Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral


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       Friedensinitiativen
       
       Kein Mensch kann behaupten, daß einem die bundesdeutsche Demokra-
       tie nicht  übergenug Möglichkeiten böte, etwas gegen den nächsten
       Weltkrieg zu  tun. Man  denke doch nur daran, wie oft man bereits
       Gelegenheit gehabt  hat, sich  durch das  Abgeben  seiner  Unter-
       schrift (samt  Adresse und vor allem Berufsbezeichnung) gegen die
       "Kriegsgefahr" auszusprechen!  Krefelder Appell,  Russell-Initia-
       tive, DGB-Friedensaufruf,  nicht zu  vergessen "Ärzte, Pädagogen,
       Juristen, Naturwissenschaftler...  gegen Atomkrieg".  Fehlen fast
       nur noch  "Sportler gegen  Atomraketen", aber dafür soll es jetzt
       in Berlin  (West) auch  schon eine  Initiative geben. Die Wirkung
       solcher Unterschriftensammlung ist nicht zu unterschätzen: 1. für
       die normalen  Unterzeichner: Jede  geleistete  Unterschrift  ver-
       schafft einem  doch das  schöne Gefühl,  seinen ganz persönlichen
       Beitrag zur Kriegsverhinderung, also das Menschenmögliche, gelei-
       stet zu haben.
       Schließlich ist  jede Unterschrift eine Unterschrift mehr, und am
       Schluß werden  ganz viele  Unterschriften den zuständigen Stellen
       ausgehändigt...
       2. für  die Initiatoren  und Erstunterzeichner:  Die haben  sogar
       noch mehr  von ihrer Initiative. Schließlich erklären hiermit die
       führenden Vertreter  eines ganzen  Berufsstandes (vorwiegend  aus
       akademischen Sparten), daß sie sich in verantwortlicher, also an-
       erkennenswerter Ausübung  ihrer Profession  öffentlich Sorgen ma-
       chen um  ihr Land.  Da braucht der Nation ja nicht bange zu sein,
       wenn gerade  ihre Ärzte,  gerade ihre Lehrer usw. ihrem Beruf mit
       so viel nationaler Verantwortung nachgehen. Privilegiert sind in-
       terdisziplinäre Geistesschaffende,  die können  sich gleich mehr-
       fach verewigen...
       Die  I n h a l t e  solcher Friedensappelle entsprechen der unter
       1. und  2. angeführten  Wirkung auf die Unterzeichner. Zum Beweis
       zwei Beispiele  aus der  jüngsten Zeit: deutsche Psychoanalytiker
       und demokratische Juristen.
       
       RECHT UND BILLIG
       ================
       
       Die kritisch  eingestellten deutschen  Juristen haben  sogar zwei
       Friedensappelle zustandegebracht: eine "Relation über die Verfas-
       sungsmäßigkeit der  Stationierung US-amerikanischer  Mittelstrec-
       kenraketen im  Gebiet der  Bundesrepublik Deutschland"  sowie ein
       "Aufruf: Juristen  gegen die Kriegsgefahr in Europa". Damit nicht
       genug: Am  20./21.3. trat - bereits zum dritten Mal - eine inter-
       nationale Konferenz  "Juristen gegen die Kriegsgefahr - für Abrü-
       stung und Entspannung", zusammen. Festlicher Schauplatz: die Alte
       Oper in Frankfurt.
       
       Die Radikalität von Rechtsgelehrten...
       --------------------------------------
       
       Schon in  der Eröffnungsrede  des Konferenzleiters  Prof.  Norman
       Paech gab  es Verlautbarungen zum Thema Krieg und Frieden, welche
       die längst  freiwillig auf  Linie gebrachte  bundesdeutsche Frie-
       densbewegung eigentlich zu einem Unvereinbarkeitsbeschluß animie-
       ren müßten:
       
       "Die Geschichte  lehrt, daß  ein Krieg...  zur Neuaufteilung  der
       Welt nicht  zum ersten  Mal begonnen  würde", daß deshalb die USA
       "einen Krieg  für unvermeidlich hält, falls die Sowjetunion nicht
       ihr System  dem westlichen  Vorbild anpasse", und daß der Hinweis
       auf gleichlautende  Parolen des Kalten Krieges nicht zutreffe, da
       die "Dislozierung  der Pershing-II-Raketen  eindeutig  mit  einem
       Konzept des Erstschlags verbunden" sei.
       
