Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION LINKE - Vom langen Marsch...
zurück Ein paar kritische Fragen an die Demonstranten"GEGEN DAS FEIERN"
Na klar: Es gibt mehr als genug Gründe zum Protest gegen die of- fizielle Feier der "deutschen Wiedervereinigung" und dagegen, w a s da gefeiert wird. Der Kanzler und alle Staatsdemokraten wissen schon, warum sie guter Dinge sind: Im "Herzen Europas" ha- ben sie "den Kalten Krieg gewonnen", regieren sie mehr Land und Leute, eine größere Sphäre souveräner deutscher Macht mit neuen, von Bonn bereits abhängigen "Nachbarschaften", mehr Resourcen für kapitalistisches Weltmarktgeschäft und nationales Wachstum, kurz: eine europäische Hegemonialmacht mit weltweitem Einfluß. Gegen dieses nationale Feiern wird heute demonstriert. Die Demo- Initiatoren sind gegen das neue Großdeutschland, seine auswärti- gen Ambitionen und inneren Zustände. Bloß: Wieso besteht denn dann das Hauptmotto dieser Demonstration ausgerechnet in einer E r i n n e r u n g an die Taten einer v e r g a n g e n e n deutschen Herrschaft?! Wieso soll der Ver- weis auf Hitlers Judenverfolgung eigentlich so ein zündendes Ar- gument gegen die heutigen Taten von Helmut Kohl und Willy Brandt sein? Was trägt ein poetisch verschlüsselter Text über die Exi- stenz von KZs im 3.Reich auf dem Demo-Aufruf bei zur Aufklärung über den imperialistischen Charakter der BRD der 90er Jahre? Das klingt ja geradezu so, als wären die guten Gründe zur Gegner- schaft gegen d i e s e n Laden gar nicht so recht an ihm s e l b e r aufzufinden, sondern eigentlich erst zu haben, wenn man ihn in eine schlimme "Tradition" stellt, von der "d i e Deutschen" - wegen eines Volkscharakters? - besessen sein sollen. Fehlen den Demo-Aufrufern am Ende wirklich die Einwände gegen den offiziellen bundesdeutschen "Genscherismus", der immer so noto- risch z i v i l und f r i e d l i c h daherkommt? Ist ihnen entgangen, daß die deutschen Machthaber mit ihren Kol- legen auswärts nicht zuletzt deswegen so viele friedliche "Freundschaften" pflegen, weil der ach so zivile "Exportweltmei- ster" BRD auch in puncto Waffen, den Hauptmitteln jeder staatli- chen Souveränität, längst eine erstklassige Adresse ist? Daß das Wort des deutschen Außenministers anderenorts bloß deshalb Ge- wicht hat, weil die reizende BRD mit den Mitteln von Geschäft und Gewalt, die von deutschem Boden ausgehen, höchst erfolgreich A b h ä n g i g k e i t e n bei auswärtigen Machthabern gestif- tet hat? Daß die deutsche Außenpolitik, seit die Annexion der DDR dank Gorbatschow zur realen "Option" geworden war, deswegen im- merzu als die schiere B e s c h w i c h t i g u n g der macht- politischen Bedenken ihrer Konkurrenten in der Staatenwelt auf- tritt, weil Großdeutschland die Machtverhältnisse zu seinen Gun- sten revidiert. Daß die weltpolitischen Konkurrenten ihrerseits ihre Machtmittel sichten und sich dann mit der neuen Weltmacht lieber gutstellen? Daß es die BRD-Politiker somit auch noch als einen Ruf der UNO nach selbstloser deutscher "Verantwortung" ver- kaufen können, wenn i h n e n ihr jetziger m i l i t ä r i- s c h e r Status viel zu gering vorkommt für den "wirtschaft- lichen und politischen Riesen" und sie ihre Bundeswehr auf echte Einsätze in echten deutschen Auswärtsspielen zwecks Weltordnung vorbereiten? Das sind doch wohl gute Gründe zuhauf zum Protest gegen Kohl, Brandt und Konsorten, ohne daß dafür - als stünde man nur mit