Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
zurückDER HERBST DER BEWEGUNGEN
scheint angebrochen. Sie bekommen Probleme mit sich und fragen, wie es weitergehen soll; die eine wegen vermeintlichen Erfolgen, die andere wegen definitiver Erfolglosigkeit. Die Anti-WAA-Bewe- gung weiß nun, daß i h r K a m p f n i c h t s n ü t z t, und sich der Atomstaat von noch so vielen friedlichen und un- friedlichen Waldspaziergängern am Bauzaun nicht beeindrucken läßt. Die Friedensbewegung fragt, ob es i h r e n K a m p f n o c h b r a u c h t, wenn die Supermächte selber in Abrüstung machen. Trotzdem ist man sich absolut einig, daß in beiden Fällen weiter- hin Bewegung angesagt ist. Warum eigentlich? 1. Die Herbstaktion gegen die WAA am 10. Oktober in Wackersdorf ------------------------------------------------------------ werden nicht mehr von naiven Demonstranten unternommen, die glau- ben würden, daß der "eindrucksvolle Demonstralionszug" Eindruck machen und politisch etwas bewirken könnte. Man gibt sich desil- lusioniert und ruft mit der merkwürdigen Begründung zum Demon- strieren auf, daß man wohl wisse, daß derlei nichts ausrichtet: "Wir sind uns darüber im Klaren, daß wir durch noch so große De- monstrationen allein (?) das Atomprogramm nicht stoppen können, weil sie letztlich auf die Einsichtsfähigkeit der Machteliten setzen. Die Reaktionen auf die Katastrophe von Tschernobyl haben erneut gezeigt, daß wir uns darauf nicht verlassen können." (Aufruf zur Demo am 10.10.87) Die Illusion, daß Demonstrieren politisch etwas bewegen würde, wollen sie bloß lassen, um sich die viel schlimmere Illusion von der E i n s i c h t s f ä h i g k e i t d e r M a c h t e l i t e n zu erhalten. Daß sie i m S i n n e d e s G a n z e n, des d e u t s c h e n V o l k e s oder sonstwem im Recht seien und die WAA nur wegen der u n n ö t i g e n U n e i n s i c h t i g k e i t d e r M a c h t e l i t e n gebaut wird, die sie - bei besserer Ein- sicht - e i g e n t l i c h auch verabscheuen müßten, das wollen die WAA-Gegner um jeden Preis glauben; gleichgültig dagegen, daß sie in ihrem Flugblatt von lauter Vorteilen wissen, die Deutsch- land aus dieser Sorte Hochtechnologie ziehen wird: "Nicht nur, um mit der atomaren, zentralisierten Energieversor- gung über ein Machtmittel zu verfügen und der Atomindustrie wei- terhin ein lukratives Geschäft weltweit zu sichern, sondern auch um sich mit dem Plutonium aus der WAA den altgehegten Traum einer bundesdeutschen Atombombe zu verwirklichen." (ebd.) Die gesundheitlichen und sonstigen Kosten dieser Vorteile tragen die Oberpfälzer - was gibt es da für die zuständigen Politiker e i n z u s e h e n? Je mehr Strauß auf die mehr und die weniger braven Demonstranten einschlagen läßt, desto stärker zweifeln diese unverbesserlichen Anhänger des demokratischen Gemein- schaftsgedankens an seinen i n t e l l e k t u e l l e n F ä h i g k e i t e n. Mehr noch, die entdeckte m a n g e l n d e E i n s i c h t s f ä h i g k e i t d e r M a c h t e l i t e führt glatt zu einer Selbstkritik der Bewe- gung: Vielleicht hat sie ihr unwidersprechliches Gemeinschaftsan- liegen noch nicht einsichtig genug vorgestellt? Mit den Herbstak- tionen jedenfalls will sie "den Widerstand gegen die WAA und das gesamte Atomprogramm noch deutlicher als bisher zum Ausdruck bringen und damit die WAA wirklich verhindern." (ebd.) Und wie verdeutlicht man noch mehr, daß man keine Partei