       Was bewegt ausgerechnet professionelle Vertreter des Rechts dazu,
       sich durchaus  wohltuend von  der Zahmheit  der bisherigen  Frie-
       densaufrufe abzuheben? Während diese stets wohlausgewogen und un-
       terwürfig von "Rüstungswettlauf" und "Rüstungswahnsinn" reden, so
       daß überhaupt  nicht mehr auszumachen ist, wer da denn rüstet und
       aus welchen  Gründen, wurde  auf dem Kongreß die Macht beim Namen
       genannt, die  sich anschickt, dem letzten Störenfried ihrer unbe-
       schränkten Weltgeltung  den Garaus  zu machen. Und nicht nur das.
       Paech hat  immerhin bemerkt,  daß die militärischen Anstrengungen
       der USA  auf die  Beseitigung der  östlichen Weltmacht  gerichtet
       sind und  daß dabei  der Frieden  keinesfalls "um jeden Preis" zu
       erhalten sein  wird. So  wies er  auch einen beruhigend gemeinten
       Vergleich zwischen  Parolen von  US-Politikern aus  der  Ära  des
       "Kalten Kriegs"  mit denen ihrer amtierenden Nachfolger als unzu-
       treffend zurück:  Mittlerweile sei eine neue Qualität in der ato-
       maren Bewaffnung  Westeuropas erreicht, und demnächst bringen die
       USA diesseits  des Atlantik  eine  komplette  Zweitausgabe  ihres
       strategischen Nuklearpotentials in Stellung
       
       ...und wo sie herkommt
       ----------------------
       
       Der weitere Verlauf der Konferenze lieferte dann leider doch ein-
       mal mehr  den Beweis, daß es ein himmelweiter Unterschied ist, ob
       man angesichts  der unübersehbaren  Kriegsvorbereitungen der NATO
       den Politikern jenseits  u n d  diesseits des Atlantik seine Geg-
       nerschaft erklärt  oder ob  man unter Berufung auf die demokrati-
       schen  I d e a l e  der eigenen Profession öffentliche Beschwerde
       führen will. Im Falle demokratischer Juristen führt letzteres An-
       liegen zu wirklich aparten Problemstellungen:
       
       "Welche Rolle  haben Juristen  dabei?" "Zunächst sind sie überall
       dabei, ob  bei den Abrüstungsverhandlungen, den Truppenstationie-
       rungsabkommen... Sie fehlen aber in den entscheidenden Augenblic-
       ken."
       Beispiel: Als  die USA  ihre Atombombe einsetzten, "gab es keinen
       Völker- oder  Staatsrechtler in den USA, der öffentlich die Ille-
       galität des Abwurfs anprangerte."
       
       Das ist  gut! Weil  der demokratische Staat seiner Gewaltausübung
       Rechtsform verleiht,  sich also  des Rechts  b e d i e n t,  ent-
       wickeln Staatsdiener,  die professionell  Rechtspflege betreiben,
       das Selbstbewußtsein besonderer Zuständigkeit für die Staatsaffä-
       ren ("Juristen sind überall dabei."). Dieses Selbstbewußtsein ist
       so eingefleischt,  daß seine  Besitzer die  Verhältnisse auf  den
       Kopf stellen und sich einbilden, der Staat sei umgekehrt auf ihre
       Person  a n g e w i e s e n.  Wo Juristen nichts zu suchen haben,
       z.B. "in  entscheidenden Augenblicken", wo politische und militä-
       rische Oberbefehlshaber ihre (übrigens rechtlich fixierte) Befug-
       nis ausschöpfen  und für ihre Nation souverän das Kriegführen an-
       ordnen, da  entdecken kritisch  gesonnene Rechtsgelehrte, die ihr
       Metier aus  einem   M i t t e l   des Staats  unbedingt  in  eine
       S c h r a n k e  für denselben verfabeln wollen: Die von uns miß-
       billigte Staatsmaßnahme  ist erstens  "illegal", Beweis: es waren
       ausnahmsweise  keine  Juristen  dabei;  zweitens  staatsschädlich
       (auch wenn  sie zum  Kriegsgewinn beitrug), Beweis: es fehlten ja
       die Juristen; drittens dem Rechtsstaat wesensfremd, Beweis: Juri-
       sten wurden nicht gehört.
       Der Idealismus,  daß sie  aber  unbedingt  hätten  anwesend  sein
       s o l l e n,   ist also  eine ziemlich  schädliche Angelegenheit:
       Zum einen  leistet er  sich die bodenlose Ignoranz, auf das Recht
       als den  Nabel der  Welt noch da zu vertrauen, wo die Staaten des
       freien Westens  auf die  pure   G e w a l t  setzen, um die welt-
       weite Geltung   i h r e r  Rechtsordnung, also ihrer Herrschafts-
       prinzipien zu  vollenden. Zum  anderen speist er sich vollständig
       aus der  Sorge um  das Wohlergeben des demokratischen Rechtsstaa-
       tes, um  das  G e l i n g e n  seiner Herrschaft, so daß sich die
       eingangs aufgeworfene  Frage leider  dahingehend beantwortet: Ge-
       rade die  radikalen Töne zum Thema Krieg und Frieden leisten sich
       kritische Juristen  wegen der  Borniertheit ihrer Profession, aus
       unbedingter   L o y a l i t ä t   für die demokratische Staatsge-
       walt der BRD.
       
