Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION GRUENE - Alternative - wovon und wozu
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Auch etwas, was von den Grünen repräsentiert sein will
OHNE SCHOSS NIX LOS
"Motherhood ist beautiful" (Müttermanifest der Grünen: Frankfur-
ter Rundschau, 27.3.87)
Auf dem Grünen-Parteitag gab es wieder einmal Streit und das ge-
wünschte öffentliche Aufsehen. Eine Bewegung "Mütter" fühlte sich
durch die Frauenarbeit - so heißt das bei demokratischen Parteien
ja - der Partei nicht mehr gebührend vertreten, stellte ein
"Müttermanifest der Grünen" zur Diskussion und forderte eine ei-
gene Bundesarbeitsgemeinschaft "Mütterpolitik".
Wie es sich für Frauen nach übereinstimmender Eigenauffassung ge-
hört, ging es sehr persönlich zu. Die Müttervertreter beschimpf-
ten die "Karrierefrauen" und "Kinderlosen". Buttons mit dem Vor-
wurf faschistoiden Mütterkults brachten sie zum Weinen. Der Drei-
viertel-Erfolg ihres Antrags auch.
Drei Anliegen sind mit den neuen Funktionärsposten zu verdienten
Ehren gelangt.
Eine politische Ideologie: Wieder einmal der Grundwert "Frau" -
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die Verwandlung von Betroffenheit in Naturqualitäten
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Der Bauch des "Müttermanifests", Gisela Anna Erler, erklärt sich
die Verhältnisse so:
"Jeder Mann kommt nicht nur aus dem weiblichen Uterus, sondern
auch aus den Armen einer Frau... Von der Mutterbrust zum Männer-
bedürfnis, sich einer objektiven Welt zu bemächtigen, mit Bau-
steinen statt mit Puppen zu spielen, Geräte statt Personen zu be-
dienen, führt ein ebenso direkter Weg wie vom Kinderzimmer zu den
pompösen Auf- und Abrüstungskonferenzen. Was Politik und Wirt-
schaft abends auf den Bildschirm der Wohnzimmer projizieren, ist
fleischgewordene Angst vor der Frau - in Form der Gerontokratie
Rußlands oder Amerikas ebenso wie in der jungen Technokratie
Frankreichs." ("Frauenzimmer, Für eine Politik des Unterschieds",
S. 45)
Entgegen ihrem Buchtitel hat die gute Frau einige Unterschiede
verpaßt, wie das bei fixen Ideen immer so ist. An der Mutterbrust
läßt sich ja wohl schlecht Politik machen; aus dem Kinderzimmer
ist schon manche(r) nicht in einer Genfer Nobelabsteige, sondern
an irgendeinem Fließband gelandet; Politiker(innen) kommandieren
mit Vorliebe Personen beiderlei Geschlechts; im Fernsehen finden
sich mehr Frauenlob und Pampers, als einem Esser lieb ist... Und
überhaupt: Kapitalistische Marktwirtschaft, staatliche Streitig-
keiten und Waffendiplomatie der männlichen Abnabelung zuzuschrei-
ben; den Krieg aus der männlichen Beherrschung der Grammatik ab-
zuleiten; im Fußballspiel die männliche Dominanz über das gesell-
schaftliche Leben zu entdecken, weil beim Torschießen der Liebes-
kummer keine Rolle spielt - all das schafft nur jemand, der sich
wirklich krampfhaft bemüht, mit dem Bauch zu denken und die Welt
nach Art eines Verfolgungswahns zu deuten: Alles, aber auch alles
in der Welt tun Männer Frauen an, und zwar weil es Männer sind
und es Frauen antun wollen; und alles, was Frauen erleiden, wird
ihnen angetan, weil sie Frauen sind.
An den ungemütlichen Ausgangspunkt, daß es Frauen mit Kindern,
Familie und Lohnarbeit oft extra trifft, mag man da gar nicht
mehr erinnern. Schließlich will ja diese Frau davon nichts mehr
wissen, wenn sie die Welt so kontrafaktisch nach Geschlechterna-
tur in Betroffen und Täter sortiert. Sie denkt bei Frau sowieso
längst an Höheres, einen ganzen Katalog von Tugenden nämlich, den
Frau qua Natur repräsentieren soll - unerfindlicherweise sind ja
immer die vorgestellten Opfer auch schon die Guten, die ausge-
rechnet dafür Anerkennung verdient haben. Frau ist weich, rund,
gefühlsbetont, friedliebend, personenbezogen - und was es sonst
noch an Charakterbildern für ein Harmonieideal gibt, das schon
Denken, Argumentieren, Streiten, ein bißchen Distanz für männlich
= gewalttätig hält.
