Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION LINKE - Vom langen Marsch...


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       Korrespondenz
       
       "Im islamischen Staat ist der Staat das Mittel der Religion."
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       Ich wollte  euch was  zu Iran  schreiben -  die Diskussion bewegt
       sich immer  noch um  die Frage: war die persische Revolution eine
       soziale oder  religiöse.... Beide  Antworten sind  ebenso falsch,
       wie es die Frage schon ist. Um das aufzuzeigen, will ich kurz den
       Charakter des  Islam darlegen.  Dabei geht es nicht darum, daß er
       eine Religion  des Elends  ist in  dieser allgemeinen  Bestimmung
       trifft das  auf den Buddhismus auch zu -, sondern wie er das ist,
       wie die Armut im Islam auftaucht.
       Kap. 30  Nr. 32  (im Koran):  "Wenn den  Menschen ein Leid wider-
       fährt, dann  rufen sie ihren Herrn an." (Also, die weltliche Ver-
       zweiflung ist der Grund der Religiosität.)
       Kap. 30  Nr. 35:  "...wenn sie  aber ein  Übel für  das, was ihre
       Hände vorausschickten, trifft, dann verzweifeln sie."
       Nr. 36: "Sahen sie denn nicht, daß Allah reich oder bemessen ver-
       sorgt, wen er will?"
       Hier taucht  die Verzweiflung  gerade als ständiger Grund des Ab-
       falls von der Religion auf. Der Koran agitiert gegen die Haltung,
       die er  dauernd unterstellt:  sich von  Allah loszusagen, weil er
       keine Hilfe  sandte - und die besteht darin, nicht zu bemessen zu
       leben. Entsprechend folgt der Appell an die Reichen, die Religion
       dadurch zu erhalten, daß sie dem Elend das Überleben garantieren:
       Kap. 30  Nr. 37:  "So gib dem... seine Gebühr, wie auch dem Armen
       und dem  Sohn des Weges. Solches ist gut für jene, welche das An-
       gesichts Allahs suchen."
       Dem Koran geht es also um die Verwaltung des Elends, gegen das er
       nichts hat, es sei denn, es geht so weit, daß aus weltlicher Ver-
       zweiflung der  religiöse Abfall  droht. Er  unterstellt die Macht
       der Reichen  und macht sie für die Religiosität der Moslemgemein-
       schaft verantwortlich. Den Reichen kommt der Islam dabei ganz mo-
       ralisch, innerlich; gegenüber ihnen verliert er den Charakter ei-
       ner Religion, die bloß auf die Befolgung der Gesetze beruht.
       Die Welt betrachtet der Islam so, wie sie ihm die beste Grundlage
       für seine  Religion abgibt;  deshalb wird  es zum religiösen Akt,
       Reichtum und Elend zu erhalten.
       Aus der  Judenfrage: Die  Religion  wird  ihm  (dem  christlichen
       Staat) daher  notwendig zum  Mittel. Im islamischen Staat ist der
       Staat das Mittel der Religion.
       Khomeini im Spiegel: "Nun gilt das Ziel, die materielle Tätigkeit
       als Bereitschaft für den moralischen Aufstieg der Menschen aufzu-
       fassen. Damit  wird der Mensch zur Religion zurückkehren, und der
       Islam ist  die Religion  für diesen  Fortschritt." Der  Islam als
       Voraussetzung und Resultat des wirklichen Staates. Umgekehrt: si-
       chert der  Staat das  Elend nicht, läßt die Armen also verrecken,
       so ist er selbst ein Staat des Unglaubens - aber nur dann.
       Eine islamische  Revolution verweist  also gerade  auf Grund  des
       Charakters dieser  Religion darauf,  daß  ein  Zusammenbruch  des
       Elends stattgefunden haben muß.
       Daß die  Armen in  den Slums  von Teheran, die heute sittenstreng
       Khomeini folgen,  auch aus "Armut sittenstreng" bleiben - das war
       das Problem  der Profitheologen,  der Mullahs vor der Revolution.
