Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral


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       Kirchen in Ost- und Westdeutschland
       

DER GÖTTLICHE FRIEDE IST TEILBAR

"Er lasse seinen Frieden ruhn auf unserm Volk und Land, er gebe Glück zu unserm Tun und Heil zu allem Stand." Der Herrgott würde über jeden Staat und jedes Volk seine schüt- zende Hand halten? Er würde ohne Ansehen des Systems über den Frieden wachen? Das kann wohl nicht wahr sein, denn offensicht- lich wird das zitierte deutsche Kirchenlied drüben mit einem ganz anderen Tenor gesungen als hüben. Der Welten Friedensstifter, Nr. 1 muß sein Herrenwort: "So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist" doch differenzierter gemeint haben, als man sich das so denkt, und in weiser Voraussicht des Systemkon- flikts. Jedenfalls bestätigen das die kirchlichen Verwalter sei- ner Botschaft. Pax Christi in oriente ---------------------- Wenn in der DDR die Friedensappelle der evangelischen Christen ziemlich anders klingen als die der Kirchen hier, liegt das kaum daran, daß die da drüben eine andere Bibelausgabe besitzen. Christliche Friedensliebe sieht nämlich in der Diaspora unter dem Sozialismus so aus: - "In unserem Lande gewinnt eine Militarisierung mehr und mehr Vorrang in allen Bereichen der Gesellschaft - es ist auf die Aus- dehnung der vormilitärischen Ausbildung hinzuweisen, auf die in- tensive Werbung von Schülern der Erweiterten Oberschule zu mehr- jährigem Wehrdienst..." (evang. Kirchenleitung Magdeburg) - "kalkulierte und mit den Verbündeten abgestimmte Vorleistungen in der Abrüstung (zum Beispiel Reduzierung der SS-20-Raketen)... Abbau der zahlenmäßigen Panzerüberlegenheit des Warschauer Pak- tes." (Synode in Halle) - "Ein sozialer Friedensdienst" wird gefordert mit dem frechen Argument, daß doch die DDR kein Interesse an einer schwindenden Glaubwürdigkeit der westdeutschen Friedensbewegung haben könne: "Eine Negierung des Friedensanliegens, das in diesen Eingaben (für Wehrersatzdienst) ausgesprochen wird, würde die Friedensak- tionen besonders in Westdeutschland als einseitig (!) und daher weniger glaubwürdig erscheinen lassen." (Magdeburger Kirchenlei- tung) Und so fassen Christen in der DDR ihren Standpunkt zusammen, "unbequeme Kirche" sein zu wollen: "Wir sind uns dessen bewußt, daß wir mit diesen Überlegungen auf den ersten Blick nicht 'konform' erscheinen. Wenn es um die Ver- antwortung für den Frieden geht, können Kirchen nicht einfach zu Verstärkern der Außenpolitik ihres eigenen (!!) Staates werden. Wenn Kirchen nur noch diese Verstärkerrolle spielen, fallen sie als Potential zur Konfliktregelung und also als 'Friedensmacher' aus. " (Krusche, ebenda) Während die Kirche-West staatsloyal aus Gewissensgründen ist, bremst sich die Kirche-Ost in ihrer prinzipiellen Gegnerschaft zum atheistischen Sozialismus und zeigt christlichen Opportunis- mus, um auch unter kommunistischer Obrigkeit wenigstens Kirche i m Staat zu bleiben, wenn man schon nicht mehr Staatskirche sein kann. Die weltpolitische Offensive des Westens ermuntert die DDR-Evangelen, etwas weniger auf "Kooperationsbereitschaft" zu machen, sondern aus "christlicher Verantwortung" die SED mit den Forderungen w e s t l i c h e r Friedenspolitik zu konfrontie- ren. Man stelle sich nur einmal vor, die EKD würde Schmidt und Genscher die Gefolgschaft aufkündigen und