Ein reaktionäres Anliegen: "Kinder an der Hand" -
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Mütterlicher Dienst als das Höchste der Gefühle
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Daß die moralischen Geschlechtsmerkmale ihren Ursprung im kapita-
listischen Familiendienst der Frauen haben, war mal eine Erklä-
rung der MSZ ("Die Frau im Kapitalismus", 7/1975 in MSZ/Nachdruck
aus dem 1. Jahrgang); und zwar als Klarstellung gegenüber einer
emanzipationswütigen Frauenbewegung, die von diesem Dienst nicht
so furchtbar viel gehalten hat, sondern statt Pflichten Rechte,
und zwar gleiche, forderte.
Heute kommt diese Erklärung als Bekenntnis der Politmütterfrak-
tion und als Angriff auf die Frauenbewegung daher, daß natürlich
die Frau, die ihre Organe auch artgerecht einsetzt und sich dar-
auf etwas einbildet, die wahre Vertreterin weiblichen Wesens ist,
die anderen aber ein wenig entartet. Manchen galten ja mal die
drei Ks: Kinder, Küche, Kirche als gleichbedeutend mit Unterdrüc-
kung. Die darin bebilderten Dienste und moralischen Postulate
wurden als ein Angriff auf rechtmäßige Ansprüche und Bedürfnisse
des Individuums verstanden und Selbstverwirklichung ohne lauter
Zwänge eingeklagt. Zumindest Kind und Küche haben sich dank
grüner Müttervertreter jetzt von dieser Kritik emanzipiert (und
mit der Kirche liegen die Grünen ja auch im heftigen Konkurrenz-
streit um die moralische Führerschaft in Sachen Leben). Das
"Müttermanifest" hat jedenfalls eine ganz neue Sorte Unterdrüc-
kung ausgemacht: Der persönliche Wunsch nach einem Kind erfährt
keinen Respekt, obwohl er doch der höchste Dienst ist, den Frauen
der Gemeinschaft leisten;
"Mütter lassen sich nicht mehr fragen, ob und warum sie Kinder
haben dürfen, sondern sie fragen die Welt, warum sie ihnen und
ihren Kindern nicht den legitimen, notwendigen, sinnvollen Raum
gibt - wo doch die Zukunft von ihnen abhängt und die Grundlagen
des psychischen und physischen Wohlbefindens letztlich der ge-
samten Gesellschaft von ihnen geschaffen werden." (These I),
"Wir verlangen das Recht, daß Frauen ihre Kinderwünsche leben
können - nicht nur das Recht auf Abtreibung." (These III)
Radikal sind sie schon, die selbstbewußten Frauen mit dem Mutter-
komplex. Sie haben die Unbequemlichkeiten, die Lasten, die mit
Kindern einhergehen so liebgewonnen, daß sie vor lauter Ehrsucht
noch nicht einmal etwas von den gewissen Unterschieden wissen
wollen, die sich je nach "sozialer Lage" beim Betreuen der dum-
men, aber lieben Kleinen einstellen. So radikal nehmen sie Partei
für die Lust an der Verantwortung für die Grundlagen staatlichen
Lebens, daß sie gehörig übertreiben: Ohne Mütter keine Kinder -
na gut. Aber ohne Kinder fehlt es noch lange nicht an Zukunft und
Wohlbefinden, sondern einfach an der Gesellschaft - nicht zu ver-
gessen an einer Menge Kinderplagen, die Mütter und Väter so auf
sich nehmen oder auch nicht. So banal möchten Gebär- und Kleinfa-
milienfanatiker das natürlich nicht sehen. Schon eher so wie die
Staatsmänner, die sich um ihren Volkskörper und dessen Erhaltung
Gedanken machen. Die schätzen ja die Familie als Keimzelle des
Staates, fordern Vögeln für Deutschland und stilisieren die
'Mutterfreuden' zum Ideal gesellschaftlicher Pflichterfüllung.
Die Pose der diskriminierten Opfer, die endlich ihr gutes Recht
einklagen, der gesellschaftlichen Zukunft ein Wunschkind schenken
und aufziehen zu dürfen, ist insofern einer Süssmuth würdig.
