Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION LINKE - Vom langen Marsch...


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       Nicaragua
       

EIN EXEMPEL STATUIERT UND EXEKUTIERT

Die Republik Nicaragua ist aus dem "Hinterhof der USA" ins Zen- trum der Weltpolitik gerückt: Die Reagan-Administration behandelt einen Aufstand ausgebeuteter und unterdrückter Campesinos als Subversion, direkt gesteuert vom "Zentrum des Bösen" in Moskau. Deshalb ist es der gesamten Freien Welt mittlerweile ziemlich gleichgültig, was in einem Land los ist, das das Pech hat, mitten in einem Gebiet zu liegen, über das die USA den Anspruch geltend machen, es sei "lebenswichtig" für ihre "nationale Sicherheit". Krieg in Mittelamerika - ein Kriegsgrund gegen die Sowjetunion -------------------------------------------------------------- "Wenn Mittelamerika fallen würde, was wären die Folgen für unsere Position in Asien, Europa und für unsere Bündnisse wie die NATO?" (Präsident Reagan) Präsident Ronald Reagan hat sich am 27. April in einer vom Fern- sehen übertragenen Rede an beide Häuser des Kongresses gewandt, um die Abgeordneten und die Nation aufzurufen, "mit mir gemeinsam eine Krise zu verhindern". Drohen soll sie den USA ausgerechnet aus einer Handvoll Klein- und Mittelstaaten, von denen die mei- sten Amerikaner, wie der Präsident klagte, "gedacht haben, es handle sich nur um irgendein Gebiet irgendwo da unten hinter Mexiko, von dem unmöglich eine Bedrohung für uns ausgehen kann." Um die B e d e u t u n g Mittelamerikas für jeden US-Bürger herauszustreichen, wählte d er Präsident erst einmal einen geo- graphischen Vergleich, demzufolge El Salvador und Nicaragua ir- gendwie zur Küstenlinie der Vereinigten Staaten zählen müssen: "El Salvador ist näher an Texas als Texas zu Massachusetts. Nica- ragua liegt näher bei Miami... als diese Stadt bei Washington..." Ein nettes Bild, nur stelle man sich einmal Andropow vor dem Obersten Sowjet vor, der eine Krise für die UdSSR durch die BRD mit dem Vergleich "verhindern" will, daß Bonn mit Sicherheit nä- her an Moskau dran ist als vergleichsweise Wladiwostok! Reagans Geographielektion war jedoch nur der Auftakt, auch gleich noch die ganze K a r i b i k als Zone eines "vitalen Sicherheitsin- teresses" der US-Oberhoheit einzugemeinden. Weil bislang noch keine nicaraguensischen U-Boote vor Florida gesichtet werden konnten, bemühte der Präsident ein historisches Beispiel: "Man muß sich nur daran erinnern, daß Anfang 1042 eine Handvoll von Hitlers U-Booten in der Karibischen See mehr Tonnage versenk- ten als im gesamten übrigen Atlantik." Und heute steht ein neuer Feind, "mächtiger als Nazi-Germany", bereits ante portas: "Heute ist die Situation anders." Schlimmer nämlich: "Cuba beher- bergt eine sowjetische Kampfbrigade, einen U-Boot-Stützpunkt, der sowjetische U-Boote versorgen kann und Militärflugplätze, die re- gelmäßig von sowjetischen Militärmaschinen angeflogen werden." Dies, wohl gemerkt, der Auftakt einer Rede über die "Lage in Zen- tralamerika" mit dem Anlaß, im Kongreß Geld locker zu machen für eine weitere Unterstützung der faschistischen Junta in El Salva- dor, für Waffen zum Ausbau der hondurensischen Armee zu einer In- vasionsstreitmacht und für die weitere Ausrüstung der somozisti- schen Contras. Die Erinnerung an den 2. Weltkrieg und die Behaup- tung, für die USA sei die Lage heute weitaus gefährlicher, sollen den Kongreß von der These des Präsidenten überzeugen, es ginge nicht um eine Einmischung der USA in Mittelamerika, sondern viel- mehr um die Abwehr der Sowjetunion, die mittels der "L a g e in Zentralamerika" die Sicherheit der USA gefährde. Obwohl nicht einmal Reagan und der CIA behaupten, in Nicaragua w ä r e n so- wjetische Truppen, geschweige denn Mittelstreckenraketen (wie demnächst in Mitteleuropa), reicht die s t r a t