       Rechtsanwälte des Grundgesetzes in Aktion
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       Dazu paßt  die von  den Kongreßteilnehmern gepflegte Anprangerung
       der USA  insofern, als das angeblich zum Kriegsverhindern bestens
       geeignete Grundgesetz  der BRD  dieselbe so  sehr adelt,  daß die
       Parteinahme für  unbehindertes schwarz-rot-goldenes Walten in der
       Welt in  moralisch glänzendem  Licht dasteht:  Laut "Aufruf"  be-
       schränken weder  Deutschlandvertrag noch Truppenvertrag "die Sou-
       veränität der  BRD derart,  daß ohne oder gegen ihren Willen ato-
       mare Waffen auf ihrem Territorium stationiert werden könnten."
       Streit entbrannte in den Reihen der versammelten Grundgesetzidea-
       listen lustigerweise  darüber, ob  man, wenn  die Welt sich schon
       ums Grundgesetz dreht, dann nicht gleich vom Bundesverfassungsge-
       richt die Verfassungswidrigkeit der Pershing II und die nationale
       Unzuverlässigkeit ihrer  Beschaffer feststellen lassen solle. Den
       Befürwortern hielt Prof. Abendroth, der Nestor aller Verfassungs-
       idealisten, voller  Realismus entgegen,  daß für  einen Sieg  des
       Rechts derzeit die "politischen Bedingungen nicht gegeben" seien.
       Diesen Einwand  hielt aber  niemand für  eine Blamage  der ganzen
       vorher abgelaufenen  Veranstaltung, am  wenigsten Abendroth.  Der
       plädierte für  eine "politische  Bewegung", die  aber nicht  etwa
       einfach und  schnörkellös auf die Verhinderung des Krieges abzie-
       len sollte, sondern natürlich zuerst die Verfassungsrichter zwin-
       gen müßte,  sich auf den Standpunkt der Verfassung zu begeben, um
       von dort  aus gewisse von auswärts stammende Mittel der Kriegfüh-
       rung für unvereinbar mit der Verfassung zu erklären.
       Daraus erhellt, wofür solche Veranstaltungen gut sind. Ein intel-
       lektueller         Berufsstand         reflektiert         voller
       t h e o r e t i s c h e r   Verantwortung für  den Lauf  der Welt
       eben diesen  vom Standpunkt  seiner Zunft  aus und gelangt zu der
       Feststellung, daß  es einen  Krieg gar nicht geben dürfe, hielten
       sich nur  die Staatsmänner  genauso unbeirrbar  ans Recht wie man
       selber. Natürlich glaubt keiner im Ernst an praktische Konsequen-
       zen der  eigenen Auslegung  von Grund-,  Staats- und  Völkerrecht
       etwa in  dem Sinne,  daß die  USA und die SU ihre Differenzen von
       internationalen Gerichtshöfen  schlichten bzw. entscheiden lassen
       würden. Aber  dennoch hat  man auch in diesen schweren Zeiten die
       Relevanz des  eigenen Metiers unter Beweis gestellt, und wenn die
       Politik den  Boden des  Rechts mit  dem  des  Schlachtfelds  ver-
       tauscht, so  kann man  darauf verweisen,  daß der  Grund des III.
       Weltkriegs letztendlich  in einem  gigantischen  Rechtsbruch  der
       Staatsmänner zu suchen ist.
       