       Die Bedingungen  der Slums  in der Stadt ließen nämlich die Reli-
       giosität der Armen in der Tendenz flöten gehen. Aus einer Disser-
       tation (über  Teheran): "Abgesehen  von den Slums bilden Bordell-
       viertel im  Südwesten der  Stadt den  Kern asozialen Verhaltens".
       Was sagt  der Koran dazu? Kap. 24 Nr. 3: "Die Hure und den Hurer,
       geißelt jeden von beiden mit 100 Hieben."
       Die Mullahs hatten also was gegen das Übertreten des Islams durch
       die Armen,  und in  ihrer Agitation  knüpften sie an den Rest der
       Religiosität an - an die Angst vor Allahs Strafe. Daß dabei nicht
       nur eine  Selbstreinigung herauskam, sondern die Massen gegen den
       Unglauben im ganzen Reich kämpften - diejenigen, die in die Kinos
       gingen, haben  die Kinos später zerstört -, hängt wieder am Islam
       selbst. Der  kennt nicht die Haltung: ich mit meinem Gewissen bin
       religiöses Subjekt.  Nein: der ganze Staat ist Objekt und Betäti-
       gungsfeld meiner  Religiosität. Und  endlich: daß die Mullahs mit
       ihrer Agitation  Erfolg hatten,  die religiös schwankenden Massen
       zu ihnen  überliefen, lag  tatsächlich daran,  daß der materielle
       Jammer der Massen, den sie ohne Islam hatten, im Islam aufgehoben
       war ganz in der doppelten Bedeutung des Wortes.
       Es stimmt  also nicht, wenn der "Spiegel" schreibt: "Ich kann mir
       nicht vorstellen,  daß die  Massen plötzlich wieder zur richtigen
       Religion gefunden haben". Dafür hatte die "Frankfurter Rundschau"
       recht (geschrieben  Ende 78):  "das politische  Ziel der Mullahs,
       die Re-Islamisierung,  kommt den  sozialen Forderungen  der  Ent-
       täuschten entgegen." Noch mal: ohne den sich entwickelnden Zusam-
       menbruch des  Elends, hin zum Verrecken, gibt es keine islamische
       Revolution und  auch keinen  Kampf mit den Mullahs zusammen gegen
       den Unglauben.  Warum die  religiöse Revolution gerade jetzt, hat
       ökonomische Gründe.  Warum die Revolution eine religiöse ist, hat
       ideologische Gründe, liegt am Charakter des Islams, der die Ideo-
       logie der  Armen ist (bzw. aufgefrischt wurde). Entsprechend las-
       sen sich bestimmte Phasen der persischen Revolution erkennen:
       1. Die  Mullahs alleine  gegen den  Sittenverfall. 1963 gegen das
       Gesetz, das  den Schleierzwang aufhebt. Die Mullahs hatten damals
       religiöse Probleme mit den Reichen in der Stadt. Die Landbewohner
       trugen sowieso ihren Schleier.
       2. Die  selbständige Forderung nach mehr Lohn etc. durch Arbeiter
       und Angestellte.  Diese Schichten hatten auf Grund ihrer ökonomi-
       schen Stellung  materielle Ansprüche,  die sie ohne Religion vor-
       trugen. Die Armen hatten nur den Jammer.
       3. April  78: Die  erste Demo der Armen in Teheran, 15 Mullahs an
       der Spitze  von 20.000.  Die Armen befolgten den Islam, was ihnen
       ihr Existenzminimum  garantiert, wenn der Krieg gegen den Unglau-
       ben gewonnen  ist. Er  ist gewonnen, und in Teheran hat jeder was
       zu essen. Die Basars werden gezwungen, 20% ihrer Einnahmen in den
       öffentlichen Fonds zu geben etc.
       Das Spektakel geht weiter, mit der Aufopferung im Kampf gegen die
       Amis wird  geliebäugelt. Der  Unglauben ist  auf allen  Ebenen zu
       schlagen, auch  da, wo sich daraus nichts zu Beißen ergibt. Diese
       Verrücktheit ist der einzige Gegenstand der Presse, weil sie sich
       zu Gunsten der Amis ausschlachten läßt - tatsächlich ist das aber
       die Endphase  der islamischen  Revolution und wird immer mehr zum
       Problem der Mullahs. Ein Zyklus ist durchlaufen.
       T.F., Wiesbaden
       