e g i s c h e Lage dieser Region aus, um alles, was bei ihr nicht völlig unter US-Kontrolle steht, als B e d r o h u n g zu verhandeln. Weil Nicaragua eine Regierung hat, die gegen einen US-Günstling an die Macht kam, und weil diese Regierung sich gerade wegen der ihr von Anfang an aufgemachten US-Feindschaft um Beziehungen zur SU und anderen sozialistischen Staaten bemühte - hier handelte es sich wirklich um ein S i c h e r h e i t s interesse -, ist mittler- weile ihre bloße E x i s t e n z "u n v e r e i n b a r" mit den für Mittelamerika von den USA zugelassenen staatlichen Exi- stenzformen. Die S o w j e t u n i o n ist der Adressat der Reaganschen Kampfansage auf viel grundsätzlichere Weise, als wenn sie tatsächlich in Nicaragua selbst militärisch präsent wäre: Ihre "Verantwortung" besteht darin, daß es ein Regime in Mittel- amerika gibt, das mit ihr freundschaftliche Beziehungen unter- hält. In Vorkriegszeiten hält dies eine Nation für "unzumutbar", die i h r e Beziehungen zur übrigen Staatenwelt nach dem Krite- rium einer Unterteilung in F r o n t a b s c h n i t t e ge- staltet. Und da ist Nicaragua ein m ö g l i c h e r Schwach- punkt: Zwar ist die Rote Armee noch nicht da, aber im Ernstfall möchte man lieber selber s c h o n da sein. Dem steht die san- dinistische R e g i e r u n g im Wege. Und weil in Nicaragua eine sandinistische R e v o l u t i o n stattgefunden hat, die Regierung nicht mit den üblichen Mitteln des "schmutzigen Kriegs" beseitigt werden kann, führen die USA einen Krieg gegen N i c a r a g u a. Der S o w j e t u n i o n wird damit ein Krieg gegen ein mit ihr befreundetes Land erklärt. Früher nannte man so etwas im Verkehr zwischen Großmächten einen K r i e g s g r u n d. Ein Land wie Nicaragua - vom Hinterhof zum "Vorgarten" der USA -------------------------------------------------------------- "Die Regierung Nicaraguas bestimmt den Präsidenten nach Absprache mit den USA." (Aus der Dawson-Konvention, 1909) "Zentralamerika ist unser Vorgarten. Würden Sie nicht auch hinge- hen und löschen, wenn es brennt?" (Ronald Reagan, 1983) Hingegangen sind die USA auch schon früher: 1855, 1909, 1912, 1926 und 1927 schickten sie ihre Feuerwehrmänner mit den Leder- nacken. Nur ging es damals nie um jene Wahrung "vitaler Sicherheitsinter- essen der Freien Welt", in deren Namen jetzt Reagan in Nicaragua ein Exempel gegen die S o w j e t u n i o n exekutieren will. K r i e g führten die Marines auch nicht gegen ein L a n d, vielmehr entschieden sie innernicaraguanische Machtkämpfe zugun- sten eines ihnen genehmen Personals lokaler Herrschaft. Das ö k o n o m i s c h e Interesse der USA war mit der Ausschaltung der britischen Konkurrenz im Nicaragua-Handel schon im 19. Jahr- hundert durchgesetzt worden und kein Machtwechsel in Managua tan- gierte das Handelsmonopol der diversen US-Fruit und Cotton Compa- nies. Ein besonderes Interesse, von dem Nicaragua das Pech hatte, betrachtet zu werden, verdankte es seiner damals in Mittelamerika einzigartigen Lage zwischen den beiden Ozeanen: So intervenierten US-Truppen, um ein Territorium zu sichern, durch das sie eine Wasserstraße zwischen Pazifik und Atlantik planten. Als sie sich dann für den Panama-Kanal entschieden (für den sie extra diesen Staat in einem Krieg gegen Kolumbien einrichteten), wurde noch einmal interveniert, um in Nicaragua eine Regierung einzusetzen, die dem Bau eines Konkurrenzkanals vertraglich "für alle Zeiten" abschwor. Die bislang letzte Präsenz von US-Truppen in Nicaragua endete 1933. Keineswegs, wie es die nicaraguensische Geschichts- legende haben will, weil der aufständische Armeegeneral Sandino die Marines militärisch dazu gezwungen hat: Die USA hatten vor ihrem Abzug dafür gesorgt, daß die "klassische Interventionspoli- tik" überflüssig wurde, indem sie den Kampf um die Macht in Nica- ragua langfristig