Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
zurück Gerhard Kade, "Generale für den Frieden - Interviews"DIE NATO DER VATERLÄNDER - KRITISCH
Acht ehemalige NATO-Generale, mehr als bloß repräsentative Teil- nehmer an sämtlichen Kriegen der letzten Jahrzehnte, sozusagen Spitzenfunktionäre, angefangen vom Weltkrieg II über sämtliche Kolonialkriege vom Kongo, Algerien, Vietnam bis zu Angola und Mo- sambik, nebst einigen weniger bekannten in Südostasien, Afrika und im Friedensdienst der UNO, vorgestellt unter dem Titel "Für den Frieden" sind kein schlechter Witz des Herausgebers. Im Ge- genteil - dieses Exemplar eines Friedensforschers meint, die mo- ralische Berechtigung seiner Sorte Vaterlandsverteidigung ganz unwiderleglich zu machen durch Zeugen aus dem für das Morden im Staatsdienst zuständigen Berufsstand. Daher die einem Friedensfreund gar nicht peinlichen Komplimente für die Herren Generale: "Allein die bedeutenden, hohen und höchsten Stabsfunktionen und Kommandoposten, die sie in der Überzeugung, ihrem Vaterlande zu dienen, bis zu ihrer ehrenvollen Verabschiedung innehatten, zeu- gen von der Gewissenhaftigkeit, dem Ernst und der Hingabe, mit der sie ihren militärischen Beruf ausübten." Mit "Ernst und Hingabe" ein Leben lang die modernen Methoden trainiert und in allen Ernstfällen der letzten 40 Jahre das ei- gene Personal "mit Gewissenhaftigkeit" zum Umbringen und Umbrin- genlassen losgeschickt zu haben, das b e r e c h t i g t in den Augen des Herausgebers zu einem g e w i c h t i g e n Urteil. Das gibt G l a u b w ü r d i g k e i t, die der normale Mensch entbehren muß. Wer wollte einem General, der sein Leben lang zweifelsfrei patriotisch begründete imperialistische Feldzüge ge- plant und unternommen hat, die Lauterkeit seiner Friedensliebe bezweifeln, eine Friedensliebe rein um der Nation willen und frei von jedem Verdacht auf Eigennutz? Nicht nur das, die Herren sind vom Fach. "Die Perfektionierung der Waffensysteme, die auch das Militär er- fassende Spezialisierung und Automatisierung und nicht zuletzt der Schleier der Geheimhaltung machen das Tun und Lassen militä- rischer Führungskräfte in unserer Gesellschaft schwer durchschau- bar und entziehen den militärischen Bereich weitgehend der Kon- trolle der Öffentlichkeit... Es fehlt weitgehend eine sachliche, vorurteilsfreie Information der Öffentlichkeit, um qualifiziert das beurteilen und bewerten zu können, das da geschieht... Ihre militärischen Fachkenntnisse machen sie zu Zeugen." Denn h ä t t e n die Russen wirklich 28 3/4 Sprengköpfe mehr oder l i e ß e sich ein Atomkrieg übersehbar begrenzt abhalten, ja dann müßte ein s o l c h e r Kriegsgegner seine "qualifizierten Urteile" wohl noch einmal überdenken. Als ob o h n e Statistiken über die 300%igen Overkillkapazitäten kein Urteil über die westlichen Rüstungsabsichten abzugeben wäre, als ob o h n e die Aussage echter Militärs, daß und wie der Westen rüstet, den Auskünften ihrer politischen Auftraggeber null In- formation zu entnehmen wäre - "militärische Fachkenntnisse" sol- len vonnöten sein. Das "qualifizierte Urteilen" fällt denn auch dementsprechend aus: Solche Art Friedensliebe erklärt sich von Beweisen, Autoritäten und Bedingungen a b h ä n g i g, deren g ü l t i g e Interpretation und Benützung die Fachleute der westlichen Politik längst vorgelegt haben, nur eben in entgegen- gesetzter Richtung und mit der Autorität der Sachwalter der Na- tion auf ihrer Seite. Wären sie wenigstens Fachleute, die Generale, die sich da über die Weltlage aussprechen. Denn die kleine Verwechslung des Herausgebers, daß die eigentlich erschütternden Erkenntnisse die übers Kriegs h a n d w e r k und dessen Funktionäre waren, die es zu verbreiten gilt, und nicht Aufklärung über die P o l i t i k, die in dieser Abteilung wie in jeder anderen bloß ihre Beamten für die Ausführung der jeweils fälligen Aufgaben unterhält - diese Verwechslung stellen die In- terviewten auf ihre Weise richtig. Zu Protokoll geben sie keiner- lei Enthüllungen aus den Armeestäben oder NATO-Konferenzen, son- dern verbreiten ebendieselben Ideologien über Krieg, Frieden und Politik, wie sie jeder Zivilist, wenn auch nicht in dieser kriti- schen Absicht vertritt. Das Märchen, von dem der Herausgeber sich hat inspirieren lassen, daß nämlich im Militär die eigentlichen Fädenzieher säßen, wider- legt sich auf jeder Seite damit, daß diese Generale a.D. auch keine sonderlichen Erkenntnisse verbreiten. Wenn sich schon jeder Lehrer das geistig-seelisch-leibliche Wohl seiner Schüler als Be- rufszweck zurechnet, warum soll ausgerechnet ein General an weni- ger harmonische Idiotien als Aufgabe seines Berufsstandes glauben und mehr Durchblick haben als andere Mitglieder seiner friedli- chen Gesellschaft? Merkwürdig an den acht Figuren ist nur eines: Daß lebenslange NATO-Funktionäre nun, wo es auf die Einlösung des NATO-Auftrags zugeht, auf einmal ihre Zweifel bekommen. Ein nor- maler General - und die acht sind eben acht Ausnahmen, deshalb hat der Professor Kade nach seiner Idee auch so lange suchen müs- sen - ist fürs Siegen und trägt sein Scherflein dazu bei, egal mit was für Vorstellungen im Kopf. Allerdings, daß da acht Gene- rale auf einmal mit der nunmehr von den westlichen Politikern be- schlossenen Methode des Siegens ihre Probleme bekommen, ist wie- derum so merkwürdig auch nicht, zieht man ihre Begründungen heran: Acht N a t i o n a l i s t e n, als a.-D.