Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION LINKE - Vom langen Marsch...


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LINKER ANTIFASCHISMUS 1983

Der 30. Januar 1983, 50. Jahrestag der sogenannten "Machtergrei- fung" durch die Nazis, wird nicht nur vom offiziellen Deutschland der Demokraten zum Anlaß für allerlei Gedenkfeierlichkeiten genommen. Auch linke Antifaschisten, vor denen die Offiziellen als "Feinden der Demokratie" warnen, nehmen sich das Datum zu Herzen - und veranstalten diverse Aufklärungskampagnen und Demonstrationen. Worüber und wie da aufgeklärt und wogegen demonstriert wird, das ist schon zum Aus-der-Haut-Fahren. 1. Machen sie etwa Front gegen die knallharte Selbstzufrieden- heit, mit der die Festredner aller demokratischen Parteien als "Kritik an der Naziherrschaft" auftischen, was der Sache nach ausschließlich in der Verachtung des Vorgänger-Staates besteht, der mit seinem haltlosen Ehrgeiz, einen "starken Staat" von 1000jähriger Dauer zu schaffen, so kläglich baden gegangen ist - während "unsere" glorreiche BRD nach innen alles mindestens so fest im (demokratischen) Griff hat und nach außen so unvergleich- lich erfolgreicher agiert, und das alles ohne "barbarische Metho- den"? Kämpfen sie an gegen die Unverfrorenheit, mit der die heu- tigen Herren hypothetisch vor der "Gefahr" warnen, Deutschland könnte erneut in die Hände eines Möchtegern-Politikers vom Schlage Hitlers fallen, der das Land in das "Abenteuer" eines verlorenen Krieges gestürzt hat, - wogegen die moderne NATO-BRD ihren Krieg zehnmal umsichtiger plant und vorbereitet und dafür am 6. März 100% Wählervertrauen verdient? Nichts dergleichen. Im Gegenteil. Linke Antifaschisten beteiligen sich nicht nur in vorderster Front an der allgemeinen Abscheu ausgerechnet vor einem nun an die 40 Jahre überwundenen Staatswesen, also an der Jubelfeier für die heutige Demokratie; sie übertrumpfen sogar jeden Carstens im Besorgtsein um deren ach so gefährdete Stabilität. Inmitten einer Demokratie, die aus ihren Untertanen erfolgreich Reichtum und weltweite Macht herausgepreßt hat, wie es sich ein Nazi-Politiker nicht schöner hätte ausmalen können, wird als e i n z i g e s Argument der Kritik die Sorge laut, d i e s e Ordnung könnte in Schwierigkeiten geraten. Nicht, w a s die Bonner Demokraten ih- ren "Mitbürgern" jeden Tag von neuem zumuten, scheint diese Lin- ken zu stören; von Lohnsenkung über Streichungen im "Sozialen Netz", von Berufsverboten bis hin zur Raketenrüstung - alles wird penibel aufgezählt, nur um den einen Vorbehalt anzubringen: das sei eine "Rechtstendenz" -, die sich eventuell v e r s c h ä r- f e n k ö n n t e, vielleicht sogar bis hin zu einer neuen faschistischen Gefahr... Und d e s h a l b m ü ß t e n alle aufrechten Demokraten wachsam bleiben und den Regierenden auf die Finger schauen, damit alles so bleibt, wie es ist. 2. Denn bei aller linken Zufriedenheit über die Schönheiten der Nachkriegsdemokratie - den einen Verdacht gegen die offizielle Politikerriege will man nach wie vor nicht aufgeben: Ob sie die "Lehren aus der Geschichte" auch wirklich gezogen haben! Dieses alte Märchen, die bundesdeutsche Verfassung sei zu dem Zweck geschrieben worden, um die Gefahr des Faschismus ein für allemal zu verbannen (und nicht dafür, auf dem Boden der von den USA geschaffenen Nachkriegsordnung in Europa einen flotten "Wiederaufbau" kapitalistischer Reichtumsproduktion sicherzustel- len), wird so fest geglaubt, daß man sich allen Ernstes daran- macht, die