zugunsten ihres Mannes e n t s c h i e d e n: Ein gewisser Anastasio Somoza Garcia erhielt eine aus US-Bestän- den auf- und ausgerüstete Berufsarmee, die Guardia Nacional, ließ Sandino bei der Anreise zu "Friedensgesprächen" ermorden und sorgte für über 40 Jahre "Stabilität" in Nicaragua. Heute, so in seiner Rede vor der OAS zur Propägierung seines Ka- ribik-Programms, rekapitulierte Reagan knappe 200 Jahre "common destiny of the Americans", als eine Geschichte besten Willens und bisweilen schlechten Benehmens: "Wir haben wirtschaftliche Not erfahren und einmal rassische und soziale Ungerechtigkeit toleriert - und, ich gebe es zu, manchmal haben wir uns auch arrogant und ungeduldig unseren Nachbarn ge- genüber aufgeführt." Gerade mit diesen "Erfahrungen" macht der Präsident den von ihm angesprochenen Staaten das K o m p l i m e n t, in ihnen sei von Gründung an derselbe Geist lebendig und am Wirken gewesen wie nördlich des Rio Grande: "Im Engagement für Freiheit und Unabhängigkeit sind die Völker dieser Hemisphäre einig. ... Wir wissen, daß eine Nation nicht befreit werden kann, indem seinem Volk die Freiheit vorenthalten wird. Wir wissen, daß ein Staat nicht frei sein kann, wenn seine Unabhängigkeit einer fremden Macht untergeordnet ist. Und wir wissen, daß eine Regierung nicht demakratisch genug sein kann, wenn sie sich weigert, sich freien Wahlen zu stellen." Hier steht alles auf dem Kopf: Jahrhunderte hindurch haben die USA i h r e Hemisphäre im Namen von Freiheit und Unabhängigkeit mit allen Mitteln von Gewalt und Ausbeutung zusammengehalten und die Freiheit i h r e r Politik dadurch gesichert, daß ausnahms- los alle Völkerschaften in Zentralamerika d a g e g e n bei Strafe von Tod und Verwüstung keinen Mucks machen durften. Als "freie" anerkennen die USA gerade heute nur solche Staaten süd- lich von Mexiko, deren Regierungen sich bedingungslos Washington unterwerfen. Und freie Wahlen sind bei den Freunden der USA da unten nur zugelassen, wenn sie so g e s t e l l t werden, wie in El Salvador. Im Falle Nicaraguas braucht man sich nur irgendein einschlägiges Nachschlagewerk anzuschauen, um nachlesen zu können, wie sich d o r t für die Freiheit engagiert worden ist: "1821: Nach 200 Jahren Kolonialherrschaft riefen die Nachkommen der einstigen Eroberer ihre Unabhängigkeit von Spanien aus. Es bricht eine Zeit blutiger Bürgerkriege zwischen Liberalen und Konservativen an, in denen die Rivalitäten über Land und Handel rücksichtslos auf dem Rücken der recht- und besitzlosen Bauern ausgetragen wird." Daß es sich dabei nicht um B ü r g e r k r i e g e gehandelt haben kann, verrät der Text noch selbst, wenn er sie zwischen "Liberalen" und "Konservativen" toben läßt, wobei schon klar ist, daß man ein 2-Millionen-Volk weitgehend des Lesens und Schreibens unkundiger Mestizen, die von Ackerbau und Tagelohn mehr schlecht als recht ihr karges Leben fristen, nicht in Anhänger einer mehr konservativen oder eher schon liberalen politischen Philosophie einteilen kann. Die Namen der Parteien taten hier ebensowenig zur Sache, um die es ging, wie die Campesinos, die dabei in jedem Fall die Leichen stellten und bisweilen auch für eine Hand voll rote Bohnen die kämpfende Truppe. "Diese Erfahrungen", meint Reagan heute versöhnlich, "haben ihre Narben hinterlassen, aber sie helfen uns heute auch, uns mit dem Kampf für die politische und ökonomische Entwicklung in den Län- dern der Hemisphäre zu identifizieren." Und tatsächlich enthält der famose Karibik-Plan seiner Admini- stration nichts anderes als die alten, den Souveränitäten des Hinterhofs aufgemachten Geschäftsbedingungen zur Finanzierung ih- rer Staatlichkeit, als Sonderkonzessionen für den "Vorgarten" of- feriert. Sie d ü r f e n ihre Agrarprodukte und Rohstoffe "frei" in die USA exportieren! "Das ist das Kernstück des Programms, das ich dem