Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION LINKE - Vom langen Marsch...
zurück Der Fortschritt des westdeutschen Sozialismus:DIE LINKE BEWEGT SICH WEITER
Vom Fortschritt des bundesdeutschen Sozialismus uod Kommunismus kündet zur Zeit keine Parole, sondern eine Frage. Quo vadis? fragt das vereinigte "Protestpotential" von einst, und damit meint es allen Ernstes jene uralte Frage "Mensch, wo gehst du?". Der Luxus des philosophischen Rätselns über das Woher, Wo und Wo- hin "des Menschen" hat es neuerdings den fortschrittlich Gesinn- ten angetan, so daß man es nun in der Bundesrepublik mit einer großen Koalition ganz eigenen Zuschnitts zu tun bekommt. Auch linke Menschen verstehen sich auf die Freiheit des Gedankens, der sich um die Realität nur noch in Form von tiefstgründigen Prinzi- pien kümmert und sich so über die gemeine Unfreiheit erhebt, von der er lebt. Reaktionären Philosophen einer "Sinnkrise" tönt aus- gerechnet aus der linken Ecke der BRD das Echo vom "sinnvollen Leben" entgegen. Angesichts der Auflösung seiner Organisation drängt sich einem KPDler das klassenkämpferische Problem auf: "Wie kann die Menschheit erkennen, wohin sie geht?" Aus der Ge- schichte höheren Blödsinns entnimmt er freimütig einen Spruch über die Herren der Schöpfung, der einem den Angstschweiß auf die Stirn treiben könnte: "Der Mensch ist sich selbst das schwierig- ste Rätsel, obwohl er sich, wie nichts auf der Welt, produziert." Von einem Kenner der Menschennatur, der aus dem Osten kam, läßt sich ein flotter Teil der Linken "unter der Fahne des ökologi- schen Humanismus" einen, den Herbert Gruhl als verfrommte Seinsphilosophie sehr korrekt deutet: "Es geht also nicht um links oder rechts, sondern zu welcher Seinsweise wir uns ent- schlossen haben ('Existenzweise des Seins' gegen 'Habenmodus'). Und die Seinsweise des Seins ist hier noch nicht vertreten in diesem Saal." Über solch reaktionären Quatsch können KPDler im Jahre 80 weder lachen noch einen stimmigen Befund abgeben - sie sehen das nämlich ungefähr genauso. Die Menschheit ist in einer Krise, der Geist spiegelt selbige wider in den Rätseln, die er in die Welt setzt: "Hier wie in allen historischen Bewegungen ist festzustellen, daß sich das Bewußtsein über die strukturellen Krisen in die Gedanken gießt, die nun mal vorhanden sind. Die Ge- danken erscheinen deswegen (!) als beschränkt, als rückwärts ge- wandt. Was aber ist daran so schlecht, wenn dieses Rückwärts auf- gebrochen wird als Zukunft, besseres Versprechen? Die Grünen und die Bunten, sie alle greifen, ohne sich dessen vollkommen bewußt zu sein, in die zentrale Frage menschlicher Gesellschaft ein: Wo- hin treiben wir die Reise durch unserer Hände Arbeit?" Westdeutschlands linke Opposition steht ab sofort ganz auf dem Standpunkt der Menschheit, und das nicht einmal nur ideologisch; auch praktisch führt sie ihren Rechtsrutsch in dem demonstrativen Bemühen vor, ganz M e n s c h zu sein. Dies ist erstens kein Zufall und zweitens nicht das Produkt historischer Bedingungen. Die Linke der BRD i s t so. Das Gerede von Philosophen über d e n Menschen und seine ziem- lich grundsätzlichen Probleme und Krisen, Überlebens- und Sinn- fragen bemüht das gar nicht existente Interesse einer Menschheit, die g e m e i n s a m e r Schwierigkeiten Herr zu werden sucht, nach allen Regeln gelehrter Heuchelei. Souverän setzen sich die ethischen Geistesriesen über sämtliche Gegensätze des ökonomi- schen Lebens und der staatlichen Herrschaft hinweg, um den Ge- schäftemachern und Nutznießern ihre moralischen Imperative klarzumachen, denen der Rest der Menschheit dann Folge leisten kann. Die Kunst, von den tatsächlichen Gründen von Elend, Not und Gewalt abzusehen und dafür die Seele jedes noch so gebeutelten Würstchens, eben d e n Menschen mit seinen Lastern verantwort- lich zu machen, entwickeln sie aus ihrem positiven Interesse an einer Ordnung, in der sie sich für die Deutung der Gefahren zu- ständig wissen die dieser Ordnung drohen. Stets entdecken sie Werte, die unterzugehen drohen, höchste Prinzipien, die in Ver- gessenheit geraten - und jeden, der zur Unzeit Ansprüche anmel- det, bezichtigen sie der schlimmsten Vergehen gegen die heilig- sten Gebote menschlichen Miteinanders. Wenn Linke das moralische Arsenal bürgerlicher Weltsicht überneh- men, ist das natürlich etwas ganz anderes. Sie beschwören Krisen und Engpässe bei der Lösung ewiger Menschheitsprobleme mit der Natur in und außer uns, weil sie sich beliebt machen wollen. Zwar haben sie das auch in den letzten 10 Jahren versucht, aber stets mit dem für sie betrüblichen Ergebnis, daß ihrem Wunsch, s i c h als Ausdruck der allgemeinen Volkswünsche zu bewähren, abschlägig Bescheid erteilt wurde. So sind sie dazu übergegangen, die reak- tionärsten Weltdeutungen für korrekt und vor allem für das zu halten, was ihre Adressaten bewegt. Die "Selbstkritik", die sie vorführen, gehorcht ganz und gar dem einsinnigen Muster, mit den bürgerlichen Idealen Ernst zu machen, als wären diese nicht die ideologische Begleitmusik zum Wachstum, das auf Ausbeutung und dem, was dazu gehört, beruht. Als hätten sie sich eben einer Tod- sünde schuldig gemacht, indem sie den Wünschen ihrer Adressaten nicht genügend nachgekommen wären. Der sehnlichste Wunsch, mit dem Volk in allen seinen Leiden eins zu sein, ohne seinen politi- schen Willen kritisieren zu müssen (und genau s o die Welt zu verändern!), läßt die westdeutsche Linke überlaufen - zu den ih- rer Meinung nach erfolgreich(er)en, also brauchbaren Protestideo- logien, die sie sittsam anerkennt und in den großen Zusammenhang einbaut, in den sie einfach hineingehören. "Ohne sich dessen vollkommen (!) bewußt zu sein" greifen die Grünen und Bunten "in die zentralen Fragen menschlicher Gesellschaft ein" - um die es einem Liebhaber der Massen selbstredend schon immer geht, auch wenn er "unserer Hände Arbeit" nicht unerwähnt lassen will, weil das Lob der Arbeit für ihn auch vorher schon die Kritik des Kapi- tals und derer, die sich von ihm alles gefallen lassen, ersetzt hat. I. Auflösung - ein Schritt vorwärts ----------------------------------- "Die Dinge entwickeln sich ständig." (Mao) Man sollte meinen, die Erfolglosigkeit einer kommunistischen Or- ganisation wäre für die Beteiligten eine zwar ärgerliche, aber einfache Sache. Wenn nichts mehr geht in den eigenen Reihen, die Mitglieder schwinden, die letzten Abonnenten der Zeitung ihr Des- interesse bekunden und dann das Geld fehlt, ist eben erst einmal Schluß. Pech gehabt, zu wenig Interesse bei den Adressaten an der praktischen Kritik der Verhältnisse, mit denen sie sich herum- schlagen müssen, im Verein selbst keine Sicherheit über die Not- wendigkeit einer - vielleicht verbesserten - Fortsetzung des an- gefangenen Werks. Falls man bemerkt, daß der geringe Erfolg mit Fehlern der gelaufenen Politik zu tun hat, setzt man sich auf den Arsch und überlegt sich, wie eine richtige Kritik am Kapitalismus zu gehen hat und wie sie überzeugend an den Mann gebracht werden kann... Bundesdeutsche Linke sehen das anders. Sie reden ange- sichts ihres Mißerfolgs, den sie ein Jahrzehnt lang stramm mit saudummen Analysen und Parolen weggelogen haben und nun doch ein- gestehen, lieber von einer "Krise des Marxismus". Damit bezichti- gen sie sich selbst, einer für ihre Absichten untauglichen Welt- anschauung angehangen zu haben u n d beteuern im gleichen Atem- zug, daß ihre Absichten nach wie vor gut und richtig sind. Daß der Marxismus bei solchen Leuten je als wissenschaftliche, also objektive Erklärung und Kritik des Kapitalismus die politischen Absichten und ihr Vorgehen bestimmt hat, ist also zu bezweifeln. Denn die Beschwörung jener Krise, in der der Marxismus stecken soll, ist ja alles andere als die Behauptung, daß die Mehrwert- theorie, die Erklärung des zinstragenden Kapitals oder anderes von Marx Über die kapitalistische Produktionsweise sowie über de- ren politische Herrschaft nicht oder nicht mehr zutreffe. Marxis- mus steht da einzig und allein für die in der Vergangenheit vor- genommene Einschätzung des Verhältnisses, in dem man als einiger- maßen begeisterter Parteimitaufbauer zur restlichen Welt steht. Daß man sich in dieser Hinsicht einigermaßen verrechnet hat, wird heutzutage mit der seltsamen Konstruktion verhandelt, die dem Marxismus als Theorie das Problem andichtet, für die Realität nicht recht passend zu sein. So nehmen Leute vom T i t e l Ab- schied, den sie ihrem Idealismus einmal gegeben haben. Dieselben Kämpfer, die auf ihrem ersten Parteitag unter heftigem Absingen der Internationale beschlossen haben: "Das deutsche Volk will den Sozialismus!... Wir Kommunisten sa- gen: In Deutschland steht der Sozialismus historisch auf der Ta- gesordnung." - und damit eben meinten, d e r Ausdruck sämtlicher Regungen im Volk zu sein, lassen für die Auflösung ihres Vereins schon wieder das geheimnisvolle Subjekt "Geschichte" antreten, damit der im Jahre 1980 vollzogene Schritt erneut der eigenen Phantasie als notwendiger Ausdruck der Welt präsentiert werden kann: "Wir sind an realen Widersprüchen gescheitert, an einer falschen Auffassung möglicher (?) kommunistischer Wirksamkeit (!), an idealistischen Vorstellungen einer völligen (!) Einheit von Theo- rie und Praxis in der KP, an der 'Hartnäckigkeit' der Realität, neue Gegenwartsfragen (die wären nicht unbedingt Grund genug, sich aufzulösen) ebenso hervorzubringen, wie Hypotheken einzufor- dern für Versprechungen der Vergangenheit, die nicht eingehalten wurden." (Rote Fahne Letzte Ausgabe) So setzt sich der Größenwahnsinn von einst, sich als der legitime Ausdruck einer "Tendenz Revolution", somit als "Organisator aller Siege" aufzubauen, beute in einer Bescheidenheit ganz eigener Art fort. Einerseits ergeht der Schuldspruch über die Realität, weil sie sich nicht entsprechend dem eigenen Ideal benommen hat. Ande- rerseits wäre durchaus mehr zu machen gewesen, hätte man sich besser geschlagen in der Einlösung der eigenen Ideale. Die uner- wartete Entwicklung der Welt ist mit der Unzulänglichkeit der Partei ein Bündnis eingegangen, beide zusammen haben die mangel- hafte Realisierung der Einheit Theorie/Praxis blamiert - und d a s nicht