Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
zurück Marxistische Schulzeitung Bremen, 21.05.1981FRIEDENSLIEBE IST VERKEHRT
1. Für den Frieden zu sein, ist nicht das unschuldigste aller Anlie- gen, sondern die modernste und für die demokratische Kriegsvorbe- reitung geeignete Form den Nationalismus. 2. Auf die Idee, für den Frieden zu sein, muß man erst einmal kom- men. Niemand ist nämlich wegen des Friedens für den Frieden. Warum sollte auch ein Mensch, der mehr Geld, kürzere Arbeitszeit, ein Häuschen im Grünen und einen schönen Urlaub auf seinem Wunschzettel stehen hat, ausgerechnet für den Frieden sein? 3. Frieden ist doch überhaupt nicht s e i n e Sache. Und das weiß jeder Mensch, weil e r ja über den Frieden gar nicht zu befin- den hat. Außerdem gilt sein Friedenswunsch selbstverständlich nicht seinen "unfriedlichen" Lebensumständen, z.B. den prügelnden Eltern zu Hause, dem ruppigen Meister am Arbeitsplatz, den aus- beutenden Kapitalisten, zwangsvollstreckenden Gerichtsvollziehern oder den knüppelnden Ordnungshütern. Sein Friedenswunsch gilt der Art und Weise, wie S t a a t e n miteinander umgehen. Denn Frieden ist eine Sache von Staaten und nicht seine. Er kennzeich- net einen Zustand, in welchem Staaten ihre reichlich entgegenge- setzten Interessen an Rohstoffen, Territorium oder politischem Einfluß mit allen Mitteln der diplomatischen Erpressung durch- zusetzen versuchen - einer Sorte Erpressung, die vor dem E i n s a t z der Waffengewalt mit dessen A n d r o h u n g Punkte sammelt. Frieden ist also alles andere als eine gemütliche Form der Abwicklung der Staatenkonkurrenz. 4. Als Nutznießer kommt der gewöhnliche Mensch in diesen Staatsge- schäften zwar nicht vor, als Betroffener aber schon. Wegen der A u s w i r k u n g e n, die die staatliche Aufkündigung des Friedens für ihn hat - er darf als Kanonenfutter herhalten -, e n t s c h e i d e t sich noch jeder für eine Vorstellung über seinen Staat, von der er weiß, daß sie mit der Wahrheit nichts zu tun hat: 'Daß die staatliche Entscheidung für Krieg mein Leben kosten kann, liegt nicht am Staat, denn dem geht es schon um die Sicherung meiner Existenz, schließlich ist es ja m e i n e r!' Ausgerechnet dort, wo der Mensch den Gegensatz zu seinem Staat entdeckt, der ihn sogar das Leben kosten soll, will er daran glauben, daß er sich die G e g n e r s c h a f t zu ihm erspa- ren kann. Als ob die Handelsverträge über russisches Erdgas und persisches Öl, als ob die Stationierung von NATO-Truppen im Nahen Osten, als ob ein Kulturaustausch mit Honduras oder eine VW-Fi- liale in Brasilien und die Siemens-Niederlassung in Südafrika inklusive der Aufkündigung all dessen allein seinetwegen ge- schehe. VW und Siemens haben einen guten Grund, an diese Glei- chung zu glauben. Der gewöhnliche Mensch dagegen einen falschen: Nur deshalb, wen es s e i n Staat ist, entscheidet er sich für die Lüge, daß sich dessen Geschäfte und Händel in der Welt ir- gendwie um die eigene Wenigkeit drehen - auch und gerade dann, wenn er diese Behauptung an keinem einzigen Geschäft glaubhaft machen kann. 5. Damit hat sich der gute Mann entschieden, guten Gewissens für den Frieden seines Staates zu sein - nicht um des lieben Friedens willen, sondern weil seine P o l i t i k e r die Alternative K r i e g auf die Tagesordnung setzen. Sie haben beschlossen, daß es für die Staaten des "freien Westens" Gründe gibt, es auf einen Einsatz der Waffen ankommen zu lassen. Und der "kleine Mann" fürchtet die Auswirkung dieser Entscheidung auf seine Exi- stenz. 