Bloß, einen Unterschied gibt es schon noch, wenn z. B. eine
durchgedrehte Sozialdemokratentochter den Faschismus für die An-
erkennung ehrt, die er dem deutschen Frauenstand zukommen ließ:
"Auf der einen Seite wurde ihnen vom Faschismus nicht nur bestä-
tigt, was die Mehrzahl ohnehin fühlte, daß nämlich die Familie
für sie das zentrale Lebensmoment war. Es wurden ihre inneren Ge-
fühle als stolze Mütter - und alle Mütter sind stolz - angespro-
chen... Täuschen wir uns nicht: Bis heute sind nirgendwo in der
Familienpolitik Instrumente entwickelt worden, die sich grund-
sätzlich von denen der Nationalsozialisten unterscheiden... Der
Faschismus hätte bei vielen Frauen ein schwereres Spiel gehabt,
wäre die Antwort der Linken etwas näher an einer solchen Be-
schreibung der Frauenidentität geblieben." (Erler, S. 181 f.)
Sie denkt die Gleichung von Staatsdienst und Mutterwunsch wirk-
lich andersherum und propagiert ein Programm der individuellen
Selbstverwirklichung als Kinderhort. Deswegen will sie der Demo-
kratie auch gar keinen Vorwurf machen, wenn sie ihr faschistische
Kontinuität bescheinigt. Die Idealisierung der Mutter und ihrer
Dienste an Volk und Staat schätzt sie sehr, und sie ist wie jeder
psychologisch eingeschulte Bürger weit entfernt davon, solcher
Anerkennung von höchster Stelle auch nur den Verdacht entgegenzu-
bringen, hinter dem Lob des D i e n s t e s stehe die
B e n ü t z u n g. Diese Frau denkt wirklich alternativ. Sie
meint, der Rest der Welt hätte den Dienst der Mütter durch Dienst
an ihnen zu honorieren. Sie vermißt, daß sich nicht gleich die
ganze Gesellschaft nach den Bedürfnissen bzw. dem Bild der Mut-
ter-Kind-Beziehung gestaltet. Solche Übertreibungen und Absolut-
heitsansprüche kennt man auch vom Steuerzahlerbund, den Ärztever-
tretern, Lehrerverbänden und überhaupt allen Berufslobbyisten und
ehrenwerten Standesvertretern. Aber die selbsternannten Wesens-
mütter meinen es ein Stück ernster mit ihrem Traum, das staatli-
che Treiben sollte sich wie ein Familienleben im Großen abspie-
len:
"Es ist an der Zeit zu verstehen, daß Mütter außerhalb ihrer vier
Wände nicht nur als Arbeitskräfte, Ehefrauen, Politikerinnen an-
wesend sein möchten, sondern auch Raum für ihre Kinder fordern.
Eine Gesellschaft, die Kinder an der Hand zulassen soll, bedeutet
eine grundsätzliche Herausforderung an alle vorgegebenen Struktu-
ren... Was ansteht, ist nicht mehr und nicht weniger als die
Schaffung einer mütter- und kinderfreundlichen Öffentlichkeit,
einer öffentlichen Wohnstube, eines nachbarschaftlichen Kinder-
zimmers, einer Überwindung der engen Familiengrenzen - ohne daß
die Logik der Kneipe, des Betriebs oder gar der traditionellen
Politik alles Leben durchdringt." (These I)
So ist das, wenn traditionelle Politik-Werte zum Selbstbewußtsein
werden: Daß es vielleicht nicht gerade das Schönste für ein Blag
ist, ausgerechnet als Lustobjekt eines mütterlichen Verantwor-
tungsfimmels behandelt zu werden - völlig abwegig; daß man die
Kindsköpfe möglichst schnell erwachsen und vernünftig macht und
ihnen das mütterliche Betreuungswesen und den ganzen familiären
Psychozirkus und die Traktiererei am besten erspart - undenkbar.
Das persönliche Da-Sein für Kinder gilt als Vorbild, für eine
neue Volksgemeinschaft eben. Die Vorschrift: Jeder erfüllt aufop-
ferungsvoll seine Pflicht an seinem Platz! folgt da auch gleich
auf dem Fuße. Nur lautet sie hier kinderzimmermäßig, daß "die
Männer ihre Pubertät bis 45 verlängern" (also auf halbem Wege
zwischen Mutterbrust und Konferenztisch steckengeblieben?) "und
sich weigern, mit einer Frau zusammen die Verantwortung für ein
Kind zu übernehmen". (These III) In Fleisch und Blut übergegan-
gene Gemeinschafts- und Dienstideale haben eben immer schon zu
den wüstesten Materialismusvorwürfen getaugt.