       Es braucht bei allem Elend noch längst kein Mullah
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       einen Aufstand machen
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       Lieber T.,  Dein Brief  ist schon ein bißchen merkwürdig, da tobt
       sich in  dem Erdenwinkel,  aus dem Du kommst, ein wüster Nationa-
       lismus an  den Interessen  des Imperialismus aus - die religiösen
       Führer vorweg,  das Massenelend  wie verrückt  gleich  hinterher,
       während Du Dir das doch etwas aparte Problem machst, wie so etwas
       in der  Religion   m ö g l i c h  ist:  "'W i e  taucht die Armut
       im Islam auf?'" Na, wie denn wohl? Sie ist den Gläubigen, die ihr
       Glück auf dieser Erde weder haben noch suchen, einfach gleichgül-
       tig -  und darum  erhält sie  sich auch. Als dieses "Opium  d e s
       Volks" (Marx) ist der Islam "eine Religion des Elends" wie andere
       auch.
       Warum reicht  Dir "das  in dieser  allgemeinen Bestimmung" nicht?
       Was für einen "sozialen" Aspekt der religiösen Bewegung suchst Du
       noch? Es  braucht nicht den  b e s o n d e r e n,  den sozial-re-
       ligiösen Charakter des Islam, auf den Du mit Deiner Eingangsfrage
       abzielst,   um    nachzuweisen,   warum    die    Perser    einen
       r e l i g i ö s e n  Aufstand und eine  "I s l a m i s c h e  Re-
       publik Iran"  fabrizieren. Dazu  reicht hin, daß die Mullahs sich
       mit der  Regierung in  irgendwelchen blödsinnigen  Fragen wie der
       des Schleierzwangs  anlegen und die Massen diesen Wahnsinn mitma-
       chen. Ihre  Armut ist  dabei allemal unterstellt und gehört daher
       durch aus nicht als "Problem" der Islamischen Führer mit dem Volk
       aufgeworfen.
       Du solltet uns deshalb ersparen, die besondere Erbärmlichkeit der
       Massenverelendung im Iran als Bedingung, unter der die Religions-
       führer tätig  werden  mußten,  soziologisch  auszumalen.  Erstens
       braucht es  sowieso keinen  Soziologen, um Armut zu registrieren,
       zweitens entdecken  diese Burschen  eh immer nur Unausgewogenheit
       sozialer Beziehungen,  drittens "muß" bei allem Elend noch längst
       kein Mullah  einen Aufstand  machen (da  hätte er  viel zu tun!),
       viertens haben  wir deshalb  die entsprechende  Stelle in  Deinem
       Brief kurzerhand  gestrichen. Überhaupt verbreitest Du nichts als
       einen frommen  Wunsch, wenn Du dem Islam als Aufgabe zuschreibst,
       daß er den Armen "ihr Existenzminimum  g a r a n t i e r t".  Das
       tut er weder dadurch, daß er "die Reichen" dazu anhält, mit Almo-
       sen ihr  soziales Gewissen  zu erleichtern,  noch dadurch, daß er
       den Massen,  wie Du  schreibst, "Aufopferung"  im Kampf gegen die
       Amis auferlegt,  von der kein Mensch leben kann. Du erfindest Dir
       den Islam  als eine organisierte  c a r i t a t i v e  Veranstal-
       tung zur  "Verwaltung des Elends", um zu beweisen, daß das persi-
       sche Volk  doch achtbare   G r ü n d e  hat, dem sozialen Angebot
       der Mullahs  hinterherzulaufen (Als  ob jemand wegen einem Teller
       Suppe religiös  würde!). Die  Zitate, die  Du zu diesem Zweck aus
       dem Koran  bemühst, belegen  auch etwas  ganz anderes als die so-
       ziale Verantwortung  des Islam gegenüber dem, der sich ihm in der
       Not zuwendet  - nämlich  die allen  Religionen eigene langweilige
       Agitation gegen  den Zweifel der Gläubigen, der im  G l a u b e n
       selbst liegt: "Sahen sie denn nicht, daß Allah reich und bemessen
       versorgt, wen  er will:" (Koran, 30,36) Daß sich daraus kein Ver-
       sorgungsanspruch drechseln  läßt, wenigstens "dem Elend das Über-
       leben (zu)  garantieren", zeigt  auch der religiöse Appell an die
       Reichen, zur  Beruhigung   i h r e s  G e w i s s e n s,  hin und
       wieder etwas  springen zu  lassen. Solche  Caritas ist  F o l g e
       des Glaubens,  nicht sein  verlockender Grund, wie Du behauptest,