-ler in andere staatliche Funktionen abgewandert, nehmen die ihnen gewohnten Lü- gen über ihre nationale Aufgabe so ernst, daß sie zu dem Schluß kommen, die würde neuerdings von der NATO mißachtet, und melden dagegen ihren Protest an. Ein Panoptikum nationalistischer Räsonnements des Westens, sor- tiert je nach Rang und Potenz des jeweiligen Vaterlands, mit In- brunst vertreten je nach den gültigen Sprachregelungen eben die- ses Vaterlands und gemäß den Formen seiner selbstgefälligen Selbstdarstellung - so sehen die acht Zeugnisse "für den Frieden" aus. John Marshall Lee, ------------------ "Tätigkeit in leitenden Kommando- und Stabsfunktionen der US-Ma- rine, als Chef des Planungsstabes beim stellvertretenden Vertei- digungsminister, als stellvertretender Leiter des Internationalen Stabes beim Militärausschuß der NATO und schließlich im Amt für Rüstungskontrolle und Abrüstung der USA 1970-73", hat nicht wie die meisten seiner Mit-Generale ein Problem mit ei- ner zu kurz kommenden Souveränität seiner Nation, sondern bloß mit "der modernen Militärtechnik", die "könnte" nämlich "die Grundla- gen der gegenwärtigen Abschreckungsstrategie zum Wanken bringen", indem die ganz ohne Wissen und Wollen der Zuständigen sich meh- renden Mittel der Kriegstechnik eine gestreßte Regierung in Ver- suchung geraten lassen: "Also unter einem derartigen Streß" ("Feindseligkeiten", die auch einfach so "ausbrechen") "und zumindest in der vagen Hoffnung, daß keine endgültige Eskalation folgt, könnte es mitunter schwer- fallen, der Versuchung eines begrenzten Einsatzes zu widerste- hen." How to manage the problem? Als ehemaliger SALT-Beamter sieht Lee einfach nicht ein, sich das Patentrezept der Abschreckung durch die blöde Waffentechnik und deren Entwicklung kaputtmachen zu lassen - daß deren Entwicklung, die ja irgendwer im Pentagon ver- anlaßt hat, die Widerlegung seiner SALT-Ideologie sein könnte, so etwas Böses will er seiner Regierung nicht nachsagen. Der alte T i t e l der US-Aufrüstung - zwecks Abschreckung garantiert un- verwundbare Zweitschlagskapazität - einfach mal als Z w e c k der Aufrüstung genommen, läßt ihn im Weiterrüsten einfach keinen Sinn mehr erkennen. "Die Vereinigten Staaten gehen einer Situation entgegen, in der etwa Mitte der achtziger Jahre ihr heutiges Minuteman-System zu- mindest theoretisch durch einen Präventivschlag der UdSSR in Mit- leidenschaft gezogen werden kann... Die sowjetischen Raketen der vierten Generation würden die Minuteman bedrohen. Die MX wären eine Gefahr für die vierte Generation. Dann würden Neuentwicklun- gen folgen, mit denen wiederum die MX in Gefahr geraten würde. Zusammenfassend kann deshalb festgestellt werden, daß der Weg der Waffenentwicklung, des Wettrüstens keine zuverlässige Grundlage ist und unausweichlich zum Abbau der Stabilität führt. Er wäre weniger gefährlich, weniger kostspielig und mit weniger Feindse- ligkeit belastet, wenn sich die Ausgaben mit Hilfe einer verein- barten Rüstungskontrolle lösen ließen." Eine strategische Rücksichtnahme - wenn die andere Seite eher schießt, noch möglichst viel zum Zurückschießen sicher übrig zu haben - als obersten Z w e c k des Rüstens zu behandeln, und zwar als auf b e i d e n Seiten so gehandhabtes Mittel der w e c h s e l s e i t i g e n Abschreckung, so daß der eine den Frieden vorm anderen schützt, der ihn wiederum vor ihm schützt, ist schon keine sonderlich gescheite Vorstellung. Wenn sich beide d a r i n e i n i g sind, wäre das Ganze auch einfacher zu ha- ben. Da traut Lee seiner eigenen Ideologie im übrigen auch nicht völlig: Gegen die "Kriegsgefahr" will er zur Sicherung doch immer genug in Händen haben. Sein Spezialproblem ist aber, keinen be- stimmten technischen Stand als Optimum der Unverwundbarkeit ent- decken zu können, von daher alles weitere für sinnlos zu befinden und deshalb seiner Regierung zu empfehlen, sich der weiteren Ge- fährdung ihrer schönen Zweitschlagskapazität durch naturwüchsige Technik nicht auszusetzen und dies den Ruuen auch auszureden. Dieser Grad von Spezialistenborniertheit, die es zum höchsten An- liegen amerikanischer Politik erklärt; die Unverwundbarkeit der 3. US-Raketengeneration durch die 4. sowjetische und vice versa zu schützen, verdankt sich einem ziemlich grenzenlosen Vertrauen in die boys im Weißen Haus, so daß ein Ami-General auch ganz SALT-Technokrat sein will und darf und jenseits all dessen, wozu seine Raketenabzählerei und -vergleicherei und Unverwundbarkeits- optimierungsmodelle per SALT getaugt haben. Lee will sich seinen Glauben nicht nehmen lassen: "Die Führungsspitzen auf beiden Seiten sind sich voll und ganz der Tatsache bewußt, daß auch ein begrenzter Einsatz von Kernwaf- fen große Zerstörungen anrichten und hochgradig mit der Gefahr der Eskalation in einem allumfassenden Schlagabtausch einhergehen würde", beharrt störrisch auf seinen Erfahrungen als Rüstungskontroll- tüftler, die doch zu schade dafür sind, einfach links liegen ge- lassen zu werden: "Die Kontrollmaßnahmen müssen hautnaher gestaltet werden. Das er- fordert Phantasie und harte Verhandlungen, ist aber nicht un- durchführbar. Ein schönes Beispiel hierfür sind die in SALT-II festgelegten Regeln zum Zählen von Mehrfachsprengköpfen. Sie er- möglichen eine Kontrolle der Einhaltung der vertraglichen Ver- pflichtungen zur oberen zahlenmäßigen Grenze bei Raketen mit Mehrfachsprengköpfen. Ursprünglich schien hier ein unzumutbar hautnahes Inspektionssystem unumgänglich zu sein, aber die Ver- handlungspartner überwanden die Schwierigkeit durch die Ausarbei- tung eines höchst phantasiereichen Systems von Zählregeln." Vor lauter Sprengköpfe z ä h l e n, mit ein bißchen Einbildung, das wäre der Sinn von Rüstungskontrollverhandlungen, läßt sich deren Z w e c k eben auch vergessen. Aber wenn er auch die Zeit nicht mehr ganz verstehen mag mit ihren Wein- und Eagleburgers, denen seine SALT-Erfolge als ein einziger Ausverkauf amerikani- scher Positionen gelten, seinem Herzensanliegen der Unverwundbar- keit kommen sie schon auch nach. Mit dem Programm des Totrüstens ist für den Ernstfall ganz unverwundet genügend zum Zünden