Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral


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WAFFEN UND MORAL

Ausgerechnet das Kriegshandwerk ist seit jeher ein beliebter Stoff für moralische Abwägungen. Dabei geht es nicht nur immer wieder um Himmlers heiße Frage, ob die Jungs bei ihrem dreckigen Geschäft auch sauber geblieben sind. Auch Strategien und Waffen, die Instrumente des Krieges, werden gerne moralisch begutachtet. Also weder "sachgerecht" danach ge- würdigt, wie gut sie taugen für ihren Zweck: den Krieg, in dem jenseits von gut und böse allein die prima und ultima ratio des Staates, die Gewalt, waltet und siegen will und sich selbstver- ständlich das Recht herausnimmt, ihre Souveränität über das 5. Gebot zu stellen und das Menschenrecht auf Leben, das sie ge- währt, auch in Anspruch zu nehmen. Rückschlüsse auf die politi- schen Interessen, die ein Staat auf der Welt gegen andere Souver- äne vertritt, werden aus seinen Kriegsvorbereitungen da aber auch nicht gezogen. Beim moralischen Urteil geht es um die Unterschei- dung zwischen üblen und akzeptablen Kriegsmitteln und -methoden. Als käme es bei geplantem Töten und Vernichten entscheidend auf das Wie an, und als würde nicht praktisch sowieso der klassische Grundsatz gelten: Im Krieg sind alle Mittel erlaubt. Um sich als schlichter Staatsbürger so für den militärischen Ge- waltapparat seiner Obrigkeit zu interessieren, muß man schon ei- nige gesinnungsmäßige Voraussetzungen mitbringen. Ohne standhaf- ten Glauben an die Ideologie der Verteidigung geht es nicht: Wo immer die Staatsgewalt Feinde ihrer Interessen ausmacht oder de- finiert, da muß man böse Kräfte am Werk sehen, die einem selbst höchstpersönlich ans Leder wollen - hier ist das Idealbild von der russischen Soldateska einschlägig, die mordend, plündernd und vergewaltigend durch die Lande zieht - und gegen deren unheil- volles Wirken die eigene Staatsgewalt Schutz bietet. Zwar bla- miert sich diese Sichtweise schon an der Tatsache, daß Staatsge- walten Leib und Leben, Hab und Gut ihrer Bürger aufzuopfern pfle- gen, um dadurch sich zu schützen und ihre Interessen gegen andere Staaten durchzusetzen. Aber Tatsachen allein können eben schlecht den Entschluß widerlegen, der Politik der eigenen Nation grund- sätzlich nur gute Zwecke zuzutrauen und dieses Vertrauen in täg- licher Enttäuschung aufrechtzuerhalten. Nur auf der Grundlage je- denfalls kann man das Problem kriegen, ob nicht gewisse spezielle Waffen und militärische Pläne die durch und durch unschuldige bundesrepublikanische Linie der puren Verteidigung "unserer Frei- heit" gegen den östlichen Angreifer v e r l a s s e n. Sind weitreichende Tornados und Raketen nicht irgendwie A n g r i f f s waffen? Sieht das Air-Land-Battle-Konzept nicht einen offensiven Schlag "vorwärts" vor, statt nur defensiv ganz "vorne" die Grenze zu verteidigen? In solchen Fragen wird das hemmungslose Zutrauen in die bedingungslos friedliche P o l i t i k der BRD "kritisch" auf die Gewaltmittel der NATO angewandt: Ob die auch so b e s c h a f f e n sind, daß sie n u r d e r Politik dienen k ö n n e n, an die da geglaubt wird?! Diese absurde "Kritik" ist das Echo der Lüge, die die bundesdeut- sche Politik seit Beginn ihrer NATO-Mitgliedschaft und Aufrüstung offiziell gepflegt hat: Der moralisch unanfechtbare pure Vertei- digungszweck wäre der Bundeswehr und ihren Waffen quasi als Ei- genschaft und Ausstattungsmerkmal zueigen. Praktisch hat sich nie jemand groß um diese Lüge gekümmert. Ein Militär weiß sowieso, daß "Offensive" und "Defensive" Kampftaktiken sind und jenseits von gut und böse. Gut funktionierende Waffen können erst recht nichts dafür, daß sie gut funktionieren, also v o r w ä r t s schießen, rollen oder fliegen und nicht bloß "vorne". Und vom Standpunkt der "Vaterlandsverteidigung" tun Rüstungspolitiker nur ihre Pflicht, wenn sie auf denkbar perfekte Waffen Wert legen. Nun machen sich Leute auf und klagen von Politikern und Militärs mehr Respekt vor deren eigenem moralischen Schwindel ein. Und werden so bloß zum Stichwortgeber für die Einführung von etwas mehr zynischem Realismus in der nationalen Rüstungsfrage. Die Vorbereitung eines Atomkriegs stellt die Idealisten einer sauberen Kriegsführung vor Probleme neuer Art. Da werden nämlich die letzten eingebildeten Anhaltspunkte für die Unterscheidung zwischen "menschlichem" und "inhumanem " Waffeneinsatz hinfällig. Und auch das ist hier unübersehbar, daß "Verteidigung" überhaupt nichts mit "Schutz" zu tun hat, sondern eben auf "Gegenschlag", auf Vergeltung hinausläuft. Die moralische Skepsis gegenüber dieser aparten Sorte Kriegspla- nung wurde jahrzehntelang mit der Auskunft bedient, gerade wegen der Unmöglichkeit, sich gegen die grausamen Wirkungen der Atom- bombe zu schützen, sei dies die moralischste aller Waffen. Das