Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral


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       Zum Krieg am Golf
       

FRAGEN AN DEN FRIEDENSBEWEGTEN PROTEST

1. "Kein Blut für Öl!" Wofür dann? Für das Ding namens "Völkerrecht" vielleicht? Oder für die gewohnten zwischenstaatlichen Gewaltverhältnisse, die man "Weltfrieden" nennt? Paßt nur auf, daß Euer Staat Euch nicht im Ernstfall s o beim Wort nimmt und Euch vorbuchstabiert, daß auch er keineswegs bloß für Öl über Leichen geht. Sondern ausschließlich für Interessen, die das Völkerrecht auf ihrer Seite haben und - nach dem Krieg - auf Frieden abzielen. Z. B. für den Erhalt einer Weltordnung, in der die Nahostregion als Ölquelle funktioniert. Denn wenn die westlichen Staaten sich um schnöde materielle Interessen kümmern, wird tatsächlich nichts geringeres als weltpolitische Verantwor- tung daraus. 2. "Saddam Hussein muß natürlich raus aus Kuwait; aber ..." Und warum muß er das? Die Verhältnisse am Golf bis zum Sommer des Jahres '90: waren die Euch recht? Ihr habt den Unterschied zwi- schen der Herrschaft der Scheichs von Sabah und der irakischen Despotie geprüft und euch für die schönen Zustände von früher entschieden? Nein, wahrscheinlich haltet auch Ihr es für völlig unangemessen, die Sache überhaupt so zu sehen. Ihr wollt zu Protokoll geben, daß auch Ihr die allgemeine öffentliche Heuchelei, die Verurtei- lung Saddam Husseins als "Verbrecher", teilt. Ihr traut Euch nicht oder Ihr kommt gar nicht auf die Idee, all die verlogenen moralischen Rechtstitel in Sachen Kuwait zurückzuweisen und nach den wirklichen Gründen des weltweiten Aufruhrs auch bloß zu fra- gen. Aber merkt Ihr nicht, daß Ihr damit schon lauter Rechtstitel unterschrieben habt, die nichts geringeres als den K r i e g r e c h t f e r t i g e n? - denn genau dafür werden sie über- haupt bloß aufgebracht! Erst die Sache wie einen Kriminalfall be- trachten, aber dann bei der fälligen Bestrafung heikel werden - wie paßt das zusammen? 3. "Krieg ist keine Lösung. Da bleiben Recht und Freiheit voll- ends auf der Strecke." Und was, wenn "das Problem" so gestellt ist, daß es anders als mit Gewalt gar nicht zu "lösen" ist? Wenn Staaten ganz furchtbar grundsätzlich werden; wenn sie den hochmoralischen Glaubenssatz durchsetzen wollen, daß "Aggression sich nicht lohnen darf"; wenn sie sich darauf verpflichten, keine Kompromisse zu schließen, sondern ein Mitglied ihrer schönen Völkerfamilie zu entwaffnen; wenn es also um die letzten Grundfragen der Weltherrschaft geht: Was soll denn da sonst das passende Mittel sein? Der Irak besteht darauf, mehr zu werden als eine Ölquelle mit Volk und arabischer Selbstverwaltung; dafür führt er seinen Heiligen Krieg. Die USA bestehen darauf - und haben dafür die ganze Völkerfamilie hinter sich gebracht -, den Irak zu einer Kleinmacht im vorderen Orient zurückzustufen und die Weltordnung überall, also auch am Golf, unter Kontrolle zu halten; das erklä- ren sie zum D i e n s t an elementaren Werten des zwischen- staatlichen Anstands. Der Interessensgegensatz ist unversöhnlich; die Moral, die beide Seiten für sich in Anspruch nehmen, unter- streicht genau das. Damit ist der Fall gegeben, für den das Völkerrecht den Krieg vorgesehen hat. 4. "Für eine umfassende Konfliktlösung im Rahmen einer Nahostkon- ferenz" Wißt Ihr überhaupt, von was für einem Konflikt Ihr redet? Habt Ihr Euch schon überlegt, warum die USA eine solche "Lösung" nicht zugestehen wollen? Und warum keine Seite einen Kompromiß will? Den Europäern wie den Amerikanern geht es darum, die Staaten im Nahen Osten auszunützen und dabei klein zu halten. Sobald ein arabischer Staatsmann für seine Sache das Kräfteverhältnis ändern will, stößt er auf ein kompromißloses Nein der "Freien Welt". Das ist er, der "ungelöste Nahostkonflikt": Seit 40 Jahren ist er für den Westen d i e L ö s u n g. 5. "Verhandeln ist besser als schießen." Das mag ja sein. Aber was ist, wenn der Zusammenhang zwischen Di- plomatie und Krieg in Wirklichkeit ganz anders aussieht? Wenn das Verhandeln nur stattfindet, um glaubwürdig mit Krieg zu drohen, und wenn Krieg stattfinden muß, um Verhandlungspositionen glaub- würdig zu machen? Wenn es in der Außenpolitik überhaupt bloß um Interessen und Interessensgegensätze geht, die dauernd Machtfra- gen aufwerfen und Kriegsgründe schaffen? Und wenn Kriege geführt werden, damit andere Staaten