEYER-ABICH, der als Senator in Hamburg jede Regierungsentscheidung mitträgt und darauf aufmerkt, daß dem Wachstum des Kapitals durch keinen ein- seitig verstandenen Umweltschutz übergebührlich Schranken aufer- legt werden, daß dieser Mensch in seiner Eigenschaft als "Professor für Naturphilosphie in Essen" sich zum moralischen Oberstaatsanwalt in Sachen Natur macht. In seinem neuesten Wurf hält er beispielsweise folgende Sprach- korrektur für notwendig und angebracht: "Die Menschheit ist mit den Tieren und Pflanzen, mit Erde, Was- ser, Luft und Feuer aus der Naturgeschichte hervorgegangen als eine unter Millionen Gattungen am Baum des Lebens insgesamt. Sie alle und die Elemente der Natur gehören zu der Weit um uns und so auch zu unserer Umwelt, aber eigentlich sind sie nicht nur um uns, sondern m i t uns. Unsere natürliche M i t w e l t ist alles, was von Natur aus mit uns Menschen in der Welt ist. Um dies zu betonen, spreche ich von unserer Mitwelt statt von unse- rer Umwelt." Hier wird mit der Neudefinition der "Umwelt" als "Mitwelt" auch noch das letzte Mißverständnis dahingehend ausgeräumt, daß es sich dabei um so etwas wie die Um-welt des Menschen handeln könnte. MEYER-ABICH betrachtet es geradezu als einen "Krieg" gegen die "Mutter Natur", an sie den Maßstab eigener Interessen anlegen zu wollen. Für den "Frieden" oder wenigstens einen "Waffenstill- stand" mit der Natur stehen dementsprechend ganz andere "Probleme" an, als die eine oder andere "Dreckschleuder" dingfest zu machen. Ganz verliebt in seinen Gedanken, die Natur zum Rechtssubjekt zu erklären, füllt MEYER-ABICH zig- Seiten seines Buches mit erlese- nen Albernheiten wie: "Landschaften, Tiere und Pflanzen, Licht und Wasser können ihre Rechte und Interessen vor Gericht offenbar nicht persönlich ver- treten, sondern bedürfen hierzu eines Stellvertreters." Er möchte ihr den Status eines Rechtssubjekts zukommen lassen, dessen "Eigeninteressen" folgendermaßen zu berücksichtigen sind: "Beim Straßenbau durch einen Wald zum Beispiel wären nicht mehr nur die Verkehrsinteressen" (pfui) "einerseits und die Erholungs- oder Forstinteressen" (2 x pfui) "andererseits gegeneinander ab- zuwägen. Diese menschlichen Interessen müßten vielmehr ihrerseits in ein Verhältnis zu den Eigeninteressen und dem Eigenwert des Waldes gesetzt werden." Diese Eigenwerte und Eigeninteressen, was immer MEYER-ABICH sich darunter vorstellen mag, gilt es gegen "den Menschen" in Schutz zu nehmen, indem der "moderne Rechtsstaat zu einer Rechtsgemein- schaft der Natur festgeschrieben" wird. Für MEYER-ABICH liegt die Wurzel des heutigen Übels klar auf der Hand. Wenn ein Gutteil der "Menschheit" in Sachen Ein- und Auskommen vom Geschäftsinteresse des Kapitals abhängig ist, wenn die Zahl der Frührentner zunimmt und Kleinkinder im Ausstoßbereich von Fabrikschloten an "neuartigen Krankheitsbildern" sterben, dann ist nach MEYER-ABICH eindeutig "der Mensch zum Maß aller Dinge" geworden. Deshalb kommt es hier und heute auf nichts so an, wie der eigenen Ver- gänglichkeit eingedenk zu werden. "Projizieren wir das Erkennen, also ungefähr die jüngsten drei Jahrtausende, auf eine Minute, so gibt es das Universum seit etwa einem Jahrzehnt, die Erde seit etwa einem Jahr, die Menschheit seit einem halben Tag und den Homo sapiens seit einer Viertel- stunde. Für die Neuzeit und die allmähliche Entwicklung von Wis- senschaft und Technik bleiben ungefähr zehn Sekunden, davon zwei für das 20. Jahrhundert. Die Erfindung der Atombombe liegt kaum eine Sekunde zurück. Der Mensch also ist eines von vielen Lebewesen unter dem Himmel, und es gibt ihn im Universum bisher nicht länger als eine Ein- tagsfliege in unserem Leben. Die Verhältnisse dergestalt zurecht- zurücken, daß wir das Menschenleben einmal im Horizont der Natur- geschichte wahrnehmen und nicht umgekehrt, entspricht der Entdec- kung eines sehr mit sich selbst beschäftigten Einzelnen, daß es außer ihm noch weitere vier Milliarden Einzelne gibt, die glei- chermaßen zu berücksichtigen sind und ihre je persönlichen Prio- ritäten haben. Die Konsequenz ist in beiden Fällen eine Relati- vierung der eigenen Bedeutung und eine Veränderung der Metrik. Gemessen am Maß der Welt sind sowohl unsere persönlichen als auch die Menschheitsprobleme wenige unter vielen." Galt früher einmal der Verweis auf Naturerkenntnisse als Polemik gegen die Moral einer gottgewollten Ordnung, so bringt MEYER- ABICH zweihundert Jahre nach der Aufklärung dieses Verhältnis durch die erfurchtseinflößende Auflistung von Zahlenverhältnissen wieder ins rechte Licht: Staub bist du Mensch und zu Staub sollst du zurückkehren. Also, Mensch, gedenke deiner Nichtigkeit ange- sichts der Größe der Natur. Und nicht einmal auf deine Sprache brauchst du dir etwas einzubilden "Es ist für unser" (er meint sein) "Verständnis der Mitwelt sogar von großer Bedeutung, daß nicht nur der Mensch Sprache hat, son- dern daß auch Berge und Bäche, Tiere und Blumen, wenn nicht ein- ander, so doch jedenfalls uns etwas zu sagen haben, wenn" (ja, wenn) "wir darauf hören." Das stammt weder von Tarzan noch von Franz von Assisi, die ja be- kanntlich mit den Viechern plauderten, sondern von einem leibhaf- tigen Professor mit Lehrauftrag und Pensionsanspruch mitten im 20. Jahrhundert. Um die Gesellschaftsfähigkeit solcher Dummheiten braucht sich MEYER-ABICH keine Sorgen zu machen. Schließlich ist er "Professor für Naturphilosophie an der Universität Essen und Wissenschaftssenator der Freien und Hansestadt Hamburg." zurück