       Falscher Verdacht
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       Selbst dieser  entschiedene Wille  zur Positivität der Nation ge-
       genüber und zur praktischen Nichteinmischung bewahrte erwartungs-
       gemäß die  Konferenz nicht vor dem Verdacht, kommunistisch unter-
       wandert zu  sein. Für die "FAZ" stand dies von Anfang an fest, da
       sie den Veranstalter in Anlehnung an den Verfassungsschutzbericht
       unter "von  der DKP  beeinflußte Organisation"  rubrifiziert. Die
       "Frankfurter Rundschau" meldete zunächst: "Die neuen sowjetischen
       Mittelstreckenraketen SS  20 wurden  bei  der  Tagung  nicht  er-
       wähnt.", um  tags darauf  genüßlich das eilfertige Dementi "einer
       Reihe von Mitgliedern der Vereinigung Demokratischer Juristen" zu
       vermerken. Den  Vogel schoß  der FR-Friedensexperte A. A. Guha ab
       mit folgender Frage an die eingeladene sowjetische Delegation:
       
       "Der Marxismus hat ein geschichtliches Telos, die klassenlose Ge-
       sellschaft, Wenn  man aber  davon ausgeht, daß die SS-20 zur Ver-
       teidigung eingesetzt wird, heißt dies dann nicht, daß die Sicher-
       heitskonzeption der  SU dieses  Telos aufhebt,  da es  bewußt die
       Vernichtung der Menschheit miteinplant?"
       
       M.a.W.: Die SU soll doch endlich das "Telos" der klassenlosen Ge-
       sellschaft vollenden,  indem sie die Waffen zu ihrer Verteidigung
       verschrottet, also kapituliert, sonst hat sie die Vernichtung der
       Menschheit verschuldet!
       
                                     ***
       
       Die Palme  in Sachen  Rechtsidealismus gebührt  ohne Zweifel  dem
       Bremer Professor  Däubler, der  in seinem Beitrag "Das Stationie-
       rungsverbot unter  dem  Aspekt  des  Kriegsrechts"  zu  vermelden
       wußte:
       
       "Der Einsatz von Nuklearwaffen verstößt
       1. gegen das Giftgasverbot (nach Haager Kriegsrecht)
       2. gegen den allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Zivilbevölke-
       rung
       3. gegen das Verbot unnötiger Leichen (nach Haager Kriegsrecht)
       4. gegen die Souveränität neutraler Staaten
       5. gegen das Verbot des Völkermordes
       6. und es sprengt das Kriegsrecht!"
       
       
       DIE BRD - EIN PATIENT IM KRITISCHEN STADIUM
       ===========================================
       
       Nachdem bereits  Ärzte, Pädagogen und Juristen ihre Besorgnis an-
       gesichts der  "Kriegsgefahr" öffentlich  vorgetragen haben, sahen
       sich  nun   auch  deutsche   Psychoanalytiker  veranlaßt,  dieser
       "Aufgabe" nachzukommen  und in allen größeren Tageszeitungen "Für
       die vernünftigen Ziele der Friedensbewegung" ihr Wort einzulegen.
       Von der  Bedeutung ihrer Mission vermag sich der Leser schon beim
       ersten Blick  auf ihren  Appell ein  Bild zu  machen:  Eine  gute
       Hälfte der  halbseitigen Großanzeigen  verwenden die  Appellanten
       darauf, den Zeitgenossen ihre guten  N a m e n  mitzuteilen. Dar-
       auf kommt's ja auch an.
       
       Ein armes Hascherl namens BRD...
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       Dafür konnten  sie sich für den Inhalt ihrer Warnungen zur Genüge
       auf bereits  verbreitete Anschauungen  stützen: Die "gefährlichen
       Konsequenzen   der   internationalen   Konfliktlage",   die   sie
       "beunruhigen", haben  für sie  ebensowenig wie für sonst jemanden
       mit dem  von der  NATO beschlossenen   Z w e c k  bundesdeutscher
       Politik -  eine Endlösung im Osten herbeizuführen - etwas zu tun.
       Für bedenklich halten sie vielmehr die Mittel dieser Politik: Was
       soll denn  die "Hypothese vom Gleichgewicht der Abschreckung", so
       fragen sie,  wenn "die  Waffen zur wechselseitigen Zerstörung der
       östlichen  wie   der  westlichen   Territorien    v i e l f a c h
       a u s r e i c h e n"?  Die Seelenkundler sind also so verantwort-
       lich zu  meinen, die Waffen täten schon reichen. Was über das Maß
       an Tötungspotential hinausgeht, das  i h n e n  einleuchten will,
       ist "Rüstungswahnsinn". Diese bekannte Schlußfolgerung sticht den
       professionellen  Betreuern   des  Irrwitz   natürlich  ins  Auge:
       'Wahnsinn, das  ist ja  - unser Fall!', sagen sie sich und nehmen
       "unser Land" kurzerhand in die Reihe ihrer gestörten Klientel auf
       - ganz ohne Überweisungsschein, dafür aber im Bewußtsein ihrer
       
