Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
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LINKE SPD KONTERT KREFELD
Drei Wochen nach den Krefeldern, die bis dahin Unterschriften
nicht nur von Prominenten wie Blödel-Otto und dem ehemaligen Tat-
ort-Kommissar Haferkamp gesammelt hatten, sondern auch von Ge-
werkschaftlern, SPD-Mitgliedern und Jungdemokraten, veröffent-
lichten zwei SPD-Linke den Bielefelder Appell.
Nicht, daß sie etwas gegen das Anliegen der Krefelder gehabt hät-
ten. Im Gegenteil: Ganze Passagen wie die über die Fehlentschei-
dung, die der Doppelbeschluß sein soll, über Rüstungswettlauf,
Gefahr für Europa, Gleichgewicht und Entspannung haben sie
beinahe wörtlich abgeschrieben. Völlig einig also in der Sache,
wollten sie sich über die Krefelder Initiative nicht freuen, weil
sie nicht von ihnen und außerdem die DKP daran beteiligt war.
In Konkurrenz zu Krefeld...
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Sie beschlossen also, mit einem eigenen Appell um Unterschriften
zu konkurrieren, weil 1) die Friedensbewegung nicht den Kommuni-
sten überlassen werden darf (wo denen ihre Friedensliebe nur Bau-
ernfängerei sein kann) und 2) keine Partei so zuständig für den
Frieden ist wie die SPD, die 3) wegen der Nachrüstung in Gefahr
ist, daß man ihr den Friedenswillen nicht mehr 100%ig glaubt.
"Nur mit der Entspannung ist die SPD zur Macht gekommen. Wenn
Aufrüstung das Gebot der Stunde wird, wählt keiner mehr SPD."
(Initiator Begemann)
Was der Bundesgeschäftsführer, weil er auf das schöne SPD-Wähler-
reservoir unter den Friedenfreunden glotzt, als Parole ausgab -
die Partei solle "in der Friedensbewegung eine größere Rolle
spielen" -, setzen diese SPD-Linken in die Tat um, freilich ohne
dafür von ihrem Kanzler oder auch bloß vom Glotz Lob zu ernten.
Denn wo Schmidt seine Glaubwürdigkeit (und die seiner Politik)
gerade dadurch unter Beweis stellt, daß er die Nachrüstung ohne
Wenn und Aber (nämlich genauso doppelt, wie sie gemeint ist) als
Beitrag zum Weltfrieden durchsetzt, da werben sie für die SPD
ausgerechnet mit moralischen Bedenken gegen die Politik ihres
Kanzlers.
Dementsprechend unterscheidet sich ihr Appell vom Krefelder:
1) durch ein dickes Lob der SPD und ihrer Leistungen. Ihr wird
"eine Serie positiver Ergebnisse" bescheinigt, als da sind:
- "menschliche Erleichterungen" - unschwer an den Fleischportio-
nen zu sehen, die sich heutzutage ein polnischer Arbeiter leisten
kann,
- "Vertragspolitik" - was bekanntlich das Gegenteil von Rüstungs-
politik ist,
- "sichere Arbeitsplätze durch Osthandel" - eine Lüge, die offen-
bar die wirtschaftliche Offensive gegen den Osten - trotz Polen -
für eine gute und zeitgemäße Sache hält. Und überhaupt: Ausge-
rechnet gegen die Aufrüstung fällt den Genossen von der SPD das
sozialdemokratische Ideal der Sicherung von Arbeitsplätzen ein.
2) durch die Bissigkeit, mit der die USA dafür verantwortlich ge-
macht werden, daß die SPD mit "wirklicher Friedenspolitik" nicht
mehr zum Zug kommt:
"Wir wollen die sozialdemokratische Entspannungspolitik nicht
verkommen lassen, nur weil die USA zur globalen Konfrontation zu-
rückkehren will und dafür keinen anderen Weg weiß, als die BRD zu
einer vorgeschobenen Raketenbasis gegen die UdSSR auszubauen".
Also: Für die "Ablehnung der amerikanischen Zumutung!" (Appell)
...ideologischer Flankenschutz für Helmut Schmidt
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Und damit nicht genug: Auch im Innern ist SPD-Politik schier
nicht mehr zu machen. Ihr armer Helmut mußte sich mit
"Schwierigkeiten bei der Abfassung des neuen Regierungsprogramms"
quälen, weil der von den USA diktierte "ungehinderte Fortgang des
Wettrüstens... insbesondere für den deutschen Arbeitnehmer Bela-
stungen (bringt), wie man sie sich bisher nicht vorstellen
konnte." Warum aber nur, wenn er ihnen ihr Geld aus der Tasche
zieht, weil er angeblich muß, beschimpft der Kanzler obendrein
ganz freiwillig seine Untertanen als verwöhnt?
Fazit des Appells: Wer gegen den Nachrüstungsbeschluß ist, unter-
stützt am besten uns Linke in der SPD, denn wir haben auch was
dagegen und dürfen es außerdem in der SPD laut sagen. Zwar hört
das der Kanzler nicht gern, weil er amerikanische Politik machen
muß statt Entspannung. Aber er an der Macht ist immer noch besser
als die CDU. Und dann gibt's ja auch noch uns in der SPD. Daß die
SPD und der Schmidt dran bleiben - um nichts anderes geht's die-
sen Friedensfreunden. Wenn die Schöfbergers, Duves, Coppiks etc.,
nachdem ihnen während der viertägigen Haushaltsdebatte mit Ver-
fahrenstricks das Recht bestritten wurde, als Abgeordnete vor dem
Bundestag zu reden, wo "Duve für sich und etwa andere 20 Linke
(nur) begründen wollte, warum er dem Rüstungshaushalt zustimme,
obwohl er eigentlich gegen Rüstung und für den Frieden sei.
Schöfberger wollte darlegen, warum er sich der Stimme enthalten
müsse." (Süddeutsche Zeitung, 5.6.81) -,
wenn diese Leute also so mit sich umspringen und sich geduldig
abkanzeln lassen - und zwar von ihren Parteigenossen! - und of-
fenbar gar nicht auf den Gedanken kommen, der SPD den Rücken zu
kehren, dann ist es ihnen halt auch nur darum gegangen, wieder
einmal ihre Bedenken öffentlich g e s a g t zu haben. Sie wären
ja sogar mit der Nachrüstung einverstanden, wenn die ebenfalls
beschlossenen Verhandlungen (die sie zur Bedingung für die
Nachrüstung erklärt haben und für das Gegenteil von Erpressung
der Russen halten wollen) baldmöglichst den Nachweis erbrächten,
daß die Nachrüstung n o t w e n d i g ist, weil die Sowjetunion
zur Abrüstung in dem geforderten Umfang nicht bereit ist. Was
bleibt einem SPDler denn dann anderes übrig?
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