Kongreß unter- breite." Was dann noch kommt, ist ein 350-Millionen-Dollar-Angebot, damit die besonders "hart betroffenen" Nationen ihre Produktion auch soweit auf Vordermann bringen, daß sie überhaupt aus ihren Massen genügend Exportfähiges herausholen können. Die Unverfrorenheit Reagans besteht darin, das Geschäft des I m p e r i a l i s- m u s, das dieser den lokalen Potentaten gegen Gewinnbeteiligung anbietet, als "Aid to the Caribbean Basin" zu "schenken"! Um dafür zu sorgen, "daß die Staaten Mittelamerikas aus eigener Kraft zu wirtschaft- lichem Wohlstand gelangen können", lädt er die dort amtierenden Präsidenten ein, ihn bei einem Pro- gramm zu unterstützen, das die Z e r s t ö r u n g von Land und Leuten in ihren Republiken als "Kampf gegen die sozialen Ursachen der Subversion" propagiert. Die Zustimmung dieser Sammlung von Repräsentänten des jeweiligen Herrschaftsklüngelsklüngels war ihm sicher, denn für d i e s e sichert der Abtransport aller Reich- tümer ihrer Länder den eigenen Reichtum, wie das Beispiel Nicara- guas bis 1979 zeigt. Damit sich eine Herrschaft über Nicaragua zumindest für die Herr- scher auch l o h n t e und damit die unabdinglichen I n s t r u m e n t e d e r M a c h t, von den Waffen für Ar- mee und Polizei bis zum Dienstwagen für den Präsidenten, b e z a h l t werden können, mußte ein G e l d her für die Staatskasse, und das ist von Bauern nicht zu holen, die alles selber aufessen, was ihr Stück Boden hergibt, erst recht nicht von Feldarbeitern, die im wahrsten Wortsinne H u n g e r- l ö h n e kriegen und außerhalb der Erntezeit gar nichts. Das Geld muß von a u ß e n kommen, denn i n N i c a r a g u a gibt es keines, es sei denn, man zöge es der herrschenden Klasse von ihrem Konsumtionsfond ab, aber dann ginge irgendwie der Witz an der Herrschaft flöten. In der internationalen Welt des Kapi- tals gibt's in der Regel und vor allem als r e g e l m ä ß i g e Einnahmequelle nichts geschenkt. Man muß ihr etwas v e r k a u f e n und zwar etwas, das sie b r a u c h e n kann und wofür sie deshalb auch b e z a h l e n will. Mit roten Boh- nen ist da nichts zu machen und über erwähnenswerte Bodenschätze verfügt Nicaragua auch nicht mit der Ausnahme eines Erdbebens, dem der letzte der Somozas das Geschäft seines Lebens verdankte). Die Geschichte Nicaraguas seit der Unabhängigkeit von Spanien ist somit eine der "Expropriation des Landvolks von Grund und Boden". Dabei wurden Methoden angewandt, die die von Marx im 1. Band des "Kapitals" beschriebenen Beispiele aus der Alten Welt als histo- rische Idyllen erscheinen lassen. Wir beschränken uns hier aufs Resultat: Aus einem Land von Bohnenpflanzern und Schweinezüch- tern, dessen Subsistenzbauern die wildwachsenden Kaffeebohnen käuten, wurde bis zum Ende der Somoza-Herrschaft eine riesige "Hacienda Nicaragua", aus der Baumwolle, Kaffee, Fleisch, Zucker, Bananen und Holz hauptsächlich in die USA und in die EG, aber auch bis nach Japan, exportiert wurden. Nur: Rote Bohnen mußten am Ende importiert werden, Schweinefleisch gab's für die Mehrzahl der Nicaraguaner, wenn überhaupt noch, dann nur an hohen Festta- gen oder wenn der regierende Somoza sein Volk an die "Wahl"urnen rief. Die Wälder des Landes wurden ganz ohne "sauren Regen" dezi- miert: Ihr Holz war für die Zahlungsbilanz unentbehrlich, auf den gerodeten Flächen entstanden neue Baumwollplantagen, die man künstlich bewässerte, und die umwohnenden Campesinos, deren Boden als Folge der Flächenrodungen verdorrte, fanden Arbeit bei den Latifundistas - für 3 bis 6 Monate im Jahr. Die exklusiven Nutzungsrechte, die sich die Familie Somoza in al- len lukrativen Geschäftszweigen des Landes gesichert hatte, waren für seine imperialistischen Paten kein Problem: Sie verfügten über einen zuverlässigen G e s c h ä f t s p a r t n e r, mit dem man kurz, mittel- und langfristig