bundesdeutsche Wirklichkeit in demokratische Errungen- schaften einerseits, "zahlreiche Verletzungen, Beugungen und Ver- stümmelungen der demokratischen Verfassung" andererseits zu sor- tieren. (Blätter für deutsche und internationale Politik, 1/83, S. 1). Ein Glaube, um dessentwillen man als linker Theoretiker zu der folgenden Irrsinnslogik fähig ist: einerseits l o b t man die BRD und ihr Kapital für die Abkehr vom Faschismus "Als ver- gleichsweise effektivste Methode großkapitalistischer Herr- schaftsausübung hat sich die bürgerlich-demokratische Republik erwiesen" (2) - (und als Lob ist das, so verrückt es klingt, ge- meint: 1. weil demokratisch = 2. weil nicht faschistisch!); ande- rerseits, und im gleichen Atemzug, tadelt man das demokratische Verbot einer "Grundsatzkritik an den nach 1945 restaurierten Macht- und Eigentumsverhältnissen" (also am Kapital) als verhäng- nisvolle Inkonsequenz im Aufbau genuin demokratischer Verhält- nisse (mit der Folge einer weiterbestehenden faschistischen Ge- fahr). So wenig die revisionistische Linke leugnen kann, daß gerade un- ter demokratischer Herrschaft das Kapital wächst und gedeiht, so sehr hält sie an ihrer idealistischen Einbildung fest, Demokratie sei so etwas wie ein Auftrag der Geschichte, den Kapitalismus im Namen des Volkes einzudämmen, wenn nicht zu überwinden. 3. Zumal ja d i e "Lehre aus dem Faschismus" (als deren "staatgewordene Verkörperung" man sich die Demokratie idealiter zurechtlegt!) für linke Antifaschisten darin besteht, daß es sich bei ihm um nichts anderes handelt, als um eine böse Machenschaft des "Monopolkapitals", das "in der Krise" die Tendenz haben soll, auf totale Unterdrückung nach innen und Aggression nach außen zu setzen. Diese Kritik am Kapital, daß ihm die volle Schuld am Na- zi-Terror anzulasten ist (daß das Kapital zum Faschismus führen kann, scheint d e r linke Einwand gegen es zu sein; die Ausbeu- tung des Proletariats ist wohl zu normal?), ist nicht nur eine alberne Potenzierung der bürgerlichen Verschwörungstheorie zum Nationalsozialismus: nicht nur soll die Hitler-Mannschaft den ehrlichen Gehorsam eines ganzen Volkes "mißbraucht" und harmlose Leute zu allen möglichen Untaten "verführt" haben - Hitler samt seinen Schergen soll selbst nur williges "Instrument" einer groß- angelegten Intrige kapitalistischer "Hintermänner" gewesen sein! Trostlos ist vor allem die Kernbotschaft solcher Faschismus-Theo- rie: der Staat, die gewaltsame Klammer der Klassengegensätze, ebenso wie die positive Unterwerfungshaltung der arbeitenden und arbeitslosen Untertanen dieser Gewalt, ihr Nationalismus, beides wird mindestens ebensosehr aus der Schußlinie herausgenommen wie in der offiziell-demokratischen Geschichtsklitterung. Erstens wird mit der 'Entlarvung', die Chefs von IG Farben oder sonstiger Konzerne hätten Hitler für ihre Weltmachts- und Eroberungspläne benutzt und ihm entsprechende Orders erteilt (n i c h t die Größe D e u t s c h l a n d s, sondern die der K o n z e r n e soll also auf der Tagesordnung gestanden haben), der fromme Kin- derglaube in die an sich guten Anliegen der Staatsmacht hochge- halten, die nur deshalb nicht zum Zuge kommen, weil das böse Ka- pital sich ihrer bemächtigt (ähnlich die Logik der Friedensbewe- gung, die sämtliche Aufrüstungsmaßnahmen nicht den Politikern, sondern der Rüstungswirtschaft anlastet). Die antifaschistischen Linken sind eben so unverbrüchliche Anhänger der nationalisti- schen Idee einer Frieden und Wohlfahrt stiftenden Politik, daß