Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral


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       Dortmunder Hochschulzeitung Nr. 7, 02.11.1982
       
       Die letzten Fortschritte der Friedensbewegung:
       

"...FÜR DEN FRIEDEN"

Ein "Eckhaus für den Frieden" ist kein Witz. Vielmehr die ernst- gemeinte Forderung von "Entrüstet Euch - Dortmunder Zeitung für den Frieden". "Wer beim Katasteramt sein Grundstück für atomwaffenfrei bestäti- gen läßt, bringt damit die zuständigen Beamten und die Nachbarn auf neue Gedanken." Und zwar, jedenfalls nach Auffassung der Autoren, nicht auf den, der Hausbesitzer sei endgültig bescheuert, sondern auf die Idee, - auch für die Friedensbewegung sein zu wollen. Zwar haben die verantwortlichen Politiker gar nicht vor, jeder 3 1/2 Zimmerwohnung eine Pershing zuzuteilen - das weiß selbst die Friedensbewegung noch -, gemeint war natürlich etwas anderes, Hö- heres: die Demonstration der eigenen F r i e d f e r t i g- k e i t. Nur: wem will man denn diese eigentlich demonstrieren und vor allem warum? Warum? Weil man als Friedensbewegter ein so durch und durch posi- tives Weltbild aufweist, daß man in der Kritik an der Politik und den Politikern das Vertrauen in diese auf keinen Fall verlieren will. "Unsere eigene Aufgabe liegt dort, wo wir wohnen. Wir leben in der Bundesrepublik Deutschland und müssen deshalb hier anfangen. Europa ist vom Rüstungswettlauf zwischen den Supermächten beson- ders betroffen und aktiv daran beteiligt. Abrüstung ist notwendi- ger Schritt für das Überleben der Menschheit. Wir begrüßen es grundsätzlich, wenn die politischen Führer der Supermächte miteinander ins Gespräch geben. Allerdings ist deut- lich, daß die Genfer Verhandlungen nicht wirklich die Statio- nierung von neuen Mittelstreckenraketen verhindern werden." (ibid) Was eigentlich, wenn das gar nicht das beabsichtigte Ziel dieser Verhandlungen ist und was eigentlich, wenn "das Überleben der Menschheit" gar nicht der Inhalt der Politik ist? Fragen, die den Friedensbewegten deshalb nicht stören, weil er sie längst zu den e i g e n t l i c h e n Zwecken von Politik g e m a c h t hat, an denen er jetzt die praktizierte Politik mißt und - ganz in seiner Logik keine politischen Absichten sei- ner Politiker festzustellen bereit ist, sondern nur noch Abwei- chungen von seinem Ideal der Politik. Ganz so als würden die po- litischen Macher nicht dauernd und öffentlich ihre Vorhaben pla- nen, realisieren und stolz darüber reden - der Friedenshänger be- merkt daran nur, daß es nicht, noch nicht oder nicht ganz das war, was e r sich als politischen Zweck ausgedacht hat. Das, was deutsche Politiker nun tatsächlich tun, erklären sich diese Friedenstypen so, als könne von Politikertaten nicht mehr die Rede sein. Sei es, daß von einer "Logik der Waffen" gespro- chen wird, bei der der Waffenbesteller zum Opfer seiner Erstan- schaffung geworden ist, sei es, daß man sich gleich alles als "Rüstungswahnsinn" vorstellt, bei dem schon gleich gar kein han- delndes Subjekt mit seinen Absichten und Zwecken mehr vorkommt oder sei es, daß von einem "Rüstungswettlauf der Supermächte" ge- schwafelt wird, womit die Anschaffung von Waffen aus diesen selbst heraus erklärt wird; immer stellt sich das gewünschte Re- sultat ein, der Politik vorwerfen zu können, ihre Mittel zur Er- haltung des (erfundenen) Zwecks "Überleben der Menschheit" falsch gewählt zu haben. Ganz absichtlich hat sich die Friedensbewegung so das Feld eröff- net, einerseits minutiös das gesamte Waffenarsenal und dessen mörderischen Folgen - so als ob die irgendwem unbekannt wären - durchzuhecheln, um andererseits diejenigen, die sich diese Dinger anschaffen, modernisieren und vervielfachen, weil sie ihre poli- tischen Zwecke damit verfolgen, eine Generalabsolution zu ertei- len und die eigene Friedfertigkeit unter Beweis zu stellen. Lo- gisch ist diese Selbstbezichtigung insofern, als die Friedensbe- wegten den Politikern beweisen wollen, daß man w e g e n i h n e n, der "Menschheit", die ganzen Arsenale nicht bräuchte - als habe das irgendjemand, außer ihnen, behauptet. Deshalb kommen diese perfekten und willfährigen Untertanen auch zu dem blöden Schluß, ihren Herrschern auch dann noch das prinzi- pielle Vertrauen in deren Zuständigkeit über das eigenen Leben auszusprechen und die Demonstration der eigenen Friedfertigkeit ist dieses Vertrauen: wir sind doch friedlich, da brauchts doch keine Aufrüstung wenn ihnen von ihren Adressaten ausgerichtet wird, daß sie diese Botmäßigkeit für i h r e außenpolitischen Vorhaben gen Osten in Form der "Handlungsfreiheit" schätzen. Die