Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
zurückDIE AVANTGARDE DER MILLIONEN FRIEDLIEBENDEN DEUTSCHEN
Erstens und vor allem besteht die Friedensavantgarde aus Christen -------- die sich dem offiziellen Appell ans staatsbürgerliche Gewissen nicht entziehen wollen und sich deshalb ihr eigenes machen. Nach den mageren Jahren des wachsenden Wohlstandsdenkens im Modell Deutschland haben von den Kardinälen über die Pfarrer bis zur Ge- meinde alle mit der Friedensfrage wieder ein urchristliches Thema und damit die Initiative in Sachen öffentlicher Besorgnis über den Gang der irdischen Welt in die Hand bekommen. Was Wunder, ist doch Gottes Friede schon immer das Ideal gewesen, mit dem ein or- dentlicher Christenmensch seinen Frieden mit den gar nicht fried- lichen Umtrieben der Herrschaft hienieden geschlossen hat - und zwar dadurch, daß er sich ein Gewissen und eine Verantwortung daraus gemacht hat. Ob d i e s e Politik noch gottgefällig und von Christen zu verantworten sei, mit dieser kritischen Frage des Bürgers, der ganz selbstverantwortlicher Diener sein möchte, wer- den alle möglichen und unmöglichen Anforderungen an diejenigen gestellt, die nach (un)umwundener Aussage der Denkschriften der christlichen Doppelmannschaft selber nur die Diener Gottes auf Erden und als solche berechtigt sind, unser aller Gehorsam zu fordern. Der jungkirchliche Protest ist denn auch kein Bestehen auf den vorgestellten Prinzipien einer guten Politik, sondern die an die Kanzlermannschaft adressierte Bitte, der deutsche Staat möge doch die nach innen und außen friedenssichernde Herrschaft über den alten Adam sein, mit der sie sich umstandslos einig er- klären könnten. Einen wirklich bösen Willen mag er den Rüstungs- politikem deswegen auch nicht unterstellen, sondern nur Irrtümer und Verfehlungen bezüglich ihrer atomaren Friedenssicherungsme- thoden. Da Christen - in der Dialektik der sündigen Menschennatur bewandert - keinem Politiker die Absichten unterstellen möchten, die er verfolgt, und noch beim offensichtlichsten Leuteschlächter an der Macht auf mögliche reuige Einsicht setzen, ja "selbst" Kommunisten für wandlungsfähig, kurz: den Krieg für ein Werk der unvernünftigen Menschennatur halten, die zur Selbstvernichtung neigt, sind sie von dieser höheren Warte aus guten Gewissens zu jeder politischen Unterscheidung zwischen der eigenen und fremden Herrschaft fähig. "Wir" sind eben immer noch deutsche Christen, und die kennen den kleinen Unterschied zwischen einer Politik aus christlicher Verantwortung und einer Politik kommunistischer Glaubens- und Volksunterdrückung auch und gerade dann, wenn man an sie appelliert, durch ihre Kapitulation dafür zu sorgen, daß wir mit unseren Herren wieder im Reinen sein können. Wenn das trotz Gottes Willen nicht geschieht, weil der Westen Kriegsdiplo- matie treibt, wen trifft dann wohl die Schuld und wer hat dann bestenfalls als Mensch "geirrt" und als Politiker "versagt"? Aktion Sühnezeichen, -------------------- die kirchliche Hauptfriedensorganisation, hat beim Breschnew-Be- such mit ihren Pfunden gewuchert. Hatte sie am 10. Oktober in Bonn nicht übermäßig einseitig für ein "atomwaffenfreies Europa" und "Gegen die Rüstung in Ost und West" demonstriert, so hat sie endlich am 22. November zur Einseitigkeit des Radikalen gefunden. Während im Kanzleramt mit Breschnew Kriegsdiplomatie getrieben wurde, sah sich die sowjetische Delegation auf der Straße und in der Presse einer F r i e d e n s d i p l o m a t i e, d.h. dem gleichen von unten ausgesetzt. Die Erpressungen des Kanzlers zwecks