Ein bewährtes Parteiprinzip:
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Der politische Mutterkult - noch ein Teil grüner Bewegung
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Wenn Gisela Erler den kritischen Idealen den Rücken gekehrt hat,
die sie mal zu ihrer emanzipatorischen 'Arbeitersache' gemacht
hatte; wenn sie zwei Kinder gekriegt hat und im Vorwort damit an-
gibt, dafür einen gleichgesinnten 'Lebenspartner' zur Verfügung
gehabt zu haben, so steht sie damit garantiert nicht allein. Ein-
same Spitze ist sie allerdings darin, daß sie ihre Mutterschaft
und die anderswo zum ganzen Sinn der Gesellschaft befördern will.
Den Übergang von der Zukunft der Menschheit zum standesgemäßen
Repräsentationsinteresse, von den Sinnhöhen radikal mütterlicher
Gesellschaftsdeutung zu den billigsten und ärmlichsten Reformvor-
schlägen eines am Machbaren orientierten Parteiprogramms und von
den höchsten Verantwortungstiteln zur kleinlichsten Postenkonkur-
renz beherrschen Politmütter natürlich genausogut wie gleichbe-
rechtigungswütige Frauen und andere Bewegungen, die ihren kurzen
Marsch in die grüne Partei abgeschlossen haben. Also sind sie mit
ihrem Manifest als Lobby angetreten; nicht für Mütterkrippen, Vä-
terverantwortung, öffentliche Wohnzimmer und ähnliche heimelige
bevölkerungspolitische Anliegen, sondern in deren Namen für ihre
gebührende Vertretung in der vierten deutschen Partei.
Natürlich haben sie darüber gehörigen Streit mit den frauenbeweg-
ten Frauen bekommen, die Süssmuth und Geißler lieber mehr Recht
auf den eigenen Bauch, Emanzipation von der Mutterrolle und ihren
Pflichten in dieser Gesellschaft entgegensetzen wollen. Schließ-
lich haben sie aber doch recht bekommen und sind nun dabei im
grünen Ämterpluralismus neben Emanzen, Realos, Fundis und anderen
Vertretern. Wenn ein Teil der Bewegung noch den Schatten von Kri-
tik, den sie bei den Feministinnen am Mütter- und Familienwesen
entdecken, liquidieren will und den gefühlsduseligen Tugendkata-
log weiblichen Wesens für ihre Rolle als Kinderkuh beschlagnahmt,
dann fällt der alternativsten Partei im Lande dagegen so gut wie
gar nichts ein. Aber einiges dafür, daß auch dieses Anliegen eh-
renwert und unbedingt glaubwürdig zu repräsentieren ist. So kom-
men in den neuen Posten auch ein paar altbewährte grüne Partei-
prinzipien zu Ehren. Erstens gilt noch jede kritische Regung, die
sich als solche versteht, als ein brauchbares Stück Bewegung für
mehr Grün, mag sie auch noch so reaktionär sein. Zweitens pflegt
der Politverein vor und nach Tschernobyl penetrant das Argument
von der Zukunft des Lebens, unserer Enkel, der Tiere und Umwelt:
kurz, den Idealismus, ein verantwortliches Gemeinwesen könnte im
Verein mit verantwortlichen Bürgern sich und denen manches erspa-
ren und mehr Vertrauen stiften. Drittens hat das Parteileben ja
schon immer so einen gemütlichen Anstrich mit stillenden Müttern,
krabbelnden Kindern und wechselseitigen Angiftereien. Viertens
hat die Partei Erfahrung, wie man Differenzen nicht austrägt,
sondern sich schlägt und verträgt. Fünftens trägt das radikale
Bekenntnis zur Mutterschaft natürlich viel mehr zur Glaubwürdig-
keit der Partei bei der entsprechenden Wählerschaft bei als die
Verteidigung des Rechts auf Abtreibung und die feministische Po-
sition gegen den christlichen Volksmoral- und Vermehrungswahn,
ganz zu schweigen von der vormaligen Forderung irgendwelcher Be-
wegter nach dem Recht auf freien Sex mit Minderjährigen. Sech-
stens pflegt diese Partei liebevoll die bürgerliche Ver- und
Hochachtung der Weibernatur, kritisiert ihre weiblichen Funktio-
närstypen, wirbt mit Frauenfraktionen im Nadelstreifenanzug.
Siebtens möchte jede Bewegung in ihr ein repräsentatives Amt mit
Würden und streitet sich am liebsten darum.
Jetzt gibt es also eine grüne Mütterbeauftragte. Wer weiß, viel-
leicht setzt sie sogar die Forderung:
"Keine Beschlüsse nach 23 Uhr, Ende für Meinungsmonopol von stu-
dentischer Lebenskultur" (These III)
für das grüne Parteileben durch. So bekommen Embryos Auftrieb,
für Kinder ist das Leben lebenswert, und Mütter gehen wählen. Und
darauf kommt es ja wohl auch noch an.
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