       weil Du  auf die   K o n s t r u k t i o n   des Widerspruchs aus
       bist,  der   Islam  fordere  Opfer,  "auch  da,  wo  sich  daraus
       n i c h t s   zum Beißen  ergibt." Daß  der Sinn  des Opfers doch
       wohl nicht  das Beißen  ist, hätte Dir noch jeder "Profitheologe"
       lässig nachgewiesen.
       Dein Versuch einer  m a t e r i a l i s t i s c h e n  Begründung
       der   V e r f ü h r u n g   der Massen  durch diese Profis kriti-
       siert beide  Seiten nicht.  Er entschuldigt  die vom "Kampf gegen
       den Unglauben" in Ost und West (und nicht zuletzt in sich selbst)
       begeisterten Massen  mit dem  Zuckerbrot, das  die Religion ihnen
       angeblich bietet,  und entschuldigt  die Religion mit angeblichen
       sozialen Aktivitäten,  die sich nicht auszahlen, weil sie irgend-
       wie doch  auch immer  Religion bleibe,  die dem  Volk ideologisch
       kommt.  Aus   all  dem   resultiert  Dein  reichlich  abgeklärtes
       "Zyklus"-Modell, das  Volk und  Islam interessiert kombiniert und
       die welthistorische  Perspektive eröffnet, daß bei denen da unten
       "Probleme der Mullahs" herauskommen. -
       Dein Brief  eröffnet freilich auch noch eine allerletzte Perspek-
       tive für  das Subjekt  der Weltgeschichte,  den  S t a a t,  sich
       aus unverschuldeten  Modellzwängen zu  befreien: "Der ganze Staat
       ist   O b j e k t   für den  Islam". Der  arme Staat, es wird ihn
       drücken, daß  die Religion ihn als ihr "Mittel" "betrachtet": Als
       sei nicht  der Staat  so ungefähr  das einzige, was im Iran flott
       floriert, und  zwar gerade  wegen der ganzen Brut von Ajatollahs,
       die den "Heiligen Krieg" der Nation ausgerufen haben, von Politi-
       kern, die über seine zweckmäßige Umsetzung gegenüber dem Imperia-
       lismus streiten,  und von  sonstigen Jubelpersern, die sich dafür
       einspannen lassen.
       Ein letztes  Wort zu  Deiner mit  Marx bereicherten  Analyse. Was
       soll die  "Judenfrage" mit  dem Iran zu tun haben? Wenn Marx 1843
       die Sorge  hatte, den  preußischen Staat der "Heuchelei" zu über-
       führen, wenn  er sich religiös legitimierte, so ist diese Ideolo-
       giekritik schon damals nicht sonderlich aufregend gewesen, und im
       heutigen Persien  dürfte sich mit diesem Spruch noch viel weniger
       putzen lassen.  Allenfalls für  Dein gezieltes Mißverständnis der
       im übrigen blöden Marx'schen Rede vom "unvollkommenen Staat", der
       sich die Religion zum "notwendigen Mittel" seiner Existenz mache,
       wirst Du dort vielleicht ein paar interessierte Staatstheoretiker
       mobil machen  können, die sich anstatt der  A b s c h a f f u n g
       der   T r e n n u n g  von Staat und Religion zur Vervollkommnung
       beider verschrieben haben.
       Dein Problem  scheint uns  dem Wunsch  geschuldet, dem Islam eine
       von anderen  Religionen aparte  Bestimmung zu unterstellen, um im
       Glaubensfanatismus der Perser neben allen seinen auch von Dir an-
       geführten Verrücktheiten  -  doch  noch  einen  rationellen  Kern
       auszumachen. In  Wahrheit ist jedoch die von Dir ausgerechnet dem
       Islam als Besonderheit unterstellte Wendung gegen das Elend, wenn
       es die  Grundlagen der  Massenreligiosität gefährdet,  z.B.  auch
       fürs Christenstum  zutreffend, was  die Opposition  südamerikani-
       scher Bischöfe gegen die lokale Herrschaft zeigt. Auch hier rich-
       tet sich  das Engagement  der "Profitheologen" gegen eine Staats-
       macht,  die   es  den   Massen   schwer   macht,   zu   ihr   ein
       g l ä u b i g e s  und d.h. zustimmendes Verhältnis zu praktizie-
       ren.
       Mit anderen Worten: Es ist ein  F e h l e r,  Formen des falschen
       Bewußtseins so (nicht) zu kritisieren, daß man sie in einen mate-
       rialistischen Kern  und eine  hinzukommende Portion  Verrücktheit
       auseinanderdividiert.
       MSZ-Redaktion
       