sich als alternativen "Friedensmacher" ins Spiel bringen! Aber das ist ja das Schöne an der christlichen Glaubensfreiheit, daß der Geist der Bibel in der BRD nicht gebietet (obwohl hier Aufrüstung und Militarisierung nicht minder stattfindet), was er in der DDR unbedingt befiehlt. Frappant die taktische Offenheit, mit der ein Erfurter Propst anläßlich der Synode, auf der es um so etwas Neutrales wie den Frieden (in Freiheit) ging, die kirch- liche Mission auf den Begriff brachte: "Es sei dem Ausschuß nicht möglich gewesen, eine 'bekenntnishafte Absage an das Abschreckungssystem' zu formulieren und zur Stel- lung des Christen zum Wehrdienst eine klare Aussage zu machen. Diese Aussage hätte u.a. die Feststellung enthalten müssen, daß 'aufgrund unserer theologischen Erkenntnisse und unserer Situati- onsanalyse zum Weg des Wehrdienstes nicht mehr mit Gründen der Vernunft' ermutigt werden könne, sagte Falcke. Es habe im Aus- schuß die Befürchtung bestanden, daß weder in der Synode, noch in den im Kirchenbund zusammengeschlossenen Kirchen und schließlich auch nicht mit den Schwesternkirchen in der Bundesrepublik die erforderliche Einigkeit darüber erzielt werden könne. Solange solche Einmütigkeit aber nicht besteht, setze sich diese Ent- scheiduog dem Verdacht aus, 'daß wir nicht den Frieden meinen, sondern einem bestimmten gesellschaftlichen System, einem be- stimmten Staat unseren Wehrdienst verweigern.' Darum habe der Ausschuß hier nicht mit aller Deutlichkeit reden können, 'wie wir eigentlich unserer Meinung nach müßten'." ( Frankfurter Rund- schau) Wirklich ausgesprochen deutlich das Bekenntnis, daß man in der DDR völlig zu Recht eigentlich gegen jede Rüstung und jeden Wehr- dienst zu sein hat, während man sich mit den westdeutschen Schwe- stern einseitig einig darin ist, daß sich im System der Freiheit schon die theologische Erkenntnis finden läßt, weshalb Waffen, Soldaten, Abschreckung und Kriegsbereitschaft dort notwendig sind. Pax Christi in occidente ------------------------ Der Geist Christi redet halt nur mit einer Zunge, wobei es natür- lich auf den Ort ankommt, wie er die Klappe aufmacht: Drüben fal- len harte Worte gegen die Verteidigungsanstrengungen des soziali- stischen Vaterlandes. Das wird hier begrüßt und vor allem darauf hingewiesen, wie sehr die DDR die Friedensbewegung dort unter- drückt: "Pazifistische Töne sind nicht erwünscht." (FR) Im freien Westen dagegen wird die Friedensbewegung staatlich gefördert, wenn damit die Friedenspolitik Helmut Schmidts gemeint ist - selbst Demonstrationen für die Regierungspolitik und gegen Breschnew sind gern gesehen -, und die christlichen Kirchen wei- sen, im Verein mit den Politikern, alle zurecht, die einseitig oder unrealistisch oder zu radikal für den Frieden eintreten. Das ist eben der Unterschied zu Ostdeutschland, daß in Westdeutsch- land Kirche und Staat zu Recht e i n Gefechtskörper sein dürfen und auch sind. Mag auch die EKD - die Katholen sind da traditionell strammer und direkter bei der offiziell befohlenen Sache - eine Menge kriti- scher Ideale und Bedenken und moralischer Einwände vorbringen, etwa die alte Illusion von der "Weltfriedensordnung" oder "daß man das Schlechte nicht nur im Gegner und im Gegner nicht nur das Schlechte sieht" (Friedensdenkschrift), ein Vorwurf an die Poli- tik in Bonn und ihre planmäßigen Zwecke kommt nicht heraus, wie es drüben den