6. Daß die Politiker den Leuten überhaupt den Krieg als Alternative zum Frieden vorstellen können, funktioniert nur deshalb, weil diese sich zum M i t m a c h e n bei der Durchführung dieses staatlichen Beschlusses entschieden haben. Wie sonst sollte von der angedrohten "Kriegsgefahr" eine Bedrohung von Leib und Leben ausgehen, wenn man sich selbst nicht schon im Schützengraben lie- gen sieht, man also mit m a c h t? Angesichts dieser Perspektive dann lieber für den Frieden zu sein, ist eine Parteinahme für die eigene Nation, der man nicht den Gehorsam für die Kriegsvorberei- tung v e r w e i g e r t, sondern ihn v e r s p r i c h t - und zwar für ihren Frieden. 7. D a f ü r macht man alles mit, denn am Grauen des Krieges gemes- sen, dem man mit seinem Bekenntnis für den Frieden entgehen will, erscheint noch jede Zumutung der Politik und jeder weitere Ver- zicht als - relative - Wohltat. Immerhin wird man ja noch am Le- ben gelassen. Den Maßstab des Überlebens, den die Politiker den Leuten mit dem Angebot "Krieg oder Frieden" unterbreiten, nehmen diese sich also sehr zu Herzen. So sehr, daß Steuererhöhungen und Preissteigerungen aller Art, mehr Arbeit für weniger Geld etc. sogar d a n k b a r erbrachte Opfer werden können, weil sie ja im Frieden passieren. Sehr zur Freude derer, die mit diesen für den Frieden erbrachten Opfern die Kriegsvorbereitung und Aufrü- stung finanzieren. 8. Die Friedensliebe treibt die falsche Opferbereitschaft des Bür- gers im gewöhnlichen Leben auf die Spitze: Daß Opfer für den Staat sich l o h n e n, weil sie für den e i g e n e n Staat sind, wird sehr radikal beherzigt und betrieben, wo die L e i s t u n g des eigenen Staates in der Ungeheuerlichkeit be- steht, einen (noch) nicht zum Sterben zu schicken. Für diese Lei- stung l i e b t der Mensch seinen Staat, und zwar umso mehr, je heftiger sie ihm angeblich von fremden Staaten schwer gemacht wird: Bekanntlich ist immer der eigene Staat friedlich, und der andere, östliche, unfriedlich. Was würde so ein Mensch wohl sa- gen, wäre er in Magdeburg, Posen oder Moskau zuhause? 9. Mit dieser Friedensliebe läßt sich der Krieg ganz demokratisch vorbereiten. Zum Entschluß, f r e i w i l l i g ins Feld zu ziehen, braucht der Mensch nur noch an eines zu glauben: Wenn alle seine Opfer für seine Nation und ihr redliches Bemühen um den Erhalt seines Friedens daran scheitern, daß f r e m d e Staaten ihr diesen Dienst verunmöglichen, dann ist es nur ge- recht, für die Nation auch noch das - letzte - Opfer des eigenen Lebens zu bringen, damit sie im Krieg das letzte Hindernis des Friedens niedermacht, den gegnerischen Staat. Mit der Opferbe- reitschaft und dem Nationalgefühl, die die Friedensliebe in sich vereinigt, opfern sich die Leute im Namen des Friedens für den Krieg ihres Staates. Und weil dies so gut, weil freiwillig funk- tioniert, bereitet noch jeder Staat den Krieg zur Friedenssiche- rung vor. 10. Das Rezept g e g e n Krieg ist ganz einfach: ihn und seine praktische und ideologische Vorbereitung nicht mitmachen und da- gegen antreten, wo sie den Leuten als nationales Anliegen in ih- rem Interesse unterbreitet wird. Sollen doch Schmidt und Reagan gegen Honecker und Breshnev allein antreten. Wie das gehen soll? Eben, es wäre mit Krieg u n d Frieden Schluß. zurück