Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION GRUENE - Alternative - wovon und wozu
zurück Zwei tote Polizisten beleben -DIE GRÜN-ALTERNATIVE ANTWORT AUF DIE 'GEWALTFRAGE'
In der BRD mußte sich von jeher jeder Oppositionelle, der nicht von vorneherein und ausschließlich auf parlamentarische Opposi- tion schwören mochte, die "Gewaltfrage" stellen lassen - und zwar von den demokratischen Gewalt h a b e r n in Parlamenten und Re- gierungen. Es handelt sich dabei also nicht um eine - in irgend- einer Richtung offene Frage, sondern um eine D r o h u n g sei- tens der Vorsteher der freiheitlichen, demokratischen und markt- wirtschaftlichen Grundordnung: Alle Abweichler und Unzufriedenen, die nicht bedingungslos die Kommandogewalt der Obrigkeit und ihr alleiniges Recht auf Gewalt respektieren, bekommen deren Monopol- gewalt zu spüren. Der Mehrheit der oppositionell gesonnenen Menschen in der BRD hat dieses 'Argument' eingeleuchtet. Daß das staatliche Gewaltmonopol unangefochten dasteht, kam ihnen gleich so unanfechtbar vor, daß sie ihrerseits "Gewaltfreiheit" zum Gütesiegel und Hauptmerkmal von Protest erhoben haben. Und je mehr Bürgerinitiativen, Alter- native und Grüne die Verbindung von "Widerstand" und "Parlament" nicht als Widersinn, sondern als Königsweg politischer Opposition empfanden, um so mehr wuchs ihr Bedürfnis nach "Bewältigung" ih- rer 'unanständigen' Vergangenheit - die Gewalt aus ihren Reihen soll mindestens so gewesen sein wie Polizei und Militär, da privat begangen und nicht legitim-rechtsstaatlich. Diese Sorte Selbstbezichtigung, sprich: das Gelöbnis zur Selbstverpflichtung auf die demokratisch vorgeschriebenen Methoden zur Entschärfung oppositioneller Anliegen, hat kurz nach dem 10. Jahrestag des "deutschen Herbstes" gleich wieder einen vortrefflichen Anlaß ge- liefert bekommen: die tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten an der Startbahn West. Seither wetteifert die grün-alternative Szene mit allen Säulen des Staats um die tiefste "Betroffenheit" ange- sichts solcher "Eskalation der Gewalt" und bemüht sich ange- strengt um ihre "Deeskalation" - vor allem bei sich selbst. Die- ses Treiben bringt echte Höhepunkte in Sachen "politische Kultur in der BRD" hervor. 1 Auf einer Veranstaltung im Frankfurter Volksbildungsheim wählten Ex-Sponti Daniel Cohn-Bendit und Friedensforscher Egbert Jahn für ihre Beiträge zur Bewältigung der "Gewaltfrage" einen unerwarte- ten Einstieg: Sie gaben politischen Auffassungen zunächst recht, die gegen die geheuchelte offizielle "Abscheu vor jeder Form der Gewalt" auf den ausgiebigen Einsatz der konkurrenzlos reichlichen und effektiven staatlichen Gewaltmittel verweisen: "Es stimmt, daß wir in einer Gesellschaft leben, die unterdrückt; es stimmt, daß das staatliche Gewaltmonopol drischt." (Cohn-Bendit) Und was folgt nun daraus? Für Cohn-Bendit die "Frage: kann man auf eine solche Unterdrückung nicht mehr reagieren" und dabei vermeiden, "daß man sich im Endeffekt unterscheidet von denen, die unter- drücken?" Jahn weiß die Antwort: Weil "die Staatsgewalt Gewalt ist"; deshalb muß die "Linke vollständig gewaltfrei sein" und eine "andere Logik anwenden"; z.B. zu "Tausenden zum Begräbnis" der beiden Polizisten gehen. Diese "andere Logik" - das Mittel des Widerstands gegen das Monopol des Staats auf Gewalt ist das Monopol der Leidtragenden auf Gewaltfreiheit - hat sich zielsi- cher über Grund und Funktionsweise der staatlichen Gewalt in der kapitalistischen Gesellschaft hinweggesetzt. Sie nimmt Gewalt nämlich überhaupt bloß wahr, wo augenfällig der Polizeiknüppel regiert und einer Minderheit von politischen Abweichlern Folgsam- keit eintrichtern soll, und will sich die Anliegen letzterer ana- log dazu einzig als Konkurrenz um die Anwendung von Gewalt vor- stellen, vor der aufrechte Moralisten erschrecken müssen. Diese Auffassung hat das Entscheidende gründlich verpaßt: Weder fängt die öffentliche Gewalt erst beim Niederknüppeln von unbotmäßigem Protest an noch erwächst ihr Erfolg aus der Anzahl an Wasserwer- fern oder Tränengasgranaten. Und schon gar nicht ist der ganze große und sozialfriedliche Rest des kapitalistischen Alltags, der mit Polizeiwaffen für gewöhnlich gar nicht in Berührung kommt, deshalb bereits eine Art gewaltfreie Zone. Schon der ganze staat- liche Apparat, der sich im Bedarfsfalle des Vollzugs durch Poli- zei bedient - vom Sozialamt über den Gerichtsvollzieher bis zum Justizwesen -, bezeugt nichts anderes als die N o r m a- l i t ä t g e s e l l s c h a f t l i c h e r Gegensätze, die überhaupt nur durch die Existenz und die laufende Einmischung eines staatlichen