Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION GRUENE - Alternative - wovon und wozu


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 64, 23.11.1982
       
       Wochenschau
       

DIE GRÜNEN

haben mit ihrem Parteitag in Hagen zwar insofern demokratisch-po- litische Reife gezeigt, als sie sich das zentrale, von den herr- schenden Parteien und Politikern aufgemachte Thema - Die Krise und ihre Bewältigung - zu Herzen genommen und über ein Wirt- schaftsprograrnm gestritten haben. Gleichzeitig sind sie jedoch nach Ansicht aller Demokraten in Sachen Parlamentarismus und Re- gierungsfähigkeit glatt durchgefallen, weil sie am Ausstieg aus der Kernenergie und an der Ablehnung der NATO-"Nachrüstung" fest- halten. So lieferte Herr Erasmi in den ARD-"Tagesthemen" vom 15. November einen öffentlich-rechtlich verantworteten Kommentar ab, in dem er AKWs und Pershing II gleichsam in den Kanon der frei- heitlich-demokratischen Grundordnung aufnahm und die Hagener De- legierten mittels desselben zum Abschuß empfahl. Erstmals wurde wieder daran erinnert, daß Rudolf Bahro ein aus der DDR rüberge- machter ehemaliger SED-Funktionär sei, und das von ihm "angeschlagene Vokabular" vom "Reformkapitalismus" und dem "hündischen Bezug auf die SPD" gleich durch den Verweis auf die politische Herkunft des Diskutanten geächtet. Das war nicht mehr weit entfernt vom Vorschlag des Franz Josef Strauß, die Grünen überhaupt nicht zu Wahlen zuzulassen, weil von ihnen keine "konstruktive Mitarbeit" zu erwarten sei. Einer Auffassung, der sich letzte Woche auch das ZK der Katholiken dem Wähleraufruf, nur "demokratische Parteien" zu wählen, anschloß. SPD-Generalse- kretär Glotz schließlich warf dem Hagener Parteitag vor, er hätte keine "Handlungsoptionen" geboten, was natürlich glatt gelogen ist. Glotz wollte nur darauf hinweisen, daß, wer so handeln will wie die Grünen, "nicht regierungsfähig" ist, und das wiederum heißt nur, nicht willfährig genug ist, der SPD zur Regierung zu verhelfen. Als V o r w u r f wird der Verdacht gehandelt, den Grünen ginge es womöglich gar nicht um die Ausübung politischer M a c h t. Angesichts ihrer in Hagen wiederholten geflissentli- chen Absage an jede Form von unbotmäßiger, also gewaltsamer au- ßerparlamentarischer "Aktionsformen" wird ihnen die "Gewaltfrage" einmal andersherum aufgemacht: Sind sie in den Parlamenten, wo- möglich in der Regierung auch fähig und willens zur Anwendung le- galer Gewalt?! Das "geistige Klima" in der BRD-Demokratie hat so wieder einmal für ein paar Klarstellungen gesorgt: Die alte Sozi- alkundelehrerweisheit, hierzulande könne sich jedes Interesse um seine Durchsetzung bewerben, wenn es den mühsamen, aber legitimen Weg in die Parlamente antrete, ist präzisiert worden. Die Inter- essen müssen schon identisch sein mit denen der herrschenden Po- litik, sonst nix Glaubwürdigkeit, und die L e g i t i m i t ä t wird in Frage gestellt. zurück