Evangelen offenbar erlaubt sein soll. Hier soll es vielmehr an den Waffen liegen, die den auf ihre Verantwortung so stolzen Politikern angeblich entgleiten, daß der Friede unsicher geworden ist. "Die Werkzeuge militärischer Bedrohung dürfen sich nicht als In- strumente der Politik verselbständigen, weil (!) sonst die unter- schiedliche Einschätzung des Gegners und der Fortschritt der Waffentechnik zu einer permanenten Steigerung der Rüstung verlei- ten." (Friedensdenkschrift) Der Fehler der Friedensbewegung, die W a f f e n zur U r s a c h e des Krieges zu erklären und die Politiker zu Op- fern des von ihnen selbst angeschafften Zeugs zu verniedlichen, was dann als Kritik formuliert wird, man solle vorsichtig sein mit der Anschaffung von Vernichtungspotential, taucht in der evangelischen Argumentation gleich als Mahnung und m o r a l i- s c h e r Appell an die P o l i t i k auf, sie solle sorg- fältig mit dem Kriegswerkzeug umgehen, weil, so der Höhepunkt in der Denkschrift, letztlich auch die Bundeswehr ein Geschenk Gottes an seine auserwählten Politikermenschen sei: "Das Amt der politischen Verantwortung ist eine gnädige Anordnung Gottes, in der Gott den Menschen seine Liebe zuwendet, weil es im Dienste des Friedensgebote steht, um der Gewalt und dem Unrecht zu wehren." Wenn es dann doch einmal krachen sollte und die Gewalt losbricht, dann waren es nicht die Herren Politiker, die auf Krieg für i h r e Politik gesetzt haben, sondern die Politik selbst soll "gescheitert" sein. Tragisch, aber durchaus ernst gemeint: "Krieg bedeutet, prägnant und ohne Abstriche, das Scheitern von Politik." In der DDR, ja in der DDR heißt dasselbe aus derselben christli- chen Sicht "Militarisierung", an welchem Übel die dortigen Poli- tiker allein schuld sind. Gegen die Fuchtel des Sozialismus ist das subjektive Gewissen eines christlichen Pazifisten schon ge- fragt, bei uns dagegen gilt es als verantwortungslos, einer über- geordneten, allgemeinen Pflicht der Verteidigung mit seinem egoistischen Gewissen zu kommen, anstatt sich der geltenden Frie- denspolitik zu unterwerfen. Muß man so dem Frieden "dienen, so ist die eigene Gewissensentscheidung zu überführen in die Wahrnehmung praktischer politischer Verantwortung." (Denk- schrift) Im Lande der Freiheit, dort wo allein der Herr seinen Frieden ru- hen lassen darf und die Kirchen unbehelligt die staatliche Aufrü- stung mit ihrer moralischen begleiten dürfen, ist das Treiben der Politiker schon in (der göttlichen) Ordnung; sie sollen sich bit- teschön nur noch mehr anstrengen - als wenn es ihnen darum ginge -, die Lage zu entspannen: "Die Kirche muß auch heute, 22 Jahre nach den Heidelberger The- sen, die Beteiligung am Versuch, einen Frieden in Freiheit durch Atomwaffen zu sichern, weiterhin als eine für Christen noch mög- liche (?) Handlungsweise anerkennen... Deshalb hat die Kirche Achtung und Verständnis für diejenigen, die in der Bundeswehr Dienst leisten. Allein: diese Handlungsweise ist nur in einem Rahmen ethisch vertretbar, in welchem alle politischen Anstren- gungen darauf gerichtet sind, Kriegsursachen zu verringern..." (Denkschrift) Pax ecclesiae catholicae ------------------------ Die katholische Mission für die Freiheit, hinter der selbst der Frieden zurückzustehen hat, mag er auch irgendwie von Gott kom- men, läßt solche protestantische Schlenker wie "mögliche Hand- lungsweise" erst