kalkulieren konnte. Dank der ihm von den USA aufgestellten und fortlaufend ausgerüsteten Nationalgarde halfen sie ihm, den Machtkampf innerhalb der herr- schenden Klasse für sich zu entscheiden und Nicaragua dadurch zu "stabilisieren", daß nicht ständiger Wechsel in der Geschäftsfüh- rung zu Friktionen und Anlaufschwierigkeiten mit einer neuen Herrschaftsgarnitur führten. Daß Somoza und die Seinen bei der Ausschaltung jeglicher Opposition im Lande sich wie KZ-Kommandan- ten aufführten, störte die p o l i t i s c h e n Beziehungen so lange nicht, wie die Politik Somozas e r f o l g r e i c h war, d.h. jeden Widerstand ausschalten konnte, ehe er sich störend auf den Gang der Geschäfte auswirkte: "Somoza ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn." (US-Prä- sident Franklin D. Roosevelt) Eine Revolution in Nicaragua - "Freies Vaterland oder Tod" ---------------------------------------------------------- "Mit den wenigen, die mich begleiten, werde ich lieber sterben, weil es besser ist, als Patriot zu sterben, als als Sklave zu le- ben... Ich will ein freies Vaterland oder Tod." (Cesar Augusto Sandino, 1927) Während die zahlreichen gewaltsamen Regierungswechsel in Nicara- gua Kämpfe der herrschenden Klasse um die Macht waren, bei denen die jeweils obsiegende Seite die Macht dazu benutzt, ihre materi- ellen Quellen für sich zum Sprudeln zu bringen, sich also am Elend der Massen nichts änderte, es vielmehr mit jedem Pronuncia- mento eskalierte, weil neue Herren neue Teile des Landes und sei- ner Bevölkerung der Ausbeutung erschlossen, so ist die sandini- stische Revolution eine V o l k s b e w e g u n g gewesen, ob- gleich ihre Führer keine Campesinos sind. Ihre ökonomische und soziale Basis ist das Produkt einer vom Imperialismus konzedier- ten und finanziell konzessionierten Herrschaft, die "revo- lutionäre Situation" des Jahres 1979 wurde vom letztamtierenden Staatshalter der Freien Welt Anastasio Somoza selbst ausgelöst, und der Sieg der Sandinistas hatte seine alles entscheidende Bedingung in einer E n t s c h e i d u n g d e r U S A. - Die Zerstörung aller auf die Subsistenz der breiten Bevölkerung ausgerichteten Produktion zugunsten der Herstellung von Ge- schäftsmitteln für den imperialistischen Weltmarkt geht einher mit der Errichtung eines umfassenden Gewaltapparats in der Hand der lokalen Herrschaft, mit dem der Abtransport des erbeuteten Reichtums vor dem Hunger der Ausgebeuteten geschützt wird. Die anwachsende Masse der Besitz- und Arbeitslosen führt so einen ständigen Kampf ums Überleben: sowohl um die Lebensmittel als auch um die Rettung des nackten Lebens vor den Schergen des Regi- mes. - Unter den Bedingungen der Somoza-Diktatur, gestützt auf ein privat kontrolliertes Gewaltmonopol des Staates, dessen vorderste Front die Nationalgarde war, verdrängte der Somoza-Clan nach und nach seine Konkurrenten aus den Reihen des ländlichen Großgrund- besitzes und der städtischen Handels- und Kleinunternehmerbour- geoisie aus allen attraktiven Sphären des Geschäfts. Das Land ging in den Besitz einer Familie über, die den Staat exklusiv be- herrschte. - Die geistige Autorität im Lande, die katholische Kirche, unter- stützte das Regime, weil es Macht und Pfründe des Klerus unange- tastet ließ. Die mit der seelischen Betreuung der Massen befaßten Priester im Volk sorgten sich um die Religiosität ihrer Schäf- lein, die erfahren mußten, daß der Stellvertreter Gottes auf Er- den seinen Nuntius im Präsidentenpalast ein- und ausgehen ließ. Sie wurden im Namen Jesu Christi Propagandisten einer "Kirche des Volkes", verweigerten Papst und Bischöfen den Gehorsam und einige von ihnen schlossen sich der sandinistischen Bewegung an. - So standen sich am Ende des alten Regimes in Nicaragua zwei feindliche Lager gegenüber: der Diktator und seine Nationalgarde gegen die bewaffnete Guerilla, die