da. Das amerikanische Volk wird er mit seinem SALT-Spleen wohl kaum gegen Reagan auf die Beine bringen. Der deutsche Kollege gibt demgegenüber schon eine wesentlich kom- plexere Stellungnahme ab. Wolf Graf Baudissin ------------------- gelang "1930 die Flucht vor dem Nationalsozialismus" hinein in die Wehrmacht, in der er bis zum Kriegsende unter Rommel den Na- tionalsozialismus ehrbar verteidigte, danach "Aufbau der Inneren Führung", Karriere bis ins NATO-Oberkommando Europa, "beobachtete" dort "mit etwas Neid, welche Hilfe vor allem ameri- kanische Mitarbeiter von ihren think-tanks erhielten", und be- schloß nach Ende seiner militärischen Laufbahn, selber so einer zu werden. Der Graf nützt dementsprechend die Gelegenheit schamlos aus, für sein politologisches Weltpolitikmodell Reklame zu machen, das er bereits bis zum Grad der Formelbildung vorangetrieben hat. Es heißt KRSt = Kooperative Rüstungssteuerung. Darin nimmt er sich die Freiheit, den Gegensatz der Weltmächte und Blöcke einmal von oben herab zu betrachten und ihn - ganz Me- thodiker der Weltordnung - so um seine Existenz zu bringen. "Sicherheit gibt es nur noch für alle unter gemeinsamen Anstren- gungen und nicht mehr zu Lasten Verunsicherter. Sicherheitspoli- tik wird damit mehr und mehr zur Hilfsstrategie für Entspannungs- politik." Daß die Politik darum ringt "Sicherheit" zu stiften, Sicherheit vor den "Konflikten", die sie selbst in die Welt setzt, bereitet Baudissin kein Kopfzerbrechen, genauso-wenig wie sein nächster Schritt, der an eben diesen Sicherheitsbestrebungen die seltsame Wirkung der "Destabilisierung" ausmacht: "Die Stabilisierung des internationalen Systems destabilisiert also die Subsysteme... Eurokommunismus" (kommt bloß rein aus Gründen der Symmetrie) "... Dissidenten... Polen... Rumänien... " Das stellt nebenbei auch im Rahmen des Stabilitätsmodells klar, wer mehr Instabilität schafft, "Systeme, die sich pluralistisch verstehen und daher auf Konflikte aller am und ihrer Regelung eingestellt sind, haben es leichter, sich entspannungskonform zu verhalten..." Das macht jedoch das g e m e i n s c h a f t l i c h e Sicher- heitsstreben umso notwendiger und wirklicher, nur trifft dies dann ausgerechnet auf "I n t e r e s s e n g e g e n s ä t z e und schwer vereinbare Zielvorstellungen der Weltmächte" als Hin- dernis, wobei gar nicht zufällig die Zielvorstellungen des Ostens noch unvereinbarer sind als die des Westens - "Moskaus Strategie bleibt aber eine besondere Form des interna- tionalen Klassenkampfes mit dem historisch vorgegebenen Ziel des weltweiten Sieges über den Kapitalismus. Friedlich ist dabei ein- zig der Verzicht auf heißen Krieg", während "der Westen in einem 'friedlichen Wandel' des östlichen Systems eine wesentliche Vor- aussetzung für ein gewaltfreies Neben- und Miteinander auf län- gere Sicht" sieht -, womit im Rahmen der weltumspannenden Gemeinsamkeit auch noch die Schuldfrage geklärt wäre. Daß Baudissin in ideologischer Verbrä- mung die durchaus imperialistische Intention des Westens benannt hat, stört ihn weiter nicht, denn getrennt von der Politik pflegt er die Überzeugung von der "Sinnlosigkeit des Krieges", wodurch die Waffen gleich alle unter dem Titel Kriegsverhinderung laufen. An Problemen gibt es dabei nur die, daß die zwecks Kriegsverhin- derung aufrüstenden Nationen 1. eine "ungenügende Konfliktfähig- keit" haben, die brauchen sie wieder wegen der Baudissinschen Ge- meinschaftlichkeitsperspektive, die die Konflikte aus dem Nichts entstehen läßt; 2. sehen sich die geplagten Politiker auch noch einem "Modernisierungs- und Perfektionierungsdruck" ausgesetzt, "der sich nur noch gemeinsam auffangen läßt." Bei soviel Verständnis für die Staatschefs, die gegenüber all den Konflikten und Problemen fast schon mit dem Rücken zur Wand stün- den, hätte er nicht sein KRSt-Konflikt- und Lernfähigkeitsmodell für sie parat, hat der Graf selbstredend auch genügend Einsicht in die Erfordernisse seines alten Ressorts. Ausgerechnet unter dem Namen "Kriegsverhütungsstrategie" ist nämlich wegen deren Glaubwürdigkeit die totale Aufrüstung unabdingbar: "Hier muß das Risiko so hoch und so erkennbar wie möglich blei- ben; es muß glaubwürdig und kalkulierbar demonstriert werden, daß ein Angreifer nach relativ kurzer Zeit vor der Alternative stünde, den status quo wieder anzuerkennen oder aber eine irrepa- rable Katastrophe zu erleiden." Und "daß Streitkräfte im Kernwaffenzeitalter nur noch kriegsver- bütende, höchstens friedens w i e d e r h e r s t e l l e n d e Funktionen haben dürfen", wer wollte einem altgedienten General das quidproquo verdanken, wo doch auch Kollege Weinberger die blöden Fragen nach Sieg oder Abschreckung - was denn nun? - nicht leiden kann. "Es ist mir egal, wie Sie das nennen." Daß der Herausgeber bei der Vorstellung seines Buchs die acht Ge- nerale als Gegner der Nachrüstung angepriesen und damit den guten Baudissinschen Namen doch etwas mißbräuchlich verwandt hat - schließlich hält der ja den Doppelbeschluß für einen guten Schritt in Richtung auf sein KRSt, pflegt die besten Beziehungen zur Hardthöhe und trägt mit seiner Fliege gerne zur wissenschaft- lichen Zukunftsproblematisierung im Rahmen der SPD bei -, so et- was muß man einem auf die Generalswürde erpichten Friedensfreund schon verzeihen. Michael Harbottle, ------------------ "im 2. Weltkrieg in Italien verwundet... Ihre militärischen Auf- gaben haben Sie in viele Länder Europas, nach Afrika und nach In- dien geführt...", schließlich "Stabschef der UNO-Friedenstruppen auf Zypern Mitte der sechziger Jahre", findet auch, daß "Waffensysteme" das gute alte Abschreckungskon- zept "unterminiert" - haben, weil einerseits "eine einflußreiche Rüstungslobby immer wieder den Kongreß und das Weiße Haus im Sinne einer