Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION LINKE - Vom langen Marsch...


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"VERHÖHNUNG DER OPFER"?

In Heidelberg erschienen zu einer MG -Veranstaltung gegen den Li- banonfeldzug der Israelis ganz unerwartete Gäste: Der Vizepräsi- dent der Roma Welt-Union und Vorsitzender des Zentralrats deut- scher Sinti und Roma, Romani Rose, und Tilman Zülch von der "Gesellschaft für bedrohte Völker". Weswegen waren die beiden Herren in die Heidelberger Gaststätte zu der Protestveranstaltung gekommen? "Es handelt sich hier um eine ungeheuerliche Verhöhnung der Op- fer!" In dieser Stellungnahme waren sich beide Herren einig. Wem galt dieses Urteil? Galt es dem israelischen Oberbefehlshaber? Meinten sie dessen Ausspruch, der auch dem Ankündigungsplakat zu entneh- men war: "Was soll die Aufregung über Beirut? Für Coventry und Dresden sind die Regierungen von ihrer Öffentlichkeit doch auch freigesprochen worden!" ? War ihnen dieser brutale Zynismus auf- gestoßen, mit dem dieser Staatsmann die beim Ausbau seiner und damit auch der westlichen Macht anfallende Leichenproduktion gar- niert? Meinten sie den Begin am Schreibtisch, der sich der Weltöffentlichkeit vor dem Foto eines jüdischen KZ-Kindes präsen- tiert, während er dem amerikanischen Kongreßabgeordneten McClos- key mitteilt: "Ich bin bereit, zehn Libanesen zu töten, um einen Palästinenser töten zu können." Wollten sie Einspruch erheben ge- gen die bundesrepublikanische Öffentlichkeit, die ausgerechnet mit dem Hinweis auf die Opfer des Faschismus sich Kritik verbie- ten will an den israelischen Aktionen, die unter den Titeln "Ausmerzen", "Eliminieren" angeordnet werden? Nein, ihre Empörung galt weder den israelischen Schlächtern noch ihren hiesigen interessierten Speichelleckern. Ungeheuerlich war für diese Herren, die Schlächter dessen zu bezichtigen, zu dem sie sich selbst bekennen, nämlich an den Opfern eine E n d l ö s u n g vorzunehmen. "Dem Krieg im Libanon sind nicht alle Palästinenser zum Opfer ge- fallen. Denken Sie an die Palästinenser in der Westbank und in Jordanien. Außerdem: wie steht es mit den Terrorkommandos in Mün- chen und auf dem Flughafen Lod? Auf einen darauf reagierenden Staat ist die Menschenrechtskonvention der UNO, die Völkermord verurteilt, nicht anwendbar. Dennoch von Endlösung zu sprechen, beleidigt die in den Gaskammern des Faschismus umgekommenen Op- fer." So der Menschenrechtsanwalt Zülch zur Verdeutlichung der Empörung Romani Roses, auf dessen im KZ umgekommene Angehörige mehrfach hingewiesen wurde. Eine UN-Konvention holt keinen Düsenjäger vom Himmel, und niemand hat deren Anwendung gefordert. Daß diese Herren aber gleich eine UN-Konvention als eine nicht anwendbare einfällt, verdankt sich der in solchen Konventionen ausgesprochenen A n e r k e n- n u n g der Opfer. Das könnte die Anerkennung der Opfer in den eigenen Reihen schmälern. Anläßlich eines politischen Urteils über ein stattfindendes Massaker kommt ein Zigeunerchef - vertreten durch seinen Völkerfreund - als erstes etwas ganz Besonderes in den Kopf: er selbst als rechtmäßiger Nachlaß- verwalter einer Gruppe garantiert "endgelöster" Opfer. Als An- spruchsberechtigter in Sachen "Völkermordopfer" - offenbar ein Ehrentitel - fängt er ganz aufgeregt an, die Hingemetzelten nach sehr eigenwilligen Kriterien zu sortieren. So wird die makabre Frage aufgeworfen, ob ein toter Palästinenser garantiert an der Seite seines ganzen Volkes ins Jenseits befördert wurde. Mit die- sem wahnwitzigen Argument wäre das Überleben des Sinti-Vorsitzen- den selbst glatt ein Indiz dafür, daß die Zigeunerausrottung durch die Faschisten gar nicht stattgefunden hätte. Doch nicht genug! Wozu die Erinnerung an München und Lod? Offenbar soll hier sehr säuberlich unterschieden werden zwischen ganz unbefleckten, absolut unschuldigen, weil wehrlosen Opfern einer Totalausrottung und solchen, die wegen ihrer verzweifelten Widerstandsaktionen vielleicht gar nicht zu Unrecht ihr Massengrab fanden. Solcher Zynismus findet dann die Unterstützung von Menschenfreunden wie der "Gesellschaft für bedrohte Völker", die nach seltenen Volks- gruppen fahnden wie Naturschützer nach aussterbenden Pflanzen und dann den letzten Indio ihrer Anteilnahme versichern, eben weil er nichts zu bestellen hat. zurück