                                     *
       
       "Ungefähr das Geschmackloseste"
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       "Der Präsident der Universität München
       
                                         8000 München, den 16.4.1980
                                         Geschwister-Scholl-Platz 1
                                         Fernsprecher (089) 21802411
       
       Lieber Herr Ebel,
       
       seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich Ihnen schreiben muß, daß
       die Notiz über die Ermordung von Erzbischof Romero in der MAZ vom
       31. März  d.J. so ungefähr das Geschmackloseste war, was mir seit
       langem über  den Tisch  gekommen ist.  Auch wenn  man die  gegen-
       wärtige Welt  im Un-  und Ausland  verachtet, ja haßt, scheint es
       mir -  auch aus  Ihrer Sicht  - nicht  nötig, Ermordete zu verun-
       glimpfen.
       Stellen Sie  sich vor, daß auch nur eine einzige deutsche Zeitung
       beim Tode von Ohnesorg etwas Ähnliches geschrieben hätte.
       
       Mit herzlichen Grüßen
       
       Ihr Nikolaus Lobkowicz"
       
       Mit Befremden und Sorge
       -----------------------
       
       Sehr geehrter  Herr Präsident, Ihren Brief habe ich mit Befremden
       und in  Sorge zur  Kenntnis genommen. Mit Befremden, weil Sie die
       MAZ und  nicht die  B i l d z e i t u n g  der Geschmacklosigkeit
       zeihen. Erzbischof  Romero einen "Engel der Armen" zu nennen, wie
       das die Bildzeitung tut, ist erstens eine unziemliche Vorwegnahme
       des Entschlusses  des Allerhöchsten - Sie müßten doch wissen, daß
       es selbst  bei einem  Erzbischof nicht  sicher ist, ob der in die
       Gemeinschaft der  Heiligen eingeht;  und zu  einem Engel kann ihn
       selbst der  Allmächtige nicht  machen. Zweitens  bedeutet es eine
       klammheimliche Verunglimpfung,  den Bischof,  den die Bildzeitung
       für einen  umstürzlerischen und  damit uneigentlichen Kirchenmann
       gehalten hat,  nach seinem  Hinscheiden, also  wenn er nicht mehr
       stört, in  den Himmel zu loben. Er ist übrigens auch nicht ermor-
       det worden,  weil er  für die  Armen gebetet hat oder sich um sie
       gekümmert hat,  damit sie  weiter an den lieben Gott glauben kön-
       nen. - Warum regen Sie sich nicht über die  B i l d z e i t u n g
       auf; was hat sie denn beim Tode Benno Ohnesorges geschrieben?
       In Sorge  las ich Ihren Brief, weil ich mir - seien Sie mir nicht
       böse - ernstlich Sorge um Sie mache. Wie wollen Sie denn als Prä-