ständigen Veränderung der sogenann- ten Verteidigungsausgaben manipuliert" und andererseits "gewisse Leute im Pentagon... unrealistische, aber gefährliche Spekulatio- nen anstellen" und "die Neigung zum Einsatz dieser Waffen in der neuen USA-dministration bedeutend sein dürfte." Dagegen muß er im Namen Großbritanniens Protest einlegen: "Wie ist es möglich, daß Großbritannien oder ein anderes NATO- Land sich an eine Politik gebunden fühlt, die das Überleben der ganzen Nation in Frage stellt im Ergebnis von Entscheidungen, die von einem geheimen NATO-Komitee getroffen werden dann vielleicht in Brüssel ohne öffentliche Diskussion oder parlamentarische Zu- stimmung gebilligt werden, um dann die Verfügung dieser Kernwaf- fen in die Hände von ausländischen Militärs zu legen, die selbst im angeblich sicheren Bunker sitzen und deren Heimatland von ei- nem solchen begrenzten Krieg nicht berührt würde?" Auf einmal fällt ihm auf, daß ein Krieg Opfer zu verursachen pflegt - "Sind wir selbst darauf vorbereitet, den Einsatz solcher Waffen gegen Unschuldige, gegen Kinder und Alte auf der Seite des soge- nannten Feindes zu unterstützen?" -, als ob ihm bei den "militärischen Aufgaben, die ihn nach Afrika und Indien geführt" haben, nie Alte und Kinder untergekommen wä- ren - aber das waren dann wohl keine "Unschuldigen". Der plötzliche Aufschwung moralischer Skrupel in Harbottles Ge- wissen verdankt sich seiner Kosten-Nutzen-Kalkulation "das Über- leben der g a n z e n Nation in Frage gestellt" -, weshalb er dann auch ganz blindwütig die guten imperialistischen Interessen Großbritanniens nicht mehr kennen will, für die er sein Leben lang unterwegs gewesen ist und wegen derer sein "Land" sich kei- neswegs bloß an die NATO-Politik "gebunden fühlt.". "Ist der Tod von 15 oder 20 Millionen und die v ö l l i g e Zerstörung des Landes gegenüber einer Besetzung vorzuziehen, die doch immerhin die Möglichkeit von Aufständen und einer Selbstbe- freiung nach einiger Zeit bieten könnte?" Obwohl er das doch selber besser wissen müßte, daß eine Nation seines Kalibers sich nicht von der zweifelhaften Aussicht auf einen 'Sieg im Volkskrieg' abhängig zu machen pflegt, sondern eben dafür eine Armee und ein Bündnis hat, mittels derer ihre In- teressen auf Kosten einiger Portionen Volk geschützt werden. Eine solche Unterscheidung zwischen Großbritannien und seiner Bevölke- rung ist ihm aber wohl zu unbritisch: Harbottle setzt dagegen auf Labour gegen die Tories, die samt dem TUC ausgerechnet für den "demokratischen Druck der Bevölkerung" stehen, und zitiert wohl- wollend einen betriebsrätlichen Alternativplan zur Arbeitsplat- zerhaltung in der Rüstungsindustrie, mit dem er liebenswerter- weise auch die manipulierende Rüstungslobby für andere Profitmög- lichkeiten zu erwärmen sucht: "Gelänge es nachzuweisen, daß alternative Produktionen ähnlich profitabel wie die Rüstungsproduktion sein könnten, könnte mögli- cherweise auch der Widerstand einflußreicher Interessengruppen gegen eine Reduzierung der Rüstungseusgaben abgebaut werden." Der Weltpolitik, auf die er mit der angeblichen Aufgabe, "Konflikte zu lösen", auch nichts kommen lassen will, empfiehlt er, sich von den "Waffensystemen" zu trennen, die "in unserem technologischen Zeitalter Militärstrategie und taktische Konzepte diktieren." Stattdessen "könnte die Entwicklung der UN-Friedenstruppen die Basis für solche Strukturen schaffen, die diesen Gefahren entge- genwirken." Das hat ihm wohl auf Zypern gut gefallen, die Vorstellung, daß die UNO dort in der Mitte zwischen Griechen und Türken als "Wächter ihres Friedens und ihrer Sicherheit" herumgestanden sein soll. Bei seinem UNO-Idealismus fällt ihm nur rückwirkend ein, daß dessen Betätigung irgendwie etwas mit den Interessen der be- teiligten Nationen zu schaffen hat: "Das setzt allerdings voraus, daß die UN-Mitgliedsstaaten ihre Entschlossenheit und ihren festen Willen zur Schaffung solch ef- fektiver Mechanismen unter Beweis stellen, die erforderlich sind, um die UN-Friedenskräfte wirksam zur Geltung zu bringen." Gegenüber diesem denn doch etwas matten britischen UNO-Imperia- lismus, der der ganzen Welt garantiert unparteiische Truppen ne- ben ihre Konflikte zu stellen verspricht, ist der Vertreter der Grande Nation jenseits des Kanals von einem erfrischenden, wenn auch leicht verrückten Nationalismus. Antoine Sanguinetti, -------------------- Kampfgefährte de Gaulles, "als stellvertretender Generalstabschef der französischen Marine und Oberbefehshaber der französischen Mittelmeerflotte haben Sie wesentliche Abschnitte der französi- schen Militärpolitik nicht nur beobachten und analysieren, son- dern an hervorragender Stelle auch mitgestalten können", zwar nicht ganz bis zum Sieg in Algerien, aber wunde Punkte vermeidet der komplimentierende Herausgeber. Sanguinetti läßt sich nicht lange bitten und entlarvt die NATO schonungslos als eine einzige Intrige zur Zerstörung der europäi- schen Wehrfähigkeit und Moral: "Sie spielt eine tragische Rolle bei der Unterwerfung Westeuropas unter das Diktat der Rüstungsproduzenten und US-amerikanischen Interessengruppen... Die europäischen Verbündeten Amerikas büßten sukzessive zunächst die Unabhängigkeit ihrer Rüstungsproduktion, obwohl diese durchaus bedeutsam war, und sodann die Kontrolle über einen wachsenden Teil ihres Industrieapparates ein. Sie er- lebten zum Beispiel den Niedergang ihrer Schiffswerften, ihrer Flugzeugindustrie, ihrer Hüttenindustrie, während Schlüsselsekto- ren wie die Kernindustrie oder die Datenverarbeitung von multina- tionalen Konzernen übernommen wurden, deren Koordinierung von Washington aus erfolgt. Die Passivität oder auch die Komplizen- schaft der herrschenden Kreise angesichts dieser Aggression, die sie einfach nicht ignorieren