gesehen zu haben, wirft sich diese Linke jetzt selbst vor. Eine solche Einschätzung der eigenen Einschätzung un- terscheidet sich erheblich von Selbstkritik, von einer Beseiti- gung eigener theoretischer und praktischer Fehler. Da wird kein einziges Urteil korrigiert, dafür rein methodisch konstatiert, d a ß man den eigenen guten Absichten eben nicht gewachsen gewe- sen sei: "Wir haben uns aufgelöst, weil wir an den Herausforderungen, denen sich Kommunisten heute gegenübersehen - die Entwicklung in den 'realsozialistischen' Ländern, die unaufgeklärten neuen Wi- dersprüche und Fragestellungen des entwickelten Kapitalismus -, gescheitert sind." (Semler - KPD) Neben dem Eingeständnis, daß man über die Verhältnisse, die man im Namen der Massen zu bekämpfen vorhatte, nicht einmal eine ge- scheite Auskunft zu geben in der Lage war und ist, teilt hier ein maßgeblich Beteiligter gleich noch mit, daß ihm diese Einsicht von der "Entwicklung" und den "Widersprüchen" eingebleut worden ist. Die Lüge, daß nicht alles so klar geblieben sei, wie die Partei es einst sah, rechtfertigt in einem Atemzug die Hoffnung von damals, daß der im Volk tiefverwurzelte Wunsch nach Sozialis- mus sich bald Bahn brechen werde, u n d die Enttäuschung dar- über, daß alles anders gekommen ist. Der gute Mann ärgert sich keineswegs darüber, zehn Jahre lang einem verrückten Idealismus angehangen zu haben. Er bejammert die "Hartnäckigkeit der Reali- tät", die seinem utopischen Geschichtsbild das Wasser abgegraben hat. Hier drückt ein Psychogramm der Welt ihren Stempel auf. Es hat einmal eine Zeit gegeben, da war man selbst voller Hoffnung in die Gesetzmäßigkeit der Weltenläufte, also war auch die Welt voller positiver, Hoffnung stiftender Tendenzen; nun, da die Re- alität die in sie gelegte Hoffnung ad absurd um geführt hat, wird die Welt zum P r o j e k t der E n t t ä u s c h u n g. Diese Methode, die Erfolglosigkeit nicht zu erklären - entweder liegt es am Gegner und Adressaten oder an Fehlern der Politik oder an beidem -, sondern zu d e u t e n unter Beibehaltung der idealen Weltsicht, entdeckt statt Fehlern nur moralische Versäumnisse. Also lauter Sachen, die in die Rubrik nicht gut (aufmerksam, vor- sichtig, rücksichtsvoll, realistisch...) g e n u g gewesen zu sein, fallen: "Falsch war auf alle Fälle der Versuch, den führenden Kern einer kommunistischen Partei im A l l e i n g a n g und in vielem o h n e d i a l e k t i s c h e B e z i e h u n g zur Entwick- lung der Klassenkämpfe und zu den in der Arbeiterbewegung wirken- den politischen Strömungen der Linken aufbauen zu wollen." Falsch war es also, eine Organisation aufzumachen statt im Zwei- gang. Der Fehler, sich zur Partei einer kämpfenden Arbeiterklasse zu erklären, obwohl von letzterer weit und breit nichts zu sehen ist, wird da keiner Kritik unterzogen - lediglich die beziehungs- reiche Anpassung an eine angebliche Bewegung soll zu gering oder zu wenig dialektisch gewesen sein! "Falsch war ein Verständnis des wissenschaftlichen Sozialismus, das die von Marx, Lenin und anderen großen Theoretikern" (wer war denn da noch?) "der revolutionären Arbeiterbewegung entdeckten Gesetze beziehungsweise Kategorien" (was denn jetzt?) "als u n m i t t e l b a r a n w e n d b a r ansah und damit gerade k e i n e n s c h ö p f e r i s c h e n u n d k r i t i- s c h e n G e b r a u c h von ihnen machte." Aber wie sollte es den linken Propheten des schöpferischen Ge- brauchs vom wissenschaftlichen Sozialismus heute um etwas anderes gehen als seinerzeit? Die Selbstkritik betrifft also auf keinen Fall etwas anderes als ein dummes, dummes Mißverständnis der Marxschen Theorie, die ja in nichts anderem besteht als in einer Taxierung des voraussichtlichen Ganges der Revolution: "Falsch war schließlich ein Verständnis von Politik und Strate- gie, das nicht von der K o m p l e x i t ä t d e s B e w u ß t s e i n s, d e r W ü n s c h e u n d B e d ü r f- n i s s e d e r V o l k s m a s s e n a u s g i n g, s o n- d e r n v o m u n m i t t e l b a r e n D u r c h s c h l a- g e n o b j e k t i v e r B e d i n g u n g e n." Wann endlich hören Linke auf, an das Märchen von den Bedingungen zu glauben, die die Massen in Trab bringen! Als ob es je einen Kapitalismus gäbe, in dem die Ausbeutung floriert, wenn die Tat- sache der Ausbeutung das revolutionäre Subjekt, so wie es im Bil- derbuch der idealistischen Geschichtsbetrachtung steht, auf den Plan rufen würde! Der Mann von der KPD jedenfalls läßt von seiner diesbezüglichen Vorstellung nicht ab. Daß die Arbeiterklasse aus dem, was mit ihr angestellt wird, einen G r u n d machen muß, die Lohnarbeit anzugreifen und daß es die Sache der Kommunisten ist, sie von der Notwendigkeit des Klassenkampfes zu überzeugen, wenn sie schon nicht massenhaft selbst darauf kommen, die "revolutionären Subjekte", fällt einem Parteifunktionär auch nach zehnjähriger falscher Praxis nicht ein. Lieber bedient er sich einer Marotte der bürgerlichen Wissenschaft und bezeichnet das Bewußtsein, die Bedürfnisse und Wünsche der Volksmassen (auch das Volk hat es ihm nach wie vor angetan!) als "komplex". Nach dem Motto, daß alles, wovon man selbst nichts weiß und auch nichts wissen will, auf gar keinen Fall zu einfach gesehen werden darf. So hält man dem "Durchschlagen objektiver Bedingungen" die Treue, indem man zugibt, daß es so direkt wohl nicht gehen werde. Das "objektive", aber leider nicht wirkliche Bedürfnis nach Sozialis- mus ist gerettet, aber auch relativiert, da überlagert von zwar bloß "subjektiven", dafür aber umso schwerwiegenderen Interessen. Die geniale Projektion des linken Ideals in die geliebten Volks- massen bleibt weiterhin der unumstößliche Glaubensgrundsatz, so daß etwas mehr Verständnis für die komplexen Bedürfnisse des Adressaten ohne weiteres Abhilfe schaffen kann. Der eigene Idealismus ist so falsch gar nicht, man hat ihn nur nicht konsequent genug in die Tat umgesetzt. Ebenso wie ein KPD- ler sich bei der Gründung seiner Organisation eingebildet hat, daß die Arbeiterklasse auf nichts so sehnlichst wartet wie auf eine Partei, die ihre Siege organisiert, geht er jetzt davon aus, daß die Auflösung seines Vereins aus Gründen der Volksnähe unbe- dingt vonnöten ist. Nicht etwa die längst vollzogene Selbstauflö- sung der Partei ist der Grund des historischen Schrittes, der da der Öffentlichkeit mitgeteilt wird - die Hinwendung zu den Massen und ihrer Bewegung, von der man jetzt einen T e i l statt frü- her die Avantgarde bilden will, steht an. "Richtig war und ist aber meines Erachtens die Anstrengung, eine revolutionäre Partei aufzubauen, die sich als aktiver Teil der Arbeiterbewegung und der gesamten progressiven Strömung in unse- rem Lande versteht, deren Ziel die Errichtung der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft ist." So sprechen Leute, die zeitlebens sparsam mit der Marxschen Ana- lyse der kapitalistischen Produktionsweise umgegangen sind, also auch nie das Problem hatten, ob sie stimmt oder nicht - und die- ses einzig rationale Problem auch jetzt nicht bekommen. Wer Marx' Kapitalismuskritik 1. in eine Perspektive und 2. in eine längst waltende historische Tendenz umgelogen hat und mit der Verkündung dieses Glaubensbekenntnisses auf die Welt losgegangen ist, dem erscheint es nun opportun, vor falschem, zu direktem G e b r a u c h des Marxismus zu warnen. Ganz schöpferisch ent- wickelt er den alten ML-Glauben weiter, daß der richtig liege, der es verstehe, sich möglichst wenig von den Massen, soweit sie sich bewegen, zu unterscheiden. Mit dieser Methode wird natürlich die grüne Bewegung lässig zu einer Erneuerung des Marxismus, zu- mindest zu einem Anstoß dazu, ihn nicht mehr "unmittelbar" anwen- den zu wollen. Da stört es überhaupt nicht, daß im "Manifest" über Grüne und Bunte und fanatische Nichtraucher alles gesagt ist: "Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Mißständen abzu- helfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Es gehören hierher: Ökonomisten, Philanthropen, Humanitäre, Ver- besserer der Lage der arbeitenden Klasse, Wohltätigkeitsorgani- sierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der b u n t s c h e c k i g s t e n Art." Ohne die Lüge von einer existierenden Bewegung, zu der man sich nur in der rechten Weise zu stellen braucht, kommt ein westdeut- scher Verfechter des Kommunismus einfach nicht aus. Er reklamiert also gleich auch eine zwar nicht kommunistische, aber immerhin "progressive Strömung" als s e i n e Basis, so daß er ein wei- teres Mal, jetzt ohne den Generalvertretungsanspruch der "Partei der Arbeiterklasse" einen guten Grund für sein segensreiches Wir- ken und seine gute Absicht gefunden hat. So verbindet sich der alte Idealismus, der jetzt mit der Berufungsinstanz der bewegten Massen ernst macht, aufs Glücklichste mit einem fingierten Re- alismus, der im Nachhinein die alten Träume rechtfertigt, denen man bislang nur aufgrund eines falschen Selbstverständnisses nicht gerecht werden konnte. Die "persönliche Stellungnahme", die so mancher alte Kämpfe in diesen Tagen rausläßt, gestaltet sich insofern ziemlich unpersönlich: "Für mich sind die in den 68er Unruhen" (so reden die von ihren eigenen Aktionen) "neu entstandenen bzw. reaktivierten revolutio- nären und fortschrittlichen Kräfte nicht verschwunden. Die Wider- sprüche, die sie hervorbrachten, sind weiter und teilweise ver- schärft" (hat man wohl die möglichen 5% im Bundestag im Sinn?) "wirksam. Diese Kräfte sind in den 70er Jahren unterschiedliche Wege gegangen. Sie sind aber nicht zerstoben, sondern bilden für mich gleichsam einen unterirdischen Strom", (Charon holt weiter über über den Acheron) "der in vielfältigen Bereichen wirksam ist. Ich bin der Ansicht," (wenn du meinst!) "daß gegenwärtig ein realer Prozeß" (Gottseidank real!) "der Neuformierung linker Kräfte sichtbar wird." So ein linkes Selbstgespräch, in dem einer sich und seiner Szene ganz persönlich darlegt, daß er, was ihn anbetrifft, die Massen- seele weiterhin am Kochen sieht, unterirdisch, ist nicht auf das Konto "Idiotie" zu buchen. So sehr er auch auf den Dogmatismus schimpft, den er sich mit seiner Partei geleistet haben will, sein Kardinaldogma, von