das verelendete Volk auf ihrer Seite hatte und die Unterstützung der Intellektuellen, von Teilen des niederen Klerus und der städtischen Bourgeoisie. Letztere verbündeten sich mit dem Sandinismus zum Sturz Somozas und hoff- ten, die Rebellen dafür b e n u t z e n zu können. - Dennoch wäre der bewaffnete Sieg gegen die somozistische Natio- nalgarde am 19. Juli 1979 nicht möglich gewesen, wenn nicht die Carter-Administration zwei Wochen vorher die Luftbrücke für Waf- fen nach Nicaragua eingestellt und damit ihre Hand über Somoza zurückgezogen hätte. Die US-Regierung hat sich bei dieser Maßnahme, entgegen heutigen Behauptungen, keine I l l u s i o n e n über die Konsequenzen der sandinistischen Machtübernahme gemacht. Ihr CIA hat damals sehr zuverlässig gemeldet, daß sich innerhalb der "Frente Amplio des Widerstands" die FSNL durchsetzen würde. Man war sich sicher, daß die ö k o n o m i s c h e A b h ä n g i g k e i t Nicara- guas vom Imperialismus jeder nicaraguanischen Regierung ein "Mindestmaß an Vernunft" aufzwingen würde und man behielt sich jede weitergehende Maßnahme vor, die Sandinistas zur Vernunft zu bringen. Dafür traf schon die Carter-Mannschaft erste Vorberei- tungen durch die Unterstützung der aus, dem Anti-Somoza-Bündnis ausscheidenden bürgerlichen Fraktion, durch Aufnahme zahlreicher Mitglieder der geschlagenen Nationalgarde in Florida, wo sie un- behelligt die "Stunde X" abwarten konnten, bis ihre Dienste wie- der gefragt waren. Mit 'Abwarten' ist die Stellung der Carter-Administration eben nicht richtig beschrieben: Auch die Anerkennung der Auslands- schulden des verflossenen Somoza-Regimes durch die neue Junta brachte die USA nicht dazu, Nicaragua unter Anerkennung der neuen politischen Verhältnisse das ökonomische Benutztwerden durch Ver- gabe von IWF-Krediten zu erlauben. Nicaragua wurde als grundsätz- lich feindliches Land aus dem Kreis der friedlichen Nationen schon durch - Carter ausgemustert - nur der Vollzug dieses Ur- teils aufgeschoben. In E u r o p a versprach man sich von den neuen nicaraguensi- schen Verhältnissen einiges und dies nicht nur bei Linken und an- deren Fans "sozialer Modelle in der Dritten Welt." Regierungen in der EG, namentlich die damals noch sozialdemokratisch geführte westdeutsche, spekulierten hier auf einen Partner in einer Re- gion, die bislang exklusive Einflußsphäre der US-amerikanischen Konkurrenz war. Und über die "Sozialistische Internationale" un- terstützte man den sogenannten Tercerista-Flügel innerhalb der FSNL. Linke und Drittweltidealisten begeisterten sich für den Sandinismus mit der von ihm selbst verbreiteten Botschaft vom "menschlichen Sozialismus", der auf dem Isthmus südlich von Me- xiko angebrochen sei. Als "Gütezeichen" der Revolution wurde ihr Verzicht gerühmt, die in Gefangenschaft geratenen somozistischen Folterer an die Wand zu stellen. Radikal-Idealisten und auch Sozialdemokraten hierzulande haben sich das sandinistische Programm angeschaut, die Praxis der Revo- lution zum Teil auch als Touristen besichtigt und sind zu dem Schluß gekommen, daß in Nicaragua z w a r eine Revolution stattgefunden hat, aber gegen Zustände, die in Europa undenkbar, d e s h a l b zu Recht überwunden gehören, w e s h a l b die US-Politik der Reagan-Administration entweder ein "tragisches Mißverständnis" oder ein Abweichen von ihren eigenen demokrati- schen und völkerrechtlichen Maximen sein müsse. Darauf kann man kommen, wenn man viel V e r s t ä n d n i s für Nicaragua haben, aber von Imperialismus nichts w i s s e n will. In der Tat enthält die "Programmatische Erklärung" der FSNL keinen einzigen Punkt, der den Vorwurf des K o m m u n i s m u s begründen könnte. Andererseits ist jede einzelne Forderung, in- klusive der in Punkt 10 - "...es wird darauf geachtet werden, daß die Busse pünktlich fah- ren und daß kein Fahrgast erniedrigt