Genscher unter Beweisnot! - Adolf Hitler bemüht werden müßte, dessen Methoden seine Bonner Nachfolger gar nicht n ö t i g ha- ben! Anders gesagt: Der Demo-Aufruf mit seiner Propaganda der Gleich- setzung von Nazi-Deutschland und dem Großdeutschland der 90er Jahre macht sich u n g l a u b w ü r d i g, wenn die Kohls und Genschers darauf deuten können, daß i h r e Mittel in Sachen deutsche Weltmacht sich von den damals angewandten unterscheiden! Beispiel 1: Deutscher Imperialismus = "Germanisierung Osteuropas"? Stimmt das denn: "Daimler Benz und Deutsche Bank ernten heute auf dem Boden, den sie vor 50 Jahren mit Panzern und Kanonen bestellen ließen." Diese Kritik ist unglaubhaft: Die Walesas und andere Regierende Osteuropas betteln um das Kapital von Daimler und den Kredit der Deutschen Bank, und dafür sind nicht Panzer gefahren. Dafür ist Willy Brandt auf die Knie gefallen, und im Gefolge haben deutsche Osthändler und Kreditgeber den osteuropäischen Nationenlenkern beigebracht, daß man entweder DM verdienen muß oder pleite ist. Millionen arbeitslose Ex-DDRler sehen sich nicht überrollt, son- dern vernachlässigt und betteln, daß westdeutsches Kapital kommt und sie "beschäftigt", nachdem, nein, nicht deutsche Kanonen, sondern Deutsche Mark und deutsche Geschäftsleute die VEB und LPG ruiniert haben, während die Panzer und Kanonen der Bundeswehr erst n a c h Gorbatschows Ja nachziehen. Wollen die Demo-Aufrufer ihre Ohnmacht bekunden, d a r i n deutschen Imperialismus zu bemerken und zu kritisieren? Müssen sie auf Hitlers k r i e g e r i s c h e "Germanisierung" zu- rückgreifen, weil sie an Kohls ziviler Ausbreitung "Deutschlands in Europa" einfach keine anzuprangernde imperialistische Gewalt entdecken? Dann ist ihre Kritik spätestens im Eimer, wenn zu den Fakten neudeutscher M a c h t die Redenschreiber von Gor- batschow und Weizsäcker auch noch die schönen W o r t e vom "europäischen Haus" und der "deutschen Hilfe" nachliefern. Dabei ist die Wahrheit ein wenig anders: Der Imperialismus Marke BRD braucht nicht die Waffen s p r e c h e n zu lassen, weil die Machthaber in den Ländern des "realen Sozialismus" s e l b e r seit Gorbatschows Perestroika ihr System für hoff- nungslos u n t e r l e g e n ansehen; unterlegen in der heißen Frage, wie eine Staatsgewalt aus der von ihr verwalteten Gesell- schaft verläßlich wachsenden, in "echtem" Geld gemessenen Reich- tum zieht. In d i e s e r Disziplin hält man im Ex-Ostblock in- zwischen die "soziale Marktwirtschaft" für unschlagbar, rühmt die BRD als gelungenstes Exemplar und ö f f n e t freiwillig den eigenen Laden der DM, dem kapitalistischen Geschäft und der dazu- gehörigen staatlichen Aufsicht des Westens. Daß diese Öffnung, ehemals K r i e g s ziel der NATO, glatt ohne Krieg zu haben war, verdanken die NATO-Machthaber freilich gar nicht zuletzt der Nachhilfe in Sachen "Sprache der Gewalt", die sie den endlich "lernwilligen" neuen Denkern im Kreml mit 40 Jahren Auf-, Wett- und Totrüsten verabreicht haben. Diese Sorte "Abschreckung", die ständig den Weltkrieg vorbereitet, hat zuguterletzt das ihre dazu beigetragen, das Wegwerfen des realsozialistischen Systems durch seine Vorsteher heute "unumkehrbar" zu machen. Und speziell die BRD wußte und weiß, warum sie die NATO-Gewalt für deutsche Souve- ränität unverzichtbar hält, nämlich um das revanchistische Staatsziel der BRD, die Eingemeindung der DDR, vom Wunsch zur Wirklichkeit zu