Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION GRUENE - Alternative - wovon und wozu


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WAS HABEN DIE GRÜNEN ZU BIETEN?

Einen Minister in Turnschuhen und ganz viele Frauen auf der Lan- desliste: Das m i ß f ä l l t Leuten, die sich gerne von Herren und Damen in Nadelstreifen repräsentiert sehen wollen, und g e f ä l l t anderen, die Sinn für "mehr Menschlichkeit in der Politik" haben. Einen Dauerstreit in der Partei zwischen verant- wortungsbewußten Realos und basisbewegten Fundamentalos: Das m i ß f ä l l t Leuten, die lieber einer geschlossenen Führung gehorchen, und g e f ä l l t Leuten, die sowas für ganz echte Demokratie halten möchten. "Über Geschmack soll man nicht strei- ten", sagt der Volksmund - ausgerechnet in Fragen der Politik soll es aber darauf offenbar ganz furchtbar ankommen. Auch und gerade die Grünen fordern das Wahlvolk auf, sich schon deshalb unter grüner Politik etwas viel Nützlicheres für sich vorzustel- len, weil Grüne eine andere Kleiderordnung befolgen als Schröder und Albrecht. Turnschuhe, Frauen und lebhafte Debatte sollen be- weisen: wir sind ganz echte Repräsentanten! Wir unterscheiden uns gar nicht von euch! Wir sind ganz nah am Volk - statt weit weg wie die anderen Herrscher! Stimmen tut diese Behauptung natürlich für grüne Repräsentanten im Landtag ebensowenig wie für die von SPD und CDU. Hier wie dort sind die "Repräsentanten" für's Verhandeln und Beschließen der Gesetze zuständig, an die die "Repräsentierten" sich zu halten haben; und wenn Grüne um das V e r t r a u e n der Wähler wer- ben, wollen sie sich von deren I n t e r e s s e n ebensowenig abhängig machen wie die anderen Parteien auch. Dennoch legen sie sehr viel Wert auf die Behauptung, daß sie überhaupt die einzigen wirklichen V o l k s vertreter sind: daß also durch ihre Anwe- senheit im Parlament all die Anliegen endlich wirklich zu ihrem Recht kämen, die die Wähler bewegen. D a ß es jede Menge Gegensätze zwischen den Maßnahmen der Poli- tik und den Interessen von gewöhnlichen Leuten g i b t, haben auch Grüne bemerkt: sonst würden sie ja gar nicht als alternative Partei zur Wahl antreten. Wahlwerbung machen sie für sich aller- dings mit der Behauptung, daß es diese Gegensätze gar nicht zu geben b r ä u c h t e, w e n n n u r die Politiker ihr Amt mit m e h r Verantwortung, Ehrlichkeit, w i r k l i c h e m Engagement usw. usf. verwalten würden. Grüne wollen die Taten ei- nes Albrecht oder Schröder nie einfach als das kritisieren, was sie s i n d: Maßnahmen, die dem Ziel dienen, ökonomische Stärke und politische Weltgeltung der Bundesrepublik zu befördern und dafür die Bürger in die Pflicht zu nehmen. Stets wollen sie sie vorführen als ein einziges Versagen vor den e i g e n t l i c h e n Aufträgen, als deren Sachwalter sie Re- gierungen und Parlamente hinstellen: Schutz der Umwelt, Sicherung des Friedens, Beseitigung der Arbeitslosigkeit... Die Sorte Kritik ist ziemlich billig zu haben. Sie will nämlich gar nicht wissen, w a r u m die Stärkung der n a t i o n a l e n Belange der BRD notwendig einhergeht mit wachsendem Ruin der Leute, die für diese Belange in Dienst genom- men werden. Stattdessen wiederholt diese Kritik immer nur das eine, trostlose Lamento: "Obwohl Ihr doch s a g t, daß Ihr Schaden vom "deutschen Volk" wenden w o l l t, t u t ihr es gar nicht. Das finden wir ganz schlimm von Euch!" Dieses Lamento haben nun allerdings