konnten, wurde in der üblichsten Art und Weise, durch Geld und Angst, erlangt... Alle diese Gründe mo- ralischer, militärischer und ökonomischer Unterwanderung veran- laßten General de Gaulle 1966 zu dem Aufsehen erregenden Austritt Frankreichs aus der NATO..." Nicht nur in den ZKs, auch in den europäischen Regierungen lauter ausländische Agenten. Nationalökonomisch ist der Admiral nicht gerade der Stärkste; erst sieht er, verursacht durch die amerika- nische Unterjochung, einen Ruin der europäischen Industrien, pro- phezeit dann einen "Wirtschaftskrieg", denn trotz der ungeheuer- lichen Unterwanderung ist Europa mittlerweile "die führende Handelsmacht in der Welt der freien Marktwirt- schaft, auf der ihre Prosperität beruht". Das US-Weltwirtschaftssystem aber, Resultat einer "ökonomisch eingefleischt konservativen Ideologie des 'freien Un- ternehmertums' und der freien Marktwirtschaft, wie sie direkt aus dem einstigen Feudalismus hervorgegangen ist, die den Reichsten und Skrupellosesten begünstigt und auf der die amerikanische Macht beruht", entspricht "nicht mehr den Bedingungen der modernen Welt". Die "Prosperität Europas" können die USA, obwohl identisch mit der Prosperität der unterwandernden Multis, einfach nicht dulden: "Europas Vernichtung würde also den transatlantischen Interessen überaus dienlich sein." Verschwörungstheorie 2. Teil: "Bleibt die Schwierigkeit der Auslösung der Katastrophe durch das gegenüberstehende Lager - damit das amerikanische Volk das uner- läßlich gute Gewissen behält - und der sorglichen Heraushaltung des amerikanischen Territoriums..." "Wie ein amerikanischer Offi- zier mir vor ein paar Jahren er klärte: 'Der Trick, wenn wir Eu- ropa zerstören müssen, wird der sein, die andere Seite dazu zu bringen." Und eben dies regelt alles die Nachrüstung: "Das ist die einzig zufriedenstellende Erklärung..., sie ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn man die Überlegung weiter- führt und davon ausgeht, daß der Präsident der Vereinigten Staa- ten eines Tages die Entscheidung über diese Waffen abtreten könnte... Mithin könnte die BRD, wenn sie eines Tages in den Be- sitz einer eigenen ballistischen Streitmacht gelangt,... unter direkter Verletzung der vierseitigen Pariser Verträge eine souve- räne politisch-militärische Entscheidungsfähigkeit zurückerlan- gen, unter der Europa bereits viel gelitten hat und unter der es noch weiter zu leiden haben könnte...", denn damit wären die Rus- sen bereits geleimt: "Die Affäre mit den sogenannten eurostrate- gischen Raketen könnte genügen, wenn die Sowjetunion sich einem Deutschland gegenüber sähe,... ohne daß zuvor die Probleme im Zu- sammenhang mit Berlin und der Wiedervereinigung geregelt wur- den..." "Diese Hypothese verleiht der ganzen Angelegenheit Lo- gik." Der Groll einer Siegermacht, die sich von der Mitsiegermacht nicht nur eine "European Recovery" schenken, sondern auch die Un- tubarkeit ihrer Kolonialpolitik beweisen und schließlich die um- fassende Wiederaufrüstung der besiegten Konkurrenz gefallen las- sen mußte, kann schon so weit gehen, vor lauter antiamerikani- scher Erbitterung den eigentlichen Feind der Freiheit aus den Au- gen zu verlieren. Die bestechende "Logik", daß die USA, um ihr Kapital zu schützen, dessen Anlagesphäre Europa von den Russen zerbomben lassen möchten und sich zu dem Zweck aus ihrer nuklea- ren Verantwortung schleichen; die kruden antikapitaiistische- An- würfe gegen Multis als Abkömmlinge des Feudalismus, mit der ein Vertreter der Nation, die bekanntlich die Freiheit entdeckt hat, sein nationales Kapital, weil national, ans Herz schließt, um gleich danach zum Sturz des "freien Unternehmertums" aufzurufen, weil US-amerikanisch; die ganze wirre Verschwörungsphantasie ei- nes senil gewordenen Gaullisten konzentriert sich zuguterletzt auf den Kern seines nationalen Gewissens: den in seinen Augen trostlosen Zustand der französischen Marine. "Zwischen 1975 und 1985 wird die französische Flotte mangels Er- neuerung um ein gutes Drittel abnehmen... die Marine die arme Verwandte... Aus meiner Sicht ist der Zustand der französischen Marine ein Beispiel dafür, wohin eine Politik führen kann, die von Ambitionen inspiriert ist, die transnationale und 'atlantische' Aspekte weitaus mehr als das Interesse der Nation reflektieren." Dem Manne kann geholfen werden. Die Marine wird Mitterand in sei- ner nationalen Erneuerung sicher nicht vergessen und, wenn sich dabei ein wackerer Franzose denkt, es ginge darum, endlich mal den Amis zu zeigen, was eine Harke ist, dann schadet das auch nichts. Nino Pasti, ----------- "nach seiner brillanten Karriere in den italienischen Luftstreit- kräften und höchsten NATO-Gremien... in den Senat der Italieni- schen Republik gewählt", leistet sich als Sprecher einer Nation, die sich hinter den großen mehr i n s Bündnis einzureihen pflegt, nicht ganz so am- bitiöse Protestsprüche wie der französische Kollege, sondern weint den schönen Zeiten hinterher, als Italien durchs M i t m a c h e n sich angeblich einmal besser gestanden haben soll: "Für die Jupiter-Raketen hatte Italien tatsächlich einen 'zweiten Schlüssel', und die Raketen konnten nicht ohne unsere ausdrückli- che Zustimmung eingesetzt werden. Daß Italiens Zustimmung für den Einsatz dieser für die Erhaltung des strategischen Gleichgewichts zwischen den beiden Mächten notwendigen Raketen erforderlich war, hat Italien natürlich eine nicht zu unterschätzende politische Bedeutung verliehen. Was die nuklearen Probleme angeht - und nicht nur die -, so ist die Bedeutung unseres Landes heute auf das Niveau eines Kolonialbesitzes geschrumpft." Überhaupt war die Vergangenheit rosig, die Strategie der Ab- schreckung "rein defensiv, sie schloß die Möglichkeit eines für beide Seiten selbstmörderischen