Gewaltmonopols ihre Funktionsfähigkeit kriegen bzw. diktiert kriegen. Und weil per Staatsgesetz die Gesetze des Privateigentums Gültigkeit besitzen, ist die gewaltmäßige Betreuung der so in die Welt gesetzten Konkurrenz eine Dau- erangelegenheit - der um die Vermehrung von Kapital auf der einen Seite, der um den notwendigen Lebensunterhalt auf der anderen. Kein Kredit, weder an "Konsumenten" noch an Börsianer, kein Miet- oder Arbeitsvertrag, keine Kündigung derselben, keine Tarifaus- einandersetzung und auch kein "Grenzwert" für Umweltvergiftung kämen ohne die Oberaufsicht des demokratischen Gewaltmonopols, ohne sein Rechtssystem und dessen zwangsweise Durchsetzung über- haupt je zustande und solange die Mehrzahl der Geschädigten sich die staatlich geschützte Klassengesellschaft wie ein übermächti- ges Schicksal g e f a l l e n l ä ß t, haben hiesige Regierun- gen die M i t t e l, die gegenüber politischem Protest die "Gewaltfrage" immerzu so eindeutig entscheiden. Fazit: Wer beim Thema Gewalt nicht vom Kapitalismus und seiner staatlichen Zwangsklammer reden will, der soll sich auch nicht über eine "schlimme E s k a l a t i o n der Gewalt" das Maul zerreißen. 2 Gerade die beliebtesten Repräsentanten der grünen Partei verste- hen sich bei der Antwort auf die ihnen von oben immerzu aufge- machte "Gewaltfrage" inzwischen bestens auf die staatsfrömmste Tour. Ganz wie die Inhaber des Gewaltmonopols selbst verdrehen sie Ursache und Wirkung und leiten die staatliche Herrschaft, die ihren Untertanen die ökonomischen Gegensätze des Privateigentums und deren friedliches Aushalten aufzwingt, umgekehrt daraus ab, daß es Leute gibt, die sich nicht ans vorgeschriebene Mitmachen halten. Grüne lassen nach den Ereignissen an der Startbahn die Polizei hochleben, als wäre sie zum Schutz von "uns allen" vor Rechtsbrechern da; daß jetzt die "Stunde der Fahndung" ist und demnächst die Stunde der unnachsichtigen Bestrafung für den To- desschützen, ist ihnen sonnenklar. Und d e r hat dann auch die "Zerstörung demokratischer Freiheiten" auf dem Gewissen, wenn in Kürze die demokratische Regierung endgültig das Demonstrieren zum unkalkulierbaren Risiko für Demonstranten macht. Grüne wollen sich gerade im Fall der beiden umgekommenen beamte- ten Gewalt-Profis in der Disziplin "Betroffenheit" von keinem Dregger übertreffen lassen. Das hängt ironischerweise mit dem einzigen Erfolg zusammen, den die Grünen in der "politischen Kul- tur" Marke BRD zu verzeichnen haben: der Etablierung des polit- moralischen Stilmittels "Betroffenheit", mit dem die Opfer ho- heitlicher Maßnahmen die öffentliche Würdigung dessen anmahnen, daß man sie zu Opfern gemacht hat. Die Opfer sind diesmal nun ausnahmsweise unter denen angefallen, die für die Regierenden das Geschäft der Gewaltausübung vor Ort zu erledigen haben. Und während ein Dregger h i e r - ganz im Gegensatz zu den ge- wöhnlichen Geschädigten, die die Freiheit mit ihrer Rechts- und Wirtschaftsordnung laufend produziert sehr glaubwürdig die Parole ausgibt "Betroffenheit, die keine Konsequenzen hat, ist nicht glaubwürdig.", üben Grüne und ihr Anhang Selbstkritik. Sie nehmen die "Gewaltfrage", das Propagandamittel ihrer christ-, frei- und sozialdemokratischen Gegner, auf sich und fragen sich öffentlich, ob sie dem Schützen von der Startbahn nicht ein bißchen mit die Hand geführt haben. Und zwar dadurch, daß sie bislang womöglich n i c h t d a f ü r g e n u g gewesen sein könnten fürs staat- liche Gewaltmonopol nämlich, das sowieso noch nie gewalttätig ge- nug auftreten konnte, um in grün-alternativen Köpfen Zweifel an der moralischen Idiotie ihrer Lieblingsgleichung Politik = "Verantwortung für die Lösung von Menschheitsproblemen" aufkommen zu lassen. Damit ist die grüne Bewältigung der Schüsse an der Startbahn auch schon auf gutem Wege. Herr Schily leitet im Fern- sehen aus dem - in heutiger grüner Deutung - Sündenfall der "sozialen Bewegungen", nicht schon immer hundertzehnprozentig ge- waltfrei" gewesen zu sein, einen schweren, aber schönen A u f t r a g gerade für sich und seinesgleichen ab: die "jungen Menschen", die Kriegsvorbereitung oder Umweltvergiftung mit staatlichen Anliegen in Zusammenhang bringen, davon abzubringen, daß sie daraus womöglich den Schluß ziehen, G e g n e r dieser staatlichen Anliegen zu werden. Und von daher fällt den grünen Minnas doch noch e i n e Kritik an den "Altparteien" ein: ob diese nicht durch eine übertriebene Zurschaustellung ihrer Gewalt bzw. mangelnde Bereitschaft zum "Dialog" die Jugend in eine Di- stanz zum Staat hineintreiben, die Grüne selbstverständlich nicht billigen können. zurück