Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION GRUENE - Alternative - wovon und wozu


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       "Stadt, Land, Fluß" - ein Kongreß mit den Grünen über Bremens Zu-
       kunft
       

JE GRÜNER DESTO ZUKUNFT

Die kommende Bremer Bürgerschaftswahl ist wieder einmal eine "Schlüsselwahl", versprach oder drohte der neue grüne Fraktions- vorsitzende Ralf Fücks auf dem Grünenkongreß "Vision für Bremen" am 9. Mai. Zur Wahl stünden nicht 100 Figuren, sondern zwei "Weichenstellungen". Eine für die Zukunft, eine gegen die Zukunft Unnötig zu sagen, wer wohl für die "Weichenstellung für die Zu- kunft" stehen soll. In diesem Sinn würden mit CDU und FDP nicht einfach politische Gegner gewählt, sondern "die Zukunft" ver- geigt. Doch so ein krummer Hund will kein Grünensympathisant sein. Er denkt an die Zukunft, denn er ist gewohnt nachzudenken. Gründlich. Über Fundamentales. Wo der oberflächliche Zeitgenosse nur ein paar lausige Probleme eines Bremer Brügers von heute sieht, den die Staffelmiete oder die Arbeitslosigkeit drückt, wälzen Grüne ganz andere, fundamentalere Fragen. Der Zukunft gilt die Sorge, und zwar der der S t a d t. Ein Wort, das Fundis wie Realos so liebevoll aussprechen, daß man fast vergißt, wer sich in diesem Verschlag alles tummelt: neben den sozialen Problemfäl- len vor allem die, die sie dazu gemacht haben - die Bremer Ge- schäftswelt, ein Sparsenator... Um die Ausgestaltung des Images unseres regionalen Kuschelnests geht es: "Gibt es eine Zukunft der Stadt jenseits der fatalen Alternative von aggressiver Metro- pole oder verstaubter Provinz?" (so die Leitfrage des Kongresses laut taz vom 11.5.). Grüne Imagepflege am Stadtstaat... ---------------------------------- Nun hätten die Grünen nicht eine Legislaturperiode lang konstruk- tiv in der Bürgerschaft mitgewirkt, wenn sie diese Frage auf ih- rem Kongreß nicht alle Minuten mit "Ja" beantwortet hätten. Nach dem Politikermotto "Nichts versprechen, aber alle Werte beset- zen!" - malte Fücks aus, welche Assoziationen der Wähler sich zu einem rot-grünen Senat machen darf. Fücks zählte auf: Weniger Ab- fall und Wasserwerfer, mehr Genossenschaftseigentum an einer re- gionalisierten Neuen Heimat, den "Rohdiamant Teerhof... als Kul- turinsel im Herzen der Stadt" unbebaut erhalten, "an den Hoch- schulen eine technikkritische, ökologische, humanistische Natur- und Geisteswissenschaft entfalten" und über Rüstungskonversion forschen lassen, eine "Aufwertung der Stadtteile"; und natürlich solle den Feuchtgebieten wieder zu ihrem ökologischen Recht ver- holfen werden. Eine Polizei minus x Wasserwerfern, grüne Aufsichtsräte im Woh- nungsgeschäft, ein Ostertorviertel, das durch Lehrer und Profes- soren als Hausbesitzer aufgewertet wird, schließlich ein ge- schützter Tümpel hinter der Uni - schon sieht der Stadtstaat freundlich aus. Natürlich nur, wenn man durch die grüne Brille guckt und die reale Kraft der U t o p i e schätzt. In W i r k l i c h k e i t, so Fücks, setzt der umworbene Wunsch- partner der Grünen, Wedemeier, auf Großkonzerne, Weltmarkt und Rüstung. Die Verbreitung dieser hübschen Sichtweise, die aus einer High- Tech- und Rüstungsschmiede eine menschliche Idylle zaubert, stößt allerdings auf Schranken: "Dann bieten wir Sinn, doch die Leute wollen Geld und Arbeit." (Prof. Krämer-Badoni) S o stößt Grünen die Armut auf: Sie ist womöglich ein Hindernis, sich den grünen Sinn aufschwatzen zu lassen. Also fragt sich ein Fücks: "Können wir der SPD eine offensive Politik gegen Armut und soziale Abgrenzung abnötigen?" Gewiß, aber nur, wenn man dazu sagt, warum das realpolitisch nicht geht: Die Lüge von der "Verschuldungskrise" der Hansestadt steht nämlich bei Grünen ganz hoch im Kurs. Kein Geld für Arme da, alles für wichtigere Sachen ausgegeben - armer Stadtsäckel. ...mit ein paar kapitalismusverträglichen Experimenten ------------------------------------------------------ Auf die grüne Wiese muß dennoch keiner verzichten. In ein paar symbolischen Experimenten und dezentralen Bastlerinitiativen wird sie jedermann sichtbar gemacht. Und was das Tollste ist: Dafür gibt es sogar Staatsknete, weil der Senat begriffen hat, wo's lang geht. Auch a l t e r n a t i v e Geschäfte sind eben G e s c h ä f t e, und ein Angriff auf das Geschäft mit der Lohnarbeit wollten sie sowieso nie sein. Klarer Fall, sowas ist förderungswürdig! In Bremen müsse also, so Fücks, "mehr Mut zu Experimenten" her, vor allem mehr Kredite für die "selbstverwaltete Wirtschaft", die angesichts ihrer "innovativen Bedeutung für Leben und Arbeiten in der Stadt" mit 1,5 Millionen DM weit unter Wert gehandelt würde. Sogar "die CDU sieht das ein, daß die traditionelle Wirtschaft das abkann." Der will er ja nichts in den Weg legen, der grüne Realist, was er in den Merkspruch packte: Kulturelle und selbstverwaltete "Eigenarbeit ist kein Ersatz für Lohnarbeit." "Für die Übergangsphase, die ich mich kaum so zu nennen getraue, ist eine Politik des Sowohl-als-auch unvermeidlich. Wir müssen abstrakt unsere Kritik an der Großindustrie aufrechterhalten, gleichzeitig aber mit unserem kleinen politischen Gewicht als Zünglein an der Wage tun, was geht, um uns nicht von der konkre- ten politischen Gestaltung abzumelden." (Fücks) Sauber. K o n k r e t betreibt ein grüner Hänger im Parlament die Mitverwaltung des Kapitalismus, den er abstrakt nicht mag. Eine Doppelstrategie, die die SPD nie besser hingekriegt hat: Jede politische Zumutung wird wahrgemacht unter Berufung auf die bessere Absicht, die leider nicht zu praktizieren geht. Der ver- langte Respekt vor dem Gesetz wird alternativ ergänzt um den Re- spekt vor dem guten Gewissen, mit dem jede "Drecksarbeit" von grünen Parlamentariern mitverantwortet wird. zurück