Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
zurück Marxistische Schulzeitung Bremen, 05.10.1981 Friedensdemonstration in Bonn:WOGEGEN NICHT DEMONSTRIERT WERDEN DARF, WOFÜR DEMONSTRIERT WERDEN SOLL!
Nicht demonstriert werden darf: gegen die Regierung und ihre Kriegsvorbereitung, ihren Bündnispartner Amerika, gegen die impe- rialistischen Zwecke beider westlichen Freiheiten gegen den Osten. Demonstriert werden soll: für den guten Glauben an die re- gierungsoffizielle Friedensliebe, Abrüstung in Ost und West (und zwar genau in dieser Reihenfolge), schließlich dafür, daß jede Gegnerschaft gegen die bundesdeutsche Außen- und Rüstungspolitik nicht "friedensfähig" ist, also weggeputzt gehört. So die Initiatoren der Friedensdemonstration. Die haben sich den Stichwortkatalog der Politiker für eine national verantwortliche, daher erlaubte Friedensliebe außerhalb des Parlaments sehr zu Herzen genommen. In der nachfolgend kommentierten "Vier-Punkte- Erklärung" stellen sie eine Demonstration vor, die eigentlich gar keinen Gegner hat - außer in den eigenen Reihen. Das sind exakt die, die von Schmidt und Genscher als verantwortungsloses Gesin- nungspack ausgemustert worden sind. Die Demonstration darf nicht einseitig sein... ---------------------------------------------- '1. Die Demonstration und Kundgebung am 10.Oktober in Bonn 'Gemeinsam gegen die atomare Bedrohung vorgehen - für Abrüstung und Entspannung in Europa!' wendet sich 'gegen neue Atomwaffen in Europa' (Aufruf). Die beiden Veranstalter Aktion Sühnezeichen / Friedensdienste und Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden sowie die bis heute 777 Unterzeichnerorganisationen / -gruppen eint die gemeinsame Sorge vor der wachsenden Gefahr eines Nukle- arkrieges. Deswegen werden - bei allen bestehenden politischen und ideologischen Differenzen, die innerhalb der Friedensbewegung sehr viel intensiver ausgetragen werden, als das von außen wahr- genommen wird - am 10. Oktober Christen, Gewerkschafter, Sozial- demokraten, Liberale, Kommunisten und Christdemokraten gemeinsam demonstrieren. Als Bürger der Bundesrepublik Deutschland fordern wir die Bundesregierung sowie die Regierungen der NATO-Mitglied- staaten auf, ihre Zustimmung zum Beschluß über die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen zurückzuziehen. Damit soll der Weg für die Verringerung der Atomwaffen in Ost- und Westeuropa geöff- net werden mit dem Ziel, einen wechselseitigen umfassenden Abrü- stungsprozeß in Gang zu setzen. Wir treten ein für ein atomwaf- fenfreies Europa, in dem Atomwaffen weder hergestellt, noch gela- gert oder verwendet werden' (Aufruf). Deshalb ist die Demonstration nicht einseitig. Warum soll eine Demonstration nicht einseitig sein? Wenn sie für die richtige eine Seite, eine richtige Sache streitet, kann sie gar nicht einseitig genug sein! Zu hören ist dieser Vorwurf immer und prompt von der Seite, gegen die sie gerichtet ist. "Wer Pers- hing sagt, muß auch SS20 sagen!" wettern deutsche Aufrüstungs- politiker bis ins dritte Glied der JUSOS. "Jawoll" lautet der Kotau der Demonstrationsaufrufer und verpennt den Witz. Schon mal gehört, daß Schmidt, Genscher, Kohl und wie sie alle heißen, nach ihrem Angriff auf russische SS20 dazu übergehen, gleichermaßen auf ihren Pershings und Cruise Missiles herumzuhacken? Von wegen man dürfe ja nicht einseitig sein?! Eben! "Wer Pershing sagt, muß auch SS20 sagen!" heißt im Klartext: "SS20 muß man sagen, um von Pershings die Schnauze zu halten!" Die eigenen Raketen sollen schließlich nicht kritisiert, sondern eingekauft und aufgestellt werden. Dafür schaffen Politiker es sogar, Einwände gegen die deutsche Aufrüstung zu benutzen. Man muß sie nur auf die Kritik an der russischen verpflichten - und schon liefert sie mit ihrer Empörung über die SS20 wie auf Wunsch die politische Begründung mit, warum die eigenen beanstandeten Nachrüstungsraketen nicht weg-, sondern aufgestellt gehören. Schuld daran: die Russen, also am besten auf dem roten Platz de- monstrieren. ... aber auch nicht