Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
zurück Hannoversche Hochschulzeitung, 13.11.1984 Friedenswoche Hannover 1984SPD'LER, WISSENSCHAFTLER, PFAFFEN KENNEN LAUTER GUTE GRÜNDE FÜR KRIEG
Die NATO sortiert und verstärkt ihre Kräfte. Von den Atomraketen bis hinunter zu den Panzereinheiten der Bundeswehr wird aufgerü- stet und für Einsatzbereitschaft gesorgt. Wozu - das ist kein Ge- heimnis. Von den antikommunistischen Spruchweisheiten und Bomben- witzen des US-Präsidenten bis hin zu den Europa-Verteidigungs- idealen, die hierzulande von allen Seiten gepflegt werden, rei- chen die unmißverständlichen Klarstellungen. Man ist unzufrieden mit einer Weltordnung, in der die Sowjetunion eine so große und die freiheitliche BRD eine immer noch so untergeordnete Rolle spielt. Und man arbeitet mit aller Macht - also mit viel Gewalt - daran, daß sich das ändert. Frieden = Endsieg ohne Krieg ---------------------------- Gegenüber der R e a l i t ä t imperialistischer Gewalt geben sich SPD-Politiker, Pfaffen und Wissenschaftler diese Woche mal wieder kritisch. Unter ihrer kundigen Anleitung dürfen Fragen folgender Art aufgeworfen werden: - W ä r e nicht mit der weltweiten Herrschaft von Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit - kurz all der Ideale, in deren Namen die "Befreiung Osteuropas vom sowjetischen Joch" praktisch voran- getrieben wird - die "Kriegsgefahr" zu "bannen"? - K ö n n t e n n i c h t all die Prinzipien, um deretwillen gegen Nicaragua Krieg geführt wird, im Nahen Osten, in Afrika und sonstwo der Endsieg der Freiheit schon jetzt auf die Tagesordnung gesetzt, ist - könnten diese T i t e l i m p e r i a l i- s t i s c h e r G e w a l t nicht auch o h n e K r i e g zu haben sein - mit einer "neuen Weltordnung"? Mit dem Gestus einer Kritik an der Politik benennen die Veran- stalter der "Friedenswoche" die Wirkungen all der kriegerischen und ökonomischen Aktionen, die für Freiheit, Frieden und Gerech- tigkeit begangen werden - nur um die H o c h a c h t u n g d i e s e r E h r e n t i t e l des Regierens und weltpoliti- schen Strebens der imperialistischen Herrschaften zu predigen! "Frieden" - so heißt es im Aufruf der Veranstalter - "setzt eine Weltordnung voraus, die begründet ist auf Gerechtigkeit für und in allen Völkern". Was ist diese Feststellung denn anderes als die Wiederholung des Ideals einer unumschränkt geltenden Gewalt, das bei Reagan "Ende aller Einflußsphären", bei deutschen Politikern von Brandt bis Kohl "eine endgültige europäische Friedensordung" heißt - und daß von diesen Herren sehr konsequent vorangetrieben wird? Wer so da- herkommt, der will an der p r a k t i z i e r t e n Politik nur noch eine Kritik zulassen: sie würde ausgerechnet an der Verwirk- lichung der Ideale scheitern, die sie selbst als ihr Qualitäts- merkmal in die Welt gesetzt hat. Wer den Grund für Krieg im F e h l e n einer W e l t o r d n u n g ausgemacht haben will, der verpflichtet nicht nur darauf, die Interessen und Zwecke nicht zur Kenntnis zu nehmen, die dafür sorgen, daß der täglich produzierte Leichenberg ständig wächst und "nie zuvor so viele Menschen unter der Herrschaft von Entbehrung und Unterdrückung gelebt haben" - wie der Aufruf Friedenswoche so wortreich be- klagt. Wer diese Sorte "Ursachen des Krieges" vorführt, der for- dert zu einer handfesten P a r t e i n a h m e für die ordnende Hand der westlichen Politik auf. Dazu muß man natürlich nicht un- bedingt nach A auch B sagen und auch gleich die Taten der Politik begrüßen. Aber der A u f t r a g, den westliche Herrscher sich gesetzt haben: daß auf der ganzen Welt die Prinzipien i h r e r Herrschaft Gültigkeit erlangen, - dieser Auftrag wird im Namen des Friedens wiederholt - und b e k r ä f t i g t. Die Leistungen freiheitlicher Gewalt ------------------------------------ Wie rechtfertigen diese Herrschaften eigentlich den von ihnen propagierten guten Glauben, die universelle Herrschaft von Demo- kratie, Recht und Freiheit wären gleichbedeutend mit der Beseiti- gung von Elend, Hunger und Mord? Waren es nicht Demokratien, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer ansehnlichen Zahl von Krie- gen für ihren