ist, die etwas anderes will als andere Standpunkte, sondern daß man ein Gemeinschaftsanliegen vertritt, das gegen niemanden und kein In- teresse gerichtet ist, und dem sich jederman anschließen kann - auch Strauß? D i e s e n Beweis führt man am besten durch den Fortschritt weg vom kämpferischen Demonstrieren hin zu den von der Friedensbewegung schon vorexerzierten Kindergarten-Aktivitä- ten, die nichts anderes mehr, als die Harmlosigkeit des Anliegens d e u t l i c h m a c h e n: "Straßentheater, (fingierte) Katastrophenschutzübungen, Fahrrad- staffetten, Straßenfeste, Mahnwachen..." Was will diese Bewegung noch? Sie macht verzweifelt weiter und glaubt ja wohl selbst nicht mehr daran, daß sie durch Zirkus, wenn schon nicht durch Bauplatzkämpfe, die WAA w i r k l i c h v e r h i n d e r t. Sie macht weiter, um sich vor einer Ent- scheidung zu drücken, die spätestens die Niederlage des WAA-Wi- derstands nötig machen würde, würde er eingestanden. Entweder nämlich muß die Bewegung zugeben, daß die WAA durchaus im Sinne der Bundesrepublik und ihrer Ziele ist, wohlmeinende Warnungen vor Gefahren für die Bürger völlig fehl am Platz, weil von oben längst einkalkuliert, sind. Dann gibt es kein Gemein- schaftsanliegen, sondern die Interessen der Oberpfälzer und die Interessen des deutschen Staates. Beide stehen gegeneinander. Man wüßte, daß man ein ganzes System gegen sich hat, und bei der punktuellen Kritik einer Atomanlage nicht stehenbleiben kann. Dann erst würde man sich ernsthaft die Frage stellen, was es braucht, um seine Kritik durchzusetzen. Oder aber man bliebe beim Entschluß, daß es eine punktuelle, kei- nesfalls das allgemeine Prinzip dieser Nation betreffende Kritik hatte sein sollen. Dann wüßte man auch, daß man Staat und Wirt- schaft, die man bejaht, nicht wegen ein paar mehr Bequerel im Jahr umstürzt; kurz, daß die eigene Kritik eben marginal ist. Man würde nach der Phase der demokratischen Beratung und Infragestel- lung die Entscheidung der zuständigen Instanzen akzeptieren, und seinen Protest vergessen, wie vorher manch anderen auch schön. Da mag es noch so bedauerlich sein, daß die verantwortlichen Politi- ker die Risikoabwägung anders treffen als manche Bürger, Ent- scheidung der gewählten Instanzen ist eben Entscheidung. Darauf beruht schließlich die Demokratie, daß die Bürger nach gefällten Entscheidungen nichts mehr zu melden haben. Die Anti-WAA-Bewegung bekennt sich weder zum Einen, noch zum An- deren. Sie macht blind weiter, um sich den Glauben zu erhalten, daß die Gesundheit der Oberpfälzer doch Nationalanliegen der BRD sein müßte. Ihr unverwüstlicher, blinder Glaube ans System ist es, was sie durchs Weitermachen verteidigt. Sonst kommt dabei nichts mehr heraus. 2. Zum 6. Forum der Krefelder Initiative trafen sich die ----------------------------------------------------- "Promis" der Friedensbewegung am 3./4. Oktober in Nürnberg, ----------------------------------------------------------- um kurz nach der Einigung zwischen den USA und der Sowjetunion auf die doppelte Null-Lösung bei den atomaren Mittelstreckenrake- ten in Europa folgende klare Linie an die Bewegung auszugeben: "Es gibt jetzt die Chance, daß Massenvernichtungsmittel im Rahmen der Null-Lösung vernichtet werden. Das ist ein Erfolg aller Men- schen. Aber die Politiker geben sich noch nicht geschlagen. Hoff- nung und Skepsis sind angebracht." (Einleitungsreferat) "Zeit der Hoffnung, daß