zweiseitig... --------------------------------- 2. Die Demonstration wendet sich gegen eine konkrete Absicht der amerikanischen Regierung, neue atomare Mittelstreckenraketen in Westeuropa zu stationieren. An dieser Absicht ist die Bundesre- gierung beteiligt. Die Demonstration richtet sich nicht gegen Amerika, gegen die Amerikaner oder gegen bestimmte Persönlichkei- ten, sondern allein gegen die Politik der Reagan-Administration. Wir fühlen uns bestärkt durch die amerikanische Friedensbewegung, sowie den wachsenden Widerstand gegen die innenpolitischen Folgen der Rüstungspolitik (Sozialetats-Kürzungen etc.), für die die De- monstration der 250 000 am vergangenen Wochenende in Washingten ein Ausdruck ist. Deshalb ist die Demonstration am 10.10. nicht antiamerikanisch. Warum soll eine Demonstration gegen die deutsche Aufrüstung nicht antiamerikanisch sein? Weil es die Bonner Riege beschlossen hat, gegen die demonstriert werden soll. Daß die Demo nicht einseitig sein darf, heißt eben nicht, daß sie neben den SS20 a u c h die Kriegsvorbereitung des Westens anstänkern dürfte. Denn wenn Ein- wände gegen freiheitlich-westliche Raketen glaubwürdig darin sind, daß sie sich gegen östliche richten, ist jede Kritik an den USA und ihrem Mittelstreckenraketenprojekt schon wieder heikel. Die bauen ja w e s t l i c h e Raketen zusammen mit den Deut- schen, also nicht die, gegen die man sein darf. Deswegen machen die Demonstrationsaufrufer die "Absicht der amerikanischen Regie- rung, neue atomare Mittelstreckenraketen in Westeuropa zu statio- nieren", gleich so "konkret", daß konkret keine Sau mehr ange- griffen wird: Amerika nicht, die Amerikaner nicht, bestimmte Per- sönlichkeiten natürlich auch nicht, also auch Reagan als be- stimmte Persönlichkeit nicht. Was bleibt da eigentlich noch? Ach ja, die Reagan-A d m i n i s t r a t i o n, die offenbar von lauter Russen geschmissen wird. ...sondern muß gegen die richtige Seite gerichtet sein... --------------------------------------------------------- 3. Die Demonstration tritt für Enstpannung und Abrüstung in Ost und West ein und wendet sich nicht gegen sogenannte 'Feinde des Friedens' in Ost und West, Deshalb kennt die Demonstration zwar politische Gegner aber keine Feinde. Die richtige Seite sind nicht die Politiker, die den Krieg im Bündnis vorbereiten, sondern diejenigen, die sie deswegen "Feinde des Friedens" nennen. Leute, die auf diese Weise aussprechen, was Politiker tun, heißen Feinde, während das, was die Politiker tun, sie bestenfalls zu politischen Gegnern macht. Das macht einen Un- terschied: Feinde macht man nieder, Gegner respektiert man. ...in den eigenen Reihen! ------------------------- 4. Die Demonstration will den Teilnehmern 'Mut, Kraft, Phantasie und langen Atem' (Aufruf) für die Friedensarbeit machen. Die brauchen wir, um eine Veränderung der Politik zu erreichen. Die Demonstration wird phantasievoll, kreativ und friedlich sein. Ge- walt gehört nicht zu unseren Mitteln. Wir bedauern, alle Versuche von einigen Politikern und Medien, die Demonstration in Verbin- dung mit Aktivitäten oder Gewalttätigkeit bringen und damit eine gefährliche Panikmache zu betreiben." Warum "gehört Gewalt nicht zu unseren Mitteln"? Weil sie d a s Mittel der Politiker ist. Das bringt sie nicht "in Verbindung mit terroristischen Aktivitäten oder Gewalttätigkeiten", sondern gibt ihnen die Kraft, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Polizeiknüppel, CS-Gas und Bundeswehr sind deswegen keine Gewalt, weil die poli- tische Verantwortung sie sich erlaubt. Wer dagegen mit Lederstie- feln und Kopftuch gegen Pershingraketen tritt, i s t Gewalt: das ist nämlich verboten. Verbotene Gewalt gegen erlaubte politi- sche Verantwortung - das befinden die Demonstrationsaufrufer für entschieden zu verantwortungslos. Ist denn nicht die "Gewalt" in den eigenen Reihen gegen die friedliche Aufrüstung exakt die Sorte Terrorismus, gegen die man zu Felde zieht? Also weg damit! Entweder so, oder durch die offizielle Ordnungsmacht. Am besten aber so. zurück