Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION GRUENE - Alternative - wovon und wozu


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       Jutta Ditfurth beweist:
       

AUCH GRÜN WÄHLEN IST VERKEHRT!

Jutta Ditfurth ist keine Grüne wie die anderen. Sagt sie, und sa- gen auch andere. In einem unterscheidet sie sich nicht: Auch sie zählt ausgiebig und immer wieder Zerstörungen an Land und Leuten auf, auch sie malt globale Untergangsszenarien und verläßt sich wie andere Grüne darauf, daß das Deuten auf Müll und Gift schon so gut wie ein Argument wäre: "Die Natur ist in wichtigen Teilen irreparabel zerstört. Die Grundwasserreserven sind fast überall vergiftet, die Luft um die Welt herum verseucht mit chemischen Giften und radioaktiven Iso- topen. Böden liegen ausgelaugt und erodiert. Die Dritte Welt wird zur Müllkippe. Menschengemachte Wüsten schließen sich um Teile der Erde zusammen. Millionen von Menschen, so sie überleben, sind auf der Flucht vor Hunger, Folter und Tod". Dieses Sittenbild einer maroden Welt soll dafür sprechen, daß diese - gar nicht schlimm genug auszumalenden - Zustände nur das Ergebnis politischer U n-vernunft und u n-verantwortlichen Han- delns sein können, daß es so nicht weitergehen kann, daß es fünf vor zwölf ist ... Warum es dann doch immer so weiter geht, wo's doch so nicht wei- ter gehen kann, dafür hat Jutta Ditfurth einen Grund, der sie von anderen Grünen unterscheidet: "Der Kapitalismus - Nichts als Zerstörung" ------------------------------------------ "Ökologische Politik ist antikapitalistisch oder sinnlos. Kapi- talismus ist maßlose Verschwendungsproduktion, Profitmaximierung bei grenzenlosem Verschleiß von Menschen und Rohstoffen." Man hätte ja mal gerne erfahren, wozu das alles gut sein soll: Immerzu Produktion zu Verschwendungszwecken? Der Ruin von Mensch und Natur ohne Maß und Ziel? Das glaubt sie doch selbst nicht. "Grenzenloses Wachstum": Warum dieses System all diese Machen- schaften unternimmt, was es zustande bringt, wenn es Natur und Arbeitskraft so rücksichtslos benutzt, weiß man nach wie vor nicht. Man weiß nur: Kapitalismus kennt keine Grenzen, wenn es ums Verschwenden und Verschleißen geht; sonst kennt er aber nichts. Damit ist Jutta Ditfurth wieder am Ausgangspunkt: Die verheerenden Wirkungen des Kapitalismus - siehe Schadensbilanz - sind seine volle Absicht und mehr will er nicht. So kann man zwar gut auf zerstörerische Effekte hindeuten: Da seht ihrs, was der Kapitalismus alles anrichtet! Bloß darüber, worum es im Kapitalismus wirklich geht, ist mit solchen Beschwö- rungen eines einzigen riesengroßen globalen Mißstands kein Wort gefallen. Vielleicht gehorcht der Kapitalismus einer ganz anderen Logik als dem frommen Wunsch seiner radikalen Kritiker: er sollte sich der Vermeidung der Wirkungen verschreiben, die e r hervorbringt? Vielleicht besitzen die Macher und Nutznießer andere Kriterien für ihren Erfolg als die allgemeine Wohlfahrt? Vielleicht haben die am Ende ein bißchen mit Kapital und Geld und deren Vermehrung zu tun und mit sonst nichts? Und vielleicht ist ja auch den Pro- fitmaximierern gar nicht zerstörerische Irrationalität vorzu- werfen, sondern daß sie die gesellschaftlichen Verhältnisse nur allzu gut auf das dauerhafte Gelingen i h r e s Zwecks einge- richtet haben? Ist es nicht ein bißchen billig, dem Kapitalismus immer nur vor- zuwerfen, er sei zerstörerisch am Werk? Was sagt man eigentlich dann zu den glänzenden Erfolgen, die sich die kapitalistische Ge- schäftswelt und die Politiker z.B. "unseres schönen Deutschland" laufend bescheinigen? Der R e i c h t u m in Privat- und Staatshand, ist es nicht das, was zählt, was wächst, was bewahrt und gepflegt