dem sein ganzes linkes Ich lebt, gibt er nie und nimmer preis. Die Massen wollen nach wie vor e i g e n t l i c h die Revolution und dafür kämpfen sie. Seine Einfalt macht sich am Ende seiner Partei Mut wie in alten Zeiten. Die Auflösung "stellt nicht nur eine Niederlage dar"; "Die letzte Runde verlieren sie" - die Klassenfeinde, natürlich, so daß nur noch das Wort zum Sonntag, die Demonstration des nicht vergebli- chen, weil unermüdlichen Einsatzes für die gute Sache fehlt: "Die Kräfte sind gering. Das Ziel liegt in großer Ferne. Aber sollen wir deshalb klein beigeben? Letzten Endes wird die kommu- nistische Sache siegen, das Einfache, das schwer zu machen ist. Meinen Teil (und sei er auch noch so gering) will ich dazu bei- tragen." So spricht einer, der die Bundesrepublik schon immer für ein Ge- dicht von Brecht gehalten hat und nicht für die Klassengesell- schaft, die Marx erklärt. Kein Wunder, daß sich die scheidende KPD verpflichtet fühlt, ihr Scheitern allen vorhandenen und nicht vorhandenen antikapitalistischen Kräften in der letzten Ausgabe der Roten Fahne aus der richtigen Perspektive darzustellen. Diese Linke bespiegelt sich nur selbst und weiß sich d a b e i einig mit Hunderttausenden insgeheimen Kämpfern, Auf zur nächsten so- zialistischen Konferenz. Da ist man unter sich, kann die "Krise des Marxismus" hin und her wälzen und den Massen anschließend das Ergebnis mitteilen. Der Kampf geht weiter, nur ein wenig anders, im Grunde aber genauso wie bisher. II. Schuld daran ist der Marxismus ---------------------------------- "Man muß die Probleme von allen Seiten betrachten und nicht nur von einer einzigen." (Mao) Es kommt nicht von ungefähr, daß die westdeutsche Linke, da sie sich dazu durchgerungen hat, ihren Niedergang auf ihre Tour zur Kenntnis zu nehmen, ihre Basisarbeit 1980 vor allem darin sieht, auf "Sozialistischen Konferenzen", "Arbeitskonferenzen" und - wenn sie nicht gerade durch revolutionäre Rhythmen à la "Rock ge- gen Rechts" terminlich verhindert ist - "Großen Ratschlägen" ihre eigene kritische Lage zu belabern. Da ist d i e S i t u a t i o n d e r L i n k e n in der BRD das Thema, als wenn das jemals eine offene Frage gewesen wäre. Von einer "Umbruchsituation", einem "Umgruppierungsprozeß in der gesamten revolutionären Linken" (KB) ist die Rede, und daß sich in dieser Stunde alle, aber auch wirklich alle sich links Dünkenden zusam- mentun müßten, einen neuen "Block" zu bilden. Froh ist man, daß andere Vereine auch schon erklären, daß es bei ihnen kriselt. Das verbindet die vorher ziemlich scharf Konkurrierenden - um die bessere Einlösung desselben Ideals übrigens - ungemein. Wer sich gegen diese neue Gemeinsamkeit des Minus in der Bestandsaufnahme sperrt, bekommt den harten Vorwurf "monolithisch" zu hören - er versündigt sich nämlich gegen eine Tendenz, die heute links 'in' ist - außer bei den Monolithischen, die sich dazu einfach nicht erklären. Die Krise der Linken -------------------- Vordergründig hat es den Anschein, als handle es sich um eine No- vität im linken Spektrum. Krisen stellt sie doch sonst nur im La- ger des Klassenfeindes fest, der vor eigenen Widersprüchen und Widerständen in breiten Schichten der Bevölkerung nicht mehr ein noch aus weiß, während die Linke selbst gemeinsam mit den Massen einen Sieg nach dem anderen erringt. Im Grunde genommen aber ist mit der Verkündigung der neuen Epoche "Krise der Linken" die alte Methode am Werk, einen S c h u l d i g e n zu suchen und so bei allem Mißerfolg weiterzumachen wie früher, anstatt nach Gründen zu suchen, weshalb kaum etwas geht. 1. Allgemeiner Grundsatz des Aufspürens von Schuldigen für die eigene Malaise ist und bleibt d i e Gesellschaft mit ihren h i s t o r i s c h e n B e d i n g u n g e n, die man sich je nach Bedarf zurechtlegt. So wie die Linke immer schon "Ausdruck" gesellschaftlicher Umstände war - bisher von solchen voller Hoff- nung -, soll auch jetzt ihre Krise "Ausdruck gesellschaftlicher Widersprüche" sein. Das eigene Anliegen ist insofern unangreif- bar, als es einem höheren Sinn genügt, von dem die Welt Zeugnis ablegt, wenngleich sie sich dessen noch nicht bewußt ist. Das läßt sich auf zweierlei Art und Weise hindrehen; entweder mit der Unterstellung, die Arbeiterbewegung lasse sich weiterhin manipu- lieren, fröne ihren kleinbürgerlichen Mentalitäten und die Bour- geoisie, die nach linker größenwahnsinniger Ansicht vor allem das Problem hat, mit links fertig zu werden, verfolge eine widerwär- tige Taktik angesichts der Schwäche der Linken: "Die Krise der Linken hat das Stadium eines erheblichen Auflö- sungsprozesses erreicht, dessen Richtung eindeutig nach rechts weist. Daß diese möglich (?) geworden ist, hat seine o b j e k t i v e n U r s a c h e n sicherlich darin, daß die Arbeiterbewegung nach wie vor, scheinbar (?) unveränderlich, an die Sozialdemokratie gebunden ist (die Arbeiterbewegung gibt es, aber sie ist Opfer und Anhängsel der Partei, die den Klassenstaat am Laufen hält!), und die Protestbewegung des vergangenen Jahr- zehnts überwiegend von kleinbürgerlichen Schichten getragen wor- den ist." (eine bestechende Logik: deshalb m u ß t e die Linke nach rechts abdriften?) "Diese Erklärung ist freilich nicht aus- reichend. Zusätzlich nutzt die herrschende Klasse diese Situation sehr gezielt und nicht ohne Geschick für i h r e Zwecke aus." (KB) Oder - noch einfacher - die Krise der Linken geht nur, weil auch das bürgerliche Lager von Krisen erschüttert wird, was an den Ausdruckslinken nicht spurlos vorübergehen kann. 1980 sind die Märchen von den Rissen im bürgerlichen Lager aber seltsamerweise keine günstige Bedingung für die Revolution, sondern Grund für den krisenhaften Zustand der Linken. "Die Krise der Marxisten und des Marxismus trifft auf eine Situa- tion, in der die Bourgeoisie sich um den in den letzten 30 Jahren gewonnenen Konsens zwischen Herrschenden und Beherrschten sorgt, um die Legitimation ihrer Macht, um die 'ökonomische Leistungs- kraft' als Grundlage dieses Konsenses. Internationale Krisen, die Zuspitzung zwischen den beiden internationalen Blockzentren, der verschärfte Kampf um Rohstoffe, um Kapital- und Absatzmärkte, der Widerstand in der dritten Welt, die Intervention der Sowjetunion in Afghanistan lassen Krisen- und Kriegsbewußtsein anschwellen. Es v e r s c h ä r f t die Krise der Marxisten, daß sie ange- sichts von Krisenerscheinungen der Bourgeoisie keine ausreichen- den Antworten geben können." (Rote Fahne) Das ist schon gekonnt. Erst lügt man sich die 'Bourgeoisie in der Krise' zusammen, und dann weiß man nicht, was man dazu sagen soll, obwohl man zehn Jahre nicht verlegen darum war, daraus fortschrittliche Hoffnungen für die linke Bewegung zu basteln. So kann nur jemand verfahren, der fest an die wachsenden Schwierig- keiten im bürgerlichen Lager glaubt, gegen jeden Augenschein, der das philosophische Gelaber von einer "Sinnkrise" tatsächlich für eine Kritik hält, der meint, daß es mit der bürgerlichen Gesell- schaft nicht mehr so weitergehen könne, der auf Grundlage dieser absurden Voraussetzung dann das Problem aufwirft, weshalb der Marxismus nicht als Ausweg aus der Sinnkrise anerkannt wird: "Ist es heute nicht so, daß selbst die Ideologen des Kapitalismus gezwungen sind zuzugeben, daß die Logik des Profits, die Produk- tion um der Produktion willen (das soll die Logik des Profils sein!) in Krisen, Kriege und Katastrophen führt? Hat sich nicht die Gefahr des technischen Unfalls längst ausgewachsen zur dro- henden - Selbstausrottung des Menschen, zur Gefahr der gründli- chen Zerstörung seiner natürlichen Lebensbedingungen durch die Mißachtung der Ökologie. Drückt sich nicht in all dem die Falsch- heit einer die Klassengesellschaft verewigenden Theorie mit schrecklicher Deutlichkeit aus? Tatsächlich aber gewinnt die mar- xistische Alternative zum bürgerlichen Naturbild, das sich am Ende befindet, das nicht mehr hinreicht, keineswegs an Anzie- hungskraft. Eher scheint es so, als könne es keine Alternative sein." (Zur Bilanz und Perspektive der KPD) Mit der Verwandlung des höheren Katastrophen- und Sinn-Blödsinns in ein ernstzunehmendes Problem der bürgerlichen Gesellschaft, das ihre herrschende Klasse von ihren ideologischen Köpfen über- nimmt, ist der fortschrittliche Linke bei dem zweiten Schuldigen seiner Krise angelegt. 2. Wenn das bürgerliche Weltbild zusammenzubrechen droht und die Bourgeoisie das selbst schon bemerkt, gleichzeitig die Marxisten aber keinen Zulauf haben, sondern im Gegenteil abnehmen, dann muß am Marxismus etwas faul sein. In linker Zusammensetzdialektik: "Das Paradoxon der heutigen Situation besteht doch gerade darin, daß der Marxismus sich in einer Krise befindet, während (!) of- fensichtlich geworden ist, daß das bürgerliche Weltbild, die bür- gerliche Naturauffassung (!) nicht mehr ausreichen." (Zur Bilanz und Perspektive der KPD) Obwohl der Kapitalismus wahrlich genug Grund ist, gegen ihn vor- zugehen, kommt unser linker Idealist einer b e s s e r e n Al- ternative zur schlechten Welt nicht umhin, sich seine eigenen Pa- radoxien zu erfinden; das ist zwar bei ihm nichts Neues, aber ge- genwärtig besonders geboten, geht es ihm doch um die Entschuldi- gung seines Mißerfolgs. Paradox ist es wirklich, anzunehmen, die bürgerliche Gesellschaft hänge vom Weltbild ihrer Ideologen ab - einmal ganz abgesehen davon, daß deren Sinn- und Wachstumskrise den Glauben an die beste aller möglichen Gesellschaften nicht im geringsten erschüttert und Staat und Unternehmer schon gar nicht. Paradox ist es ebenso, aus den reaktionären Spinnereien der Ver- treter des Endes allen Fortschritts g l a u b e n s einen ei- gentlichen Zuwachs überzeugter Marxisten abzuleiten. So etwas kann doch nur folgerichtig sein für jemand, der den Marxismus als Weltanschauung verkauft, die schon immer die bürgerliche Gesell- schaft an ihren K r i s e n kritisiert und deshalb gerechter- weise nun zum Zuge kommen müßte. Der meint auch, wenn eine andere eine Marktlücke hinterlassen habe, mit seiner utopischen Alterna- tive in sie stoßen zu können nach dem Motto: einen Glauben, d.h. eine sinnstiftende ' Vorstellung von der Verwerflichkeit der Welt und ihres drohenden