       "besonderen Aufgabe,  die unbewußte Dynamik zu untersuchen und zu
       deuten, die  in kulturellen  und gesellschaftlichen Prozessen und
       in der Politik wirksam ist".
       
       Warum sollen  sie auch  nicht "die  Gesellschaft" als ein Subjekt
       betrachten können:  Daß die  Nation ein  "Organismus" sei, dessen
       verschiedenste Teile  im Dienst des Ganzen stehen, haben die Ana-
       lytiker ja nicht erst erfinden müssen. Und als  g e s t ö r t e r
       Organismus wird  "unser Land"  ja auch  nicht zum  ersten Mal be-
       trachtet, oder?
       Punkt 1  der Analyse:  Von jedem  Irren  weiß  man,  daß  er  ein
       a r m e r   Irrer ist.  Gerade die ungezügelte Aufrüstung der Na-
       tion gibt  dem Analytiker das eindeutige Indiz dafür ab, daß hier
       "Angst" vorliegt.
       
       "Der Nachrüstungs-Doppelbeschluß  läßt sich  nach unserer Auffas-
       sung als ein alarmierendes Symptom für das kritische Stadium ver-
       stehen, in  das die  Mechanismen der  Angst und Aggressionsabwehr
       getreten sind."
       
       Wer gegen  andere "aggressiv" ist, der muß selbst zutiefst verun-
       sichert sein - dieser "Mechanismus" gilt, und zwar in jedem Fall;
       dazu muß  man die  Zeichen nur  zu deuten wissen: Bei den politi-
       schen und  militärischen Erpressungen  handelt es sich einerseits
       um "Drohgebärden",  andererseits um "versteckte Aufrüstungsakte".
       Na was denn nun: Wird da mit den Waffen  g e p r o t z t,  um die
       eigene  Unsicherheit   zu  kaschieren,  oder  werden  die  Waffen
       v e r h e i m l i c h t,   weil man  mit ihnen ein schlechtes Ge-
       wissen hat?  Im Prinzip  natürlich beides, denn wie dem auch sei,
       hat der Analytiker die Nase vorn: Daß sein Patient die Hosen voll
       hat, ist allemal ausgemachte Sache.
       
       ...rüstet auf, um seinen psychischen Defekt zu bewältigen
       ---------------------------------------------------------
       
       Und wer oder was es sei, was den Patienten namens "unser Land" so
       verunsichert, ist doch auch klar: er  s e l b s t!  Wie das?
       
       "Die dramatische Zuspitzung der Arbeitslosigkeit, die alarmieren-
       den Zahlen über Alkohol- und Drogenabhängigkeit, über das Anwach-
       sen der  Jugendsekten, über die Zahl der Aussteiger und nicht zu-
       letzt die  wachsende Radikalisierung  nach rechts  und links sind
       beängstigende Symptome  für  unbewältige  gesellschaftliche  Kon-
       fliktspannungen."
       