Friedensbewegung hält also die Politik für eine Sache, die f ü r die Untertanen gemacht werde (wohl weil diese die Politiker er- mächtigt haben, deren Zwecke durchzusetzten). Sagen die Politiker kriegerische Zeiten an, bemüht sich so ein Zeitgenosse eilfertig zu beweisen, daß es w e g e n ihm nicht zu sein bräuchte. Aus- gerechnet seine Verantwortung fällt ihm da ein: Als Pädagogen z.B., die sich auf eine Tagung in die Dortmunder Uni begeben und "sich verpflichten", "für eine aktive Friedenser- ziehung in unseren Arbeitsfeldern Erziehung, Schule und Ausbil- dung einzutreten". Den dämlichen Beweis, daß er, nicht die "Menschheit" ist, die nach kriegerischen Befehlen ihrer Herrscher verlangt, führen diese Burschen insofern selbstzweiflerisch, als sie mit ihrem Un- terricht dafür sorgen wollen, daß es auch ganz bestimmt nicht "die Menschen" sind. Denn wieviel schwerer wiegt die Versicherung der friedlichen Absichten der Kinder (als ob die laufend in halb Europa und Übersee einmarschieren wollten), wenn der Pädagoge versichert, daß e r alles dafür getan habe, daß im Kinderherz auch wirklich der Wunsch nach Friede keimt. Zwar kann man "zum Frieden" überhaupt nicht erziehen, der wird verordnet und solange hat man ihn, bis etwas anderes verordnet wird, aber darauf kommt es genauso wenig an, wie auf die Tatsache, daß man schlechter- dings auch nicht Ballspielen kann "für den Frieden" ("Sportler für den Frieden", ebenfalls Uni Dortmund). Was man allerdings kann, ist, und das zeigen alle diese Aktionen "...für den Frie- den", die Proklamation der eigenen Friedfertigkeit ganz bewußt abgetrennt von allen wirklichen politischen Aktionen der Verant- wortlichen vorzutragen und damit kundzutun, daß man gegenüber al- lem und jedem nur ein Argument gelten lassen will: wir, die Frie- densbewegung, sind friedliebend und deshalb das beste Argument für uns zu sein. Und dieses Argument fordert dazu heraus, etwas dafür zu tun: man führt sich selber vor als den eigentlichen Wil- len eines rechtschaffenen Mitbürgers, um damit die friedensbe- wegte Saite in jedem Mitmenschen zu Schwingen zu bringen. Und das geht so: die Friedensbewegung demonstriert, sich als jeder Mensch soll an seinem Platz, als Physiker, als Sportler, als Untertan ("Schweigen für den Frieden") diese Haltung einnehmen. Das, was er immer tut und zu tun hat - sein Beruf - wird mit dem Signum "für den Frieden" versehen und reckt damit - wie von selbst - in den Rang einer politischen Stellungnahme, die sich wer weiß wie kritisch vorkommt. Man will Vorbild sein - durch und durch beseelt von dem Anspruch, jedermann die hohe moralische Qualität der eigenen Person vorzuführen. Wie ließe sich das bes- ser machen als dadurch, gleich solche Mitmenschen vorzuführen, die qua Beruf sowieso über moralische Reputation verfügen: Ärzte, Wissenschaftler, Künstler, Pfarrer für den Frieden (nicht auszuschließen auch: Berber für den Frieden). Wobei es auf Zweck und Inhalt von deren Tätigkeit überhaupt nicht ankommt: die Ideale und die Ethik dieser Berufe, also die Überhöhung der pro- fanen Inhalte in Menschheitsanliegen, sollen die Werbewirksamkeit des eigenen Anliegens befördern und jeden darauf aufmerksam ma- chen, daß er - recht verstanden - eigentlich schon längst dazu gehört, als Harry Belafonte-, Gitte- und Lindenbergfan sowieso. Denken Dortmunder anders? Von der tagtäglichen Politik, ihren Absichten und Zwecken also keine Rede mehr. Und wenn sie vorkommt, dann nur mehr als schlechte Bedingung für die noch massenhaftere. Demonstration des eigenen Anliegens. In der empirischen Untersuchung der - ja was wohl? Genau: - Dortmunder Wissenschaftler für den Frieden, in der Dortmunder Bürger gefragt werden, ob sie für den Frieden wären, Waffen für ungemütlich hielten und Europa deshalb lieber waffen- los sähen, erklärt man sich die Abweichungen von unterstellten massenhaften "Jaaa, ich bin dafür" (eine Antwort, die man vom Ka- binett plus allen MdBs auch bekommt) damit, daß Manipulationen von Presse, TV, Allensbach und den Politikern diese Leute daran hinderten, ihre wahre, friedensbewegte Meinung zu äußern. Bei Tautos! Der blöde Schluß, weil es doch, wie man selbst erfunden hat, um ein Anliegen "der Menschheit", dieser holden Abstraktion geht, sind auch "alle Menschen" (demokratisch: die Mehrheit) für den Frieden. Ganz schlicht und dämlich: man beweist, daß man ganz viele ist, damit, daß man eigentlich schon viel mehr ist. Nur: was soll das eigentlich heißen, daß so viele für den Frieden sind? Etwa, daß der geplante Krieg deswegen ausfällt? Wohl kaum: denn für "Frieden in Freiheit" z.B. wird er doch gerade angezettelt! zurück