Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral


       zurück

       Bremer Hochschulzeitung Nr. 79, 25.10.1983
       
       Das war die Aktionswoche der Friedensbewegung:
       

"DIE DEMOKRATIE HAT EINE SCHLACHT GEWONNEN"

Eine Menschenkette von "historischen Ausmaßen", eine Millionen Bürger, die sich in "gelöster, festartiger Atmosphäre" als Volk für den Frieden versammelt haben, zahlreiche Aktionen, "heiter, engagiert, aber diszipliniert" - das war der Höhepunkt des Pro- testes "gegen die neuen Atomraketen". Einhelliges Lob für den "Widerstand" gegen die drohende "Vernichtung der Menschheit": der innere Friede wurde eingehalten. Einvernehmlich und mit Genugtuung wird festgestellt: die Demokra- tie hat eine Prüfung bestanden, ja, es soll sich etwas verändert haben in unserer Republik. Und was? Wie es sich für eine Demokra- tie gehört, ist die Verantwortung ordnungsgemäß verteilt: Die Re- gierung stationiert "Enthauptungswaffen" und legt fest, unter welchen Bedingungen der Wunsch nach Frieden nicht unter die Ru- brik "Gewalt" gehört; die Friedensbewegung genießt die Anerken- nung als "politische Kraft", weil und insofern sie dem Frieden der Republik alle Ehre macht. "Gewaltfreiheit" - demokratische Gesinnungsprüfung -------------------------------------------------- Glaubt man den Medien, so war der friedliche Verlauf das ent- scheidende Charakteristikum der Aktionen der Friedensbewegung der letzten Woche. Und in der Tat wurde das Begehren, in der Bundes- republik ohne die neuen Massenvernichtungswaffen zu leben, von der Regierung vor d i e demokratische Grundsatzfrage gestellt: ist das Anliegen "gewaltfrei"?! Unter Hinweis auf Polizeikräfte in Bürgerkriegsstärke wurde von oben der innere Friede zum ober- sten Gebot erklärt: Das Begehren der Friedensbewegung hat sich an der ultimativen Forderung messen zu lassen, daß das "Gewaltmonopol des Staates" respektiert wird. Gegenüber dieser Grundsatzfrage: "Unterwirfst du dich ganz prinzipiell meiner Ge- walt?", werden alle möglichen Einwände gegen die Regierungsmaß- nahmen null und nichtig. Und deshalb stand das Anliegen der Frie- densbewegung ebenso prinzipiell unter dem Verdacht, die Freiheit der Regierung, das Volk für die kriegsträchtigen Ansprüche des "Frieden in Freiheit" einzuspannen, zu beeinträchtigen. Der Be- weis der Unschuld ging zu Lasten der Demonstranten. Im Nachhinein wird die Friedensbewegung nun auch von dem zustän- digen Innenminister gelobt. Die Politiker haben von der Polizei demonstrieren lassen, daß "Gewalt" sich für sie nicht an der Ge- waltlosigkeit der Demonstrationsform entscheidet. Sitzblockaden in Bremerhaven wurden durch Polizeieinsatz zu Gewaltaktionen g e m a c h t. Das Vorgehen folgte hier dem Prinzip: Gewalt ist, was der Freiheit der Regierung lästig ist. Auch das war also der Sieg der Demokratie: Festnahmen und Knüp- peleinsätze werden eher beiläufig als Beweis dafür verbucht, daß die "Gewaltfreiheit", also die freie Gewaltausübung des Staates keine Frage, sondern eine "Selbstverständlichkeit" ist; und auch die Kosten für den "zivilen Ungehorsam" - Abräumen, Verhaftungen, erkennungsdienstliche Behandlungen - sind Beweise für einen ord- nungsgemäßen und damit "friedlichen" Ablauf. Für den Frieden - aber nicht irgendeinen! ----------------------------------------- "Die Mehrheit gegen Stationierung sichtbar machen" wollte die Friedensbewegung und das wurde als ehrenwerter Diskussionsbeitrag für eine Debatte um "Wege zum Frieden" notiert. Wenn die Anhänger der Friedensbewegung darauf gebaut haben sollten, durch