Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
zurückWER MACHT DIE BONNER FRIEDENSDEMONSTRATION?
Was ist eine Demo? Da versammelt sich ein Haufen Leute, um kund- zutun, was i h n e n an dem, was die Herrschenden beschließen, n i c h t p a ß t. Eine Selbstverständlichkeit? In dem Lande, das die Demonstrationsfreiheit für eines seiner höchsten vertei- digenswerten Güter erachtet, offenbar nicht: Im Vorfeld der größ- ten Demonstration in der Geschichte der BRD verkünden die Adres- saten der Unzufriedenheit auf allen Kanälen, daß der Sinn einer Demo allein in einer Rückenstärkung für ihre Politik bestehen darf, während die einzige Verlautbarung der Demonstranten verneh- men läßt, daß sie "n i c h t einseitig, n i c h t anti-ameri- kanistisch und nicht gewalttätig" seien, sie also nur noch davon reden, daß alle Attribute der Gegnerschaft, die ihnen die Regie- rung vorwirft, gar nicht so gemeint sein sollen, als würde der Regierungspolitik die Friedensabsicht bestritten. Damit läßt der Protest es sich gefallen, sich von der Politik B e d i n g u n g e n seiner Äußerung diktieren zu lassen, die sich gewaschen haben: 1. Die Demonstration muß gefälligst gewaltfrei sein, sonst desavoiert ihr euer Eintreten für den Frieden Das ist frech! Da wird von Brandt und Co. die Logik angewandt: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, und das geht nicht; und dabei wird so getan, als ob man sowieso auf Seiten der Opponenten steht und sie an die gemeinsamen ureigenen Prinzipien erinnert. Mit dieser Heuchelei geht ein handfester Angriff auf die Demon- stranten vonstatten: sie müßten um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen (als ob ein Politiker einem Demonstranten jemals etwas glauben würde!) schwer drauf aufpassen, daß nur der richtige = genehmigte Protest erhoben wird. Wozu die geforderte Unterschei- dung der Teilnehmer in die, die es offiziell richtig machen, und die, die auf der Demo nichts zu suchen haben, taugt, zeigt der Brandtsche Angriff auf "egoistische Ziele", denen man abzuschwö- ren habe. Als "egoistisch" gilt dabei jede Kundgabe eines Urteils oder eines Anliegens, das den Politikern nicht in den Kram paßt: u n s e r Interesse als SPD-Regierung und Friedenspartei, so der Friedens-Willy persönlich, ist der Maßstab des Protests. Und wenn man sich nicht daran hält, ist man unfriedlich, denn dann gilt Verdikt Nr. 2. Man darf die friedenspolitischen Absichten der Regierung nicht stören - wo die doch gerade Verhandlungen zwischen Haig und Gromyko zu- standegebracht hat. Die Verpflichtung der Demonstranten darauf, eine linientreue Veranstaltung abzuziehen, ist die Verpflichtung, sich dem Standpunkt der Friedenspolitik anzubequemen. Und der lautet hier: es ist das Verdienst der deutschen Politiker, daß Ost und West endlich wieder am Verhandlungstisch zusammenhocken. Und bei dem "endlich wieder" soll man sich denken: also, das ist ein Beitrag zum F r i e d e n und deswegen war es dafür höchste Zeit. Dabei scheint es gar keine Rolle mehr zu spielen, was denn da verhandelt wird! Wenn die NATO das Zustandekommen der Verhand- lungen mit dem feindlichen Militärbündnis davon abhängig macht, daß die Gegenseite die B e d i n g u n g e n des Westens für dessen Verhandlungs b e r e i t s c h a f t erfüllt - wozu das Stillhalten in Polen genauso gehört wie die Ableistung interna- tionalen Wohlverhaltens -, wenn also der Beginn der Verhandlungen anzeigt, daß die Erpressung des Ostens Erfolge gezeitigt h a t, dann kann man daran eines sehen: um d e n Frieden oder den Krieg als Zweck dieser Verhandlungen geht es ganz offensichtlich nicht. Sie verdanken sich dem Ami- genauso wie dem BRD-Interesse daran, den Osten als feindlichen Staat kleinzumachen. Und dafür kalkulieren die Politiker Kriegs- u n d Friedenszeiten ein. Von d e m Standpunkt aus gilt die Anmeldung eines Protests gegen die Regierung als Störung dessen, was das nationale Interesse gebietet. Weswegen der Brandtsche Auftrag an die Teilnehmer am 10.10. lautet: die Selbstdefinition der Bonner Kriegsvorbereitungen als Sicherung des Friedens habt ihr gefälligst zu übernehmen - im Namen des Friedens für die Friedenspolitiker antreten! Und dabei darauf achten, daß 3. Die Freundschaft mit den USA nicht gefährdet wird Diesen Part hat der Genscher übernommen. Gerade so, als ob die Demonstranten diplomatische und sonstige Beziehungen zum NATO- Oberbefehlshaber unterhielten, wird hier