wird? Werden nicht d a f ü r Land und Leute zweckdienlich benutzt und sogar brauchbar erhalten? * Nebenbei gefragt: Wenn der Kapitalismus soviel Ruin in der Natur anrichtet, ist es dann in Ordnung, immer nur die V e r m e i d u n g des Schadens, die B e w a h r u n g von und die Rücksichtnahme auf angeblich natürliche Gleichgewichte zu fordern und immerzu nur Zurückhaltung beim produktiven Umgang mit der Natur zu predigen? Soll die Natur für ihre Benützung oder zu ihrem eigenen Schutz da sein? Die "soziale Frage" - global gestellt ------------------------------------- "Die Ursachen von sozialem Elend und Naturzerstörung sind die- selben. Die sozialen Beziehungen der Menschen sind unauflösbar mit den ökologischen Bedingungen verbunden. Die Klassenfrage ist in der Gattungsfrage aufgehoben und durch sie bestätigt und ver- schärft, also nicht durch sie aufgehoben." Das ist eine heutzutage unter Bundestagskandidaten selten ge- stellte Frage. Aber Jutta Ditfurth hat eben ein apartes Problem mit dem sozialen Elend, Sie möchte nämlich Linke für das Mensch- heits- und Überlebensprogramm der Grünen vereinnahmen, indem sie ihnen die Zuständigkeit für die "sozialen Fragen" bestreitet, an die Linke bei Kapitalismus denken. Der Nachweis, daß das, was seit Karl Marx der Klassengegensatz heißt und ein gegensätzliches gesellschaftliches Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital meint, letztlich nur ein Unterfall des allgemeinen menschlichen Überlebensproblems ist, fällt Jutta Dit- furth nicht schwer. Bei Klassen denkt sie nämlich von vornherein genauso wie bei der "Gattungsfrage" an die ruinösen Wirkungen und die Opfer, die in dieser Gesellschaft anfallen. Die sozialen Fälle zählen als weitere Belege eines allumfassenden Zer- störungsprinzips, so daß Jutta Ditfurth auch bei der Lohnarbeit nicht danach fragt, w o f ü r sie taugt, sondern w i e sie wirkt; und zwar auf die Gesundheit dessen, der sie ausübt. Die leicht festzustellenden negativen Folgen taugen als Belegma- terial für den Gedanken, daß hier in kleinem Maßstab genauso wie bei der Natur im Großen unverantwortlich mit einer gesellschaft- lichen Ressource umgegangen würde. Und da diese "soziale Frage" für den grünen Gatttungsgedanken steht: statt ein harmonisches Zusammenleben in gemeinschaftlicher Solidarität zu ermöglichen, würde der Kapitalismus es verunmöglichen - findet Jutta Ditfurth das eigentliche soziale Elend auch jenseits der Sphäre, wo es produziert wird: Nämlich dort, wo mit den Sozialfällen u m g e g a n g e n wird, also beim Sozialstaat: "Der 'sozialstaatliche Kompromiß' heißt in der BRD 3-5 Millionen Arbeitslose, viele Menschen in Psychiatrien, Altersheimen, Ob- dachlosenasylen, Isolation und Einsamkeit." Daß der Sozialstaat nicht dafür da ist, irgendeinen Kompromiß zu schließen, daß er nicht dafür erfunden ist, irgendwelche "so- zialen Folgen" auszugleichen, Leute in Arbeit zu setzen oder vor den verschiedenen Verwahranstalten zu bewahren, sondern all diese Fälle je nach ihrer gesellschaftlichen Funktion als mehr oder we- niger große Belastung der staatlichen Gemeinschaft einstuft und verwaltet, darum schert sich die Staatskritikerin Ditfurth wenig. Sie ist deswegen so radikal, weil sie von einer h o f f n u n g s l o s g u t e n Vorstellung sozialstaatlicher Politik ausgeht, an der sie den wirklichen Sozialstaat ein ums andere Mal radikal blamiert. Auch hier stellt Jutta Ditfurth wie- der denselben Verstoß gegen das Gebot der Menschlichkeit fest: "Bewahren, statt Zerstören." Von wegen also: "Ökologie ist mit Kapitalismus so verträglich wie Solidarität mit Profitgier oder Frauenbefreiung mit Patriarchat." Jutta Ditfurths "Kapitalismus" - ist das am Ende noch