P r o b l e m der Atomkriegsplaner, vom atomaren "Schlagab- tausch" weg- und zu einer "regulären" Atomkriegsführung hinzukom- men, wurde in die trostreiche L ü g e übersetzt, Atomwaffen wären überhaupt zu o f f e n s i v, um jemals eingesetzt zu werden: Sie würden d e n Krieg v e r h i n d e r n, dessen Instrumente sie sind, wären also "überhaupt keine W a f f e mehr." Der offizielle Rang dieser Lüge hat die Atomkriegsstrategen und -rüstungsexperten selbstverständlich nie gehindert, immer neue "Optionen" atomarer Kriegs f ü h r u n g auszuhecken und vorzu- bereiten. Dem Ideal der "Kriegsverhinderung durch Abschreckung" entnehmen sie korrekterweise den Auftrag, den Feind immer g l a u b w ü r d i g e r mit entsprechend zurechtgemachten Atomwaffen bedrohen zu können. Militärisch gesehen ist die "Abschreckung" erst dann perfekt, wenn die eigene Seite tatsäch- lich in der Lage ist, den Gegner effektiv am Einsatz seines Ver- nichtungspotentials zu h i n d e r n - wenn sie also ein Monopol auf erfolgreichen Atomkrieg errungen hat. Zum I d e a l der Kriegs v e r h i n d e r u n g paßt die Einrichtung immer besser handhabbarer Atomkriegs-"Szenarios" natürlich schlecht. Und über dieser Entdeckung haben die Freunde einer moralisch einwandfreien Verteidigungsplanung nicht ihren Glauben an das Ideal der Un- durchführbarkeit von Atomkriegen, sondern ihren Verstand verlo- ren. Das erste Symptom dafür ist die um sich greifende Fachsimpelei über Schubkraft und Reichweite von Raketen, Zielgenauigkeit und Vorwarnzeiten. Wie die Strategen reden sie daher - bloß ohne de- ren sachliche Freude und Kritik an der Leistungsfähigkeit ihres Arsenals. Die s t r a t e g i s c h e n Kalkulationen mit Prä- ventivschlägen gegen feindliche Gewaltmittel, "abschreckenden" Terrorangriffen auf Städte usw. sollen einen entscheidenden m o r a l i s c h e n Unterschied an der Atomkriegsrüstung und -vorbereitung hergeben: "Erstschlag" b öse - weil, wer ihn führt, eben ein atomares Gefecht gewinnen will; "Zweitschlag" gut - weil er den Erstschlag "abschreckt", also den Krieg verhindert. Und diesen Unterschied möchte man gar noch an der technischen Be- schaffenheit verschiedener Raketensorten ausmachen können - als wollte man einen physikalischen Indizienprozeß wegen Abweichung von der "Abschreckungsdoktrin" führen. Der gewünschte Beweis ist natürlich leicht zu haben; und das wirft neue Fragen auf. Genaugenommen zwei: - Hat die Regierung womöglich vergessen, was sie uns doch bis ge- stern noch immerzu erklärt hat: Wie unendlich gefährlich der Atomkrieg ist, so daß man eben deswegen davor sicher ist? Hat sie natürlich nicht. Sie hat nur immer stillschweigend dazugedacht, daß die "unendliche Gefährdung" ein bißchen einseitig sein, näm- lich den Gegner treffen muß. Mit der Mehrheit ihres tugendhaften Volkes war sie sich darin auch immer schon stillschweigend einig. Jetzt kommt eine moralische Minderheit daher, nimmt den kleinen Schwindel für bare Münze und beschwört in apokalyptischen Bildern die Atomkriegskatastrophe, die nach alter Ideologie von sich sel- ber "abschrecken" soll. Inzwischen verfassen ernsthafte Journali- sten in ihrer Freizeit fiktive Tagebücher vom atomaren Weltunter- gang in Mittelhessen. Wissenschaftliche Clubs ermitteln die Le- bensbedingungen nach 10, 100, 1000... Atombombenexplosionen und steuern zur guten alten Abschreckungs-Ideologie den Befund bei, daß es den Kakerlaken hinterher am besten geht. Die "Die-ins" finden allerdings schon weniger Zuspruch... - Oder hat die Regierung nicht daran gedacht, daß sie selber und ihr Herrschaftsbereich bei einem atomaren Gefecht zuallererst draufgehen würden? Hat sie natürlich schon. Deswegen tut sie ja alles, damit die atomaren Abteilungen des Krieges im Feindesland stattfinden und bei deren Durchführung nicht gleich alles kaputt geht. Angesichts solch eindeutiger Siegesprogramme kommen skepti- sche Menschen mit Liebeserklärungen an das Stück Heimat daher, das sie als Schlachtfeld in Gefahr sehen. Erwachsene Menschen ma- chen sich mit Begeisterung fachkundig über die Chancen einer al- ternativen, umweltschonenden Verteidigung - da die sein muß, will man ja nie und nimmer bestritten haben. Und Leute, die mal "links" waren und gegen den Nationalismus kritisch eingestellt, messen ihre Regierung daran, ob sie gegen ihren großen Verbündeten auch mal auftrumpft und wenigstens auf einem "Zweitschlüssel" für die neuen Pershings besteht. Dann käme es für die moralische Würdigung dieser Waffen vielleicht doch nicht gar so sehr auf ihre Schubkraft an. ... So stirbt vor lauter nationalem Moralismus mitten in der Welt- krieg III - Friedensbewegung sogar der Pazifismus aus. Seine Stelle nehmen die Aufrüstungsideologien von gestern ein - und die Regierung entnimmt daraus ihre Propaganda-Stichworte für die Auf- rüstung von morgen. zurück