sie den Begriff der bürgerlichen Staatsgewalt nicht wahrhaben wollen: daß sie als Grundlage und Garant i h r e r kapitalisti- schen Ökonomie d e r e n Ansprüche nach innen wie nach außen auch s o u v e r ä n festlegt und durchsetzt. Für den faschi- stischen Staat hieß das damals, einen Eroberungskrieg zu insze- nieren, um aus dem weltpolitischen Hintertreffen gegenüber den damaligen imperialistischen Konkurrenznationen herauszukommen. Dafür wurde das Volk in die Pflicht genommen und dafür wurde auch die Wirtschaft in Anspruch genommen - für ersteres bedeutete das der Natur der Sache gemäß nichts als harte Arbeit zu minimalen Existenzbedingungen und ganz viel Gehorsam, für letztere sprangen bis zur Niederlage garantierte Profite heraus, wofür die staatli- che Abschaffung einiger Freiheiten kapitalistischen Geschäftsge- barens in Kauf genommen wurde. Aber so darf man es ja als linker Staatstheoretiker nicht sehen: weil man auf den kapitalistischen S t a a t nichts kommen lassen will, konstruiert man lieber die Legende, er müsse vom Kapital als "bloßes Werkzeug" mißbraucht worden sein - anderenfalls wären Terror und Krieg nicht erklär- bar. 4. Und was die Mehrheit des "deutschen Volkskörpers" angeht, ohne die kein Nazi-Staat (geschweige denn die IG Farben) einen Krieg hätte planen und führen können: deren Tugendhaftigkeit als treu- brav-gehorsame Untertanen läßt ein Linker, der beständig die ver- wunderte Frage stellt: "Wie konnte es dazu kommen?", erst recht nicht anschwärzen. Daß auch Arbeitern die Nazi-Agitation vom "Deutschland erwache!" - sehr zu ihrem Schaden - eingeleuchtet hat, weil sie - wie es auch heute noch Unsitte ist - die Staats- gewalt für eine Schicksalsgemeinschaft hielten, der man die Ge- folgschaft nicht versagen darf, interpretieren sie als "Verführung" durch "hinterhältige Demagogie", die sich betrügeri- scherweise "pseudo-sozialistischer" Parolen bedient hätte, auf die in Not geratene Leute - verständlicherweise - hereinfallen mußten. Deutlich wird an einer solchen 'Erklärung' der Massenge- folgschaft für die Nazis nur das eine: daß für diese Linken die Ankündigung des Hitlerschen Staatsprogramms - "Arbeit und Brot" - wie ein "sozialistisches Versprechen" klingt. Als ob es für einen arbeitslos Gemachten das Allerselbstverständlichste auf der Welt sein müßte, für die Indienstnahme in staatliche Fronarbeit und die Erlaubnis, nicht verhungern zu müssen, dankbar zu sein. D a s hat Hitler nämlich "versprochen" und das hat er auch ge- halten. "Verführen" läßt sich zu s o e t w a s nur jemand, dem der Fehler eines nationalistischen Gehorsams selbstverständlich geworden ist. Und den wollen Antifaschisten noch nicht mal dort sehen, wo er von den Faschisten schnörkellos eingeklagt wurde - das war dann nämlich in ihren Augen ein heimtückischer "Appell an eines der edelsten Gefühle, die Vaterlandsliebe"... 5. Und wie sieht die "Lehre aus dem Faschismus", die ehrliche An- tifaschisten für hier und heute ziehen, konkret aus? Sollen etwa Thyssen und AEG beseitigt werden, damit die latente Gefahr einer Wiederholung der "Katastrophe" endlich vom Tisch ist und Kohl/Vogel/Mies ungestört am Wohl der Nation arbeiten können? Aber nein - die braucht man im Moment noch, weil sie ja Ar- beitsplätze schaffen sollen. Man muß als Linker vor allem Obacht geben, ob unsere Politiker auch wirklich alles tun, um "Rechtstendenzen" einzudämmen. Und die sieht man heute zunächst bei den Untertanen gegeben, die neuerdings wieder, wenigstens vereinzelt, zu "Hakenkreuzschmierereien, Türkenwitzen und Antise- mitismus" neigen; was aber komischerweise diesmal weniger mit "Verführung" von oben, sondern mit zu großer Laxheit der staatli- chen Zuständigen zu tun haben soll. Das verweist umgekehrt aller- dings auch wieder auf "Rechtstendenzen" in der Politik selbst, als die man die "Bonner Wende" gern interpretiert, weil man so die SPD (ganz jenseits des sachlichen Gehalts von deren "Krisenpolitik") plötzlich ins Lager der Linken einordnen kann, das dadurch erfreulicherweise ungemein an Gewicht gewonnen hat. Das ist auch gut so, wenngleich man am liebsten auch noch die "Rechten" ins linke Lager aufnähme: denn die Hauptgefahr in Sa- chen Faschismus geht derzeit - so soll man es sehen - nicht von unserer BRD aus. Die ist nämlich nur "Abschußrampe" und "nukleare Geisel" der USA, die mit ihrer Kriegsvorbereitung gegen die SU (als ob dergleichen g e g e n die nationalen Interessen der im- perialistische BRD verstieße, die fleißig mit-vorbereitet), "gewissermaßen jene weltpolitische Funktion übernommen (haben), die in den 30er und 40er Jahren den Hitlerfaschismus kennzeich- nete". (4) Was ist also d i e linke Lehre aus der unseligen Vergangen- heit? Das V a t e r l a n d ist schon einmal fast über den Jor- dan gegangen, d a s darf nie wieder passieren! "Die Geschichte wiederholt sich nicht: diesmal gäbe es kein 'danach', keinen 'Wiederaufbau' für die Deutschen. Diesmal wäre die 'Endlösung' wirklich total... Nur wenn alle verantwortungsbewußten politi- schen Kräfte, bei allen sonstigen Meinungsverschiedenheiten, in dieser Frage zusammenwirken..." (4/5). Tja, ein Linker kennt 1983 angesichts solcher Perspektiven nur noch zwei Sorten Mensch - den anständigen und den unanständigen Deutschen. Rettet das Vater- land! Dafür gehen diese antifaschistischen Wahnsinnsknaben der- zeit demonstrieren. *** Drei Blüten der antifaschistischen Vaterlands-Linken ---------------------------------------------------- "Obwohl das Projekt 'Autobahnbau' propagandistiseh eine so große Wirkung hatte, daß es noch heute für viele einen wichtigen Be- standteil des Hitler-Bildes ausmacht, war die Beschäftigungswir- kung keineswegs so eindrucksvoll: Ende 1934 wurden im Rahmen des Projekts etwa 100.000 Arbeitskräfte beschäftigt, eine angesichts der Arbeitslosenzahl von 6 Mio. keineswegs imposante Zahl." (42) Da hat man den heutigen Bewunderern der Aufbauleistungen Hitlers fürs Vaterland aber kräftig eins gegeben! Was ein Glück, daß Hit- ler nicht mehr Arbeitslose auf die Autobahn geschickt hat, sonst müßte man ihnen ja glatt recht geben! "Ohne die deutschen Widerstandskämpfer, ohne ihren Kampf und ihre Opfer, ohne dieses 'andere Deutschland' hätte es die Rückkehr un- seres Volkes in die Familie der Völker nicht gegeben. Eine Iden- tifizierung mit der deutschen Geschichte dieser Jahre ermöglicht nur der antifaschistiche Widerstand." (40) Gottseidank gab's Widerständler, sonst könnte man sich als deut- scher Nationalist nicht mit der Geschichte seinens Vaterlands eins fühlen! "Die Kommunistische Partei war die einzige, die sich offen gegen die Verfolgung der Jüdischen Bürger aussprach"; und zwar "erhebt die KPD ihre Stimme gegen die Judenprogrome Hitlers, die vor der gesamten Menschheit die Ehre Deutschlands mit tiefer Schmach be- deckt haben." (Erklärung des ZK der KPD vom November 1938) (35) Wenn das kein Nazi-Terror war, die Ehre des Vaterlands dermaßen in den Schmutz zu ziehen! (alle Zitate aus: Blätter für deutsche und internationale Poli- tik, 1/83) zurück