Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral


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FRIEDENSAKTIVITÄTEN IN UND UM BONN

Aufmerksamen Lesern der BONNER HOCHSCHULZEITUNG dürfte nicht ent- gangen sein, daß die MARXISTISCHE GRUPPE von den Aktionen der neuen "Friedensbewegung" nichts hält. Daß wir uns damit von die- ser den besonders schlauen Vorwurf, "gar nichts zu tun", einge- handelt haben, stört uns wenig - ist es doch eine ziemlich al- berne Sitte kritischer Leute, "Praxis", auf deutsch: daß man e t w a s tut, wie einen Ausweis edler Gesinnung vor sich her zu tragen, der die Richtigkeit des Anliegens ganz von selbst be- weise. W a s also tut die Friedensbewegung? Ihre Aktivitäten sollen dem Frieden dienlich sein. Da allerdings befindet man sich in ebenso großer wie illustrer Gesellschaft: Wer ist denn heutzutage nicht für den Frieden? Und was die "Praxis" angeht: Da kennen wir keinen geschäftigeren Aktivisten für den Frieden als Hans-Tornado Apel, politischer Befehlshaber einer Armee, die selbiges Gut verteidigt. Von solcher "Konkurrenz" läßt diese Bewegung sich freilich nicht irritieren, wie ihr Name schon sagt: An Apels unschöner Emsigkeit für den Frieden will sie keineswegs bemerken, daß Frieden nichts als e i n Mittel ihres S t a a t e s ist - und deshalb ein blöder Zweck für normale Leute. Stattdessen s e t z t sie auf die nationwide verbreitete Friedensliebe, die zu allem bereit ist. Als erstes bedeutet dieser Standpunkt, daß eines mit Sicherheit entfällt: Wer sich als Exekutor menschlicher Friedenssehnsucht begreift, der hat mit A u f k l ä r u n g der Bevölkerung gegen die Entscheider über Frieden und Krieg nichts im Sinn. Und so le- gen alle F o r m e n, in die die friedensbewegten Leute ihren Protest kleiden, beredtes Zeugnis ab über den einzigen I n h a l t dieses Kampfes: selbstgenügsame Demonstration eines guten = friedlichen Willens zu sein. Ü b e r z e u g t, gar aufgehetzt wird da niemand, bestenfalls b e k e h r t: dann ge- hört er zur großen Friedensfamilie und damit hat es sich. Fröhlich-phantasievoll (mit Musik)... ------------------------------------- Gehen wir z.B. am 7. April auf die Rheinterrassen zu "Rock gegen Raketen" und hören zu. Der Rhythmus, die Kadenzen, die Baßläufe - wie bei "Deep Purple" (nur schlechter); den Text versteht eh keine Sau; alles in allem Amateur-Rock'n Roll. Wer's mag... Aber Halt: Im Programm stand ja, daß hier "gegen Raketen und Neutro- nenbomben" musiziert wird - und kaum fällt uns das ein, spüren wir, wie das für die Bereitschaft zu "gewaltlosen Aktionen" in uns weckt, wie jeder Trommelwirbel eigentlich einen Schlag gegen die NATO-Nachrüstung darstellt (symbolisch), wie jedes Crescendo die Friedensliebe schwellen läßt. Am günstigsten für das Erlebnis solcher Gefühle ist es also, sie zum Konzert gleich mitzubringen; dazu vielleicht noch den saudum- men Spruch, daß böse Menschen keine Lieder haben - woran freilich nur eines wahr ist: daß für die durch und durch guten Menschen von der Friedensfront Musik in der Tat als eine Waffe gilt, eine W a f f e, die dafür taugt, die eigene H a r m l o s i g- k e i t vorzuzeigen. Nicht umsonst heißt es in allen Aktions- aufrufen: "Musikinstrumente mitbringen!!!" Tralala, wir lassen uns das Singen nicht verbiehieten, gell? Will aber auch gar niemand; nur geschossen werden soll. Den Taktstock schwingt H. Schmidt, ein Laienorgler und Polit-Profi. In der mannigfachen Ausgestaltung der