die auf- gebotene Masse anständiger Bürger eine Vorausssetzung dafür er- füllt zu haben, daß ihr Appell Eingang in den politischen Ent- scheidungsprozeß findet, so wurden sie jedenfalls eines Besseren belehrt. - Je mehr die Friedensbewegung sich um den Nachweis be- müht, daß ihr Appell zum Verzicht auf die Stationierung nach de- mokratischem Ermessen die Anerkennung durch die Regierungsgewal- tigen verdient, desto entschiedener wird sie von der Regierung auf das darin ausgesprochene Vertrauen in das Amt verpflichtet, und zugleich jeder Einfluß auf die Amtsgeschäfte ebenso entschie- den zurückgewiesen. "Alle Deutschen wollen Frieden". Insofern will Kanzler Kohl der Friedensbewegung "guten Willen" nicht ab- sprechen. Diese Anerkennung bedeutet freilich die Pflicht, auf den "guten Willen" der Regierung zu vertrauen. Die Auseinander- setzung darf eben nur in die "Wege zum Frieden" geführt werden - auf der Grundlage, daß der gültige längst entschieden ist: Allein Parlament und Regierung geben kraft der ihnen zustehenden "Verantwortung" die Marschrichtung an. Vorbehalte gegen diese Entscheidungsfreiheit, ja, selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit der regierungsamtlich festgelegten "deutschen Sicherheitsbedürf- nisse" gelten als Indiz für unlautere Absichten, stellen sich da- her außerhalb des nationalen Friedenskonsenses. "Ohne Frieden ist alles nichts", mahnt die Friedensbewegung. "Ohne Freiheit ist der Frieden nichts", antwortet die Regierung. Und: "Die Sowjetunion ist schuld an unserer Rüstung". Wer nach dieser Klarstellung für "Gutwillige" immer noch Zweifel an der lupenreinen Ethik der bundesdeutschen Kriegskalküle hegt, gegen den wird gezielt der Verdacht mobilisiert, er betreibe die Sache des Feindes. An der öffentlich heiß diskutierten Abwägung, wel- cher Friedenswunsch denn überhaupt geglaubt werden kann, will of- fenbar niemand auffallen, daß hier die Macher der Republik ihrem Volk den Preis für ein Leben in der freiesten deutschen Demokra- tie vorbuchstabieren: Der Frieden in der Bundesrepublik mitsamt seine Arbeitsplätzen, Kirchengemeinden, Frauen, Hochschulen etc. pp. ist nicht zu haben ohne die Bereitschaft zum Krieg. Ist es denn wirklich ein Geheimnis, was eine Regierung mit einem Volk wohl vorhat, wenn sie ausgerechnet die "Bürger in Uniform" als Opfer der Friedensbewegungskampagnen vorstellt und den Solda- tendienst als den wichtigsten für den Frieden hervorhebt, den alle Deutsche wollen sollen? Friedensbewegung - eine Bereicherung demokratischer Kultur ---------------------------------------------------------- Die Öffentlichkeit hat die Prüfung der Gewaltfreiheit und der Ge- sinnungsfestigkeit des Protests penibel vorgenommen und konsta- tiert: Die Friedensbewegung ist ein "politische Kraft". D i e s e r Erfolg der Friedensbewegung hat es in sich. Anerken- nung verdient sich ein Bürgerbegehren in der Demokratie nämlich so: - Die Regierung rüstet auf und teilt ihrer Bevölkerung mit, daß sie die Vermeidung des Krieges voll und ganz vom sowjetischen Nachgeben abhängig macht. Im Innern macht sie Wehrbereitschaft zum Prüfstein einer anständigen Gesinnung. Der Erfolg der frie- densbewegten Bürger: sie bleiben dabei unbedingt friedlich; sie bewahren den Politikern ihren inneren Frieden, so daß diese nicht zu anderen Mitteln greifen "müssen". So macht sich die Friedens- bewegung um "unsere R e c h t s t a a t l i c h k e i t" ver- dient. - Die Regierung behält die Freiheit, die Nation als Waffe gegen den Feind herzurichten. Die Friedensbewegung gewinnt Legitimität in dem