Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION LINKE - Vom langen Marsch...


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       Podiumsdiskussion: UdSSR-Reform und Linke hier
       

GORBATSCHOW - DREIFACH GESCHÄTZT

Das festgefügte bundesdeutsche Feindbild vom "Reich des Bösen" hatten kritische Menschen, (Ex-)Linke und Grüne, immer schon als schier unüberwindliches Hindernis dafür ausgemacht, daß sich hierzulande "etwas bewegt". Und statt einer ordentlichen Kritik des herrschenden Antikommunismus konnten sie ihm eine gewisse Be- rechtigung nicht absprechen: War denn die Sowjetunion unter Breschnew nicht tatsächlich ein System, in dem es "bürokratisch" und "sozialimperialistisch", auf jeden Fall recht "dogmatisch", "fremdbestimmt" und wenig "sozialistisch" zuging?! War es deswe- gen nicht zumindest verständlich, daß "die Massen" bei uns sich für den Dienst an der 'Freiheit' - des Privateigentums und der NATO - "entschieden" und "die Linke" nach drüben geschickt ha- ben?! Kein Wunder, daß dieselben Leute angesichts von Gor- batschows Reformprogramm nur eine Frage für spannend halten: "Wie sind die einzelnen Elemente dieser Umgestaltung einzuschätzen?", sprich: "Was bedeutet die Reform in der SU für uns Linke in der BRD?" Um "Perspektiven" abzuwägen, hatten sich GBAL und GAL den Journalisten Jan Busch (Grün-Alternative Liste, Hamburg ), Milan Horazcek (Ex-Tscheche und Grüner) sowie - Gorbatschow macht's möglich, nämlich die "Dogmatiker" von der DKP in den Augen der "Undogmatischen" wieder diskutabel - Ellen Weber vom Bundesvor- stand der DKP als Podiumsteilnehmer geladen und damit genau die richtige Mischung getroffen: verhaltener Optimismus, unerschüt- terlicher Antikommunismus und argumentloses Hurra diskutierten munter zweieinhalb Stunden lang "Quo vadis, Sowjetunion?". Jan Busch konnte guten Gewissens dem sowjetischen Reformprogramm eine gute Zensur erteilen. In seinen Augen führt der oberste Kom- munist im Kreml endlich einen Kampf, den er sich schon immer von ihm gewünscht hat, nämlich einen entschlossenen Versuch zur "Umgestaltung der gesellschaftlichen Grundstruktur, die noch aus den Zeiten des stalinistischen Etatismus stammt". Ja mehr noch: "Das Beste, was Gorbatschow gesagt hat, war, daß sich die heuti- gen sowjetischen Gesellschaftswissenschaften auf dem Stand der 30er Jahre befinden; und die historischen Wissenschaften die wei- ßen Flecken, ich würde sagen, die dunklen Kapitel auf der ge- schichtlichen Landkarte zu bearbeiten haben. Die 'Umgestaltung' ist der erste wirkliche Angriff auf den Stalinismus." Da hat Gor- batschow ja noch einmal Glück gehabt, daß der westdeutsche kriti- sche Beobachter sich entschlossen hat, das Reformprogramm unter dem Motto 'Kampf gegen den Stalinismus' zu interpretieren. Ganz westdeutscher Intellektueller "Ich bin gelernter Historiker" - hält er nämlich die abgeleiteten Entwicklungen in der Sphäre des wissenschaftlichen und kulturellen Überbaus für die eigentlich entscheidenden Kämpfe. Und als Kämpfer gegen den Stalinismus ver- dient Gorbatschow Anerkennung - schließlich gilt Stalin jedem guten Deutschen und Antikommunisten als der Inbegriff alles "Bösen" und Kurzformel für die Vorstellung von der totalitären Natur des Sowjetsystems. Dieses Feindbild qua "glasnost" erfolg- reich dementiert und damit "Chancen für einen Schub für die mar- xistische linke Diskussion in der Bundesrepublik, die in den 70er Jahren zusammengebrochen ist", eröffnet zu haben, macht die So- wjetunion in den Augen eines Ex-Linken vom KB wieder salonfähig, auch wenn er sich damit nicht zufrieden gibt: "Entscheidend ist, ob Gorbatschow's Kurs mit dem Machtmonopol der KPdSU bricht und eine wirkliche politische Repräsentation geschaffen wird." Wenn Gorbatschow jetzt noch an seinem Stuhl sägt und das Entschei- dungsmonopol der Partei mit Petra Kelly und Sacharow teilt, dann wäre die Rehabilitation