Untergangs; braucht der Mensch, wenn er schon sonst nichts hat. Paradox ist schließlich, dem Marxismus eine Krise anbinden zu wollen. Was haben denn der alte Marx und sein 'Kapital' damit zu tun, daß 1980 gläubige Idealisten der Weltten- denz Revolution, die seine Kritik des Kapitals nie zu der ihren gemacht haben, ihr Scheitern verkünden und dafür einen ominösen Schuldigen suchen: "Krise des Marxismus". nd schon, kaum macht diese Erfindung die Runde, findet eine sau- bere Abrechnung mit ihm bzw. was man sich unter Marxismus so vor- gestellt hat, statt. Weg mit dem Objektivismus - mehr subjektiver Faktor, weg mit dem Dogmatismus - mehr Offenheit für jeden bür- gerlichen Quark; Schluß mit der Kritik von Kapital und Staat - für mehr alternative Technik und Demokratie usw. All diese Selbstbezichtigungen in der 'objektiven' Form der Abrechnung mit dem Marxismus - Pardon: der Bewältigung seiner Krise - haben nichts anderes zum Inhalt, als die letzten Schranken der Diffe- renz, zu d e n Massen, mit denen man sich immer einig wußte, niederzureißen. Es gehört zu den Treppenwitzen der Geschichte, daß die Linke in der BRD angesichts einer g r ü n e n B e w e g u n g auf die Idee kommt, daß sich der Marxismus in der Krise befinde. Die Zeitschrift PROKLA (das KLA steht für: des K l a s s e n k a m p f e s) hat dies ganz ernst zuerst zu Pa- pier gebracht: "Von den besten Teilen der 'Alternativbewegung', wenn auch auf Kleingruppenprozesse beschränkt, erhalten daher die 'Marxisten' (in Anführungszeichen, weil sich die echten ja gerade erst unter dem Druck der grünen Massen entwickeln) heute den Spiegel ihrer systematischen Versäumnisse vorgehalten. Neue, egalitäre (es ist schon zum Kotzen mit diesem Bedürfnis nach Gleichheit!) soziale (und mit dem sozialen Getue ebenfalls!) Beziehungen (mit den "Beziehungen nicht minder!) zu entwickeln, in denen sich gesell- schaftliche Organisation mit Prozessen individueller und kollek- tiver Selbstbestimmung (das mag was werden), verbindet: das ist jenes gesellschaftliche Bedürfnis auf der Höhe der Zeit, in dem sich die Sehnsucht nach einer befreiten Zukunft mit dem Traum vom aufrechten Gang vereint." (ganz zu Recht nennt sich die Zeit- schrift, die am Vorabend eines Krieges mit Sehnsüchten und Träu- men operiert "Probleme des Klassenkampfs"). Egal, welcher Unsinn sich hierfür auf der Höhe der Zeit stehend erklärt, fest steht allemal, "daß die Entwicklung des Marxismus heute nicht den geistigen Bedürfnissen entspricht, zu deren Ent- stehen er (der Marxismus?) beiträgt" (KPD. Den tiefen Wunsch nach Sozialismus, den in der Einbildung der linken das Volk seit eh und je hegt, finden die Freunde der Arbeiterklasse heute im Bedürfnis nach dem rechten Verhältnis von Mensch und Natur wieder. Es braucht nur eine grüne Bewegung, die Zulauf hat, schon werden am fortschrittlichen Weltbild des Marxismus-Leninismus, mit dem man 10 Jahre lang predigen ging, einige Korrekturen vorgenommen, damit ein zeitgemäßer "Entwurf einer sozialistischen Gesellschaft" herauskommt: "In ihm muß sich ebenfalls eine neue Art der Beziehung zwischen Mensch und Natur entfalten. Engels 'Dialektik der Natur' (ein Buch, das schon im Titel ankündigt, daß es falsch ist), ist ein Schritt in Richtung zu diesem Entwurf. Hier ist Engels auf dem Weg zu einem n e u e n W e l t b i l d, zu einer W e l t a n s c h a u u n g i m G a n z e n, die das Zeug hätte, dieselbe Z u g k r a f t zu entwickeln, wie sie einst von der Umwälzung des mittelalterlichen Weltbilds ausging." (Zur Bilanz und Perspektive der KPD) Die Charakterstärke des westdeutschen Linken besteht darin, seine Weltanschauung als utopische Alternative dem "unmenschlichen" ka- pitalistischen System entgegenzuhalten. Das gibt er nie auf, wenn er auch sein Weltbild lässig ummodelt, sobald ein anderes mehr "Zugkraft" verspricht, und er nicht einfach mitmischen darf, so- lange er noch irgendwie das Markenzeichen "kommunistisch" mit sich herumträgt. Eine grüne Bewegung ohne ihn - das ist dem Lin- ken peinlich. Da muß das Ohr noch näher an die Massen, die wollen nämlich nicht für den Klassenkampf gewonnen, sondern g e s a m m e l t werden! III. Grüne Bürgermoral ins Parlament - -------------------------------------- auch eine Chance der Linken --------------------------- "Unter bestimmten Bedingungen kann Schlechtes zu guten Ergebnis- sen und Gutes zu schlechten Ergebnissen führen." (Mao) Ein politisch versierter Linker, der in der Sammlung und Stärkung von Bewegungen eine rettende und lohnende Aufgabe sieht, hütet sich davor, es bei der Sichtung des liebgewonnenen Protestpoten- tials zu genau zu nehmen. Dennoch verlangt ihm die größte Bürge- rinitiative, die ganz ohne sein Zutun entstanden ist, eine poli- tische Einschätzung ab. So sicher er weiß, daß es sich bei den Grünen um den 'Ausdruck einer historischen Entwicklung' handelt, an der er nicht vorbei kommt, so wichtig dünkt ihm schon ange- sichts der nur bedingten Sympathien, die er vorfindet, eine D i f f e r e n z i e r u n g. Wenn die Grünen sagen, daß sie "für ihr Gefühl weder links noch rechts, sondern vorne" stehen, so ist das für einen Fortschrittsmann zumindest ein Indiz dafür, daß die Grünen selbst noch kein klares Bewußtsein von dem haben, wovon sie Ausdruck sind. Außerdem fordern gerade die aus C-Krei- sen stammenden Umweltmenschen dazu heraus, nicht alle in einen Topf zu werfen. Die Analyse geht dann so, als stünde das gesamte Ökologenlager den Linken zur Disposition und könne auf Grundlage unterschiedlicher Grade von fortschrittlicher Gesinnung als Bünd- nispartner mit Masse b e n ü t z t werden. Wenn Baldur Springmann erklärt: "Es gibt Dinge, die nicht zu vereinbaren sind, und dazu gehören Ökologie und Klassenkampf.", so vertritt er nicht etwa den reinen Standpunkt der Grünen und eine deutliche Absicht, die man bekämpft. Auch wenn er sich zu folgendem Bekenntnis herbeiläßt: "Wir müssen auch voraussetzen, daß auch dieser böse Teufel Unter- nehmer genau wie Du und ich ein Mensch mit zwei Seelen in der Brust ist, einmal mit diesem Egoismus, den wir auch haben, und einmal mit der Fähigkeit zur Partnerschaft. Diese letzte müssen wir eben in ihm wecken." - wird einem linken Besichtiger die Zusammenarbeit der fort- schrittlichen Umweltmenschen mit diesem Reaktionär der Mensch- lichkeit nicht verdächtig. Umgekehrt will er es sehen: Springmann ist gar nicht tyisch für die Bewegung, er ist ein "rechter Grüner" und deshalb auch für die "Unvereinbarkeitsbeschlüsse" eingetreten. Wenn ein August Haußleiter seine Sicht der Dinge zu Weihnachten so formuliert: "Einst, in der Welt des Kriegs und des Schreckens, war noch die heimliche Sehnsucht gewesen. Im kühlen Glanz der Wirtschaftswun- derwelt schien selbst sie verloren zu sein. Der Mensch war gewor- den 'wie Gott', aber gerade dadurch zerstörte er sein eigenes We- sen, zerstörte er seine Mitwelt, wurde er zum Luzifer, zum gefal- lenen Engel des falschen Lichts, droht er, seine eigene Lebensba- sis zu vernichten und die grüne und lebendige Erde in einen toten Planeten zu verwandeln... Genau an diesem Punkte aber setzt der tiefe Wandel ein, der sich nun plötzlich in immer mehr Menschen zu vollziehen beginnt, in den jungen Menschen vor allem. Sie suchen nicht zuerst eine neue Partei, sondern sie suchen zu allererst ein anderes Leben. Sie suchen Liebe, sie suchen Frieden, sie sind unterwegs nicht nach neuen Reichtümern, sondern nach einem neuen menschlichen Verhal- ten. Sie wollen nicht Haß und sie wollen auch nicht Macht, son- dern sie wollen Zärtlichkeit, und sie wollen eine neue Verständi- gung von Mensch und Natur. Sie wollen nicht die Natur vergewalti- gen, sondern sie wollen sich demütig und dankbar einfügen in de- ren Kreisläufe. Für sie ist die Erde nicht Material, das man auf- braucht, sondern für sie ist die Erde etwas geheimnisvoll Mütter- liches, das man bewahren muß, wenn man sich nicht selbst verlie- ren soll..." - dann vertritt er nicht etwa denselben reaktionären Seich wie der Baldur mit seinem gestickten Renommierkittel, sondern er ge- hört ins "durchaus große Mittelfeld", weshalb er sich auch t r o t z "linker" Erfolge in den Vorstand der Grünen Partei hat wählen lassen. Wenn Wolf-Dieter Hasenclever 1. eine Schallplatte mit dem Refrain "Wo ist der Sinn dieses Fortschritts, wo führt er hin?" gerne mag und 2. vom "Wachstumsirrglauben" als einer Folge der Kapitalakku- mulation redet, sowie beides für furchtbar verderblich hält, muß er ja ein "linker Grüner" sein. Hat er nicht auch gerade die eta- blierten Parteien durch einen Wahlerfolg geschockt? Von dieser gekonnten Differenzierung der Grünen Bewegung ist al- lerdings nicht viel zu halten. Die Linken, darauf scharf, an die- ser hoffnungsvollen Wahlbewegung teilzunehmen, stellen ja nur deshalb unter kundiger Abstraktion von dem, was die Grünen e i n t, "im wesentlichen (!) demokratische (!) und objektiv (!) antikapitalistische Inhalte" fest. Hier ist wieder einmal die Dialektik von subjektiv und objektiv, von bewußt und unbewußt am Werk, mit deren Hilfe einst das ganze Volk am Fortschritt der Ge- schichte herumzerrte. Wenn aufgrund der taktischen Manöver des grünen Wahlvereins die Linken die "Auseinandersetzung mit den Grünen" eintreten, um deren "linke Elemente zu stärken", dürfte die einende Grundlage der Bewegung kaum auf den Begriff gebracht werden - die politische Stellung zu ihr ist nämlich längst eine ausgemachte Sache! Wen nicht die unstillbare Sehnsucht quält, bei den Grünen dabei- sein zu dürfen, der hat von ihrer Weltanschauung und deren prak- tischer Umsetzung schnell eine schlechte Meinung - und das mit Grund. Bereits das erste Gerücht, mit dem sich die Grünen in Szene setzen ist eine Albernheit sondergleichen. Sie präsentieren sich als Menschen, die bemerkt haben wollen, daß der Umgang mit der Natur, wie er gegenwärtig üblich ist, eine Gefahr für die Menschheit darstellt. Dabei fällt ihnen als Subjekt des falschen "Verhaltens" noch jedesmals d e r Mensch ein, die Natur erhält die Rolle des Opfers zugesprochen, und das verwerfliche Betragen, das w i r an den Tag legen, soll eine Folge u n s e r e r fa- talen Weigerung sein, u n s "als Teil der Natur zu begreifen." "Ausgehend von