       sident der  größten deutschen  Universität mit  ihren schwierigen
       und hohen  Aufgaben zurande kommen - Ihr lange angekündigtes Buch
       über Aristoteles  ist auch  immer noch  nicht fertig  -, wenn Sie
       schon morgens  um 5  Uhr vor BMW auf die neueste MAZ (die Sie au-
       ßerdem gar nichts angeht - sie ist nämlich für Arbeiter geschrie-
       ben) warten?  Als guter Christ - erlauben Sie mir zum Schluß die-
       sen Rat - sollten Sie daran denken, daß auch Sie nicht über Ihren
       Schatten springen können.
       Mit freundlichen Grüßen, Theo Ebel
       
                                     *
       
       Betr.: Sozialistische Konferenz
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       MARXISTISCHE GRUPPE                    München, den 26. März 1980
       
       Werter Genosse Steinke,
       leider haben  wir von Eurem Projekt einer "Sozialistischen Konfe-
       renz" nur  durch  linke  Publikationen,  also  gewissermaßen  aus
       'Zweiter Hand'  erfahren, weil der diesbezügliche Brief des West-
       berliner Bahro-Komitees  uns nicht erreichte. Wir entnehmen unse-
       ren Quellen,  daß "sowohl  die undogmatischen Linken als auch die
       marxistisch-leninistischen Gruppen  als auch  die  interessierten
       Kräfte aus der SPD teilnehmen sollen" und daß die Konferenz "eine
       offene Beratung  aller Sozialisten"  werden soll.  Ungeachtet der
       Umstände -  ob als  MARXISTISCHE GRUPPE  nun direkt oder indirekt
       angesprochen - sind wir an einer Teilnahme an dieser Beratung in-
       teressiert und  meinen, zu  den von  Rudolf Bahro vorgeschlagenen
       Dikussionsgegenständen durchaus  etwas bei  und auch  nach  Hause
       tragen zu können.
       Von der ersten Vorbereitungskonferenz in Frankfurt/Main haben wir
       wiederum und  leider erst  hinterher  durch  den  "Arbeiterkampf"
       Kenntnis erhalten. Dennoch hoffen wir zuversichtlich, daß es noch
       nicht zu spät ist:
       Für die MARXISTISCHE GRUPPE teile ich Euch hiermit Wunsch und Be-
       reitschaft mit,  an der geplanten Sozialistischen Konferenz teil-
       zunehmen und schließe die Bitte an, uns über den erreichten Stand
       der Vorbereitungen zu informieren bzw. über die Bedingungen einer
       Teilnahme und die Möglichkeiten, unsere Auffassungen aktiv in das
       Projekt einzubringen.
       Wir sind auch bereit, an weiteren Vorbereitungskonferenzen mitzu-
       wirken, um  das uns Mögliche fürs Zustandekommen des Projekts So-
       zialistische Konferenz beizutragen.
       Mit sozialistischen Grüßen, L. Fertl
       
