Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral


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WIE DIE SPD MIT DER FRIEDENSBEWEGUNG UMSPRINGT

Die SPD ruft auf zur Friedensdemonstration am 26.1.91 in Bonn: Der deutsche Kriegseintritt - nur mit Zustimmung des Bundestages! "'Über den Eintritt des Bündnisfalles und über Krieg und Frieden entscheidet der Deutsche Bundestag.' 'In diesem Sinne' fordert die SPD zur Teilnahme an der Friedensdemonstration am kommenden Samstag in Bonn auf." (SPD-Parteivorstand, FAZ 21.1.91) Damit ist jedes Mißverständnis ausgeräumt: Eine Friedensdemon- stration, die sich g e g e n den Krieg und die deutsche Betei- ligung an ihm richtet, kommt nicht in Frage. Die SPD teilt näm- lich nicht nur das Kriegs z i e l der USA. Sie unterstützt das Gemetzel tatkräftig. Es sind sozialdemokratische Landesregierun- gen, die via Bremerhaven und Frankfurt für den reibungslosen Nachschub des Kriegsgerätes sorgen. Auch der leiseste Boykott- Aufruf oder gar -versuch wird schon im Vorfeld stillgestellt. Friedensbewegte mögen sich also nicht täuschen: Die SPD besteht nicht deswegen auf einer Bundestagsentscheidung über die Frage Krieg oder Frieden, weil sie sich damit eine V e t o-Möglichkeit gegen eine etwaige Regierungsentscheidung für den Kriegseintritt sichern will. Falls es dazu überhaupt noch eines Beweises bedarf: Das läßt sich dem Artikel 115a, Grundgesetz entnehmen, auf den sich die SPD unablässig beruft. Der sogenannte Verteidigungsfall wird danach nämlich mit "zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages" beschlossen. Also auf jeden Fall mit der Stimmenmehrheit der Re- gierungskoalition. Für ein sozialdemokratisches Veto k ö n n t e diese Veranstaltung also ihrer Natur nach gar nicht taugen. Die Beharrlichkeit der SPD, auf einer Bundestagsentscheidung nach Artikel 115a zu pochen, hat einen ganz anderen Grund. Nur als s o u v e r ä n e Entscheidung nach ganz e i g e n e n natio- nalen Opportunitätserwägungen kommt ein Kriegseintritt für sie in Frage, dann aber schon. Das soll die Abstimmungprozedur durch das deutsche Parlament nach dem Willen der SPD vor aller Welt doku- mentieren. Eine bloße P f l i c h t erfüllung gegenüber Verträ- gen mit fremden Mächten, etwa dem NATO-Vertrag, lehnt sie ab. Eine Großmacht Deutschland, die aller historischen alliierten Vorbehalte endgültig ledig ist, verbittet sich schon gleich die "Konstruktion" eines Bündnisfalls. W a s ein Angriff auf die Türkei ist, w i e er beantwortet wird, das läßt sich Deutsch- land nicht von anderen Mächten unter Berufung auf Vertragspflich- ten vorbuchstabieren. Deutschland kennt nur eine Sorte akzep- tabler Kriegsgründe: deutsche. "In diesem Sinne" läßt die SPD zur Demonstration sammeln, um je- dermann auf diese einzig gültige Lesart von "Frieden" festzule- gen. SPD-Scherf (Bremen) klärt Rüstungsgegner auf: Der Golfkrieg - eine begrüßenswerte Abrüstungsmaßnahme! "Senator Scherfs Meinung: Abrüstung durch Abtransport. Bürgermei- ster Henning Scherf ist gegen eine generelle Verurteilung des Rü- stungsumschlags für den Golfkrieg über die bremischen Häfen. 'Wir müssen hier einen klaren Kopf behalten', erklärte Scherf gestern kurz vor seiner Abreise nach Riga. 