Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
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Gewerkschaftliche Bildungsarbeit
PSYCHOLOGISCHES ZUM WELTKRIEG
Die IG Druck und Papier, die neben den auf ihr Handwerk, nach all
den Dequalifizierungen durch die umfassende Rationalisierung des
Gewerbes, besonders stolzen "Jüngern der schwarzen Kunst" vor-
nehmlich auch die Meister der Kunst des Schwatzens aus den Redak-
tionsstuben organisieren will, verfügt über ein Publikationsor-
gan, die "drupa", das bereits durch die Kleinschreibung der Form
nach verrät, wer den Anspruch erhebt, intellektuelle Avantgarde
im DGB zu sein. Hier kommt neben Schöngeistigem auch mal ein Ver-
treter des Geisteslebens zu Wort, der dessen modische Errungen-
schaften besonders schön zu Papier bringen kann. Ende letzten
Jahres durfte der Psychologe Horst Eberhard Richter eine
"allgemein verständliche Beurteilung der herrschenden Politik"
(sprich: der "Weltkriegsgefahr") in den Kleinsatz geben.
Durch einen globalen Elektroschock...
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Der bekannte Psychoanalytiker und Sozialtherapeut weiß, wovon er
schreibt, hat er sich doch schon in seinem letzten Buch über
einen von ihm exklusiv entdeckten "Gotteskomplex" wie folgt aus-
gelassen:
"Bisher waren es stets nur Naturkatastrophen und Kriege, die über
die traditionellen sozialen Barrieren hinweg kooperative Solida-
rität in großem Rahmen hervorzurufen vermochten. Nun sieht es so
aus, als seien wir nicht mehr weit von einer globalen Notlage
entfernt, die so der Tat alle psychischen und sozialen Abwehrme-
chanismen unseres kulturellen Allmachts-Ohnmachts-Komplexes auf-
brechen könnte. Das Gespenst einer ökonomisch-ökologischen-atoma-
ren Weltkatastrophe könnte sich als der gemeinsame Riesenfeind
erheben, demgegenüber wir uns plötzlich aufeinander angewiesen
und voneinander abhängig fühlen würden."
Hinsichtlich der Natur und der näheren Umstände der anstehenden
Reinigungskatastrophe ist der Psychologe damals noch nicht kon-
kreter geworden. Wie er sich allerdings die Läuterung der Men-
schen gemäß seinem Ideal vorstellt und wo hierbei Vorbilder zu
entdecken sind, darüber hat er keinen Zweifel gelassen:
"Die befreiende Erfahrung von echter sympathischer Solidarität
innerhalb kämpfender Verbände, in der Bewohnerschaft zerbombten-
Städte, innerhalb mancher Gefangenen- und Flüchtlingslager bedeu-
tet in der Erinnerung vieler einen kostbaren Lebenshöhepunkt, Im
Nachhinein erscheint es zahlreichen Kriegsteilnehmern, als hätten
sie sich niemals so menschlich gefühlt wie damals."
Zur inhaltlichen Füllung des neuen Menschenschlags, der damals in
Stahlgewittern geboren wurde und dessen im Frieden verdrängte Tu-
genden durch einen globalen Elektroschock wieder freigelegt wer-
den sollen, greift ein fortschrittlicher Psychologe ungeniert ins
faschistische Soldatenleben, wo jeder noch einen Kameraden hatte:
"Sie (die Überlebenden der Wehrmacht) schwärmen nachträglich von
den Zeiten bedingungsloser kameradschaftlicher Verbundenbeit, des
spontanen Eintretens und Opferns füreinander in Not und Gefahr -
und sind dadurch verwirrt, daß diese als erlösend empfundene mit-
menschliche Solidarität an die Umstände des Kriegsterrors gebun-
den war. Sie fragen sich, ob es nicht und warum es nicht möglich
ist, ein ähnliches Gemeinschaftsbewußtsein in friedlichen Zeiten
zu beleben."
Richters vor Menschlichkeit triefende Forderung, die im Krieg
erzwungenen Opfertugenden "bedingungslose Verbundenheit" und
"Gemeinschaftsbewußtsein" wiederherzustellen, bloß, bitteschön,
wenn es geht, ohne gleich einen totalen Krieg hier in Europa -
das paßt in die politische "Großwetterlage", deren Pflege sich
auch eine deutsche Gewerkschaft zur Aufgabe macht: Gerade zur
Verschärfung des Weltfriedens ist doch nichts so förderungswürdig
wie eine gesunde Einstellung zu den positiven Seiten des Krieges!