       Offen diskussionsbereit?
       ------------------------
       
       Der undogmatisch-offene-diskussionsbereite Rudolf Steinke, Sekre-
       tär des  Bahro-Komitees und Organisator der "Sozialistischen Kon-
       ferenz", der  die Teilnahme von SPD-Politikern und rechten Grünen
       wie Gruhl  in Kassel  durchsetzte, antwortete auf unser Ansinnen,
       an der  Konferenz teilzunehmen,  bislang mit  Schweigen.  Es  ist
       schon so  bei den Undogmatischen und ständig Diskussionsbereiten,
       daß mit  ihnen nur  diskutieren darf, wer vorher seine Eintritts-
       karte in  Form der festgelegten Solidaritätseinheiten gelöst hat.
       Wer reden  will, weil  er an  den vorhandenen  Standpunkten etwas
       auszusetzen hat  und auch nicht bereit ist, die vorgegebenen The-
       men als   d i e   brennenden  des Sozialismus zu affirmieren, ist
       beim großen Palaver allem Anschein nach unerwünscht.
       
                                     *
       
       "Bayern: Marxistische Gruppen am Ende?"
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       München/Frankfurt, 31.3. (taz) - Das Ende der in München ansässi-
       gen Gruppen "Marxistischen Gruppen" könnte drohen, nachdem es der
       regierenden CSU  gelang, gegen  die Stimmen  von SPD  und FDP die
       Einführung von  "Bußgeldern für  Bummelstudenten"  durchzusetzen.
       Damit fällt erstmals im kommenden Wintersemester im Freistaat die
       Gebührenfreiheit  für   Studenten   weg,   die   ihren   Abschluß
       "unangemessen hinauszögern". Der Abgeordnete Schosser (CSU) sagte
       zur Begründung,  an der  Münchener Universität stünden 1199 Hörer
       im 17.  Semester, 254 im 20. und 519 im 21. Im 35. Semester seien
       es immerhin  noch 12 und im 42. noch 3. Ein "betagter" Hörer habe
       den Rekord  von 57 Semestern erreicht. Dem Vernehmen nach handelt
       es sich  bei letzterem  um Ludwig Fertl, Chef-Theoretiker und ZK-
       Vorsitzender  der  aus  den  "Roten  Zellen/AK"  hervorgegangenen
       "Marxistischen Gruppen"  (MG). Auch bei den anderen Hochsemestern
       soll es  sich um den engeren Führungskader der MG handeln. Selbst
       Fertl-Adlatus und  Linkslinguist Held sieht sich von der CSU-Maß-
       nahme seiner materiellen Ressourcen beraubt. Da die MG jedoch vom
       alleinigen Verkauf  ihrer Broschüren und Zeitungen unmöglich ihre
       "individuelle Reproduktion"  sicher stellen  können, bedeutet die
       Gebührenschwemme eine  drastische Reduktion der ihr zur Verfügung
       stehenden "Revenuequellen". Inzwischen soll aus den Polit-Kommis-
       sionen der MG Marburg und Erlangen zusammen mit den Münchnern ein
       "kleiner Krisenstab"  gebildet worden  sein. "(aus:  taz  vom  1.
       April)
       
       Seit 1951 im Kampf
       ------------------
       
       Werte taz-Redaktion,  ihr habt  den Sachverhalt  glasklar  durch-
       schaut: seit  10 Jahren  ist die Hochschulpolitik der bayerischen
       Staatsregierung nur noch als Reaktion auf die MARXISTISCHE GRUPPE
       (vormals Rote Zellen/AK ) zu erklären. Diese Tendenz deutete sich
       schon an,  als ich  im Wintersemester  1951 mein  Studium an  der
       Münchner Ludwig-Maximilians-Universität  begann: nach  nur  einem
       Monat wurden  die Mensapreise  drastisch erhöht. Mein seitdem ge-
       meinsam mit  Genossen Held  durchgehaltener Mensaboykott  hat uns
       überhaupt erst die Kraft verliehen, bis heute durchzuhalten. Auch
       für die jüngste Maßnahme der CSU gilt, daß der Stein, den sie er-
       hoben hat, ihr auf die eigenen Füße fallen wird! Ich überlege mir
       ernsthaft, mein  Studium abzubrechen und mich ganz der Politik zu
       widmen. Dann scheppert's im Kanton!
       Herzlichst, L. Fertl
       

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