den Naturgesetzen und insbesondere von der Er- kenntnis, daß in einem begrenzten System kein unbegrenztes Wachs- tum möglich ist, heißt ö k o l o g i s c h e P o l i t i k, uns selbst und unsere Umwelt als Teil der Natur zu begreifen. Auch das menschliche Leben ist in die Regelkreise der Ökosysteme eingebunden, wir greifen durch unsere Handlungen ein und dies wirkt auf uns zurück. Wir dürfen die Stabilität der Ökosysteme nicht zerstören." (Präambel des Parteiprogramms) In solchen Sprüchen wird zwar auf bekannte Phänomene angespielt, die auch der übrigen "Menschheit" in Gestalt von Giftmüllskanda- len, versauter Luft, toten Fischen im Wasser und anderem mehr vertraut sind, aber nicht um die eindeutig ökonomischen Gründe bzw. die Akteure der in den meisten Fällen staatlich genehmigten Untaten auszumachen, sondern ein echtes Problem mit historischer Wucht unter die Leute zu bringen. Im Namen der Leute, die von der Natur, die andere nutzen und dabei unbrauchbar machen, nichts mehr haben, wird ohne großes Aufheben f ü r d i e N a t u r Partei ergriffen; gleichgültig gegen die tatsächlichen Zwecke, die in der Welt des Kapitals ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Leute verfolgt werden, wähnt ein Grüner leibhaftige Naturun- holde am Werk, die von einer Manie des W a c h s t u m s ebenso besessen sind wie mit Blindheit gegenüber, den Naturgesetzen ge- schlagen. Ihm will nicht einmal mehr auffallen, daß die kapitali- stische Industrie auf soliderer Kenntnis der Naturwissenschaften beruht als die Ö k o l o g i e, die ausgerechnet der Natur einen immanenten Maßstab, nämlich den der Erhaltung eines Gleich- gewichts andichtet. Mit diesem Maßstab ausgerüstet bemüht die- selbe Tendenzwissenschaft, die sich als Kritik der politischen Ökonomie aufspielt ohne sich mit der Wirtschaft auch nur zu be- fassen, zugleich noch ein Dogma, das sie für Wissen über die Na- tur hält: das der K n a p p h e i t, die das Haus- und Maßhal- ten gebietet, sooft sich der Mensch, dieser Teil der Natur, in dem Ganzen, wovon er Teil ist, zu schaffen macht. Die Ökologie, mit ihren vier Sturmspitzen Mensch, Natur, Knappheit und Gleich- gewicht weit davon entfernt eine Wissenschaft zu sein, bringt es fertig, aus eindeutigen Sachverhalten und Gründen 1. ein Problem der Natur zu machen und 2. aus dieser einen m o r a l i- s c h e n I m p e r a t i v zu deduzieren. Dergleichen Kunst- stücke sind nun in der Geschichte des bürgerlichen Blödsinns nichts Neues - neu ist die Ableitung eines p o l i t i s c h e n Programms aus der naturgemäßen Moral, ein Programm, das sich nichts Geringeres zum Ziel setzt, als den Menschen zu bekehren. An den paar Sprüchen über verantwortungslose Unternehmer und den Teufel, der in ihnen weit, kann es also nicht liegen, daß sich ein anderes Gerücht hält: jenes, das von der antikapitalistischen Stoßrichtung der grünen Bewegung kündet. Hier müssen die Spürna- sen von Linken mit ihren Interpretationskünsten am Werk sein, die ihre Sprüche von einst vergessen haben - wie z.B. den, der ihnen früher immer die Erklärung jedes kapitalistischen Phänomens er- spart hat: "Alles ist eine Klassenfrage!" Jedenfalls machen Grüne kein Hehl daraus, daß sie für Profit genauso gut Egoismus sagen können, aber auch Industrie und Wachstum; daß sie d e n M e n s c h e n meinen, wenn sie sagen, w i r müßten u m d e n k e n - und nur verrückte Wünschelrutengänger der Haupttendenz Revolution sind zu blöd, im unaufhörlich breitgetre- tenen "w i r" moralischer Selbstverpflichtung samt der dazuge- hörigen praktischen Demonstrationen die Moral der Selbstbeschei- dung eines modernen, jedem Materialismus abholden und darin vor- bildlichen Staatsbürgers auszumachen - auch wenn der sich zur Wahl stellt, ist er noch schwer mit dem Aushebeln der Bourgeoisie zugange! Ein einziger Blick auf die Phrasen dieser Menschheitsbe- glücker, die jeden Roth-Händle-Raucher so ansehen, als hätte er sich gerade an der Dreifaltigkeit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit versündigt, genügt, um den Idealismus zu erfassen, der da offensiv gegen den "sündigen" Menschen und sein bißchen "Lebensstandard" auftritt: "Ein völliger Umbruch unseres kurzfristig orientierten wirt- schaftlichen Zweckdenkens ist notwendig. Wir halten es für einen Irrtum, daß die jetzige Verschwendungswirtschaft noch das Glück und die Lebenserfüllung fördere; im Gegenteil, die Menschen wer- den immer gehetzter und unfreier. Erst in dem Maße, wie wir uns von der Überschätzung des materiellen Lebensstandards freimachen, wie wir wieder Selbstverwirklichung ermöglichen und uns wieder auf die Grenzen unserer Natur besinnen, werden auch die schöpfe- rischen Kräfte frei werden für die Neugestaltung eines Lebens auf ökologischer Basis." Lebenserfüllung durch Verzicht, Besinnung auf die Grenzen unserer Natur, keine Überschätzung des Lebensstandards - dafür Selbstver- wirklichung und schöpferische Kräfte! Wofür braucht man eigent- lich, wenn man schon sonst nichts mehr brauchen soll, diese Kräfte? Um sich einzureden, ohne nichts hätte man die Freiheit und das Glück? Das wäre doch reine Verschwendungswirtschaft und überhaupt kein langfristig orientiertes zweckloses Denken! "Unsere Politik ist eine Politik der aktiven Partnerschaft mit der Natur und dem Menschen. Sie gelingt am besten in selbstbe- stimmten und selbstversorgenden überschaubaren Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten. Wir sind für ein Wirtschaftssystem, das sich an den Lebensbedürfnissen der Menschen und zukünftiger Gene- rationen, an der Erhaltung der Natur und am sparsamen Umgang mit den natürlichen Reichtümern orientiert. Es geht um eine Gesell- schaft, die demokratisch ist, in der die Beziehungen der Menschen untereinander und zur Natur zunehmend bewußter gehandhabt werden. Um solche Veränderungen gegen die bestehenden Herrschaftsverhält- nisse durchzusetzen, bedarf es einer politischen Bewegung, in der meinschliche Solidarität und Demokratie untereinander und die Ab- sage an ein von lebensfeindlicher Konkurrenz bestimmtes Lei- stungs- und Hierarchiedemiken grundlegend sind." (Präambel) Das kapitalistische Wirtschaften ist in diesem Rettungswerk von Natur und Mensch nie ein Argument. Der Mensch hat sich einiges zuschulden kommen lassen mit seinen lasterhaften Seiten und ge- fährdet nun mit der Natur seine eigene Gattung. Statt der Parole eines frühen Grünen - "Sammelt nicht Schätze auf Erden!" - zu folgen, hat er sich den Hochmut einer "Überschätzung des materi- ellen Lebensstandards" geleistet, und die grünen Bußprediger, die die Ideologie der "Wohlstandsgesellschaft" bitter ernst nehmen, haben nun alle Hände voll zu tun, um "Herrschaftsverhältnisse" zu verändern, die einzig und allein auf "Verschwendung" und Hybris beruhen. Aus jedem wirklichen Gegensatz, der die kapitalistische Ökonomie und Politik kennzeichnet, verfertigen diese Exemplare besseren Menschentums mit traumwandlerischer Sicherheit sein Ideal. Sowenig sie von der Konkurrenz, die es gibt, auf dem Ar- beitsmarkt und in der Fabrik, vom Zwang zur Leistung und den Här- ten der gesellschaftlichen Hierarchie in Ausbildung und Beruf wissen wollen - daß s i e grenzenlos g u t e Kreaturen sein möchten, wie man sie sich gleicher und solidarischer gar nicht wünschen kann, ist ihnen lässig zu Bewußtsein gekommen. Darin überbieten sie sogar noch die christliche Heilslehre, aus der sie manche ihrer Weisheiten beziehen, wenngleich im Alten Testament immerhin die Erlaubnis erteilt wird, die sie überhaupt nicht lei- den können: "Machet euch die Erde untertan!" Deshalb haben sie nach dem Ratschlag von reaktionären Philosophen eine neue Über- setzung in Umlauf gebracht, die den eigentlichen Willen des Schöpfers ausdrücken soll (der HERR war aber für Akkumulation auf Kosten derer, die sie besorgen): Machet euch d e r Erde unter- tan! heißt es nun auf Recycling-Papier und auf Festen der Grünen, auf daß die M e n s c h e n sparsam mit Geziefer, Spezerei und Mineralien umgehen, und noch ein bißchen verschwenderischer mit sich selbst, als sie es von Kapitals Gnaden ohnehin tun dürfen. Während Politiker der gewöhnlichen bürgerlichen Parteien mit der "Knappheit" von allem und jedem die ideologische Begleitmusik zu den Zwängen bereitstellen, die sie ihren lieben Bürgern verord- nen, das "Maßhalten" als ständige Bedingung besserer Zeiten pro- pagieren und im Namen der "Wirtschaft" jeden materiellen Anspruch im Volk als Gefahr ächten, erscheint bei den Grünen die morali- sche Sauce mit christlicher Würze tatsächlich als das politische Hauptgericht! Da nimmt es nicht Wunder, daß die älteste Tochter der Moral, die H e u c h e l e i, bei den Grünen beträchtliche Fülle angenommen hat. Die Kinder des Club of Rome, der seine Hochrechnungen des quadratisch steigenden Verbrauchs von Öl und Aluminium freilich aus anderen Gründen und auf Glanzpapier unter die Leute bringt, machen ja auch mit ihrem moralischen Universalschlüssel, dem "wir" Ernst. Sie treten in Konkurrenz mit dem etablierten Gemein- wohl, in dem andere und den Realitätssinn des geschädigten Bür- gers richtiger kalkulierende Parteien das Sagen haben. Dem Ver- dacht, nur die Spinnereien einer Minderheit zu repräsentieren, begegnen sie mit all den Mitteln, die ihnen mit ihrem ideologi- schen Arsenal zur Verfügung stehen: den etablierten Parteien und ihren Anhängern gegenüber treten sie den Beweis ihrer W ä h l b a r k e i t an, die sie mit einem Programm demonstrie- ren, in dem der demokratischen Forderung entsprochen wird, die gesamte Latte von staatlichen Aktivitäten zu präsentieren. Sie lassen kein politisches Ressort aus u n d messen jedes an dem zentralen Menschheitsproblem von Mensch und Natur. Dabei ist ih- nen kein Bezug zu idiotisch, wie es sich eben für Leute gehört, die einen gemeinsamen Willen aller Leute auf dem ganzen Globus zu realisieren trachten. Den Linken, die sich bei ihnen anwanzen, sagen sie nicht etwa klar und deutlich wie der wackere Baldur, daß sie mit ihnen nichts zu schaffen haben möchten - sie setzen ihnen Bedingungen, unter denen sie sich f ü r die grüne Bewe- gung nützlich machen können. Ihre verschiedenen "Fraktionen" handhaben sie gekonnt für die Sammlung von