       Ob die  Rüstungseskalaktion nun  etwa auf  das "Anwachsen der Ju-
       gendsekten" zurückgeht  oder sich die "Drohgebärden" wirklich dem
       gestiegenen Alkoholspiegel  der BRD verdanken, ist hier natürlich
       eine müßige Frage. Daß all die von den Psychologen mit dem Gestus
       tiefer Bestürzung  aufgezählten Dauerthemen  öffentlichen Raison-
       nierens mit der "Kriegsgefahr"  i r g e n d e t w a s  zu tun ha-
       ben müssen,  ist zum  einen sowieso  klar, schließlich handelt es
       sich um ein und denselben Patienten. Bleibt nur noch der Umstand,
       daß vollkommen  schleierhaft ist,   w a s  sie miteinander zu tun
       haben sollen - für einen Psychoanalytiker freilich die leichteste
       Übung: Sind sie nicht allesamt "Symptome" für das, wofür auch die
       Hochrüstung   ein    "Symptom"   ist?    Na   eben:    Für,   die
       "gesellschaftlichen Konfliktspannungen",  sprich  dafür,    d a ß
       e t w a s   n i c h t   i n  O r d n u n g  ist! Deutsche Psycho-
       analytiker schaffen  es doch  spielend, mit  der Besorgnis um die
       geistige und  politische Hygiene des Landes, die heutzutage unter
       dem Aufmacher "Krise" noch in jeder Groschenillustrierten gewälzt
       wird, sich  in den  Vordergrund zu  spielen - indem sie diese als
       i h r  Geheimnis verkünden!
       Eines freilich  mag dem  Leserpublikum bisher  unbekannt  gewesen
       sein: Daß  Patient BRD  deswegen zum  Endsieg rüstet,  weil er es
       sich durch   R ü s t u n g   ersparen  will, seine eigene "Krise"
       zur Kenntnis  zu nehmen,  die ihm  an all den anderen "Symptomen"
       ständig unangenehm  auffällt! Bei der öffentlichen Bekanntmachung
       dieser Absurdität brauchen die Analytiker noch nicht einmal die -
       zumindest denkbare  - Gegenfrage zu befürchten, ob denn wenigsten
       s i e  s e l b s t  noch richtig ticken würden. Schließlich haben
       sie nicht  nur ihre eigene professionelle Routine auf ihrer Seite
       -  mit   der   Behauptung,   es   liege   beim   Patienten   eine
       "V e r d r ä n g u n g"   vor, den eigenen Unsinn zu  d e s s e n
       Lasten gehen  zu lassen -, sie haben auch noch Zeugen für ihr Ge-
       heimnis!
       
       Die Friedensbewegung:
       ---------------------
       lauter Kollegen der Firma Richter & Co. GmbH
       --------------------------------------------
       
       Als Kronzeugen  des BRD-Psychodramas  benennen die Analytiker die
       "junge Generation",  insbesondere  die  Friedensbewegung.  Warum?
       Weil diese  jungen Leute  haargenauso sind wie die Psychoanalyti-
       ker: Erstens  brächten sie  die  "Krisen  der  Gesellschaft"  zum
       A u s d r u c k,  indem sie als deren "Symptomträger" fungierten.
       Vor allem  aber repräsentiere  die Friedensbewegung den entschie-
       denen  W i l l e n  z u r  G e s u n d h e i t  der Gesellschaft:
       
       "indem sie die Krisen beim Namen (!) nennt, trägt sie verantwort-
       lich zu deren Bewältigung (... ) bei."
       
       Das sind die "vernünftigen Ziele der Friedensbewegung"; für alles
       Übel   s e l b s t   die Verantwortung zu übernehmen, um sich mit
       der eigenen  Verantwortlichkeit als  V o r b i l d  zu präsentie-
       ren.
       Daß die Gesellschaft diese ihre Selbstheilungskräfte nicht anneh-
       men will,  paßt freilich  in ihr  Krankheitsbild. Sollen doch die
       Politiker einsehen,  daß ihnen  mit der  Friedensbewegung   i h r
       e i g e n e r   D e f e k t  vor Augen tritt! Wie sie stattdessen
       mit ihr umspringen, verdrängen sie doch nur diese Einsicht:
       
       "Diese Reaktionen wollen nicht nur das schreckliche Leiden zweier
       Weltkriege   u n g e s c h e h e n   machen; sie   v e r l e u g-
       n e n   auch die  schweren gesellschaftlichen  Krisen, in die wir
       geraten sind."  Deutsche Psychoanalytiker  stehen da  ganz anders
       da: Gerade daß noch nicht einmal die Verantwortlichen merken, wie
       schlimm es  um Deutschland  steht, beweist  die Überlegenheit der
       eigenen Diagnose.  Vor einem  haben  diese  Wissenschaftler  also
       bestimmt nicht  Angst: vor  dem  Krieg.  Schon  eher  davor,  daß
       angesichts der Kriegsvorbereitungen übergangen werden könnte, daß
       es eine  Profession gibt,  die den  Schlüssel zur Erklärung aller
       "Katastrophen" in  Händen hält.  Das mal gesagt zu haben, ist man
       s i c h   als Psychoanalytiker  schuldig, weshalb man gleich eine
       öffentliche  Initiative   zur  Darstellung   der  eignen  Verant-
       wortlichkeit machte.  Als Mahner  ist man  je schon  das  bessere
       Deutschland.
       

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