wird." - ohne einen Aufstand in Nicaragua nicht zu haben gewesen und ihre Durchsetzung stößt auf die Schranken der Benutzung des Landes durch den I m p e r i a l i s m u s. Solange das Geschäft mit dem kapitalistischen Weltmarkt die materielle Basis von Staat und Ökonomie in Nicaragua i s t, diktiert dieser Markt die P r e i s e und nimmt keine Rücksicht darauf, daß die Produzen- ten davon l e b e n müssen. Insbesondere nicht, wenn mit den Erlösen nicaraguensischer Exporte die revolutionären Errungen- schaften des Sandinismus bezahlt werden, als da sind: ausrei- chende und erschwingliche Grundnahrungsmittel, ärztliche Versor- gung, Schulen und Ausbildung. Das politisch maßgebliche Subjekt des Weltmarkts, die USA, lassen da manches G e s c h ä f t sau- sen, wenn es mit der P o l i t i k konfligiert. Und im Unter- schied zum Weizenembargo gegen die Sowjetunion, gegen das ameri- kanische Farmer protestierten, weil es einige von ihnen rui- nierte, ist die unlängst erfolgte Kürzung der Zuckerimporte aus Nicaragua um 88% nicht einmal ein Verlust für die amerikanische Süßwarenindustrie oder gar ein Mangel, der sich in New Yorker Kaffeetassen bemerkbar machen wird. Die USA sind vom Nicaragua- Zucker n i c h t abhängig, so daß dessen Ersatz durch Erhöhung der Importquoten aus El Salvador und Costa Rica eine weitere p o l i t i s c h e Maßnahme ohne geschäftlichen Verlust ermög- licht. Noch vor jedem F e h l e r, den die Sandinistas bei dem Versuch gemacht haben, die v o r g e f u n d e n e Ökonomie, die ihnen der I m p e r i a l i s m u s aufgezwungen hat, so zu transfor- mieren, daß sie sich für einen n a t i o n a l e n Aufbau b e n u t z e n läßt (vgl. hierzu MSZ Nr. 4/1980 "Mann, wie menschlich!"), steht die ihnen aufgemachte Rechnung einer "Weltwirtschaftsordnung", die in Staaten der "Dritten Welt" nir- gends für ein ordentliches Leben der Leute sorgt, aber sehr nach- drücklich für O r d n u n g: "Die Sandinistische Front wird mit der 'toten Zeit' auf dem Lande ein Ende machen, denn wir werden es erreichen, das ganze Jahr über Arbeit zu haben. Die Kaffee-, Zuckerrohr-, Tabak- und Baum- wollschnitter und alle Arbeiter der Landwirtschaft werden einen guten und gerechten Lohn erhalten." Dieser "gute und gerechte Lohn" wird aber in Nicaragua gerade nicht durch den guten Willen der Regierung bezahlbar sein, seine ökonomische Grundlage hat er auch nicht im W e r t d e r A r b e i t eines Nicaraguaners, sondern im W e l t m a r k t p r e i s für Kaffee, Zucker, Tabak und Baum- wolle Konterrevolution gegen Nicaragua - ---------------------------------- Die Freie Welt exekutiert ein Exempel ------------------------------------- "Wir werden nicht durchkommen. Aber wir werden töten, töten, tö- ten!" (Ein Sprecher der somozistischen Contra, 1983) Die Gegnerschaft der USA zum sandinistischen Nicaragua hat zwar ihren Grund in einer Revolution, die die Abhängigkeit des Landes vom Imperialismus zum Vorteil des Volkes umorganisieren möchte und dabei bei jedem Schritt auf das ökonomische Interesse nament- lich der USA am Elend der Massen in Nicaragua stößt. Der Ent- schluß der Reagan-Administration, militärisch gegen Nicaragua vorzugehen und das Einschwenken der BRD-Regierung auf diese Linie ohne jegliche Abstriche, verdankt sich aber einer p o l i- t i s c h e n E n t s c h e i d u n g, die sich dem I n t e r- n a t i o n a l i s m u s i m p e r i a l i s t i s c h e r S t r a t e g i e im Vorfeld des III. Weltkriegs verdankt. Der Beschluß lautet, jeden Staat auf der Welt als Feind ihres freien Teils und seiner Führungsmacht zu b e h a n d e l n, der nicht Front gegen die Sowjetunion macht und sein eigenes Territorium der NATO als Frontabschnitt zur Verfügung stellt. In Mittelamerika, das von den USA als "nationale Sicherheitszone" beansprucht wird, radikalisiert sich dieser Standpunkt zur Praxis, jedes