Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION GRUENE - Alternative - wovon und wozu


       zurück

       Die Grünen
       

FUNDAMENTAL FÜR REALPOLITIK

Ein paar Tage lang waren sie wieder einmal für Schlagzeilen und Titelgeschichten gut. Fast wie in früheren Zeiten tönte unisono durch den bundesdeutschen Blätterwald die Warnung vor der grünen Gefahr. Anlaß: Der Bundesparteitag hatte die Posten der drei Vorstands- sprecher mit zweieinhalb Fundis besetzt. Bereits das hält unsere Republik nicht mehr aus. So geiferte etwa der "Spiegel": "Bestimmen tut, auf Parteitagen zumindest, die Fundi-Truppe, iko- nenhaft-kultisch angeführt von der manischen Verweigerin Jutta Ditfurth... Sie muten ihrer Wählerschaft ein erbarmungsloses Mas- saker in den eigenen Reihen zu, Bartholomäusnacht en suite..." Und der Gipfel: "Sie und ihre eiskalte Riege stellen die Macht- frage nicht... chaotische Verweigerungsstrategie." (Spiegel 20/87) Wer als Politiker und schon gleich als oppositioneller Politiker nicht alles tut, um die Macht zu kriegen, der ist ein perverser Apparatschik. Demokratenlogik! Und auf die Grünen bezogen - Blöd- sinn. Denn so sehr sich Fundis und Realos etwas auf ihren Gegen- satz einbilden mögen, so sehr stellen sie g e m e i n s a m "die Machtfrage". Nichts anderes ist es, was sie in ihren Debat- ten umtreibt: Soll man wie unlängst noch in Hessen - mit der SPD eine Koalitionsregierung bilden, oder soll man sie "nur" per "Tolerierung" die Gewalt ausüben lassen? So "fundamental" sehen die Differenzen in einer Partei aus, deren "inhaltliche Forderun- gen" zusehends das schmückende Beiwerk sind zu taktischen Erwä- gungen über die Möglichkeiten der Beteiligung an der Macht. An- ders waren die "grünen Inhalte" freilich auch nie gemeint. Diese Protest-Wählervereinigung lebt seit jeher von der Idiotie, die "katastrophen"trächtigen Folgen bundesdeutscher R e a l p o- l i t i k, das nationale Kalkül mit Krieg und GaU, als unver- antwortliche Abweichungen von den eigentlichen = menschen- freundlichen Zielen demokratischer Herrschaft zu kritisieren. Schon immer bestand diese Sorte Opposition darin, "kompromißlos" für genau jene ideologischen Titel einzutreten, mit welchen die "etablierten Parteien" noch die härtesten Maßnahmen legitimieren, und im Namen dieser Werte den "Betroffenen" den Idealismus einzureden, die Nation wäre ohne ihre Notwendigkeiten zu haben: Ein deutscher Rhein ohne Gift, deutsche Fabriken ohne Abfall und Arbeitshetze, eine deutsche Verfassung ohne Zimmermänner, ein deutscher Friede ohne Atomwaffen. Und von Anfang an haben die Grünen dabei die SPD, die jene Tour demokratischer Herrschafts- Heuchelei am ausgiebigsten pflegt, als ihren bevorzugten Ansprechpartner definiert. Es ist daher ein rein f o r m e l l e r Unterschied, ob man auf Realo-Manier seine Zielsetzung darin sieht, auch noch jeden CDU- Wähler einzuwickeln "eine grüne parlamentarische Politik muß sich vor jeder politi- schen Öffentlichkeit legitimieren und erklären" (Cohn-Bendit) - und unter kritischer Begleitmusik als Börners "Turnschuhminister" "das Machbare" macht, oder ob man ein Zusammengehen mit den Sozi- aldemokraten unter die Kautel historischer Perspektiven stellt: "Die SPD muß an die Grünen verlieren, schmerzhaft verlieren, da- mit in ihr Wirrnisse ausgelöst werden, damit in ihr das Verlangen nach gesellschaftlicher Reform verstärkt wird." (Ebermann) Es geht um die völlig fiktive Alternative, ob man die SPD durchs Mitregieren oder durchs Mitopponieren zum grünen Koalitionspart- ner erziehen soll. So will die "Protestpartei" an die Macht. Es ist daher nichts als die unter demokratischen Wahlvereinen üb- liche, als Selbstkritik daherkommende Wählerbeschimpfung, wenn der frischgekürte Parteisprecher Schmidt am Abend nach den Wahlen von Hamburg und Rheinland-Pfalz verkündet, "unsere Inhalte nicht genügend rübergebracht" zu haben. Auch grüne Politiker betrachten das Wahlvolk als Stimmvieh, das ihnen zu Gebote zu stehen habe. Und auch bei ihnen erschöpft sich eine "kritische Wahlanalyse" darin, beim Einseifen taktische Versäumnisse begangen zu haben. Drei Konsequenzen hieraus sind den Grünen bislang schon eingefal- len. Die erste stand bereits vor den Wahlen vom 17.5. fest: Die Partei wird um eine dritte Fraktion bereichert. Die neuformierte "Gruppe der Unabhängigen" will "die Kluft zwischen Realos und Fundis überbrücken, um so dem Bild der innerparteilichen Zerrissenheit in der Öffentlichkeit entge- genzuwirken." (MdB B. Rust) Dann weiß der Wähler endlich, daß es nur eine Partei ist, die schon allein deswegen seine beiden Kreuze verdient. Zweitens werden die Grünen der SPD auch dort Koalitionen anbie- ten, wo diese gar keine will und sich rühmt, mit einer klaren Ab- sage an die Grünen Stimmen gewonnen zu haben: "Die SPD wird sich überlegen müssen, mit wem sie besser sozialde- mokratische Politik machen kann mit der FDP oder mit uns." (Thea Bock im Hamburger Wahlstudio) Und für den Fall, daß die SPD glaubt, derart wohlmeinende Ange- bote ausschlagen zu können, kommt Konsequenz Nr. 3 zum Zuge, die von MdL G. Bill aus Mainz stammt: "Wir wollen gute Opposition sein. Wir sind zufrieden und glück- lich." Und was will man schließlich mehr? zurück