bringen. Freilich, wer so den wirklichen Erfolgsweg des deutschen Imperia- lismus kritisiert, der kann sich nicht der Illusion hingeben, mit seiner Kritik so etwas wie die Speerspitze aller europäischen Völker zu sein, die angeblich die Angst vor Deutschland eint. Diese Vorstellung aber scheint den Demo-Aufrufern allzusehr zu gefallen: Sich ihre Demo als so etwas wie den Auftakt zu einer neuen Anti-Hitler-Koalition einbilden zu können: "Sicherheitsinteressen und Souveränitätsrechte anderer Völker werden vom neuen Deutschen Reich faktisch verhöhnt..." Friedens- fähig" wird dieses Deutschland nicht sein. Erst wenn ihm "morgen die ganze Welt!" gehört, wird sein Expansionsdurst gestillt sein." "Gegen dieses Deuschland... wird sich internationaler Widerstand entwickeln, zu dessen Zusammenführung und Stärkung wir beitragen wollen." Seit wann sind die "Völker" die Subjekte zwischenstaatlicher Aus- einandersetzungen um Souveränität und Sicherheit? So etwas ist immer noch alleinige Sache der Staatsgewalten, die für solche auswärtigen Affairen ihre Völker als M a n ö v r i e r m a s s e einspannen. Und wem möchten die Demonstranten da das Wort reden? Etwa dem neuen katholischen Polen, das sein Volk verarmt, um sich nicht zuletzt für deutsches Kapital attraktiv zu machen? Oder Frankreich, das am Golf jahrelang als Waffenhändler mit der BRD konkurriert hat und jetzt darum wetteifert, imperialistische Ord- nungsmacht zu sein? Beispiel 2: Deutscher Nationalismus = "Antisemitismus und Rassismus"? Stimmt das denn: "In der Tradition der NS-Gesetzgebeung erließ die Bundesregierung Gesetze gegen EinwanderInnen." Ohne Zweifel, die Bonner Gebieter über mehr d e u t s c h e s Volk, dem sie mit ihrer d e u t s c h e n Macht keine Alterna- tive lassen, als Deutschland zu dienen, sortieren die nur bedingt ihrer Hoheit unterstehenden Ausländer auf ihrem Territorium neu - aber nach R a s s e wie Hitler? Ist nicht I s r a e l s Bot- schafter in Bonn nach wie vor erste Adresse für deutsche Naho- steinmischung und Waffenlieferung? Hat nicht Kohl unlängst den Verbleib a m e r i k a n i s c h e r NATO-Truppen als Essential deutscher Souveränität der SU abgehandelt? Sind Geschäftsleute a l l e r Länder und Hautfarben nicht umworbene Investoren in deutsches Wachstum? Bleibt es nicht der Rechnung der Kapitalisten überlassen, ob sie Wessis, Ossis oder T ü r k e n ans Band stellen oder arbeitslos machen? Andererseits sichert das neue Ausländerrecht: n i c h t g e b r a u c h t e Gastarbeiter fliegen schneller raus, ebenso Kurden, die "unseren" NATO-Partner Türkei k r i t i s i e r e n, auch Polen als "W i r t- s c h a f t s a s y l a n t e n", weil sie als Kronzeugen gegens "kommunistische Völkergefängnis" mit diesem ausgedient haben. S o b e r e c h n e n d sortieren die regierenden Nationalisten der deutschen Welt(wirtschafts)macht Ausländer auf ihrem Territo- rium, sehr i n t e r nationalistisch u n d streng nach deut- schem I n t e r e s s e statt nach d e u t s c h e r R a s s e. D a r i n wollen die Demo-Aufrufer den deutschen Nationalismus nicht dingfest machen. Die w i r k l i c h e "Flüchtlings- politik" des n e u e n Deutschlands, die übrigens nicht mit der Abschieberei, sondern mit der P r o d u k t i o n wandernder Elendsgestalten z.B. in Osteuropa durch die tatkräftige deutsche Beihilfe zur Demontage der ehemals realsozialistischen Produk- tions- und Versorgungsverhältnisse beginnt, bringt sie weniger in