Maße, in dem sie ihren "Widerstand" selbständig zur Feier täglichen und folgenlosen Meinungskundgabe zügelt. So hat sie das "Recht auf freie Meinungsäußerung" verdient und jedermann in der Republik darf stolz darauf sein, daß die BRD diese Freiheit ge- währt. - Wo die Anhänger der Friedensbewegung den "Frieden in die eige- nen Hände nehmen", indem sie mit ihren Versammlungen sich s e l b s t H o f f n u n g geben, machen sie "unserer Demokra- tie" alle Ehre: Nicht allein die zuständigen Politiker und Mili- tärs "denken" über Sicherheit "nach" - nein, in einer "lebendigen Demokratie" befassen sich auch einfache Bürger mit diesen "Fragen", deren Antwort für sie tödlich ist. Diese Errungenschaft in Sachen "mehr Demokratie wagen", macht den "bewußtgewordenen" Bundesdeutschen auch kein Krieg mehr streitig. - Wo man mit Appellen für den Frieden ein mit den Politikern ge- meinsames Interesse anspricht, da wird die "Angst vor der Kriegs- führungsstrategie" nicht zum Einspruch gegen, sondern zum Kron- zeugen für das Markenzeichen der bundesdeutschen Weltpolitik: Die Friedensbewegung darf als Repräsentant der Nationalgesinnung "vom Friedenswillen der Deutschen" künden, der die kriegerischen An- sprüche des Staates so unverdächtig macht. Die Demokratie ist zufrieden. Die Friedensbewegung auch? *** Der Friedenswilly ----------------- auf der Friedensdemo in Bonn: 1. "Mit meinen Freunden möchte ich, daß die Blöcke überwunden werden. Da es sie gibt, gehören wir ins westliche Bündnis." Klartext: Mit meinen politischen Freunde in der NATO betreibe ich die Überwindung der Blöcke - der Ostblock muß weg! Für die Durchführung dieses Programms ist die SPD für verschiedene "Wege zum Frieden" offen. Die Marschrichtung haben wir unter Schmidt im NATO-Doppelbeschluß ja festgelegt. 2. "Warum, so frage ich, hat man in Genf die Sowjets nicht beim Wort genommen? Warum macht man ihr öffentliches Angebot nicht zum Ausgangspunkt (!) eines Abkommens?" Klartext: Die Sowjets gehören entwaffnet. Da können ihre Vorlei- stungsangebote natürlich nur ein "Ausgangspunkt" für die Endlö- sung sein. Eine SPD-Regierung würde den westlichen Erpressungser- folg in Genf energischer als die Schwarzen einfahren. 3. "Die Bundeswehr, als Armee im demokratischen Staat, hat den Auftrag, den Frieden sichern zu helfen." Klartext: Unsere nationale Gewalt ist das Mittel unseres Frie- densprogramms. Zur freien Verfügung für uns Politiker versteht sich, weshalb fürs Volk zu gelten hat: 4. "Ich meine, wir lassen uns weder einschüchtern noch erpressen. Aber die Angst der Menschen läßt sich nicht wegkommandieren, sie läßt sich auch nicht mit Raketen besiegen... Wir sollten wissen, wie in der parlamentarischen Demokratie entschieden wird." Klartext: Wir, die Friedenspolitiker, entscheiden und sonst nie- mand. Wir lassen uns von "der Angst der Menschen" nicht "erpressen". Wenn es sie aber nun einmal gibt, diese Angst, dann nützen wir sie aus: 5. "Fürchtet euch nicht vor dem Friedenswillen der Deutschen! Nutzt ihn, zum Nutzen aller!" "Ein nachhaltiges Ja zu dem, was zusammengehört: Frieden und Arbeit, Arbeit und Frieden." Klartext: Unser Friedensprogramm ist teuer. Dafür nutzen wir euch: Es gibt Arbeit! Dieser Willy Brandt hat sich zurecht auf die "Tradition der Sozi- aldemokratie" berufen. Rechtzeitig vor dem 3. Weltkrieg hat er einen Kriegskredit ganz neuer Art entdeckt: den Friedenswillen der Deutschen. Den möchte er erst seiner SPD zum Kampf um die Macht bewilligen, um ihn dann für die Friedens p o l i t i k des westlichen Bündnisses zu beanspruchen! zurück