Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION LINKE - Vom langen Marsch...
zurück Bremer Hochschulzeitung Nr. 6, 27.11.79BAHRO LIVE IN GW II
Raunen im Seminar von Prof. W. EICHWEDE. Rudolf BAHRO, der Autor der "Alternative", die zu besprechen man hier zusammengekommen ist, weilt mitten unter ihnen und bietet den Schlüssel zu seinem Werk und nicht nur zu ihm: "Man darf es nicht ökonomistisch sehen. Dies ist Weltgeschichte, die Industrialisierung als notwendiges Resultat der Gattung Mensch." So geht Historischer Materialismus heute: eine Geheimwissenschaft vom Fortschrittsprinzip der Menschheit. Was immer, in Ost und West, heute und gestern mit ihr angestellt wurde, es ist ein Stück Geschichte, das nicht erklärt, sondern interpretiert sein will. Und zwar als Ausdruck eines Prinzips, das BAHRO "Industrialisierung" nennt. Wohin er auch blickt, der unschein- bare Weltgeist, gekleidet in die jüngsten Produkte östlicher In- dustrialisierung, Plaste und Elaste aus Schkopau, überall ent- deckt er das Wirken seiner Idee: "Waren nicht schon die Pyramiden akkumulierte Mehrarbeit?" Warum sollten sie es gewesen sein? Daß Pharaonen die ihnen unter- gebenen Arbeitstiere dazu gezwungen haben, statt für ihre Repro- duktion zu arbeiten, Monumente für die Herrschaft und deren Über- fluß aufzutürmen, ist hier nicht gemeint. Ein Geschichtsmaterialist sieht hier gesellschaftlichen Fleiß am Werke. Massen, also die Gattung, häufen nicht Steine auf, sondern schaffen einen Ausdruck für das welthistorische Prinzip, das Bahro dem Kapitalismus abgelauscht hat. Andererseits stellt sich die Frage, warum es dann so lange gedauert hat, bis die Ge- schichte endgültig zu sich fand: "Mir ist bis heute rätselhaft, warum nicht schon in Griechenland sich die Industrialisierung durchgesetzt hat." Klar, die Mehrwertproduktion einmal zu d e r Entwicklung ge- sellschaftlicher Produktivkräfte erklärt, war in Griechenland ei- gentlich schon alles da. Produktivkräfte gab es, und gesell- schaftlich war die Sklavenhalterei und Tagelohnarbeit zweifellos. Schon ist die griechische Gesellschaft ein Geheimnis: Das Werden, das Werden, unergründlich sind manchmal seine Wege. Jedoch ist es, und daran muß man sich halten, auch und gerade, wenn zum Histomat natürlich die "emanzipatorische Alternative" gehört "Wir müssen uns fragen, inwieweit wir uns gegen die kapitalisti- sche Zivilisation zu Wehr setzen können." Eine Frage, die der Gattungsmensch an s i c h stellen muß, weil "... e s nicht immer so weitergehen kann" und sich die Weltidee nicht ändern kann, weil sie - wie gesagt - das Prinzip der Ge- schichte ist. Womit aus den Zerstörungen, die das Kapital mit seiner Industrie an Mensch und Natur anrichtet, und denen östli- che Staaten nicht schnell genug gleiches entgegensetzen können, die Notwendigkeit einer Menschenveränderung geschlossen wäre. (über die sich BAHRO schon angeregt mit einem "führenden SPD-Mit- glied "es war nicht Brandt" unterhalten hat). Damit ist auch das Rätsel gelöst, warum dieser Materialist sich scheut, "ökonomistisch" zu sein, hält er es doch für das dräuende Übel der Gegenwart, daß die Menschen etwas von der Ökonomie haben wollen. "Die materiellen Bedingungen für den Sozialismus sind längst ent- wickelt und es wäre längst die Chance dagewesen, auf einem nied- rigen Niveau der Ansprüche die wahre Befreiung der Menschheit zu erreichen, anstatt daß die Ansprüche die Industrialisierung immer weiter treiben." zurück