...zum "sozialen Verantwortungssinn"
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Professor Richter verkündet in der "drupa", daß zur Abwendung der
"Weltkriegsgefahr" "jeder bei sich selbst ansetzen" muß, handelt
es sich doch um ein zutiefst menschliches Phänomen. In "unser al-
ler" Verantwortung fällt der Krieg, weil er der inneren Zerris-
senheit der M e n s c h e n s e e l e entspringt. Die sehnt
sich nicht nur nach der Solidarität der Not, sondern versagt auch
angesichts der schweren Aufgabe, sich der drohenden Katastrophe
richtig zu stellen:
"Man reagiert sich in der Bekämpfung von vergleichsweise greifba-
ren Schädlichkeiten ab, die unbewußt das bei weitem gefährlich-
ste, aber eben deshalb u n e r t r ä g l i c h gewordene Angst-
objekt ersetzen. Man verstellt sich den Blick auf den wichtigsten
Feind der Menschheit durch kleinere Feinde, die weniger Grauen
erregen. Es belastet uns zu sehr..."
Wirklich ein "allgemein verständlicher" Gedanke: Die Leute haben
einfach viel zu viel Angst davor, vor einem Krieg richtig Angst
zu haben - und schon sind sie die eigentlichen Versager in Sachen
Kriegsverhinderung. Soll auch keiner glauben, in den Kriegsdro-
hungen der P o l i t i k e r kämen die gegensätzlichen Zwecke
der N a t i o n e n in Ost und West zur Geltung: Nein, der
schwache, größenwahnsinnige Mensch braucht einfach ein
Feind b i l d, um seine innere "Schwäche" auf einen "Sündenbock"
abschieben zu können.
Es ist schon eine intellektuelle Leistung, die "Weltkriegsgefahr"
so zu "ergründen", daß die Politiker aus dem Schneider sind, da-
für aber der Mensch sich richtig problematisch vorkommen kann:
Ein gescheites "Wir-Gefühl" braucht er halt, dieser Seelenkrüp-
pel, der sich im Krieg mit s i c h s e l b s t befindet!
Für den studierten Psychologen ist die derzeitige Weltlage eben
eine Riesenchance, daß die egoistische Menschenseele ihrem Grö-
ßenwahnsinn abschwört und zu einem anständigen "sozialen Verant-
wortungssinn" kommt.
Wir entnehmen derselben Ausgabe der "drupa", daß die Gewerkschaft
für diese Sorte intellektueller Kommentierung der großen Politik
vom Standpunkt der Moral aus, die sich der realen Macht als kri-
tisches Gewissen an die Seite stellt, gar keinen Gastreferenten
gebraucht hätte. Denselben psychologischen Tiefsinn hat sie zwar
nicht drauf, aber gerade die IG Druck und Papier gefällt sich
darin, sich um die "Überzeugungskraft der offiziellen Politik"
Sorgen zu machen. So wirft sie angesichts der Aufrüstung und der
neuen NATO-Strategie die bohrende "Frage nach dem Sinn der Rü-
stung" auf. So als würden die Macher der "offiziellen Politik",
wenn sie als treue Sachwalter der Nation aufend die militärische
Schlagkraft erhöhen, vielleicht gar politisch u n z w e c k-
m ä ß i g handeln. Das schöne Problem, ob ein Krieg heute noch
g e w o n n e n werden könnte, und das und nichts anderes ist
auch für die Gewerkschaftsstrategen die "Sinnfrage", haben die
Staatsmänner längst gelöst: Sie tun alles dafür.
Nicht nur die Druckgewerkschaft, auch die übrigen Interessenver-
tretungen der Arbeiter in der BRD haben die Zeichen der Zeit er-
kannt, wo die Machthaber offen damit kalkulieren, das Arbeitsvolk
nicht nur auf dem Schlachtfeld der Produktion zu verheizen. Die
Gewerkschaft wird schon wissen, wo sie nach dem Krieg wieder Mit-
glieder hernimmt.
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