nicht die Grünen erfunden. Es ist die ganz gewöhnliche staatsbürgerliche Tour, sich enttäuscht zu zeigen, daß die Politik einem dauernd Schäden zufügt, obwohl man sich selbst etwas anderes von ihr versprochen hat. Damit un- terschreibt man erstens, daß all die schönen Titel, mit denen auch noch ein Zimmermann seine Politik garniert, doch die e i g e n t l i c h e n Zwecke der Politik wären; und beschwert sich zweitens bei den Politikern, daß sie es einem so schwer ma- chen, ihnen das zu g l a u b e n. Alternative Propaganda... ------------------------- Diese Enttäuschung haben Grüne sich so sehr zu Herzen genommen, daß sie daraus ein ganzes alternatives Staatsprogramm gebastelt haben. Sie zeigen sich nicht nur enttäuscht über das "Versagen" der "etablierten Parteien"; sie nehmen auch noch deren Heuchelei, daß sie eigentlich gar nicht könnten, wie sie wollten, bitter ernst. Aus jedem Sachzwang, den ein Kohl oder Rau anführt, ver- fertigen Grüne gleich ein "Menschheitsproblem", das so unabweis- bar ist, daß die Politik gar nicht umhin können dürfte, sich des- sen anzunehmen. Ob Grüne nun über AKW oder Grundwasserverseuchung reden: ohne daß es sich hier um eine ganz grundsätzliche "Gefährdung u n s e r a l l e r Lebensgrundlagen" handelt, geht das bei ihnen nicht ab. Genauso radikal sind ihre Heilungs- vorschläge: sie heißen "Abkehr vom Wachstumsdenken" oder gleich "Umbau der Industriegesellschaft". E r s t e n s bringen die Grünen mit dieser Argumentation jeden wirklichen Gegensatz zwischen den Interessen von Staat und Kapi- tal einerseits, den Leuten andererseits um die Ecke. Nicht ir- gendwelche kleinlichen materiellen Interessen gelten ihnen als durch die Politik geschädigt; "betroffen" sind für die Grünen un- terschiedslos "wir alle oder gleich so hohe Güter wie "das Le- ben", "die Natur" oder "nachfolgende Generationen". Diese Anlie- gen gelten den Grünen gerade deshalb als gänzlich unabweisbar, weil a l l e und j e d e r dafür sein kann: Täter wie Opfer. Und ganz besonders die Politiker, die je nach Grünen-Auffassung die eigentlichen Sachwalter dieses "wir alle" sind. Z w e i t e n s wollen Grüne deshalb bei ihren Umbauvorschlägen genauso wenig zwischen Tätern und Opfern unterscheiden. Nicht der Umstand, daß Unternehmen noch jede Rücksichtnahme auf die Gesundheit der Leute als Kost kalkuliert, die den Überschuß schmälert; nicht die Tatsache, daß der Staat am Wachstum d i e s e s Überschusses sehr interessiert ist, gilt Grünen als Grund aller Verstöße gegen "die Natur", sondern maßlose Ansprü- che, die wiederum "wir alle" an "Produktion und Konsum" stellen. Ob Buschhaus wegen rentabler Stromproduktion Dreck in die Luft bläst oder ein normaler Konsument dreimal verpackte Fischdosen kauft - das gilt einem Grünen alles gleich: als Verstoß gegen "die Umwelt", "die Natur". Zwar hat ein Herr Müller noch nie ein Dioxinfaß bestellt, und es dürfte ihm auch schwerfallen, mit sei- nen Koteletteknochen das Grundwasser zu verseuchen; aber das ist den Grünen wurscht. Genauso wie "wir alle" es sein sollen, die unterschiedslos betroffen sind durch die Zerstörung der Natur, genauso sind es auch "wir alle", ob Macher von Politik und Ge- schäft oder das gewöhnliche Volk, die s i c h angesichts der "drohenden Gefahren" bescheiden sollen. Damit setzen Grüne nicht nur allen staatlichen Verzichtsparolen, die den von Staat und Ka- pital verordneten Zwang zur Einschränkung begleiten, die Krone auf: jetzt muß auch noch