etwas an- deres als eine unmoralische H a l t u n g, eine besonders rück- sichtslose E i n s t e l l u n g gegen Mensch und Natur, ein Mangel an politischer Tugend? Also doch keine Systemfrage, son- dern bloß die alte Predigt vom "egoistischen Interesse" contra die "höhere Verantwortung", in der sich alle unbeschadet ihrer Gegensätze im Geiste vereint wiederfinden? Paßt nicht der radikale Wunsch nach Bewahren statt Zerstören, also das ökologische Grunddogma so g u t zum Kapitalismus wie das Gebot christlicher Nächstenliebe zu den Härten des kapitalistischen Alltags? * I n S a c h e n P a r t e i hat sich Jutta Ditfurth radikal entschieden: Die Grünen wählen. Warum das extra erwähnt werden muß? Weil ihre Bekenntnisse zu An- tikapitalismus und Klassenfrage auch unter ökologischem Vorzei- chen nicht gerade zu den Essentials einer grünen Partei gehören, die unbedingt politikfähig sein will. Jutta Ditfurth will und kann damit offenbar ganz gut leben. Jutta Ditfurth schafft es offensichtlich ohne große Schwierigkeiten, in ihrer Partei lauter Anhänger von "Kanonenbootpoliktik, Natobe- fürwortung und Gier nach der Mitgestaltung der großdeutschen Weltmacht" auszumachen, und dann mit der trockenen Versicherung: "einfach widerwärtig und indiskutabel" zu ihrer Tagesordnung überzugehen. Jutta Ditfurth schafft es auch, selbst in der ei- genen Partei lauter reaktionäre Benutzer des ökologischen Gedan- kens zu entdecken: Von "Ökoimperialisten " bis "Ökospießern" usw. und dann zu sagen: Gut gemeint, aber nicht die echte Ökologie! Jutta Ditfurth schafft es nicht nur, dies alles auszuhalten, s i e m a c h t d a r a u s i h r M a r k e n z e i c h e n. Nie läßt sie - selbst ein Zugpferd der Grünen - eine Gelegenheit aus, sich radikal von den "falschen" Grünen zu distanzieren. Dieses Stehvermögen müssen wir auch einmal bewundern! Oder ist es gar nicht so schwer? Egal, wie regierungsmitverantwortlich die Parteibeschlüsse, also der praktische Kurs der Partei auch sein mögen, Jutta Ditfurth steht für unverfälschte, grüne Ra- dikalökologie - i n G e d a n k e n. Und mit ihren "Utopien" deckt sie auch noch das weite Feld men- schenfreundlicher Zukunftsträume ab, wo jeder dazu aufgefordert ist, sich was schönes vorzustellen, was schöneres jedenfalls, als was die grüne Partei in Wirklichkeit macht. In Wirklichkeit haben doch die Grünen schon lange bewiesen, daß beteiligt sein - und das wollen sie schließlich unbedingt - heißt: Sich alternativ stark machen für alle nationalen Not- wendigkeiten. Bis man soweit ist, daß man als grüner Atomminister die Reaktoren leider nicht mehr ausschalten kann und mit der Bundeswehr deutsche Verantwortung in der Nato und/oder in der Uno wahrnehmen muß. Ist nicht das Radikale an Jutta Ditfurth grade dafür glaubwürdig, daß ganz extrakritische Leute Grün wählen können, sozusagen als kleineres Übel der Sonderklasse? Mit J. Ditfurth solls schon wieder mehr sein, als das schlichte Stimmkreuz? Weil man sich ein klitzekleines Stückchen Utopie dazudenkt und sich ganz entschieden von der Partei distanzieren kann, die man gerade wählt? Das ist uns zu hoch! Es ist nicht gerade wenig, was Jutta Ditfurth einem radikaldemo- kratischen Wähler als "Utopie selbstbestimmter Selbstverwirkli- chung" ans Herz legt. Er soll auf eine Wahlwerbung hereinfallen, die sich naserümpfend über das "bloße Wählen" erhebt, und er soll eine Partei wählen, an der sie kein gutes Haar läßt. Dann wird das Wählen ja auch wohl dafür gut sein, daß die Partei mit dem Wahlergebnis umgeht, wie's ihr paßt! Das können nämlich die Wähler von CSU bis SPD genauso: Die Partei wählen, auf die sie schimpfen, sich besonders schlau vorkommen, und die in Bonn dann machen lassen. zurück