Abrüstung möglich ist. Zur Euphorie darf das nicht führen "(Renate Schmidt, SPD) "Die Zeit ist voller Widersprüche. Die Chancen sind ebenso groß wie die Rsiken "(Lobodda, IG-Metall) Trotz erster Schritte zur Abrüstung geht der Rüstungswettlauf weiter. Es gibt keinen Grund, nicht wachsam zu sein... Die Frie- densbewegung ist nicht überflüssig geworden." (Petra Kelly, Die Grünen) Ja was jetzt? Ist die vereinbarte Verschrottung der Raketen ein A u f g e- b e n d e s R ü s t u n g s w e t t l a u f s und eine K u r s ä n d e r u n g der Nato-Politik, die auf Überlegenheit zielt? Dann braucht es keine H o f f n u n g und keine S k e p s i s, weil man G e w i ß h e i t über einen richtigen politischen Kurs hat. Dann braucht es die Friedensbewegung im be- sten Sinn wegen ihres Erfolges nicht mehr. Oder geht der Rüstungswettlauf weiter und der Raketenvertrag ist nur eine Technik im riskanten Manöver des Totrüstens? Dann gibt es keinen Grund "Erfolge aller Menschen" auszurufen und Hoffnung zu schüren. Was jetzt los ist, weiß die Friedensbewegung nicht, und will es nicht wissen. Auch ihr Weitermachen beruht darauf, daß sie sich um eine notwendige Entscheidung drückt: Zu bestimmen, was die Chefs in den NATO-Hauptstädten bezwecken. Stattdessen treiben sie sich in einem billigen "Sowohl-als-auch" herum und finden I n d i z i e n für das eine wie das andere. Sie wollen weder Anhänger der neuesten Rüstungs- und Außenpolitik noch Feinde ei- nes nach wie vor gewaltsamen Weltherrschaftsanspruchs ihrer Na- tionen werden, und leiten aus ihrer Unentschiedenheit lieber ab, daß es ihr Wächteramt gegenüber der Politik vorerst weiter braucht. Noch ihr Abgang unterstreicht den Fehler dieser Beweguug - und es ist stets der Abgang eines Protests, wenn er sein Weiterbestehen rechtfertigt: Nie hatte die Friedensbewegung die außenpolitischen Zwecke der BRD angreifen mögen, wegen der sie im NATO-Bündnis ist und nach Kräften rüstet. Immer wollte sie vor einem Krieg warnen, der nicht geht! Mit ihren Szenarien vom Weltuntergang, vom Kriegsschauplatz Deutschland von der Unkalkulierbarkeit der ato- maren Eskalastion hat sie stets das Argument beansprucht, d a ß s o e i n K r i e g k e i n M i t t e l d e r N a t i o n s e i n k a n n, und daß dies gerade auch die Politiker einse- hen mußten. Diese matte Sorte Kriegskritik, die nicht sehr laut wird, wenn Kriege geführt werden, die gehen und deshalb M i t t e l d e r P o l i t i k sind, hatte das Material ihres V e r d a c h t s an Staatschefs wie Reagan, der offen das "Reich des Bösen" beseitigen wollte. Dieser Wildwest Abenteurer - so die Warnung der Friedensbewegung - hält sich gar nicht an die im Atomzeitalter n o t w e n d i g e S e l b s t b e- s c h r ä n k u n g der Politik, o h n e W e l t k r i e g a u s k o m m e n z u m ü s s e n! Jetzt macht der Cowboy mit den Russen Verträge, a n e r k e n n t also vorläufig das Kräfteverhältnis, schon verliert der Verdacht sein Material. Der Verdacht aber bleibt, denn es ist ja die Friedensbewegung selber, die weiß, daß es eine S e l b s t b e s c h r ä n- k u n g d e r P o l i t i k ist, auf Krieg zu verzichten. Friedensbewegte w i s s e n Kriegsgründe, Feinde dieser Staatsziele aber wollen sie nie und nimmer werden. Sie sorgen sich lieber, daß Krieg, der heute nicht mehr möglich ist, daraus nicht wird. Traurig zu sehen, was aus den Kriegsvorbereitungen der 80er Jahre gelernt worden ist. zurück