die "Verantwortung für die Natur" - als 'guter Grund', Verzicht zu üben - herhalten. Sie machen zugleich Reklame für ein Bild "unserer" Republik als Heimat, die so schön sein k ö n n t e, wenn nur jeder sich ihre hochmoralischen Anliegen ganz persönlich zu Herzen nehmen würde. ...wahlwirksam in Szene gesetzt ------------------------------- Bei der Frage, wie dieses Programm Realität werden soll, werden Grüne sehr realistisch. Da kennen sie durchaus wieder den Unter- schied zwischen den Machern der Politik, die über Produktionsbe- dingungen und Lebensverhältnisse entscheiden und deren Ge- und Verbote deshalb auch g e l t e n, und dem normalen Untertanen. Zu ersteren wollen sie gehören: auf "Einsicht" aller "Betroffenen" setzen sie ebensowenig wie ihre Kollegen von SPD und CDU, sondern auf die Staatsgewalt mit all ihren schönen Ein- richtungen vom Parlament bis zur Polizei. Den Verdacht, sie woll- ten mit ihrem Einzug ins Parlament etwa Hessen oder Niedersachsen unregierbar machen, also den ordentlichen Gang der Staatsge- schäfte s t ö r e n, haben sie immer weit von sich gewiesen; und in Hessen haben sie inzwischen den Beweis angetreten, daß dieser Verdacht unbegründet war. Kein Wunder: schließlich treten sie ja an, um im Namen ihres Ideals der staatlich organisierten Versöhnung von Mensch und Natur ganz viel Verantwortung zu über- nehmen: und zu der paßt es nicht, sich als Störenfried aufzufüh- ren. Allerdings: auch ein Grüner in Amt und Würden verleiht nicht den Instrumenten staatlicher Durchsetzung den Charakter der Men- schenfreundlichkeit, den die Grünen gerne hätten: praktisch darf noch jeder Grünen-Wähler erfahren, daß sich die grünen Ideale sehr schnell an denselben "Sachzwängen" brechen wie die der Kon- kurrenzparteien. Für Grüne kein Grund, Zweifel an ihrem Programm zu bekommen im Gegenteil! Wenn ein grüner Minister nicht zu haben ist ohne das "Ausklammern" der AKW-Frage, dann spricht das nach der Logik der Grünen immer s o w o h l für a l s a u c h ge- gen ihn: f ü r ihn, weil immerhin grüner Minister und damit Be- weis für die Machbarkeit des grünen Programms mit den herkömmli- chen Mitteln des politischen Geschäfts, als da sind Koalitionen, Atomgesetze usw. G e g e n ihn, weil er als grüner Minister eben das Programm "verrät", wegen dem er angetreten ist... Den Grünen ist es inzwischen gelungen, dieses heiße Problem: bleiben wir als Idealisten der Politik glaubwürdig(er), wenn wir in ihr "Verantwortung übernehmen - und die Ideale Ideale bleiben lassen - oder, wenn wir die Ideale beschwören und nicht mitregie- ren?" als Dauerstreit in ihrer Partei einzurichten und mit dem ständigen Austragen dieses Streits auch noch für sich Reklame zu machen. Jeder Zeitungsschreiberling weiß inzwischen, daß das neue Parteiprogramm der Grünen deswegen so "radikal" sein muß, damit grüne Politiker gleichzeitig "realistische Politik " machen kön- nen. So bleiben die Grünen auf jeden Fall immer eines: die glaub- würdigsten Vertreter all der nationalen Werte, die sich die ande- ren Parteien immer in ihre Hochglanzbroschüren reinschreiben. Schließlich sind sie die einzigen, die es sich ganz s c h w e r machen, wenn sie sich und die Welt immer wieder daran erinnern, daß es grüne Politik immer noch nicht geschafft hat, ihre schönes B i l d einer Republik, in der jeder eins ist mit sich, der Na- tur und seiner Herrschaft, mit deren W i r k l i c h k e i t zusammenzubringen. Dafür soll man sie wählen! zurück