an sie das Ansinnen ge- stellt, die Freundschaft zu den USA zu pflegen. Im Klartext: hier wird gefälligst nicht gegen die Regierung, sondern f ü r ihre Bündnispartnerschaft mit der Ami-Regierung votiert. Darunter, daß man für das NATO-Bündnis als Grundlage für die Durchsetzung der deutschen Interessen in der Welt Partei ergreift, geht nichts. Alles andere heißt jetzt offiziell "Anti-Amerikanismus" und wird, wie national und deutsch auch immer sich dieses Anti- aufführt, als nicht mehr funktionale Stellung zur Weltmacht Nr. 1 verur- teilt. (Und dort, wo eine Differenz zu den USA deklariert wird, wie bei einem Eppler, ist das einzige Anliegen dies: wir = wir Politiker können die USA schon verstehen, daß sie i h r e In- teressen durchsetzen. Aber wir sind wir = die deutsche Nation und haben im Bündnis, das auf keinen Fall in Frage gestellt wird, un- sere e i g e n e n Interessen.) Die SPD-FDP-CDU-CSU-Koalition in Sachen: wir sagen euch, wer für den Frieden zuständig ist, gibt Auskunft darüber, gegen wen der Frieden gemacht wird. Man muß 4. Den Hauptfeind im Auge behalten - was so natürlich keiner sagt. Da verurteilen sie unisono die Einseitigkeit der Friedensbewegten und fordern, sich "nicht bloß gegen die Rüstung im Westen zu stellen". Da es laut Punkt 1 bis 3 keinen Grund gibt, den guten Absichten der eigenen Politiker et- was anzuhängen, heißt dieses "nicht bloß" sofort: man muß etwas gegen die Waffen beim F e i n d haben. Das ist die Linie, auf die man eingeschworen wird zu Bonn: Frieden gibt's dann, wenn die Russen sich fügen, denn dann braucht's keinen Krieg. Und die Regierung marschiert nicht nur im Geist mit Es ist somit überhaupt nicht verwunderlich, wenn am kommenden Samstag Teile der herrschenden Regierungskoalition nicht nur in Reih und Glied mit den Demonstranten marschieren, sondern auch noch einige der Hauptredner stellen. Und dabei lassen auch die linken SPD-Abgeordneten keinen Zweifel daran, daß dieser "Marsch auf Bonn" einer für Bonn zu sein hat: "Wir können uns einer solchen Zahl nicht entziehen und betrachten unser Mitmachen keineswegs als Affront gegen die Bundesregie- rung." (SPD-Abgeordneter Conradi) Anders als die von ihr getragene Bundesregierung haben sich 49 SPD-Abgeordnete dazu entschlossen, die Gunst der "großen Zahl" zu nutzen (Stimmvieh, ick hör dir trapsen!), um nicht wie der Kanz- ler gegen, sondern eben auf der Demonstration Werbung für die so- zialdemokratische Politik zu machen. Wie ginge das besser, als die Bonner Demonstranten selbst zu einem "sichtbaren Zeichen" für die von der SPD vertretene Friedenspolitik zu erklären, die sich zudem glücklich schätzen dürfen, mit den Politikern zwecks "Erhaltung des Friedens" zusammenarbeiten zu dürfen: "Wir begrüßen die Demonstration 'Für Abrüstung und Entspannung in Europa' (ist ja schließlich eine alte Forderung von uns) als sichtbares Zeichen für den Friedenswillen in unserem Volk. Als Bundestagsabgeordnete sind wir zur aktiven Zusammenarbeit mit al- len Bürgern bereit, die sich für die Erhaltung des Friedens ein- setzen." Klar, daß es bei einer solchen einvernehmenden Würdigung der Friedensbewegung auf die kleinen Differenzen in Sachen "Nachrüstung" zwischen SPD und den Bonner Demonstranten nicht an- kommt. Mit dem sicheren Gespür für die vertrauensseligen Erwar- tungen der Protestler in die guten Absichten ihrer Regierung las- sen es auch die linken Abgeordneten nicht an den nötigen Frie- densphrasen fehlen: "Wir stehen an der Seite aller, die die Anwendung militärischer Gewalt zur Lösung von politischen und wirtschaftlichen Problemen ablehnen", um diese Friedenserklärung sogleich gegen jene zu wenden, die etwa meinen könnten, die Bundeswehr sei eben doch zur "Lösung" genau solcher "Probleme" aufgestellt worden: "Das heißt aber auch: Nur der gewaltlose Protest ist ein glaub- würdiger Protest gegen den Krieg. Laßt uns gemeinsam dafür sor- gen, daß unser Friedenswille nicht durch gewalttätige Minderhei- ten in Zweifel gebracht wird." Wie man sieht: ein schönes Stück Verantwortung, die die Demon- stranten für die SPD zu tragen haben. Für den Frieden sind sie also alle, der Schmidt, der Brandt und ihre ganzen Thüsings. Mehr noch: in Zeiten, wo die Regierungsparteien die Aufrüstung zum obersten politischen Ziel erklären, f o r d e r n sie von j e d e m Bürger, für den Frieden zu sein - als dem Ideal der deutschen Außenpolitik. Das sollte einem zu denken geben. zurück