des "Realen Sozialismus" in den Augen ei- nes Grünen erst so richtig gelungen. Offensichtlich in der Über- zeugung, mit Reform und Person Michail Gorbatschows sei dem Anti- kommunismus das Wasser abgegraben - als ob sich das westdeutsche Feindbild jemals von dem Verhalten der Russen abhängig gemacht hätte und anders zufriedenzustellen wäre denn durch die Selbst- auflösung der KPdSU und ihre Neugründung als CDU/FDP/SPD-Markt- wirtschaftspartei -, hielt Ellen Weber es weder für nötig, die in der hiesigen Öffentlichkeit kursierenden Ideologien darüber, was die Russen angeblich so alles wollen, zu kritisieren, noch über die Gründe aufzuklären, die die KPdSU zu ihrem Umgestaltungspro- jekt bewogen haben. Sie pries lieber gleich argumentlos die So- wjetunion als eine Gesellschaftsformation, "die mit allen Feh- lern, die sie selbst bekennt, dem Kapitalismus eine ganze ge- schichtliche Entwicklungsstufe voraus ist." Solche Phrasen sind natürlich Wasser auf die Mühlen von dummdrei- sten Antikommunisten wie Milan Horazcek. Der läßt sich weder von Gorbatschow noch durch "glasnost" täuschen - schließlich hat er nicht vergessen, was ihm sein "Freund Rudi Dutschke" - Gott hab ihn selig! - mit auf den Weg gab: "Im realen Sozialismus ist al- les real, nur nicht der Sozialismus." Und fertig ist die morali- sche Verurteilung der sowjetischen Verhältnisse, ohne sie zur Kenntnis nehmen und auch nur ein Wort über sie verlieren zu müs- sen - entsprechen sie doch nicht dem eigenen Ideal vom Sozialis- mus, "in dem der Mensch ein selbstbestimmtes Wesen ist." Da nüt- zen den Russen auch die ihnen von Horazcek heuchlerisch zugebil- ligten "erfreulichen Entwicklungen" - "Ich bin der erste, der sich darüber freut." - gar nichts, schließlich kommt es ihm dar- auf an, "daß wir mit der Wahrheit darangehen und nicht zuviel un- ter den Tisch fallen lassen". Und die 'Wahrheit' ist, daß er, Mi- lan, höchstpersönlich einmal Tscheche war, der die "russischen Panzer in Prag" selbst erfahren hat, und vor kurzem als grüner Reisekader und verkleideter "Freiheitskämpfer" in Afghanistan "die Flächenbombardements der Roten Armee 40 Kilometer vor Kabul" mit eigenen Augen gesehen hat. Mit der ganzen angemaßten Autori- tät als eigenhändiges Opfer und authentischer Augenzeuge der 'Verbrechen der Russen' wirbt Horazcek für die westliche Ideolo- gie vom sowjetischen Totalitarismus, der Unterdrückung pur zum politischen Zweck habe. Kaum sieht Horazcek einen russischen Pan- zer oder Flieger, schon 'beweisen' sie ihm die Menschenfeindlich- keit des östlichen Systems - ganz im Unterschied zu freiheitlich- demokratischen Leos und Tornados, die 'wir' ja haben müssen, weil 'den Russen nicht zu trauen ist'. Man sieht, andere 'Argumente' als "Afghanistan" - von den regierenden Antikommunisten vom Schlage eines Reagan oder Kohl tagtäglich wiederholt, um die Ver- handlungswürdigkeit der Sowjetunion in Frage zu stellen - kennt auch ein grüner Antikommunist à la Horazcek nicht. Die anschließende Diskussion hielt, was man sich von den "kompetenten Referenten" versprechen durfte: Jan Busch (zu Ellen Weber): "Früher seid ihr für Breschnew gewe- sen. Jetzt seid ihr für Gorbatschow. Wo bleibt da die Glaubwür- digkeit der DKP?!" Ellen Weber (zu Busch und Horazcek): "Diese Polemik bringt uns nicht weiter. (Busch dazwischen: "Wie ich noch beim KB war, habt ihr gegen uns mit Vorwürfen wie halbfaschistische Kleinbürger po- lemisiert.") Angesichts der über der Menschheit hängenden Gefahr des Atomkrieges müssen wir alle gemeinsam und solidarisch han- deln." Mlilan Horazcek: "CSSR", "Afghanistan"! - und überhaupt hat die DKP die Hessenwahl für Rot-grün vergeigt... Logisch, daß sich der Streit von W e l t a n s c h a u u n g e n, die beliebte Frage betreffend: 'Wer hat die zeitgemäßeste im Lande?', daran ent- scheidet, wem man am besten t r a u e n kann. Das ist dann wie- derum eine Geschmacksfrage. zurück