Stimmen, zu der sie auch den Luftballon als politisch-öffentliches Gerät nebst der Zurschaustellung ihrer selbst als gemütliche Exemplare der Gat- tung Mensch einsetzen. Keine Gelegenheit wird da ausgelassen, die Besonderheit der eigenen Partei herauszustreichen - sie ist den Problemen aller Bürger zu Diensten, die mit und unter der ökolo- gischen Jahrhundertkrise zu leiden haben. Ihre im Vergleich zu den Linken in den letzten Urnenschlachten gewaltigen Chancen, 5% zu kriegen, haben es den Idioten der linken Szene angetan, so daß die sich seit neuestem als gelehrige Schüler zeigen, die die öko- logische Botschaft genau verstanden haben: "Die Erde ist wie eine Mutter, und seine Mutter bringt man nicht um." (KB) Die Frage "Wen denn sonst?" würden die Mannen vom KB sicher als Zynismus einstufen, denn eines haben sie anläßlich der Grünen Be- wegung alle bemerkt: daß sich mit der grünen Moral und ihrer Wahlbewegung mehr hermachen läßt als mit dem Gerechtigkeitsgetue des westdeutschen Revisionismus in den letzten zehn Jahren. Nur das eigene Scheitern, mit dem diese Linke aufgrund ihrer eigenen Interpretation der Weltenläufte nicht rational umgeht, macht ja aus den Grünen einen neuen Faktor im Kräfteverhältnis und bringt Leute, die ihrem eigenen Zeugnis nach hauptsächlich vom Kapital eine schlechte Meinung haben, zum Nachplappern ökologischer Mon- stergedanken. Die Bereitschaft, jede Sorte sich regender Unzu- friedenheit in der Welt, sobald sie an Zahl gewinnt (wer keinen Erfolg hat, ist nach Auffassung der Linken selbst schnell ein 'Sektierer'), als fortschrittliche Bewegung zu deuten und sich als deren korrekter Interpretator und - wenn's geht - Vorhut auf- zuspielen wächst umgekehrt proportional zur eigenen Bedeutungslo- sigkeit. Die Anbiederei westdeutscher Linker an die neue Er- weckungsbewegung kennt keine Grenzen; so säuisch wie die Vereine auf die Konkurrenzorganisationen ein Jahrzehnt lang eingedroschen haben, so konziliant verhalten sie sich nun in ihrer Deutung und in ihrem praktischen Gebaren gegenüber den Grünen. Der Blödsinn, den sie sich zur Legitimation ihres Opportunismus zurechtlegen, ist bemerkenswert: "Bei unterschiedlichea weltanschaulichen Ausgangspositionen" (es ist doch immer wichtig zu wissen, wovon einer ausgeht!) "eint die Initiativen, Komitees, Organisationen und Parteien... eine h u m a n e G r u n d h a l t u n g" (das ist doch was!), "die S u c h e n a c h e i n e r A l t e r n a t i v e" (ja wozu denn?) "z u d e r i n d e n M a c h t b l ö c k e n v o n O s t u n d W e s t v e r k ö r p e r t e n Perspektivlosig- keit" (nicht einmal deren Perspektive habt ihr mitbekommen?), "der Wunsch nach basisdemokratischer Organisierung" (da ist sie wieder, die tiefe Sehnsucht nach dem Sozialismus Schweizer Mo- dell) "und s o l i d a r i s c h e n V e r k e h r s f o r- m e n" (das wird euch gut tun und dem Kapital zu schaffen machen), "schließlich die Erkenntnis, daß einschneidende" (was für, ist wurscht) "Veränderungen der gesellschaftlichen Verhält- nisse, die notwendig sind, vom bestehenden Machtkartell nicht erwartet werden können." (ehem. Sekretär der KPD) An der grünen Krisenlehre, die sich nicht mit den gewöhnlichen Krisen abgibt, sondern eine säkulare, die gesamte Menschheit be- treffende Krise in der Pose des Warners beschwört, entdecken Linke eines ihrer falschen, aber zentralen Argumente ihrer ge- samten Laufbahn wieder. Die "Etablierten" versagen vor den histo- risch notwendigen Aufgaben, die Politik zu "lösen" hätte; es fehlt ihnen eben der Blick für die Menschheitsprobleme, so daß sie perspektivlos herumwursteln, was wiederum die Grünen bemerkt haben. Daß die "Herrschenden" im H e r r s c h e n ihre Aufgabe sehen, auch und gerade, wenn sie demokratisch gewählt sind, und "der Menschheit" das Zurechtkommen mit den Zwängen diktieren, die ihnen das Kapital einbrockt, wissen weder Linke noch Grüne - und in ihrem Ideal, daß die Politik doch eigentlich "menschlich" zu sein hätte, werden sie sich mindestens in einer Richtung einig: die Linken gratulieren den Grünen ziemlich erregt zur Auffindung eines echten, weil immerhin einige "Massen" bewegenden g e m e i n s a m e n Problems, an dem sich zeigen läßt, wie schlampig die etablierten Parteien ihren Aufgaben nachkommen. Den Entschluß der Grünen, ihre Vorstellungen ins Parlament zu tragen - "Wir wollen dort (im Parlament) unseren politischen Alternativen Öffentlichkeit und Geltung verschaffen." (Präambel) statt dem "Machtkartell" den Kampf anzusagen, begrüßen sie rück- haltlos und tun als Linke alles, nur um die Beziehungen zu den Grünen, den shooting stars der bundesrepublikanischen Szene, nicht abreißen zu lassen Viele von ihnen haben, begeistert von der zur Schau gestellten Anstand der Grünen, die ja außer gegen Kunstdünger auch noch für Liebe eintreten und ständig ihre Politik als "gewaltlos" anprei- sen (warum tun das eigentlich Strauß oder Schmidt nie?), also mit ihrer Ohnmacht kokettieren und sich zugleich von linken Anti-AKW- Demonstranten distanzieren, ihr Parteiabzeichen ausgezogen und sind ganz autonom grün geworden. Mit der KPD öffnet eine ganze Partei durch ihre Auflösung den freien Zugang zum Blumentopfla- ger. Der KB, in dessen Reihen sich schon seit geraumer Zeit alles von schwul bis grün zwanglos tummelt, weil man keinen Versuch der Integration irgendeines sich "politisch" gebenden Anspruchs ver- säumen will, pocht deswegen jetzt auf Selbständigkeit gegenüber den Grünen und die Pflicht, "eigene" Ziele zu verfolgen. Selbst die DKP, die doch immerhin einen ganz realen Sozialismus im Rüc- ken hat, geht heute mit der Konjunktur und offeriert statt dem Gegensatz zwischen Millionären und Millionen braver Leute ein ganz "sinnvolles Leben." In solch fortgeschrittenem Stadium hat nur noch einer gefehlt, der die Politik der Linken und Grünen m e t h o d i s c h reflektiert und einen der Bundesrepublik ad- äquaten "historischen Kompromiß" erfindet - der also die Tendenz erkannt hat und mit ihr wirbt, worin seine politische F u n k t i o n besteht. Er kam von drüben, alle hören ihm be- reitwillig zu - uns ist noch nicht zu Ohren gekommen, daß ein einziges seiner Argumente angegriffen worden wäre, wenn er auf die gegenwärtig notwendige große Einheit macht -, er heißt Bahro und betätigt sich, wie wenn es ihm befohlen worden wäre, als Auf- lösungsmotor linker Organisationen. In e i n e m Punkt aller- dings, aber auch nur in dem einen, hat er recht: "Rot und grün, grün und rot gehen also jedenfalls gut zusammen." Und dennoch ist mit dem Verhalten der Linken zu den Grünen und den Diskussionen drüber und über die Chancen bei der Wahl das Soll der links Organisierten im Jahre '80 noch nicht erfüllt. IV. Stoppt Strauß und lebt auch sonst alternativ! ------------------------------------------------- "Wenn ein Prozeß mehrere Widersprüche enthält, muß einer von ih- nen der Hauptwiderspruch sein... Diese Lage ist aber nicht unveränderlich: die Hauptseite und die sekundäre Seite des Widerspruchs gehen ineinander über, worauf sich auch der Charakter des Dings entsprechend ändert." (Mao) Vor gar nicht allzulanger Zeit hat die organisierte westdeutsche Linke im Frühling ihrer Aufbauphase alle Weisheiten aus der Ge- schichte der Arbeiterbewegung gesammelt, sie sich zu Herzen ge- nommen und Versuche der Agitation gestartet, die "davon ausgin- gen", daß im Gegensatz von Kapital und Arbeit der Grund für alle Formen der Armut und Beschränkung liegt. Daß der arbeitenden Menschheit so gut wie alles zustehe, was ihr vorenthalten wird, war die feste Meinung der Parteien - womit die m o r a l i s c h e Kritik zwar eine ausgemachte Sache war, aber immerhin in einer auf die m a t e r i e l l e B e l a n g e des "Volkes" bezogenen Gestalt. Betriebszeitungen appellierten an die Arbeiter, sie möchten in gemeinsamen Aktionen ihre (berechtigten) Interessen gegen die Unternehmer durchsetzen, und der politischen Herrschaft wurde ein ums andere Mal bescheinigt, daß sie nicht f ü r die Belange des Volkes, sondern g e g e n seine Anliegen Staat mache. Freilich auch dies mit dem hohen mo- ralischen Maßstab "echter Demokratie", in der die Interessen der "Massen" die positive Richtschnur des politischen Geschäfts zu sein hätten. Abgesehen also von der ständigen Verwandlung der tatsächlich vor- gefundenen Form, in der das Proletariat seine Interessen verfolgt - stets wurde ein Bedürfnis nach Kampf und Durchsetzung u n t e r s t e l l t, immer waren die Flugblätter demonstrative Erklärungen des Inhalts, daß man ganz auf der Seite der "Massen" steht, die sich längst gegen Kapital und Staat zur Wehr setzen; keine Gelegenheit wurde ausgelassen, die Opfer und schlechten Er- fahrungen der so Angesprochenen aufzuzählen, um sie als den selbstverständlichen Grund der Arbeiter hinzustellen, mit ihrer Ausbeutung Schluß zu machen -, abgesehen also davon, daß die bloße T a t s a c h e, daß man sich zur Agitation gedrängt fühlte, dem I n h a l t der Traktate widersprach; diese Linken haben mit der Fiktion eines Proletariats, das ein Bewußtsein von der Notwendigkeit, eben den Willen, besitzt, gegen das Kapital vorzugehen (eine Fiktion, die ein ganzes Arsenal f a l s c h e r U r t e i l e über die Welt von Lohnarbeit, Kapital und den Klassenstaat bedingt!), zumindest Politik g e m a c h t. Das ist zwar kein Kompliment, aber eine auffällige Tatsache ange- sichts des heute von den sich auflösenden Vereinen gebotenen Schauspiels. 