nicht v o n d e n U S A e i n g e s e t z t e Regime mit Gewalt zu beseitigen, bzw. jeden Aufstand mit a l l e n M i t t e l n niederzumachen, der sich gegen irgendeinen US-Statthalter richtet. Die S o u v e r ä n i t ä t solcher Staaten ist nicht nur eine dem Inhalt nach konzessionierte, sondern auch eine in ihrer F o r m ausdrücklich konzedierte oder verweigerte. Reagan hat in seiner Rede vor dem Kongreß die Entscheidung Carters, den Sturz Somozas zuzulassen, nicht kritisiert. Er sprach immer noch vom "autoritären Diktator" und von den angeblichen "Hoffnungen", die die USA in eine nicaraguensische Demokratie gesetzt hätten. Das ist nicht ungeschickt: Eine Rehabilitierung Somozas würde das Eingeständnis bedeuten, daß die USA ein "befreundetes Regime" hängenließen und die nachträgliche Beteuerung enttäuschter Erwar- tungen weist den Opfern der US-Militäroffensive die moralische Schuld für ihre gerechte Strafe zu. P r a k t i s c h revidiert hat noch Carter selbst seine Mittelamerika-Politik durch die be- dingungslose Unterstützung der faschistischen Junta in El Salva- dor t r o t z der Kritik am schludrigen Umgang der salvadoria- nischen Armee mit den "Menschenrechten". Reagan geht nur einen Schritt weiter: Er erklärt El Salvador schlicht und einfach zur D e m o k r a t i e und stellt damit die Ansprüche der westli- chen Demokratien an eine Demokratie in Mittelamerika und in allen Teilen der Welt (siehe Türkei!) klar: Demokratie ist die bedin- gungslose Unterwerfung unter die Kriegsstrategie der NATO und den Primat der USA auf der Welt. Die B r u t a l i t ä t des Vorgehens der USA gegen Nicaragua ist die Reaktion gerade auf die E r f o l g e der Sandinistas: - Weil die Sandinistas sich gegen ihre bürgerlichen Bündnispart- ner durchgesetzt haben, reicht, nach der einzig maßgeblichen, weil einzig zuständigen Auffassung, nämlich die der USA, die Un- terstützung der Opposition i m Lande nicht, um der Regierung Schwierigkeiten zu machen, die zu ihrem Sturz führen könnten. - Weil die bewaffneten Teile des Volks im Kampf gegen Somoza die Armee aufgerieben und die FSNL-Regierung sich auf ein revolutio- näres Volksheer stützen kann, bringen es die traditionellen Me- thoden der Subversion nicht, die noch in C h i l e zum Erfolg führten, weil man sich dort auf oppositionelle Teile des staatli- chen Gewaltapparats selbst stützen konnte. - Und weil in Nicaragua allein die Vertreibung des Somoza-Clans und die Inbesitznahme seiner Güter für die große Masse der Nicas eine unmittelbare, spürbare Verbesserung des Lebens mit sich ge- bracht hat, nebst so elementaren Errungenschaften der Revolution, wie Krankenhäuser, Ärzte und Schulen, ganz zu schweigen vom Weg- fall des Staatsterrors gegen das Volk - deshalb wird die Aussicht auf eine Rückkehr der Somozistas nicht einmal die innernicaragua- nische Opposition zu einer Unterstützung der Contra bewegen kön- nen. Alles dies schafft für den Krieg um Nicaragua klare Fronten und gestaltet den militärischen Auftrag der Söldner sehr einfach: Tö- ten und Zerstören! Die Parole der Sandinistas "No pasaran! (= Sie werden nicht durchkommen) ist nicht unrealistisch, solange nur die somozistischen Banden Vorstöße über die Grenzen unternehmen. Doch die hondurenische Armee und - wenn es für Freedom und De- mocracy unumgänglich ist - auch noch die Marines, stehen Gewehr bei Fuß, um einen Krieg zu eskalieren, der jetzt schon jeden Ni- caraguaner als Sandinista behandelt und alles als "Basis der Re- volution " zerstört, was die "Contras" vorfinden. Damit soll der "rituelle Gruß" der Revolution "Freies Vaterland oder Tod" zu ei- ner ausweglosen "Alternative" gemacht werden: Im Auftrag der Freien Welt wird jeder mit dem Tode bestraft, der unter einem zum Tode verurteilten Regime lebt und von dem "freien Vaterland" wird nach dem Krieg nicht mehr viel übrigbleiben. zurück