Krieges aus und erforderte dabei gleichzeitig relativ wenig strategische Kräfte." Seltsam, woher die USA auf einmal ihre "überwältigende strategi- sche Übermacht" genommen haben (wohl hinter dem Rücken sämtlicher Pastis gebaut?), und wie sie auf einmal zu diesem überraschenden Konfrontationskurs gelangt sind, wo doch nach Pasti die NATO nicht Bündnis gegen die UdSSR, sondern eine Institution zur Her- stellung von Gleichgewicht gewesen sein soll. Bezüglich ihrer NATO-Vergangenheit halten sich alle der Protestierenden getreu- lich an die Ideologien der Friedenssicherung, als hätte bis dato dieser Verein nie dazu gedient, die UdSSR unter Druck zu setzen - eben so erfolgreich, daß nunmehr die endgültige Beendigung dieser Gleichgewichtsstörung ins Auge gefaßt wird. Die vorkriegsmäßige Gestaltung der Weltordnung - was unter dem 'Schutz' der NATO im Mittelmeer z.B. alles 'geregelt' wurde, dürfte Pasti ja nicht un- bekannt sein - war allen Beteiligten sehr recht. Pasti hat auch gar keinen Grund, sich von den liebgewonnenen Lügen über die Tu- genden der NATO von ehedem zu trennen. Die nicht zu bestreitenden voraussehbaren Kriegsschäden in Europa bringen ihn zu der Auffas- sung, daß das n i c h t m e h r im Interesse seiner Nation liegen könne. Nach lauter E n t h ü l l u n g e n über das Überlegenheitsstreben der NATO kann er seine "Besorgnis darüber nicht verhehlen, daß die Staaten der NATO al- lein durch das Bestehen dieses Bündnisses zwangsläufig mit derar- tig abenteuerlichen Konzeptionen verknüpft werden und nicht nur finanzielle Belastungen, sondern auch existentielle Risiken zu tragen haben." Die einfache Frage, was die Nationen denn alle in einem für sie so prekären Bündnis zu suchen haben, stellt sich einem Alterna- tiv-Staatsmann nicht, der seiner Nation andere Aufgaben zuge- denkt: "Italien, als europäisches Land und NATO-Mitglied, sollte im Sinne einer Mittlerfunktion wirken und zur Erhaltung des Gleich- gewichts beitragen." Da aber weniger die Nation als ihre Bürger die "existentiellen Risiken" tragen, da daher die Vorteilskalkulation der Nation mit der NATO anders aussieht als die ideelle, die ein Pasti anstellt und in der er ja schließlich auch erst ab einem gewissen G r a d von Schäden das Unternehmen zu einer "abenteuerlichen Konzeption" erklärt, dürfte er die italienische Bündnistreue mit dem Appell, sich aus dem Kolonialstatus zu befreien, schwerlich erschüttern. Umgekehrt: Als das gute Gewissen, das er für die italienische Re- publik im Senat vertritt - Italien ein unschuldiges Opfer der US- Machtpolitik -, sichert auch er den Regierenden die Loyalität ih- rer Untertanen, schließlich hat aller Protest nach Pasti einer f ü r I t a l i e n zu sein. Und wenn es schön um Italien geht - dafür werden sich schon die passenden Argumente finden lassen, daß die elementaren Interessen Italiens nur in der NATO und m i t der Nachrüstung geschützt sind und die immer noch "nicht zu unterschätzende politische Bedeutung Italiens" d a r i n verteidigt werden muß. Pertini, ein anderer italienischer Sauber- mann mit mehr Sinn für die berechtigten Ansprüche eines freiheit- lichen Kolonialbesitzes: "Ich werde Reagan sagen, daß die Europäer Verbündete der USA sein wollen, in Aufrichtigkeit, Klarheit und vor allem Gleichrangig- keit, wir wollen nicht einfach Unterworfene sein. Ich habe Gis- card gesagt, daß er nicht meinen darf, alles mit Schmidt im Ein- verständnis gelöst zu haben. Nichts gegen dieses Einverständnis, aber ich frage: und all die anderen?" Die königlichen Niederlande haben einen völlig spiritualisierten Protestgeneral aufzuweisen: M.H. von Meyenfeldt, -------------------- "als Freiwilliger in die damalige niederländische Kolonie Indone- sien..., um dieses Land von der japanischen Fremdherrschaft zu befreien... auch eine gewisse Abenteuerlust..., seit Ende der 60er Jahre Mitglied der Kommission für Kriegs- und Friedensfragen bei der Synode der Reformierten Kirche der Niederlande", kommt nach einigem humanen Gefasel über den Menschen, die Technik und die friedlose Konsumgesellschaft, das sich für einen Kirchen- mann geziemt, und nach einigen Auslassungen über die superdemo- kratische Menschenbildung im holländischen Militär, "Erfolg auf dem Kriegsschauplatz der Zukunft wird namentlich be- dingt durch Übungsmaß, Kampfbereitschaft und Improvisationstalent des einzelnen Soldaten und der kleinen Gruppe; beide werden unter oft mißlichen Umständen ihre Aufgabe selb ständig erfüllen müs- sen... Solche Qualität en und Eigenschaft en können in einem Le- bens- und Arbeitsklima herangebildet werden, das eine maximale Entfaltung des Individuums ermöglicht..." schließlich auch zum Kern der Sache: "...Tatsache, daß den kleineren NATO-Staaten in den strategischen Plänen der NATO seit jeher wichtige Funktionen zufielen... Die kleineren NATO-Staaten haben eine verhältnismäßig größere Last an den Verteidigungsaufgaben zu tragen. Es geht nicht an, daß ihre Stimme bei den NATO-Beschlüssen weniger ernst genommen wird, vor allem, wenn es die Stimme der Vernunft ist. Auch wir als kleines NATO-Land erheben den Anspruch, über die Geschicke unseres Volkes selbst und ohne Bevormundung von außen zu entscheiden..." Die Rede von der Bevormundung der Kleinen - wenn sie von den USA und der BRD erpreßt werden, dann doch eben mit i h r e m Inter- esse am Bündnis - widerlegt der Synodale noch höchstpersönlich, indem er eine NATO vorstellt, wie er sie sich wünscht: "Als Aufgaben für Amerika sehe ich fürs erste: Aufrechterhaltung des nuklearen Gleichgewichts, Schutz der atlantischen Seewege und vorkommendenfalls Verstärkung der westeuropäischen Verteidigung mit Einsatzverbänden des Heeres und der Luftwaffe. Der Unter- schied zwischen der globalen Verantwortung Amerikas und der re- gionalen Westeuropas wird