Tugend, bescheiden anzumel- den, nicht "Böses", sondern nur Friede, Freundschaft und Eierku- chen im Sinn zu haben, ist der Bewegung, vor allem den Grünen und den diversen Bürgerinitiativen (aber auch die DKP verleugnet red- lich ihre Verbiestertheit), P h a n t a s i e wahrlich nicht abzusprechen. Nur heißt dies wiederum nichts Gutes. Wer - wenn er sich schon einmal zu einem Theoretinger bemüßigt fühlt - den Auf- traggeber der Waffenproduktion so kritisiert: "Der Staat steckt heute alle seine geistige Kraft in die Entwick- lung von Panzern und Tornados. Der Militarismus verbraucht alle geistig schöpferischen Kräfte der späten Zivilisationen." (Flugblatt der Grünen) wer also die aberwitzige Verharmlosung in die Welt setzt, die Verkörperung staatlicher Gewalt nach außen, das Militär, stelle eine sinnlose Verpulverung von G e i s t dar, worunter die Mu- sen litten ("An die Stelle von Goethe und Schiller treten dann Apel und die Generäle") - der dienert sich als der "Vorkämpfer des Friedens" an, der "in dieser (!) Phase" die historische Mis- sion erfüllt, das durch Kriegsvorbereitungen aufgerissene K u l t u r loch zu stopfen, indem er "mit neuen, fröhlichen Ideen aufwartet". Über die "neuartigen Friedensdemonstrationen" ist damit klar: sie e r f ü l l e n ihren Zweck in sich, also dadurch, daß sie stattfinden. Punkt. Nach diesem Motto - Frieden, ein bunter Nachmittag - spielte sich Karfreitag bis Ostersonntag ein Panoptikum bundesdeutscher Frie- densliebe vor dem "atombombensicheren Prominentenbunker im Wein- ort Dernau in der Eifel" ab. Z.B. die "Aktion Dernauer Liebes- grüße" (eine von unzähligen): "Es werden Luftballons gefüllt... in alle Winde verschickt mit der Bitte um Antwort und Brieffreundschaften." Da kann man nur hoffen, daß der kleine Iwan und die kleine Nata- scha nicht schon einmal einen Luftballon vom Deutschlands jungen Christenpolitiker abgefangen haben, diese "Liebesgrüße" für eine revanchistische Provokation halten und dann Breschnew zum Ein- marsch zwingen. So ungefähr, nur umgekehrt, müssen die Erfinder dieser Friedensaktion sich das gedacht haben. Nur schießt man nicht als "Brieffreunde" aufeinander, wenn der Staat seine Bürger aufs Feld schickt. ... und blutig-apokalyptisch für den Frieden leiden! ---------------------------------------------------- Während diese Aktionen von jeder anderen Kulturveranstaltung nicht zu unterscheiden sind und deswegen ins Feuilleton gehörten, wären sie nicht der Parole "Frieden" subsumiert -, während dieses im wahrsten Sinne des Wortes T h e a t e r also gerade dadurch so peinlich wie penetrant wird, daß man sich öffentlich als le- bendige Inkarnation eines Ideals von Politik vorführt, das in seiner Lammfrömmigkeit den Volksführern gar keinen Anlaß biete, Krieg zu führen (als ob die Politiker sich in dieser Entscheidung vom Aggressionspegel ihrer Bürger abhängig machten!), so ist die zweite Abteilung der Friedensaktionen ein geraumes Stück makabrer und widerlicher in seiner Botschaft. Ihre Utensilien: Blut (eigenes), Kreuze und Diätplan. Ihre Mittel: "Blutabzapfen", "Konsumboykott", "Die-in" sowie "Fasten", "Fasten" und nochmal "Fasten". Ihre Tugend: Opferbereitschaft für den Frieden - b i s e s k r a c h t. Wer nämlich "Kriegsgefahr" damit bekämpfen will, - daß er einen "Konsumboykott" und gestaffelte Fastenaktionen bis zum "zeitlich unbegrenzten Fasten fürs Leben weltweit" inszenie- ren will, der tut so, als ob diese Gefahr von einem übermäßigen