Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
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Friedensdemonstration in Wien
EIN ÖSTERREICHISCHER BEITRAG ZUR SICHERUNG DES WELTFRIEDENS
Noch vor dem Erscheinen des ersten Demoaufrufs warnten nicht we-
nige Politiker vor "Einäugigkeit" und empfahlen ganz umsichtig:
"weder Antiamerikanismus noch (!) Prosowjetismus" (SPÖ-Vorstand
Blecha). Wochenlang verdächtigte die österreichische Presse die
Friedensleute einer Demonstration ihres "Antiamerikanismus" und
warnte vor einem Mißbrauch heimischer Friedensliebe durch
"Moskau". Konservativ wie immer wärmten die heimischen Gazetten
das altmodische Vorurteil auf, daß es sich bei Demonstrationen
recht eigentlich um die Bekundung einer Gegnerschaft gegenüber
den Adressaten der Demo handle. All diese Fiesheiten wurden ihnen
beim österreichischen Friedensmarsch am 15. März in Wien endgül-
tig widerlegt.
Denn eines konnte man dieser 70.000 Mann starken Basisbewegung
nicht vorwerfen - Daß sie die "drohende Kriegsgefahr" nicht zum
Anlaß genommen hätten, den Schulterschluß mit ihren
"Friedensfreunden" in der Hofburg zu erproben. Die seit Wochen
angestrebte Glaubwürdigkeit gemäß den Vorgaben der Politiker ha-
ben sie jedenfalls erfolgreich heimgeholt, weswegen auch eine
Selbstkritik der Medien anstand:
"Selten zuvor hat die öffentliche Meinung, haben sich viele von
uns so kräftig geirrt, wie im Falle dieser ersten gesamtösterrei-
chischen Friedenskundgebung.... Kein einziger Ausfall gegen das
Bundesheer, keine Schlagseite nach irgendeiner Richtung: So gese-
hen war wohl auch die Unterstützung durch Österreichs Bischöfe
richtig."
Wenn selbst österreichische Bischöfe sich angesichts der Ausgewo-
genheit dieser Friedensdemonstranten einbringen konnten, dann er-
scheint im nachhinein der Zwiespalt von Kreisky und Co. höchst
legitim, die Tage vor der Demo - bombensicher über deren Ausrich-
tung - öffentlich räsonnierten, ob sich ihre werte Person nicht
ebenfalls an diesem nationalen Freudenfest beteiligen sollte:
"Das ist ja eine Demonstration, die an die Politiker gerichtet
ist. Ich kann also nicht mitgehen, da ich nicht gegen mich eine
Forderung stellen kann." (Gratz, Bürgermeister zu Wien)
Wie wahr! Ab er dafür konnte man eines: So richtig stolz sein
darauf, daß "unsere Jugend" in Ordnung ist. Denn: Mit 17 hat man
noch Träume zu haben:
"Das ist eine Angelegenheit für die Jugend. Ich habe selbst schon
2 (?) Friedensbewegungen (und die nachfolgenden Kriege) erlebt."
(Kreisky)
So gehörten der Kanzler und sein Wiener Statthalter jedenfalls zu
den wenigen, die auf ihre Weise auf einen Unterschied zwischen
den Machern und ihrem belobigten Staatsbürgermaterial hinwiesen.
Auch das Militär war angesichts der fast schon soldatischen Lini-
entreue des jugendlichen Kanonenfutters vorerst zumindest im Gei-
ste bei ihnen:
"Ich bin für eine starke Friedensbewegung. Um mitzumarschieren,
ist die Zeit noch nicht reif genug." (Oberstleutnant Mayer)
Daß bei der Schlußkundgebung der unselige Umstand des Fernblei-
bens einiger österreichischer Politiker eingeklagt wurde, zeugt
von dem forschen Selbstbewußtsein einer Massenbewegung, die ihren
"Friedensdruck" auf die Verantwortlichen erst aufgeben will, wenn
diese einen "verstärkten Beitrag österreichischer Außenpolitik
bei den internationalen Friedensinitiativen" zu leisten bereit
sind.
Für den Frieden zu sein, das fällt für österreichische Friedens-
menschen unmittelbar mit Vaterlandsliebe zusammen, weswegen sie
sich erst gar nicht den Gedanken leisten, daß ihr Staat sie via
Bundesheer für den Ernstfall durchaus verplant hat. Als ordentli-
che Österreicher, die ihrer Heimat nichts Schlechtes zutrauen,
fällt ihnen bei Krieg nicht der "Neutralitätsfall" (der ist ja
bloß Selbstverteidigung!) ein, sondern sie suchen immer schon
nach Schuld, um diese prompt dem Ausland anzuhängen, das in sei-
nen "internationalen Entwicklungen" die Heimat mit Atomkrieg be-
droht. Den Großmächten macht der geschulte Kleinstaatsnationalist
nach dem Motto "small is beautiful" die härtesten Vorwürfe, zu
denen ein anständiger Mensch fähig ist, der die ganze Welt an der
Vorzüglichkeit seiner unschuldigen Friedensinsel mißt. "Die Alten
Männer im Kreml und in Washington" latschen als monströse Stel-
zenmänner mit blutigen Pappnasen die Mariahilferstraße entlang.
Als ob der eigene Kanzler ein junger Tutter wäre! Ebenso wie ei-
nem die eigenen Politiker gar nicht alt genug sein können, wäh-
rend der gleiche Umstand dem Ausland ein dickes Minus einträgt,
ist die Selbstgerechtigkeit österreichischer Friedensfreunde über
die eigenen Zustände dermaßen unerschütterlich, daß sie dem mon-
strösen Ausland die Lieblichkeit ihres eigenen Staates (keine
Atomwaffen, nur konventionelles Ins-Gras-Beißen) als Exportarti-
kel anempfehlen. So hat man der eigenen Regierung innerhalb der
großen Weltpolitik eine ganz ehrenwerte Rolle eingeräumt. Aus der
weltpolitischen Bedeutungslosigkeit der Heimat drechselt man sich
eine durch und durch friedliebende Wesensart österreichischer Po-
litik:
"Österreich kann zur Sicherung des Friedens einen wichtigen Bei-
trag leisten. Gerade Staatsvertrag und Neutralität bilden eine
günstige Grundlage für eine Initiative Österreichs für Frieden
und Abrüstung."
Ausgerechnet aus der "Selbstverpflichtung" des österreichischen
Staates zur Ausübung des Gewaltmonopols und zur Verteidigung der
eigenen Grenzen "mit allen zu Gebote stehenden Mitteln" den Frie-
densauftrag der Nation herauszulesen, ist schon ein Glanzlicht
patriotischer Betriebsblindheit. Ohne je über ein außenpoliti-
sches Vorhaben der Regierung befragt worden zu sein, entblöden
sich heimattreue Untertanen nicht, ihr Einverständnis und ihren
Einsatz für die Politik immer wieder zu bekunden:
"Wir fordern einen stärkeren Beitrag der österreichischen Bundes-
regierung in den internationalen Bemühungen um Frieden und Abrü-
stung."
Besser kann man seine Zustimmung nicht als forsche Forderung for-
mulieren. Und damit erst gar keine Zweifel aufkommen, daß sich
die vorgebrachte Friedensliebe und das Sterben für Österreich
nicht ausschließen, "fordert" man "statt" Aufrüstung des Bundes-
heeres eine "soziale Landesverteidigung", die den Verteidigungs-
auftrag effektiver erfüllen soll.
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