1980 sind sie, nachdem sie der Erfolgslügen der letzten Jahre selbst müde geworden sind und den Siegeszug der Grünen bestaunen können, dazu übergegangen, über die M ö g l i c h k e i t von Politik zu quatschen. Sie behandeln ihr Scheitern als Anlaß, endgültig nur noch methodisch über sich und die Welt als Bedingung von "Politik" zu verhandeln. Da wird gefragt, ob "Resignation" angebracht sei; wie man das Ausflippen bremsen könne, und zwar das eigene wie das von anderen; wo, nach- dem der "Marxismus" gescheitert ist, eine passende und zugkräf- tige Weltsicht zu finden wäre usw. Und die Aufzählung von Ver- säumnissen und früheren Untaten, die da als Selbstkritik vorge- bracht wird, ist ein einziges Gejammer darüber, v e r s a g t zu haben: wir wissen nichts, sind nichts, bedeuten nichts und kennen uns noch immer nicht aus... Das Seltsame an diesem Bekun- den der eigenen Trostlosigkeit, das mit dem Begreifen eigener Fehler rein gar nichts zu tun hat, liegt freilich darin, daß es a l s p o l i t i s c h e S t e l l u n g n a h m e der feind- lichen bürgerlichen wie der mit Ratlosigkeit geschlagenen linken Szene offeriert wird. Aus einer falschen Sponti-Parole - "wer sich nicht wehrt, lebt (!) verkehrt" - hat die Linke eine For- tentwicklung verbrochen; nicht nur, daß sie nie einem Sponti zu sagen in der Lage war, daß der G r u n d fürs "sich wehren" der S c h a d e n ist, den einem Kapital und Staat beibringen - die Linke will heute "richtig" leben dürfen und betrachtet das öf- fentliche Leben der schönen Republik als B e d i n g u n g für dieses hochgestochene Programm, von dem leider nur ganz banale und kindische Realisierungen bekannt geworden sind. So diskutie- ren und kommunizieren sie herum, als müßten sie die Minima Mo- ralia vor aller Welt in die Tat umsetzen und den schwergewichti- gen menschlichen Charakter von sich selbst a l s L i n k e - mit alternativem "Verständnis" zwischen Groß und Klein, man und frau, gruppenmäßig und überhaupt - v o r z e i g e n. Aus dem Scheitern ihrer taten von gestern haben sie den Schluß gezogen, immerzu Denkmodelle für morgen h e u t e auszuprobieren, so daß ihnen an der politischen Herrschaft der BRD etwas ganz Merkwürdi- ges aufstößt. Sie könnte sich als Bedingung für Experimente "sinnvollen Lebens" verschlechtern, wenn Strauß an die Macht kommt. Die Republik muß aufpassen, daß sie vom rechten Kanzler- kandidaten nicht für ihr eigenes Gegenteil mißbraucht wird, der Staat wird wegen seiner möglichen Entwicklung zu Schlimmeren zum Objekt der Kritik. Linke kritisieren wegen ihrer Schwierigkeiten mit dem Politik-Machen den Klassenstaat, weil sie befürchten, der könne sich mit Strauß einmal zur ernstzunehmenden Beschränkung entwickeln. Als einzige beschwören sie den Schein des Wahl- kampfes, es ginge um Alternativen, die sich wie Wasser und Feuer ausschließen - und auf der anderen Seite ergehen sie sich in Selbstverständnisdebatten, in der nur sie selbst mit ihren Be- dürfnissen und Ängsten, Hoffnungen und Enttäuschungen vorkommen. Irgendjemand mit der Realität entnommenen Gründen g e g e n wen aufbringen, ist ihre Sache längst nicht mehr. Sie treten ihre I d e n t i t ä t s p r o b l e m e breit und halten das auch noch für eine ganz besonders zeitgemäße Artikulation eines poli- tischen Willens. Schön ist dieser Fortschritt auch beim MSB-Spartakus wie über- haupt in der Hochschulpolitik vollzogen worden. Die Studentenor- ganisation der DKP trat einmal dem herrschenden Ausbildungsbe- trieb an der Hochschule mit der Forderung "Marx an die Uni!" ent- gegen. Zwar bestand der Angriff gegen die bürgerliche Wissen- schaft in der uralten Kritik an der E i n s e i t i g k e i t des Pluralismus: Marx hätte ein gutes Recht (und man selbst kämpfte dafür), a u c h gelehrt zu werden. Aber immerhin - hätte man durchgesetzt, daß Marx seinen Lehrstuhl bekommt, nicht schlecht. Etwas später stand bei demselben MSB die "Demokratische Gegenuniversität auf dem Programm. Dieser Versuch kam den Studen- ten sehr entgegen - was soll man mit Marx im Beruf anfangen - und gab sich bedeutend konstruktiver. Denn, so wurde gesagt, in der DGU geschehe eine umfassende und kritische Vorbereitung auf den Beruf - eigentlich eine Angelegenheit, die jeden Studenten begei- stern müßte -; leider nahm der Staat sie nicht ins Lehrprogramm auf, was er ohne weiteres hätte tun können (einige Veranstaltun- gen der DGU waren eh schon mit denen "fortschrittlicher" Hoch- schullehrer identisch). Trotz "großer Erfolge" und "wachsendem Widerstandswillen der Studenten" wurde die DGU schließlich doch aufgegeben. Schließlich ändern sich die Zeiten immer, wie Mao auch schon wußte, und mit ihnen die Methoden, in den Studenten- massen zu schwimmen. Heute wirbt der Spartakus für sich mit einem "sinnvollen Studium" oder auch "Leben", was ja bei Studenten ir- gendwie zusammenhängt. Der Spartakus hat also die zentrale Frage des Klassenkampfs und der Abschaffung des Kapitalismus, die Frage nach dem Sinn nämlich, praktisch gewendet und ist so frei, jedem Studenten klarzumachen, daß sinnvoll das Studium schon sein müsse, sonst wäre es ja völlig sinnlos. Wer würde das nicht ver- stehen - hat sich der MSB gedacht und nachgewiesen, daß Regelstu- dienzeit, Semestergelder und überfüllte Seminare letztlich das Studium sinnlos machen. Auch daß die Frauen so wenig Thema sind im Lehrangebot, ist eine patriarchalische Gemeinheit und ziemlich unfraulich, meint der MSB. Wie soll sich eine Frau da im Studium wiederfinden? Am besten in der Fachschaft oder im MSB: da geht jeder auf den anderen ein, auch in kleinen, alltäglichen Dingen; gelacht wird auch, wenn's sein muß auf Festen; und vor allem hat man in der solidarischen Arbeit für eine gute Sache das Gefühl, wer zu sein und etwas Sinnvolles zu tun - ein rundum sinnvolles Leben, ein linker Verein als neue Heimat selbstverwirklichender Selbsterfüllung, mit dem so befreienden utopischen Blick nach vorn. Heute wirbt also die Linke mit der "Politik als Lebensform" für sich, mit dem Angebot, wie schön Sozialismus schon hier und heute und unter den unwirtlichen kapitalistischen Bedingungen geht. Der MSB als beste therapeutische Anstalt für bestes Menschsein. So darf selbst Organisation sein, bemerkt ein KPD-ler, als die Auf- lösung seiner bisherigen "Partei der Arbeiterklasse" ausgemachte Sache ist. Wo die kleinen Dinge des Lebens und die großen Mensch- heitsfragen philosophisch und mit alternativem Touch gepflegt werden, da ist ein Linker 1980 zu Hause: "Wenn sich die Partei als Ort versteht, der die Fragen der Menschheit beheimatet und das in den täglichen Dingen und Taten Hinüberweisende aufnimmt und zu einem kräftigen Strahl theoreti- scher Erhellung bestehender Verhältnisse bündeln kann, dann ist sie zu Recht existent." (Zur Bilanz und Perspektive der KPD) Genaugenommen ist damit gar nicht mehr von Belang, ob man organi- siert oder allein "alternativ" lebt oder in der Szene Alternati- ven berät, wodurch man auch eine Heimat hat. Die Demonstration der sich sozialistisch oder links fühlenden Persönlichkeit kann ebensogut unter sich stattfinden. Die einen beweisen der Mensch- heit durch ihre besondere Wohn-, Konsum- und Produktionskultur sowie der entsprechenden Anzugsordnung, daß ihr Herz so links schlägt; die anderen fühlen sich als Teil der Frauen-, Schwulen- und Lesbenbewegung auf dem rechten Emanzipationstrip der Mensch- heit, machen eine zivilcouragierte Zeitschrift und treffen sich häufig unter Ausschluß der jeweils anders gearteten Teile; andere dieser sexuell - man/frau möge entschuldigen, gesellschaftlich - bestimmten linken Szene bringen ihre kleinen Unterschiede auch als berechtigte Fraktion in eine linke Organisation ein wegen der gesellschaftlichen Wirksamkeit und weil es sich ja bei der Demon- stration gemeinsamer Betroffenheit schon um den Kampf gegen das "verkehrte Leben" handelt. Alle finden sich bei "Rock gegen Rechts" ein, denn dort ist Solidarität (10000 bei Udo Linden- berg), Kultur (hard-rock) und Politik (gegen Rechts) auf einem Haufen. Besonders hartgesottene Linke diskutieren den abgelegten Marxismus-Leninismus als "geistige Situation der Zeit" und bestä- tigen sich auf "Sozialistischen Konferenzen" gegenseitig, wie engstirnig sie doch gewesen seien, als sie noch an die Arbeiter- klasse als revolutionäres Subjekt der Umwälzung des Kapitalismus geglaubt hatten und die Ö k o n o m i e des Kapitals für den Grund allen Übels gehalten hatten - völlig veraltet: "Für die sozialistische und kommunistische Linke steht - gerade auch im Hinblick auf die 'Sozialistische Konferenz' - die Frage, ob ein 'dritter Weg'" (der grüne Waldweg) "möglich ist: Ausgehend von den Fragen, die durch die AKW-Bewegung und jetzt die Grünen aufgeworfen sind, einen A n t i k a p i t a l i s m u s zu be- gründen, der sich von ö k o n o m i s t i s c h e n R e d u z i e r u n g e n befreit und eine Gesellschaftskritik leistet, die a u f d e r H ö h e d e r Z e i t steht." (Rote Fahne, letzte Ausgabe) Das Programm bzw. diese Frage verdient einen Preis. Gegen das Ka- pital sein und sich "frei" machen von der Ökonomie, weil die ein einziger -ismus ist, wenn die Linken sich auf sie "reduzieren"! Trotz aller Enttäuschung über die Welt, die ihre "Haupttendenz Revolution" zumindest in der BRD (draußen findet dieser Glaube noch immer Belege genug) nicht erfüllt hat, bietet der Abstieg der Linken in die Subkultur, in den höheren philosophischen Blöd- sinn (die Geschwisterpaare sind) wieder Hoffnung an. Der "Kampf" geht eben auf der Höhe der Zeit weiter. Daß das so sein müsse, dafür hat die Linke schon immer ihre These vom historischen Kräf- teverhältnis parat gehabt, das sich zwar pausenlos ändert und vorwärts schreitet, andererseits aber auch so ist wie's ist. Was soll die linke Bewegung anderes machen, als ihrer Interpretation desselben entsprechend l i n k e S z e n e sein? Jemand vom Sozialistischen Büro, im "Arbeiterkampf" danach gefragt, warum das SB sich nicht am grün-bunten Wahlverein beteilige oder zumin- dest zu seiner Wahl aufrufe, gibt in zwei Sätzen eine klassische Vorführung des verrückten Idealismus, die Welt als Kräfteverhält- nis zu betrachten, das sich erstens von selbst bewegt und zwei- tens sich gar nicht bewegen kann, wenn es sich nicht bewegt: "Die h i s t o r i s c h e n N i e d e r l a g e n d e r d e u t s c h e n A r b e i t e r b e w e g u n g" (sitzt beim deutschen Arbeiter auf Resignation unterbewußt noch 1980 sehr tief), "der n o c h i m m e r gegebene r e l a t i v e m a t e r i e l l e W o h l s t a n d d e r M a s s e d e r L o h n a r b e i t e r" (ein linker Freund der Arbeiterklasse, der in Krise und Armut den Grund für Aufstände gegen das Kapital sieht, kann keine Armut mehr bei den Arbeitern entdecken, wenn diese nicht kämpfen und entschuldigt sich höflich bei der Tendenz Revolution: e r sieht im Moment keinen Grund für die Arbeiter, also auch für sich nicht; für den Fall, daß es den Proletein mal wieder ganz