Rage und auf die Straße. Sie deuten lieber auf die paar Hundert Neonazis im deutschen Fußvolk, denen das I n t e r nationali- stische am heutigen d e u t s c h e n Welterfolg wie ein Wider- spruch zum Programm Großdeutschland vorkommt, um vor der angeblichen bösen "Tradition" d e s "häßlichen" Deutschen zu warnen. "Gegen das Vergessen" --------------------- wollen sie demonstrieren. Sie halten offenbar die Berufung auf den offiziellen Antifaschismus für etwas, das ihr Anliegen wuch- tiger und ihre Reihen - zumindest im Geiste - breiter macht. Vor- sicht! W a s soll denn nicht vergessen werden? - D i e v e r l o g e n e BRD-Staatsideologie vom "unfaßbaren Vorgang" der Judenverfolgung, vom deutschen "Sündenfall" des "Überfalls" auf andere Staaten, vom "Mißbrauch" der "Opferbe- reitschaft des deutschen Volkes"? D i e w o h l f e i l e Gründungsideologie der BRD von "Schuld, Trauer und Wiedergutmachung", die seit 1945 nicht nur dafür einsteht, daß im Vergleich zu Hitlers KZ's alle BRD-Zustände harmlos zu erscheinen haben, sondern die auch jede politische Tat des neuen Deutsch- lands als Lehre aus "Weimar" oder "Auschwitz" heiligt? Keine Angst, diesen Persilschein vergißt weder ein Weizsäcker noch ein Kohl, der erst neulich mit diesem "Argument" Gorbatschow die NATO-"Einbindung" Großdeutschlands schmackhaft machte. - Die n a t i o n a l i s t i s c h e Pflichtübung für alle neudeutschen Untertanen, die sich als "Wir Deutsche" - eben als nationales Kollektiv - ein schlechtes Gewissen wegen "Deutschlands Vergangenheit" zu machen hatten, auf daß sie sich das neue Deutschland um so mehr zur Gewissenfrage machten? Keine Sorge, diese Nationalideologie wird ganz im Sinne ihrer Erfinder von den Fahnenschwingern geteilt, die sich am 3.10. von ihren Po- litikern voll Stolz auf deren notorisch gutes Gewissen erzählen ließen, nun anerkenne die Welt, daß "Wir Deutschen unsere Lehren gezogen haben". Nichts schöner für die Nationalisten oben, wenn sich die unten die Annexion der DDR, eine Tat bundesdeutscher Macht, wie eine Belohnung für deutsches Wohlverhalten vorstellen. Mag sein, daß die Demo-Aufrufer den offiziellen bundesdeutschen Antifaschismus immer noch als Auftrag zu einem bescheidenen, su- perdemokratischen und friedlichen Deutschland mißverstehen und dafür demonstrieren. Aber dann sollen sie nicht behaupten, sie wollten "gegen Nationalismus" demonstrieren, wenn sie dann doch nur ihre unglückliche Liebe zu einem "besseren Deutschland" auf die Straße tragen. Wie soll man das verstehen? --------------------------- "Während Flüchtlingen aus Krisen- und Kriegsgebieten die Aufnahme verweigert wird, erbringt der Nachweis des Deutschseins (z.B. mit Hilfe eines SS- oder Wehrmachtsausweises in der Familie) alle Privilegien(!) der "Herrenrasse"." "So werden sogar hier (!) geborenen Immigranten und Im- migrantinnen demokratische Grundrechte verwehrt." - Meint auch ihr Deutschland-Kritiker, es sei ein weltweites "Privileg", von deutschen Grundrechten in Eigentümer (Art. 15 GG) und Nicht-Eigentümer eingeteilt zu werden, als letztere "wirtschaftsverträglich" als DGB koalieren zu dürfen (Art 9 GG), als Politik-Betroffener folgenlos seine "Meinung" zu haben und gewaltfrei "unter freiem Himmel" auszutoben zu dürfen (Art. 5 u. 8. GG)...? - Meint auch ihr Rassismus-Kritiker, zumindest durch den unver- schuldeten Zufall, unter bundesdeutscher Hoheit geboren zu wer- den, habe man so was v e r d i e n t? zurück