'Für die Bundesrepublik bedeu- tet das nicht zuletzt auch Abrüstung, denn das Kriegsmaterial verläßt unser Land für immer.' In dieser 'delikaten Geschichte' müsse man genau abwägen... Henning Scherf wies darauf hin, daß bei einem solchen Konflikt nationale Interessen und Gedankenspiele zurückstehen müßten: 'In diesem Fall ist es besonders tragisch, aber wenn überhaupt, kann nur die UNO über das Vorgehen in einem solchen Konflikt entscheiden. Wir müssen uns den Entscheidungen des Rates der Vereinten Nationen beugen.'" (Weser-Kurier, 20.1.91) Krieg, das ist laut Scherf also die perfekte A b r ü s t u n g, weil er die Waffenlager räumt. Krieg muß sein, wann immer "wir" ihn für notwendig halten und uns deswegen der UNO "beugen". Auf- rüstung können "wir" also guten Gewissens betreiben - sie liefert ja nur das Material für die Abrüstung, die "wir" durch Kriege voranbringen. Durch gerechte natürlich. Derselbe Mann hat am Vorabend des Krieges einen Fackelzug für den Frieden veranstaltet. Wann werden Friedensfreunde endlich aus diesem Typen schlau?! SPD-Koschnik (außenpolitischer Experte der SPD) klagt an: Der größte Fehler der Friedensbewegung - sie ist gegen Krieg! "Ich stelle vielfach Irrationalität fest. Ich stelle nicht fest, daß alles zu Ende gedacht wird. Wenn einer sagt, die UNO kann in keinem Falle und darf in keinem militärisch erwidern, wenn ir- gendwo ein Aggressor auftritt, wäre das die Einladung für alle Diktatoren, über andere Länder herzufallen. Wäre das die Position gewesen, säßen wir heute noch unter der Führerschaft von Hitler in Deutschland. Dies kann die Antwort nicht sein. Die Frage kann nur sein, die Maßstäblichkeit der Mittel, die richtig angewandten Mittel. Nicht das Militär voranzuschicken, sondern zunächst ein- mal die Diplomatie und die Ökonomie wirken zu lassen. Dies ist die Antwort, aber um Gottes willen nicht zu sagen: Krieg darf nie sein!" (SPD-Koschnik, Radio Bremen, Hansawelle, 20.1.91) "Nie wieder Krieg!", dieses traditionsreiche Markenzeichen der Bewegung hält Koschnik für ihren größten Fehler. Daß ausgerechnet die pazifistischen G e g n e r des Krieges s c h u l d am Krieg sind, müssen sich heute Friedenfreunde nicht mehr von einem CDU-Geißler wie zu Nachrüstungszeiten ins Stammbuch schreiben lassen. Das besorgt 1991 der "natürliche Bündnispartner" der Friedensbewegung, die Sozialdemokratie. Sie kennt nämlich den gerechten Krieg, in dem zu dienen pazifi- stische Ehrensache ist. Wann immer ein diktatorischer Aggressor den Frieden bricht, ist der Krieg als letzte Antwort zur Wieder- herstellung des Friedens gerecht, so doziert der Ex-Regierung- schef der Bremer Rüstungsschmiede. Als außenpolitischer Experte seiner Partei kennt Koschnik sich aus. W a s ein nicht hinzunehmender Friedensbruch ist, ent- scheidet sich nicht an einer pazifistischen Gesinnung, die kein Blut sehen kann, sondern an nationalen Interessen. Der US-Über- fall auf Panama, Israels Alltagskrieg gegen die Palästinenser, sein Bombenangriff auf den irakischen Atomreaktor - all das hat nicht zu einem SPD-Aufruf für einen gerechten Krieg gegen die USA oder Israel geführt. Dergleichen rangiert unter Frieden, weil der nie die Abwesenheit von Gewalt, sondern die Durchsetzung nationa- ler Interessen mit vorkriegerischen Mitteln ist. Solange dies die "richtigen", weil für die eigene Nation brauchbaren Interessen tun, ist die Welt in Ordnung. Das nennt eine imperialistische Na- tion "ihr gutes Recht". Dagegen hat Hussein mit seiner Machter- weiterung im Nahen Osten verstoßen. Und weil er damit das gute Recht verletzt, daß sich der Westen in Sachen Ordnen der Welt herausnimmt, wird der Verbrecher mit einem gerechten Krieg be- straft. Ob Frieden, oder Krieg, die überlegene Gewalt kann also gar nichts mehr falsch machen. Sie hat nämlich nicht nur den Sieg, sondern auch noch das Recht auf ihrer Seite. So selbstgerecht geht Imperialismus. Da ist für Pazifismus kein Platz. Das sollten sich die Friedensbewegten merken! zurück