Einfluß in der Welt gesorgt haben? Lauter Kriege haben sie angezettelt: Belgien im Kongo, Frankreich im vorderen Orient, in Indonesien, in Afrika. Großbritannien am Suez und auf den Falklands, die USA in Vorderasien, Korea, Vietnam, Mittelame- rika und wo sonst noch, die Stellvertreterkriege und CIA-Einsätze noch gar nicht mitgerechnet. Es waren vom Volk gewählte Regierun- gen, Präsidenten, die geschworen hatten, zum Wohle des Volkes zu regieren: die haben es als Gebot der demokratischen Verfassung und der Menschenrechte angesehen, die politische Handlungsfrei- heit ihrer freiheitlichen Nation mit Krieg durchzusetzen. Von de- mokratisch gewählten Führern, im Namen des Volkes und zum Wohle des Vaterlandes werden auch jetzt die militärischen Machtmittel und mächtigen Bündnispartner beschafft, die es für einen Krieg gegen den Osten braucht. Das alles bringt demokratische Herr- schaft zustande. Sind Hunger und Tod nicht deshalb etwas Alltägliches, weil die ökonomisch erfolgreichen westlichen Demokratien in Europa und Nordamerika diese Länder ziemlich einseitig benutzen? "Entwicklungshilfe" soll diese Länder gar nicht zu gleichberech- tigten Geschäftapartnern machen, schon gar nicht der Bevölkerung dort zu Wohlstand verhelfen: sie dient allein dazu, die Benutz- barkeit dieser Gegenden zu erhalten. Für die westlichen Demokra- tien, diese Heimatländer der Menschenrechte, ist es daher auch kein Widerspruch, sondern ein selbstverständliches Gebot des na- tionalen Interesses, Milliarden für Aufrüstung auszugeben und für die "Hungerhilfe" an die 'Dritte Welt' kein Geld mehr locker zu machen. Statt Trockenmilch und Traktoren werden Waffen in diese Länder geschickt, denn das ist allemal das geeignetere Gerät, um den politischen Dienst der Souveräne dort zu sichern und sie zu Unterbastionen des Westens auszugestalten. Dabei entscheiden im- perialistische Regierungen sich noch nicht einmal g e g e n einen karitativen Kampf gegen Hunger und Tod: Zu ihrer weltweiten Sicherheitspolitik ist das von vornherein gar keine Alternative. Schmarotzer der alltäglichen Gewalt - ------------------------------------- glaubwürdige Friedensliebhaber? ------------------------------- Wie gelangen eigentlich ausgerechnet SPD-Politiker und Pfaffen in den Rang, glaubwürdige Vertreter eines menschheitsbeglückenden Friedensideals zu sein? Ist die SPD ein Vertreter des Friedens i d e a l i s m u s, weil sie nach "politikfähigen Wegen für eine langfristige Friedenspo- litik" sucht - also den Idealismus der Friedensliebe auf den R e a l i s m u s der Politik verpflichtet? Ist die Abwicklung der Gegnerschaft gegen den Osten als "Sicherheits p a r t n e r s c h a f t" ein Gütesiegel alterna- tiven Politik? Eine "Sicherheitspartnerschaft", die den "Gegner einschließt" - und zwar mindestens bis zum Ural! Schließlich soll das Ganze in einer "europäischen Friedensordnung" enden, in der auch die deut- schen Staaten wieder-vereint sind! Die SPD-Politiker wissen doch ganz genau, daß diese unbescheidenen Ansprüche ohne die ver- sammelte Gewalt des Westens erst gar nicht in die Welt zu setzen wären - und führen als Alternative zum Einsatz der Gewaltmittel die billige Selbstgerechtigkeit des westlichen Kriegsbündnisses vor, den Ansprüchen der imperialistischen Nationen könne sich ja alle Welt auch freiwillig, partnerschaftlich und deshalb fried- lich beugen. Mit der verbündeten Wucht der NATO möchte die SPD erreichen, daß der gesamte Warschauer Pakt samt seiner Führungsmannschaft - vor Europa die Waffen streckt. Klar, d a n n sind westeuropäische Nuklearwaffen und der NATO-Einsatz vielleicht überflüssig: - Und wenn der Osten auch noch seine Grenzen niederreißt und sich frei- willig in die EG integrieren läßt, dann ist der NATO-Krieg zur Erledigung des Störenfrieds westlicher Weltordnung und auch das dafür geschlossene westliche Kriegsbündnis mit seinem Programm fertig. D e n Kriegsgrund der NATO betont europäisch und deutsch vorzu- tragen macht die ganze Alternative der SPD aus! Und die Pfaffen? Sind sie nicht die Repräsentanten der Ideologie der Knechtsnatur des Untertanen, die dazu anhält, aus Glauben an und Liebe zu Gott mit aller irdischen Unbill