deutlicher gestaltet werden müssen... Auf politischem Gebiet ist es erwünscht, daß Westeuropa selbstän- diger auftritt, ohne dabei dem Bündnis mit Amerika zu schaden. Für den Frieden glaube ich, daß es wichtig ist, wenn sich Europa für eine untergeordnete politisch-strategische Position entschei- det, sich also nicht zu einer politisch-strategischen Großmacht wie Amerika und die Sowjetunion entwickelt..." Als ein solcher Trittbrettfahrer der politisch-militärischen Weltordnung 1. einen höchst gelungenen Imperialismus zustande ge- bracht haben, und 2. mit der Gleichung klein = also unschuldig einen dermaßen blütenweißen moralischen, Nationalismus pflegen, daß Militärs und Kirchenmänner sich nicht voneinander unterschei- den wollen, 3. die Lasten des Bündnisses nicht teilen wollen, sich dann 4. auf einmal aufs Selbstbestimmungsrecht der eigenen Nation, 5. auf "Solidarität mit und Liebe für alle Machtlosen, Unterdrücker u n d Unterdrückte, Arme und Reiche" berufen - das ist doch mal ein Bild von einer opportunistischen Nationalideolo- gie. Nur, solange wie ein solcher pfäffischer Freiheitskrieger mit dem Selbstbestimmungsrecht seiner Nation hantiert, für das er sich alle Handlungsfreiheit durchs nukleare Gleichgewicht erbittet, wird er wohl auch wenig dagegen einwenden können, wenn schließ- lich auch die holländische Regierung ihrer Christenpflicht zur Bündnistreue nachkommt - mit Gequengel, siehe Lasten, aber anders ist die "westeuropäische Verteidigung" heutzutage nicht zu haben -, aber auch mit reinstem Gewissen: Wer, wenn nicht der Osten, tritt Menschen- und Nationenrechte pausenlos mit Füßen? Wo der Niederländer ganz vom Standpunkt der gelungenen Nutznie- ßerschaft an der NATO dieser die weiterhin erwünschten Dienstlei- stungen für sein Königreich zuweist, beschwert sich mit dem Por- tugiesen der Vertreter einer Nation, die sich ihr 'Auf dem Weg zu...' nicht nehmen lassen will: Francisco da Costa Gomes, ------------------------- "Oberbefehlshaber der portugiesischen Kolonialtruppen in Angola und Mocambique", wo er plötzlich die Einsicht erlangte, "daß diese Kolonialkriege mit militärischen Mitteln nicht zu lösen wa- ren". Daher "einer der führenden Köpfe der Offiziersbewegung (MFA), die am 25. April 1974 zum Sturz des faschistischen Regimes in Portugal führte. Als Staatspräsident unterzeichnete er die Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa." Das verpflichtet, weshalb Costa Gomes sich und Portugal immer noch als eine einzige V o l k s b e w e g u n g für Demokratie, gegen Rassismus und Kolonialismus, die KSZE als Erfolg einer Be- wegung s ä m t l i c h e r Völker, die Entspannungspolitik als ein Versprechen für die vielen kleinen Völker, sich gegenüber den Supermächten ausbreiten zu dürfen, und die Weltlage nunmehr kon- sequent als Verstoß gegen die KSZE zu sehen beliebt. Ganz im Sinne der in Portugal üblichen Einkleidung der politischen Vorha- ben in unumgängliche Maßnahmen für einen massenfreundlichen Auf- schwung mißbilligt Costa Gomes die NATO-Linie als Hindernis fürs Sozialprogramm. Über die Selbstverständlichkeiten der Staatsma- cherei in Portugal will er erst gar keine Debatte aufkommen las- sen - "Solange es aber Blöcke gibt, müssen wir der NATO angehören." -, aber die Folgen gefallen ihm nicht: "Allerdings haben wir über- haupt kein Interesse daran, unser Engagement zu erhöhen, was nur auf Kosten anderer Aufgaben möglich ist, die wir anpacken müssen, um aus der sozialökonomischen Krise herauszukommen, in der wir uns befinden. Wenn wir in die Streitkräfte investieren, können wir z.B. nicht in das Bildungs-, Gesundheits- oder Transportwesen investieren.... Folglich können alle Einsparungen im militäri- schen Sektor, der fast ausschließlich unproduktive Ausgaben und nur geringfügige Auswirkungen zugunsten des Lebensstandards der Bevölkerung mit sich bringt," (das ist doch mal eine schöne An- wendung der portugiesischen Entwicklungsideologie, ausländische Militärbasen in ihrer Wirkung auf den einheimischen Lebensstan- dard in Betracht zu ziehen!) "in eben jene Sektoren geleitet wer- den, wo sie in ganz anderem Maßstab und mit viel spürbarerem Nut- zen für alle Portugiesen verwendet werden können. Ich verstehe deshalb nicht, welche Gründe zur Haltung der portu- giesischen Regierung geführt haben, denn auch politisch und mili- tärisch haben wir keinerlei Interesse an diesem Beschluß." Alter Heuchler. 1. ist es auch für einen gealterten MFAler eine ziemlich kapitale Leistung, portugiesische Politik so zu bespre- chen, daß "wir" pausenlos "große Anstrengungen" in Richtung So- ziales und Kultur machen, während "wir" seit der Offiziersrevolu- tion mit dieser Ideologie die Massen zu einem einzigen Angebot an das Kapital der EG herrichten. 2. soll er nicht so tun, als wären ihm die Gründe der portugiesischen NATO-Politik so schleierhaft: Eine E n t w i c k l u n g für den S t a a t, die er gewohn- heitsmäßig als eine für die Massen deklariert, ist eben nur im Anschluß an die geneigten europäischen Partner zu haben, o h n e sie jedenfalls schon gleich gar nicht. Das Unschulds- und Ohn- machtsgetue solcher Kleinmächte, dabei sein zu müssen und eigent- lich gar nicht so recht zu wissen warum, ergänzt der erfolglose Kolonialkrieger und damit neuerstandene Friedens- und Versöh- nungspolitiker konsequent durch Aufrufe gegen ein absolut nicht ausmachbares Subjekt des Bösen in der Welt. Nicht einmal die NATO traut er sich verantwortlich zu machen für das, was sie tut, stattdessen sieht er "Kräfte" am Werk: "...die gleichen, immer noch sehr starken Kräfte des militärisch- Industriellen Komplexes, die versuchen, die Bedeutung unserer Ak- tionen in der Friedensbewegung herabzumindern oder zu ignorieren, werden zur Zeit äußerst aktiv bei der Vervielfachung ihrer