dreckig gehen sollte, steht er selbstredend bereit!) "und das g e r o n n e n e G e f l e c h t d e s w e s t- d e u t s c h e n P o l i t i k b e t r i e b e s" (so weit geht der Linke, daß er den Staat als ziemlich verkrustet an- greift) "lassen keine stärkeren Widerstandsaktionen gegen die an- stehende autorative" (Strauß?) "bürgerliche Modelung" (schlechte Staatsführung, oder?) "der BRD erwarten." Nach dieser objektiv konkreten Prognostik folgt der letzte und allgemeinste Punkt linker Einbildung des Gangs der Dinge ohne Gründe - das Subjekt Geschichte: "Natürlich liegt hier ein Widerspruch" (er meint das Verhalten des SB zur Grünen Partei), "aber nicht einer der Logik (?) oder der politischen Haltung, sondern einer der 'vor unseren Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung'." In diesem Sinne bzw. Unsinne bestimmt der Mann vom Sozialisti- schen Büro die Grünen und Bunten als "Vor- und Übergangsstufe zu einer sozialistischen Massenbewegung". In diesem Weltgebäude hat halt alles seinen idealen Platz. an sieht, das Ideal von der Einheit aller Linken ist schon ganz schön verwirklicht, 1980 mehr als je zuvor. Sicher, die Freunde des "Realen Sozialismus" von DKP und MSB und der linke Rest gehen nicht zusammen, aber die Methoden der Politik und der Weltsicht sind dieselben, und im Fortschreiten des Opportunismus, sich an alle blöden bürgerlichen Geistesströmungen anzuwanzen und sie als Chance zu betrachten, sind kaum Unterschiede festzustellen. "Alternativ" wollen sie heute alle sein, also das bessere Andere, die ehrliche und wahrhaft gute Moral verkörpern im Unterschied zur maroden bürgerlichen. Die einzigen wahrhaft echten Demokraten sind sie auch, die die BRD vor allen undemokratischen Gefahren retten wollen. Und hier liegt im Jahre 1980 eine weitere und hi- storische Einheit der Linken vor. Warum wohl will der KB alles sammeln, was sich irgendwo noch sozialistisch fühlt? "(Es geht uns) um g l e i c h b e r e c h t i g t e Beziehungen zu möglichst großen Teilen der Linken, um unseren Beitrag zum In- gangkommen einer 'großen Debatte' über den gegenwärtigen Stand und die Perspektive der Linken" (ewig diese Selbstgespräche), "insbesondere um die gleichberechtigte Zussmmenarbeit mit mög- lichst vielen Linken bei der S a m m l u n g d e r s o z i a l i s t i s c h e n K r ä f t e, und um unseren An- teil sm Zustandekommen w i d e r s t a n d s f ä h i g e r F r o n t e n und Bewegungen gegen die aktuellen großen Gefahren für die Demokratie und den Frieden." Ein Glück für die Linke, daß Strauß Kanzlerkandidat wurde. Sie hätte es sonst im Wahljahr 1980, in dieser Stunde, da das Kräfte- verhältnis wieder einmal so oder so auf dem Spiel und zur Wahl steht, schwerer gehabt. So aber ist der Feind längst und heute besonders erkannt und d i e Aufgabe a l l e r Linken eindeu- tig gegeben. Da klingt es schon reichlich absurd, wenn ein ehema- liger Vertreter der Kommunistischen Liga davor warnt: "Die Linke droht - und das wird in den Wochen bis zur Wahl sich noch verschärfen - in der Polarisierung Schmidt-Strauß a u f g e r i e b e n zu werden, und viele werden erneut zur Wahl der SPD aufrufen." Denn wie soll die Linke in einer Angelegenheit aufgerieben wer- den, in der sie sich total identisch weiß, in der Verhinderung eines Wahlsieges von F.J.Strauß. Dem "Kanzlerkandidaten von der extremen (!) Reak- tion", der die Parole "Freiheit statt Sozialismus" erfunden hat, schleudern die unzähligen "Stoppt-Strauß-Komitees" und "Anti- Strauß-Initiativen", die sich die Linken einfallen lassen, ihr "Freiheit statt Strauß" entgegen, mit dem Zusatz "Aktion für mehr Demokratie". Daß Parole und Gegenparole eine Identität im Anliegen besitzen - Strauß möchte die Freiheit, also die demokratische Herrschaftsform, vor dem Sozialismus retten; die Linke möchte die Freiheit, also die demokratische Herrschaftsform, vor dem rechten Strauß retten -, fällt den Linken natürlich nicht auf. Denn für sie ist völlig klar, daß nicht Strauß, sondern sie die wahre Freiheit wollen und verteidigen. Fragt man sie, warum sie sich kein "Schmidt - Nein Danke" an den Pulli stecken, antworten sie: "Schmidt ist auch nicht mehr für Demokratie, aber die eigentliche Gefahr für die Demokratie liegt doch in Strauß." Fragt man- sie, inwiefern sich denn bei einem Wahlsieg Helmut Schmidts das Kräfteverhältnis positiv verändere, sagen sie, daß dies zwar nicht das Ergebnis sei, ein Sieg von Strauß das Kräfteverhältnis aber eindeutig verschlechtere. Hält man ihnen vor, daß sie mit ihrem Kampf gegen Strauß Helmut Schmidt unterstützen würden, entgegnen sie, es sei das "Gebot der Stunde", eine weitere Rechtsentwicklung zu verhindern. Und fragt man sie schließlich, was sie, die Linken, davon hätten, wenn Strauß eine Abfuhr erteilt werde, so werden sie sagen, daß dies eine wesentliche B e d i n g u n g sei für den Fortschritt der demokratischen und sozialistischen Bewegung. - Man kann getrost für alle Linken einen Theoretiker der DKP zu Wort kommen lassen. Denn was er als das politische Programm gegen Strauß ausgibt, unterschreibt noch jeder "antirevisionistische" bunte oder sonstwie geartete Linke: "1. Bei Aufbietung und Konzentration aller demokratischen Poten- zen ist es möglich, den Machtantritt von Struuß im Herbst 1980 zu verhindern. Aber auch dann, wenn dies gelingt, wird die Drohung von rechts andauern, allerdings mit zunächst verminderter Dyna- mik" (dafür steht wohl Schmidt gerade). "2. Sollten die von Strauß repräsentierten Kräfte die Regierungsgewalt erobern, so hätte dies sehr schlimme, in ihrer Reichweite nicht präzis abseh- bare Folgen. Dennoch wären auch in diesem Fall der Machtentfal- tung dieser Kräfte im Inneren wie nach außen Schranken gesetzt. Der Kampf um Demokratie, Frieden und sozialen Fortschritt würde weitergehen - allerdings unter wesentlich schlechteren Bedingun- gen als vorher." Immer wieder verblüffend, welche Logik das linke Kräfteverhältnis zustande bringt: Die Verhinderung von einem Kanzler Strauß ist zwar ein schwerer Schlag gegen Rechts, aber die Gefahr bleibt be- stehen - schließlich muß der Kampf gegen Rechts und für die wahre Demokratie ja weitergehen. Bei Straußens Sieg wären die Folgen sehr schlimme; doch auch die rechten Kräfte können sich über ge- wisse Bedingungen und Schranken nicht hinwegsetzen - schließlich ist der Kampf gegen Rechts auf jeden Fall weiter möglich. Das Ge- rede von der Erhaltung der Bedingungen sozialistischer Politik entlarvt sich selbst als einzigen Inhalt der Politik, die so tut, als käme dann, wenn Strauß gestoppt sei, das ganz Andere an Mas- senbewegung und so. Der Kampf gegen Strauß und Rechts spekuliert ja mit dem Erfolg beim demokratischen Saubermann, und warnt die Massen vor möglichen Gefahren für die Republik, als ob es ihnen in der so blendend ginge. Die linken Idealdemokraten haben zu Wahlzeiten, zu solchen mit einem Kandidaten Strauß zumal, ihre politischen Hochzeiten, um sich als Retter des besseren Deutschlands in Szene zu setzen. Wo der letzte Wähler weiß, daß ihm in den Kandidaten keine Alterna- tiven zur Wahl stehen; wo keinem verborgen geblieben ist, daß es den Kandidaten nur um die Stimmen geht und sie dafür Werte, Ideale und ihre Person ins Spiel bringen; wo die Heuchelei, es käme auf den Unterschied an, Strauß sei ein "Sicherheitsrisiko" und Schmidt ein Hampelmann seiner Sozis, niemandem ein Geheimnis ist - wo also der funktionale Umgang der Politiker mit dem ganzen demokratischen Zirkus eine Tatsache ist und sich auch die Masse des Volks darüber nicht aufregt, sondern seine staatsbürgerliche Pflicht tut, nachdem er die Auseinandersetzung Schmidt-Strauß in- teressiert beobachtet hat ("Wer wird gewinnen?"), stellen sich die linken Idealisten der wahren Demokratie hin und machen aus der Wahl 1980 das Jahrhundertereignis. Weil sie allein die zur Wahl stehenden Alternativen ernst nehmen, blamieren sie sich als linke Spinner, die aus dem Wahlkampf für sich Kapital schlagen wollen. So ernst meinen es die Linken mit ihrer Warnung vor den Gefahren für die demokratische Republik, daß sie das fortschritt- liche Spektrum gegen Strauß sogar um die christlich-demokratische Mitte bereichern; ein Bericht vom "Anti-Strauß-Stammtisch": "Eine rege Diskussion entstand darüber, wie der Kampf gegen Strauß geführt werden soll. Einerseits wurde vertreten, daß für die Linken die Gefahren, die von Strauß ausgehen, klar seien, so daß man vorrangig auf CDU-Wähler einwirken müsse. Dem wurde ent- gegengesetzt, daß es für die Linke insgesamt noch nicht klar sei, gegen Strauß mobil zu machen; deshalb komme es auch darauf an, sich im linken Spektrum zu vereinheitlichen." (Arbeiterkampf) Das letzte stimmt nicht, die Einheit im Kampf gegen Strauß ist unter den Linken größer als je zuvor. Selbst die grün/bunte Chance, mit über 5% in den Bundestag einzuziehen, wird unter dem ernsten Gesichtspunkt betrachtet, inwiefern die Teilnahme an der Wahl nicht eventuell bei knapp unter 5% Strauß in den Sattel hebe. Das wäre vielleicht peinlich, wie andererseits feststeht, daß eine grün/bunte Fraktion im Bundestag Schmidt zur Wiederwahl verhelfen würde - mit Zustimmung aller linken Kräfte in der BRD. Nehmen wir zum Schluß einmal an, Strauß werde nicht Kanzler und die Linken könnten sich einbilden, das verhindert zu haben. Wie sähe dann das Kräfteverhältnis in der BRD aus? Auf der einen Seite wäre ein angeblicher Rechtsrutsch verhindert worden, Helmut Schmidt mit seiner "verkrusteten" SPD weiter im Sattel - es hätte sich also nichts geändert. Auf der anderen Seite zeigen die Mas- sen natürlich weiterhin Ansätze zu Massenkämpfen; auch das wäre nichts Neues. Neu ist aber, daß der Rechtsrutsch der Linken wei- tere Fortschritte gemacht hat. Was die Linken ins Kräfteverhält- nis einbringen, sieht dann so aus: braune Grüne, grüne Grüne, grünes Mittelfeld, bunte Grüne, rote Grüne, alternative Bunte, superrote, grüne Frauen, bunte Schwulen... alles in allem ganz viel Alternative auf der Höhe ihrer Zeit. Sie alle eint, daß es das Leben, die Menschheit und die demokratische Republik hochzuhalten gilt. Dies ist der linke Aufbruch in die 80er Jahre. Mao hat auch hier wieder recht: "Die Dinge entwickeln sich stän- dig". zurück