seinen Frieden zu schließen? Deshalb ist das Christentum ja auch mitten in der mo- dernen Gesellschaft so nützlich und daher wohlgelitten: für den inneren Frieden. Evangelische Pastoren und katholische Pfaffen bis zum Papst interpretieren aus Bibel und Bergpredigt entweder ziemlich umstandslos die NATO-Strategie oder aber einen morali- schen Vorbehalt, gegen die menschheitsgefährdende Überrüstung heraus; sind auf jeden Fall aber immer für ein Bekenntnis zur gottgefälligen westlichen politischen Ordnung gut und mahnen mit göttlicher Autorität dazu, den gewaltigen Waffen der Freiheit dürfe der gläubige Mensch auf keinen Fall unfriedlich gegenüber- treten. Jeder weiß: Die Kirchen haben, wenn es dann soweit war, die Verteidigung des Vaterlandes nach allemal als gerechten Krieg abgesegnet. Sie beten, daß der Herr uns vor Krieg bewahren möge, so als wären nicht Kohl und Reagan in Ausübung ihrer demokrati- schen Politik die Macher von Kriegen, sondern das Böse im Men- schen. Betend und gläubig macht man so seinen (inneren) Frieden auch noch mit dem Krieg. Denn eines weiß ein Christ ganz genau: Ungehorsam, gar Widerstand gegen eine rechte Obrigkeit hat der Herr Jesus auf alle Fälle nicht gepredigt. Und wenn auch am Ende auf die neuen Atomwaffen ein schiefes göttliches Licht fällt: was kann einer christlich- liberalen Aufrüstungsmannschaft eigentlich Besseres passieren, als wenn ihre "Kritiker" sich um das gute Gewissen und die ewige Seligkeit ihrer Befehlshaber sorgen?! Und schließlich: die Wissenschaft. Auf welche Sichtweise von Im- perialismus, Krieg und Frieden will sie denn verpflichten, wenn sie ihren Zuhörern das "Problem" einer "Bündniskrise" vorlegt" der Politik von Reagan, Kohl und Konsorten ausgerechnet eine "Sackgasse" zugutehält (Bei welchen ihrer Vorhaben sind diese Herren denn bitteschön g e s c h e i t e r t? Ist es nicht eher so, daß ihr Erfolg in Sachen Weltpolitik sie immer maßloser und unbescheidener macht - auch und gerade gegenüber ihrem eigenen Volk?) und eine "alternative Friedenspolitik" entwickeln will? Ist das nicht genau das Ideal einer unumschränkt souveränen Na- tion BRD, die sich auf die Weltgeltung ihrer ökonomischen, poli- tischen, militärischen Gewalt beruft und das nationale Interesse an Wiedervereinigung und Einmischung in alle nur denkbaren Ange- legenheiten des Hauptfeindes besser zur Geltung bringen möchte? Also die NATO, das mächtigste Kriegsbündnis der Weltgeschichte, doch glatt als Beschränkung eines ganz eigenständig deutschen Ge- waltanspruchs entdeckt haben will? Und ausgerechnet das Ideal soll "friedensfördernd" sein? Gebot untertänigster "Kritik" ----------------------------- Was ist also diese Friedenswoche mit ihren Veranstaltungen an- deres, als eine einzige F e s t l e g u n g j e g l i c h e r K r i t i k an der Kriegsvorbereitung auf die Maßstäbe, die der Westen an alle Welt anlegt. Auf die M a ß s t ä b e, in deren Namen für die Regierenden des freien Westens die weltweite Anwen- dung von Waffengewalt ein G e w o h n h e i t s r e c h t ist und alles, was dem von östlicher Seite in die Quere kommt eine unerlaubte Einmischung! - Und jede Kritik, die sich diesen Maß- stäben nicht beugt, wird als Anschlag auf die freiheitliche Ord- nung behandelt und deshalb auch sofort mit Gewalt gleichgesetzt! Als Anwälte und Richter des nach freiheitlichen Gesichtspunkten beurteilten Weltgeschehens sind sich die Veranstalter der Frie- denswoche mit den Regierenden darin einig, daß das Fehlen eines Gewaltmonopols das unfriedlichste ist, was sie sich vorstellen können. Wo die einen die Gewalt auffordern, der Menschheit den Frieden zu bringen, bereiten sich die Regierenden darauf vor, für den Frieden den Krieg zu führen - nicht gegen "die Menschheit", sondern gegen die Sowjetunion! Sie sagen es ja jeden Tag, wofür die Sicherheitspolitik aufkommt: Für die Freiheit, das Recht, die Demokratie, die Völker und ihr Völkerrecht usw. Wer diese Titel der Gewalt nicht ablehnt, sie gar für äußerst ehrenwerte Anliegen hält und unterstützt; wer gar glaubt, das alles werde seinetwegen und für ihn veranstaltet, der soll sich nicht wundern, wenn er dafür in die Pflicht genommen wird! zurück