Fressen der Bürger herrührt und eben dort geknackt werden müsse. Eine derartige S e l b s t b e z i c h t i g u n g, sich im Gieren auf Fleisch und Schokolade kriegslüsterner Bestrebungen schuldig zu machen (was im übrigen von der absurden Vorstellung ausgeht, Kriege wären Beutezüge für den Kochtopf der Bevölke- rung!), entbehrt des Zynismus nicht: Völlig unbekümmert darum, daß die Handlungsfreiheit des Staates die Kriegs"gefahr" auf die Tagesordnung zu setzen, erst durch das massenhafte Mitmachen der von oben angeordneten Opfer (bis hin zu dem des Lebens) so rich- tig schön frei wird, soll nach dem Willen der ökopazifistischen Bewegung dem täglich praktizierten Konsum v e r z i c h t (der ganz einfach über Löhne und Preise geht) noch ein zusätzlicher namens "Konsumboykott" draufgesetzt werden - Friede dem Eisbein! Unser alternativen Gegenvorschlag (konstruktiv): Sollen die Bür- ger doch einmal darauf beharren, zu fressen und zu saufen, bis die Schwarte kracht - dann kann sich der dicke Genscher seinen großen Kladderadatsch im Osten an den Hut stecken. - daß er eine "Aktion Blutgefäß" organisiert und "mit selbst ab- gezapftem Blut Kasernenwände bestreichen" will, der spinnt nicht einfach, sondern demonstriert seine christlichpolitische Überzeu- gung, der Welt ermangele es an der Fähigkeit zum L e i d e n. Ein sauberer "Gegensatz", der hier aufgemacht wird: An einem Rü- stungskanzler, der die Deutschen der "Verwöhnung" zeiht, weil er noch mehr Arbeit und Gehorsam für größere Vorhaben benötigt, wol- len unsere Friedensfreunde nicht einmal bemerken, daß dieser frei gewählte Herrscher von seinem braven Volk verwöhnt ist und d e s h a l b propagandistisch wie praktisch immer unverschämter wird. Schlimmer noch: Als ob sie ihn in solcherlei Hetztiraden gegen tatsächliche oder imaginierte Ansprüche übertrumpfen woll- ten, saugen diese Leute sich ihr Blut selber aus und demonstrie- ren darin die H ä r t e, die der verweichlichten Menschheit nach Kanzler- und Grünenurteil so sehr fehlt. Hart gegen sich selbst - diese höchst s o l d a t i s c h e Tugend wird hier zudem in einer derart weinerlich-apokalyptischen Tour aufgeführt, daß man schon ein Friedensfanatiker sein muß, um absichtliches Blutvergießen sowie gespielte Massentode ("die-ins") vor Kaser- nentoren für einen Gegensatz zur NATO zu halten. In ihren ge- sammelten verrückten Einfällen haben die Friedensaktionen also eines zu bieten: die s t i n k n o r m a l e Unterwerfung unter die befohlenen Vorhaben der nationalen Herrschaft, auf a l t e r n a t i v. Während die meisten Bürger nämlich nur äu- ßerst friedlich sind, indem sie, jeder an seinem Platz, im zur Gewöhnung gewordenen Trott bundesdeutschen Alltags alles mitma- chen (also auch den Krieg), glauben die Friedensfreaks unbedingt auch noch v o r z e i g e n zu müssen, wie sehr sie sich ducken wollen und zu noch mehr Opfern bereit sind, wenn "nur" alles so bleibt wie es ist (der momentane höchst gemütliche Zustand ist nämlich Frieden, was die oberkritischen Menschen von der Frie- densfront zu einer generellen und prinzipiellen Reinwaschung der BRD bringt: "Alles, was wir lieben, soll verteidigt werden"). Dieses "nur", also jeden Preis für den Frieden zahlen zu wollen, ist allerdings ein verhängnisvoller Irrtum: Nur, weil die Bürger dieses Landes immerzu jeden Preis an ihre Führung zu blechen be- reit sind, ist auch der Blutzoll für die Herrschaft dieses Staa- tes nach außen ein aktuelles Thema. zurück