gar nicht aufkommen. Das Positionspapier des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und sein Generalsekretär Hans Maier stellen einen "Sündenkatalog" der Sowjetunion auf und betonen die "wurzelhafte Unmenschlichkeit des kommunistischen To- talitarismus". Klar, daß alle Abschreckungsmittel westlicher Friedenspolitik ihren Segen bekommen: "Der NATO-Doppelbeschluß und die Entscheidungen über die Neutro- nenwaffe sind Beispiele für eine Politik, die über den Weg des militärischen Gleichgewichts auf Rüstungsabbau (!), Entspannung und Frieden zielt." (Friedenspapier) Die Friedensbewegung hier aber - dieselbe, die sich drüben ruhig pazifistisch geben soll - ist vor Gott und seinem Laien-Maier längst in Ungnade gefallen: "Sie verharmlose den Kommunismus, verkenne die Sicherheitslage Deutschlands, sei privatistisch und unpolitisch und biete in ih- rer Naivität einen Nährboden für aktive Minderheiten mit totali- tären und anarchistischen Zielen." (nach Frankfurter Rundschau) Waffensegnungen unter der Losung: "Für Gott gen Osten!" wurden noch nicht beschlossen, obwohl der Kultusminister aus Bayern "nur einem Frieden: dem göttlichen" traut. Schritte zurück zu einem gesunden freiheitlichen Totalitarismus à la "Gott mit uns!" schlägt der ZK-Chef der Katholiken aber schon vor. In seinem neuen Buch "Worauf der Frieden beruht - Weihnachtsmeditationen" beklagt er: "Wie sehr haben heute in unseren Städten Demonstrationen die Pro- zessionen verdrängt." Verneigt Euch vor dem Herrn des Himmels, und Ihr kommt gut mit der Unterwerfung unter den Absolutheitsanspruch der Nation zu- recht! Pax nobiscum ------------ Man könnte Hans Maier leicht mit der gottlosen "Stimme der DDR" verwechseln, wenn er tönt: "Niemand braucht bei uns dafür auf die Straße zu gehen, daß die Regierung etwas gegen das Wettrüsten tut; einfach weil jeder weiß, daß unser Staat dasselbe will wie die Bürger, und zwar nicht nur als leere Floskel." Auch die Stimme eines Arbeiters aus der DDR müßte Maier guthei- ßen, wenn er nicht für das DDR-Fernsehen gesprochen hätte, son- dern als katholischer Laie hier: "Unser Friedensmarsch ist gewissermaßen die tagtäglich hohe Lei- stung in der Produktion, denn dadurch helfen wir, den Staat zu stärken und den Frieden sicherer zu gestalten." Der Unterschied ist nur, daß es sich aus westdeutscher Sicht nicht gehört, für das "unmenschliche", gottlose, "höllische" Sy- stem des anderen Deutschland Prozessionen zu veranstalten. Der liebe Gott ist nämlich drüben nur mit 'anti' wohlfeil zu haben, hier nur mit 'pro'. So will es der grenzenlose Friede im Herrn, bzw. so wollen es der Maier, und seine katholischen Brüder und seine evangelischen Schwestern von wegen der Freiheit, die über alles geht. Schließlich fielen die Mauern von Jericho auch! *** Sozialer Dienst für Verkündigung -------------------------------- "Höhere Einnahmen durch die Kirchensteuer hat der evangelische Hamburger Bischof Hans Otto Wölber gefordert. Sie solle nicht mehr an der Lohn- und Einkommenssteuer orientiert sein, sondern einen bestimmten Prozentsatz des Einkommens ausmachen, damit auch Rentner und Selbständige stärker zur Kasse gebeten werden können. Der Bischof begründete seinen Vorstoß damit, daß die Aufgabe der Verkündigung Vorrang habe, gleichzeitig aber die sozialen Dienste aufrechterhalten bleiben müßten, denen andernfalls Schließung drohe." (Abendzeitung) zurück