An- strengungen und Versuche der Diversion sowie der allgemeinen Ver- schärfung der brennenden Fragen der zugespitzten internationalen Situation...", und gegen solche "Kräfte" behilft man sich am besten mit eben solchen nebulösen Gegenkräften: "Die Weltöffentlichkeit reagiert immer stärker gegen alles, was zu einer Gefährdung der Entspannung führt... Wir alle denken, daß die Bewegungen für den Frieden, seien es religiöse oder kul- turelle, immer besser in der Lage sind, zu verhindern, daß die Regierungen solche Entscheidungen fällen und durchsetzen..." Der Griech' aus Griechenland, ein weniger feiner Abschluß der acht Friedensgeneräle, Georgios Koumanakos, -------------------- "in seiner letzten militärischen Funktion Erster Stellvertreter des Generalstabschefs der Streitkräfte Griechenlands" - kein Kom- pliment zum Zypernkrieg, hier ist der Herausgeber wieder sehr feinfühlig -, "heute Vorsitzender des Griechischen Komitees gegen ausländische Militärstützpunkte." Damit ist eigentlich auch schon alles gesagt. Ausländische Mili- tärstützpunkte sind ein Pfahl im Fleische des Volkes, mit ihnen "werden die Mittelmeerländer und ihre Völker fast schon in Unter- werfung gehalten... Militärstützpunkte heben die bestehenden Ge- setze, vor allem Straf- und Steuergesetze des gastgebenden Landes auf und öffnen der Geschäftemacherei und moralischen Korruption Tür und Tor. Daraus ergibt sich eine Schwächung des Gefühls der Souveränität des Volkes und der nationalen Unabhängigkeit, das Volk gewöhnt sich an nationale Knechtschaft und akzeptiert die Abhängigkeit vom Ausland als etwas Verständliches und ist oft so- gar noch dankbar dafür... Die Lebensweise des Personals der Stützpunkte, die sich von der der einheimischen Bevölkerung un- terscheidet, der Drogenmißbrauch und -Handel und andere Laster üben einen negativen Einfluß auf die traditionelle Lebensweise und die Kultur des Volkes aus. Die zerstören sie und werden schließlich zu einer Gefahr für die nationale Identität des Vol- kes." Das hätte Hitler weiland nicht schöner sagen können, nur hatte der es leichter, Taten folgen zu lassen. Denn einfach den Pfahl aus dem Fleische reißen, geht auch nicht, weil bei eben den I n h a b e r n der Stützpunkte um Unterstützung der nationalen Sache nachgesucht wird. Auf wen er da am meisten schimpfen will, darin ist sich der Gene- ral nicht ganz einig. Erst unterdrücken die USA einträchtig alle Mittelmeervölker miteinander, dann "erpreßt die Türkei buchstäblich die Amerikaner und die NATO mit ihrer Forderung nach Intervention und Hilfe. Unsere beiden großen nationalen Probleme, nämlich das Zypern- und das Ägäisproblem, befinden sich auf Grund der von den Amerikanern, die offen eine protürkische Position beziehen," - jetzt sind es wieder die Amis - "stimulierten unversöhnlichen Haltung der Türkei... Die Gefahren, die aus der verfehlten und schwankenden Politik der USA sowie aus der Habgier und Böswilligkeit der Türkei gegenüber Griechenland erwachsen..." - jetzt sind es wieder die Türken. Und gezetert wird umso faschi- stischer, je klarer die Alternativen sind, die sich für die na- tionale Sache m i t oder o h n e Stützpunkte und Bündnis bie- ten, nämlich ohne gar keine: "Anstatt geschützt zu werden, litt Griechenland sieben Jahre un- ter einer Diktatur" der Kollegen von Koumanakos, die er seiner- zeit kaum unterwandert haben dürfte, "und den türkischen Provoka- tionen und Drohungen im Ägäischen Meer." Da weder der Professor Kade Herrn Koumanakos einen ordentlichen Schutz gegen die Habgier und Böswilligkeit der Türkei wird anbie- ten können, noch die Koketterie mit der Hilfe der Sowjetunion sonderlich ernst gemeint ist, wird wohl auch dieser Querulant mit der Papandreou-Politik bestens bedient sein. Die NATO als das Hindernis des griechischen Weges zur Größe beschimpfen, um dann mit ihr über günstigere Konditionen zu feilschen, ist für einen so immerzu enttäuschten Nationalismus eben doch die erfolgver- sprechendste Linie. Vielleicht kann Papandreou in Brüssel auch die Koumanakossche Erkenntnis vermitteln, "Amerika überbewertet den Faktor Türkei, dem es eine Bedeutung und einen Wert für die Bewältigung der Nahostkrise zumißt, die sie in Wirklichkeit gar nicht hat.", damit der Faktor Griechenland sein Gefühl von Souveränität an et- lichen weiteren ausländischen Stützpunkten im Lande aufblühen lassen kann. Ein Türke --------- fehlt. Entweder es hat sich keiner finden lassen, weil da alle vollauf zufrieden mit der NATO und der eigenen Rolle sind, oder es war dem Herausgeber wirklich einmal zu peinlich, auch noch einen für Militärdiktaturen und KZ's Reklame machen zu lassen. Aber das können wir eigentlich nicht glauben - angesichts dessen, was der Interviewer alles als ehrenwerte Meinung ohne einen Fun- ken von Kritik zur Verbreitung bringt. Einem solchen Opportuni- sten, der sich weder für Komplimente zu "brillanten Offizierskar- rieren" noch zu den entsprechenden Kriegen zu schade ist, der die Hetze gegen die Türken und für ein sauberes Volkstum ohne Scham- röte drucken läßt, der einem Baudissin mit der Bestätigung einer eurostrategischen Unterlegenheit in den Arsch kriecht, sich von anderen hinwiederum mit Begeisterung die Überzahl der NATO- Sprengköpfe vorrechnen läßt, der mit Baudissin die Russen in Afghanistan verurteilt und mit einem anderen die Annexion zur bösartigen Lüge erklärt, nacheinander a l l e Sorten von Dumm- heiten niederschreibt, daß der Frieden aus der Seele der Menschen kommen muß, der Krieg wiederum aus der Technik entsteht - dem ist a l l e s recht, wenn er nur seine acht Generalsaffen unter dem Titel "Für den Frieden" und mit irgendwelchen, egal wie nationa- listischen oder bescheuerten Argumenten als Kronzeugen dafür ar- führen kann, daß eine bessere N A T O besser wäre. zurück