sich anschließend wieder friedlich und nach allen Regeln diplomatischer Höflichkeit erpressen las- sen? 6. "Man muß doch den Sanktionen erst Zeit geben zu wirken!" Im Klartext also doch: E r p r e s s e n ist besser als Kriegführen. Ihr wißt also doch ganz gut, wie es zwischen Staaten zugeht. Daß Staatsmänner ihr eigenes und fremde Völker als Manö- vriermasse behandeln, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Daß sie planmäßig fremde Untertanen schädigen, um deren Herren poli- tisch auf Linie zu bringen. Daß also Gewalt das dauernd ange- wandte Mittel der Politik ist. Das alles ist Euch recht - aber beim Ernstfall soll es aufhören? Und das ausgerechnet mit dem Argument, es stünden Mittel zur Ver- fügung, den K r i e g s z w e c k bequemer zu erreichen. Merkt Ihr nicht, daß mit der Abwägung über die besten Er- pressungs m e t h o d e n die Sache schon gegessen ist? Daß es dann nämlich wirklich b l o ß noch eine politische Ermessens- frage ist, wie weit die Politiker mit ihren Erpressungsmitteln gehen wollen? Ein Ermessen übrigens, das gewählte Staatsmänner sich nie und nimmer von ihren Wählern streitig machen lassen! 7. "Aber Krieg ist doch das Allerfurchtbarste!" Wie wahr! Aber wem sagt Ihr das? Über die Wirkungen eines Krieges wissen doch die Staatsmänner, die damit drohen, am allerbesten Bescheid. Sie wollen doch "abschrecken" - wie sollte das gehen ohne Schrecken (lateinisch: Terror)? Außerdem: Ist Euch entgangen, wie kriegsentschlossene Politiker und kriegsbereite Militärs Eure wohlmeinenden Warnungen aufnehmen und beantworten? Für die folgt aus der Furchtbarkeit des modernen Krieges nur eins: Wenn schon, dann kurz und hart - um Opfer zu vermeiden. Blitzkrieg ist der billigste Krieg. Selbst Atombomben dienen nur dem guten Zweck, Menschenleben zu sparen. Und gegen diese Kriegsmoral wollt Ihr mit der Ausmalung von Lei- chenbergen und Umweltschäden etwas ausrichten? 8. "Gerade die Bundesregierung mit ihrer besonderen friedenspoli- tischen Verantwortung sollte doch ..." Glaubt Ihr das wirklich immer noch, daß ausgerechnet Deutschland berufen wäre, den Konflikt am Golf friedlich beizulegen? Ausge- rechnet die Macht, die auf beiden Seiten mit dabei ist: im Irak, den sie sich als besondere europäische Einflußsphäre ausgesucht und großgezogen hat - u n d bei den Amerikanern und deren Alli- ierten, mit Waffen und Geld, damit Deutschland auch bei und nach der gewaltsamen Abrechnung politisch am Ball bleibt! Ihr glaubt an eine spezielle Zuständigkeit der Deutschen und der Europäer für die "Ordnung" am Golf. Da ist ja was dran. Aber was meint Ihr denn, worauf die beruht? Etwa auf frommen Absichten und wohlmeinenden Lösungsvorschlägen? Ihr setzt auf den Einfluß der Bonner Friedensstifter. Worin besteht er denn, dieser Einfluß? Die außenpolitische Macht, auf deren segensreiches Wirken Ihr hofft, ist durch deutsche Mark und deutsche Waffen zustandege- kommen. Sie liegt darin, daß Europa sich in aller Welt eigene politische Kreaturen heranzieht. Was meint Ihr denn, worum es da- bei geht? Lehren aus einem halben Jahr Aufmarsch am Golf 1. Kriege sind kein Verhängnis, das "ausbricht" oder in das Staa- ten hineinstolpern. Krieg ist nach wie vor das letzte und wich- tigste Mittel der Politik, mit dem Staatsmänner dauernd rechnen und das sie berechnend einsetzen. 2. Um moralische Rechtfertigungen für ihre Machtinteressen sind Staatsmänner nie verlegen. Um so weniger, je entschlossener sie sind, über Leichen zu gehen. Kriegsmoral ist noch allemal die be- ste Moral. Wer moralisch recht behält, entscheidet sich nach dem Kriegserfolg. 3. Die vielgepriesene neue Rolle der UNO besteht darin, daß sie sich als Mittel der USA bewährt hat, die ganze Staatenwelt aufs amerikanische Weltordnungsinteresse festzulegen. 4. Die neue Einigkeit zwischen USA und Sowjetunion, diese feier- liche Beendigung des Kalten Krieges, ist alles andere als der Auftakt zu einem Zeitalter des Weltfriedens. Im Gegenteil. Jetzt kommen erst ganz andere Gegensätze und Feindschaften zum Tragen. Nämlich überall dort, wo sich die westlichen Staaten mit ihren Einflußsphären und Ordnungsinteressen und deren Resultaten wech- selseitig in die Quere kommen. 5. Weltordnung braucht Abschreckung, und Abschreckung braucht Krieg. Wer wen wovon abschreckt, darum geht es im "neu ausbre- chenden Zeitalter" imperialistischer Konkurrenz. Alles nähere in MSZ 5/1990 und 6/1990. zurück