einseitiger Abrüstung der Russen lief über die Drohung mit Pershing und Cruise Missile, die der Aktion Sühnezeichen über den Friedenswillen der Deutschen. Die Friedensbewegung meinte darin, daß die Russen angeblich furchtbar auf sie hoffen, ihr diplomati- sches Druckmittel gegen die östliche Großmacht entdeckt zu haben, brachte es moralisch zum Einsatz, und leitete gleich Ansprüche auf Einmischung in die inneren Verhältnisse des Warschauer Pakts aus ihrem Friedenswillen ab: "Sehr geehrter Herr Generalsekretär, wir als Veranstalter und die 300.000 Teilnehmer der Demonstration vom 10.10. haben damit" (daß sie sich 'einseitig' (!) gegen die "Nachrüstung" aussprachen) "deutliche Erwartungen auch an die Sowjetunion und den Warschauer Pakt gerichtet, weil nach unserem Verständnis Europa nicht an der politischen Grenze zwischen Ost und West endet." Und die "Erwartungen" sind nicht unbescheiden. Die Sowjets sollen Reagans Forderung nach ü b e r p r ü f b a r e r Abrüstung durch mehr "Transparenz der Rüstung des Warschauer Paktes" erfül- len; natürlich nicht wegen des parteilichen Reagan, sondern damit die unparteilichen Friedensfreunde "den meist einseitig interes- sengeleiteten Angaben über die Rüstung der osteuropäischen Seite durch Ministerien wirkungsvoll widersprechen können." Ähnlich wie die Grünen, die "die NATO-Lüge, nach der eine sowje- tische Vorrüstung durch eine amerikanische Nachrüstung zu korri- gieren wäre", nicht glauben, und doch einseitige russische Abrü- stung fordern, weil allein die Existenz russischer Waffen der NATO die "Psychologie des Wettrüstens" leicht und den Friedens- freunden eine Gegnerschaft zur Aufrüstung so schwer macht, erlau- ben sich hier die Christen die Unverschämtheit, einseitige Abrü- stung der Russen als Argumentationshilfe für die Friedensbewegung zu fordern. Ja, wenn man gegen die Aufrüstung der eigenen Nation nur dann argumentieren kann, wenn der Feind schon entwaffnet ist... Damit die "einseitigen kalkulierten Abrüstungsschritte des War- schauer Paktes" nicht zu knapp ausfallen und im Westen nur als "Abzug von überflüssigem dargestellt werden können", was die Ak- tion Sühnezeichen nicht verhindert, obwohl sie es als "Darstellung" erkennt, empfiehlt man den Russen, doch nicht immer aufs G l e i c h g e w i c h t zu schielen. Der "Arbeiterkampf" des KB hat gar nicht unrecht, wenn er fest- stellt, die Friedensbewegung unterscheide sich nicht darin von der NATO, daß sie die einseitige Abrüstung des ohnehin nicht überlegenen Ostens fordert, sondern darin, daß sie das auch noch offen zugibt. Der Standpunkt des Friedens ist eben so endlos erhaben über jeden Imperialismusverdacht, daß sich im Namen des Friedens Ansprüche an den äußeren Feind formulieren lassen, die die NATO wenigstens in Europa so nicht ausspricht. Daß die Ideologie des Gleichge- wichts passe ist, sagen uns außer der US-Administration ("Position der Stärke") vorerst nur die Anhänger des Friedens, die die Aufrechnerei satt haben und ausgerechnet von den Russen verlangen, sie sollten mal die Friedensliebe des Klügeren bewei- sen, die im Nachgeben besteht und dem westlichen Gegner gleich alle Wangen schutzlos hinhalten. Diese friedliebende Art, der So- wjetunion die Mittel der Selbstbehauptung zu bestreiten, ist da- mit das Spiegelbild der Reaganschen These, daß nichts den Frieden so sicher macht, wie eine drückende Überlegenheit des Westens. Wie echte Diplomaten drohen auch die christlich-moralischen: "Wir werden in unserem Engagement für Frieden und Abrüstung fort- fohren, und die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenwaffen bei uns verhindern. Die Friedensbewegung kann bei uns aber auf Dauer nur erfolgreich arbeiten, wenn die Antwort der Abrüstung aus ihrem Land nicht ausbleibt." Weil wir Abrüstung von unserem Staat erbitten, während er tatsächlich aufrüstet, müßt ihr Russen als Staat Abrüstung be- treiben, sonst wird es für uns leider auch immer schwerer für Ab- rüstung einzutreten. Seid ihr aber weitgehend entwaffnet, dann trauen wir uns zu, in Deutschland nicht nur 300.000, sondern schlechterdings alle Bürger von der Unnötigkeit weiterer Aufrü- stung zu überzeugen! Klar ist leider, daß diese moralische Verdoppelung der Kriegsdi- plomatie so wenig wie die echte auf Erfüllung der vorgelegten Forderungen abzielt. Sie muß ebenso wie die von Reagan vorgelegte Null-Option, auf die sich die Russen nicht einlassen können, un- weigerlich zu der Einsicht führen, daß die ehrliche Hoffnung auf den Friedenswillen der Russen ein Holzweg ist. Dann waren es eben doch nur gottlose Kommunisten. Nach der Weltanschauung des gewissenhaften Untertanen vor Gott und der Welt ist als zweite Kraft der Idealismus der Demokratie, die Grünen ----------------------------------------- berufen, den Friedenswillen des deutschen Volkes zu repräsentie- ren. Ihr altes antimaterialistisches Thema, daß es jetzt aufs Ü b e r l e b e n und sonst nichts mehr ankomme, und daß dafür j e d e r e i n z e l n e a k t i v werden müsse, hat ange- sichts der Frage von Krieg und Frieden tatsächlich so etwas wie Realismus gewonnen. Als mittlerweile etablierte parlamentarische Partei bekommen die Grünen damit wieder den Charakter der Reprä- sentation einer echten Bewegung. Als authentische Vertreter des Standpunkts der Betroffenheit vom Krieg = der Standpunkt des Überlebens = der des Friedens gehen sie in der Logik der Frie- densliebe erheblich über ihre christlichen Bündnispartner hinaus. Sie wissen, daß der Frieden, den die NATO gegen den Ostblock hal- ten soll, sich nicht nur an den russischen Waffen stört, sondern an der Existenz des Blocks selber. Also fordern sie, im tiefen Wunsch, die SU möge die NATO zufriedenstellen und so den Krieg überflüssig machen, Politisches von den Russen. Und das dürfen sie auch; nicht nur als ehrliche Friedensfreunde, auch als Par- teigänger der reinen Prinzipien der US-Weltordnung nach dem zwei- ten Weltkrieg, deren Unparteilichkeit sie darin beweisen, daß sie auch El Salvador sehen, dürfen sie viel mehr als die Junge Union 'Afghanistan' schreien. Im Falle Polens und Afghanistans wird das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" verletzt, was die Grünen em- pört. Sollten sie nicht wissen, was das heißt? Liegt den Grünen wirk- lich so viel an der Differenz zwischen einer einheimischen und einer ausländisch unterstützten Herrschaft über die Afghanen? Ist ihnen die innerkoreanische Niederschlagung des Arbeiter- und Stu- dentenaufstands von Kwang-Ju wirklich so viel lieber als eine mit Hilfe ausländischer Truppen? Wollen sie die Entmachtung Pol Pots durch vietnamesische Truppen, die den Kambodschanern wenigstens ein Ende des Schlachtens und wieder etwas Reis beschert hat, wirklich verurteilen, weil diese Befreiung von Ausländern ge- bracht wurde? Und ist ihnen schließlich die Islamische Revolution im Iran so lieb, daß sie sie auch den Afghanen wünschen? Alle diese Fragen gehen völlig daneben, denn den Grünen ist, wie allen anderen Mitbürgern, das Schicksal der Afghanen so egal, daß sie vor der russischen Invasion wahrscheinlich gar nicht wußten, wo dieses Land liegt. Den Grünen geht es wie der NATO u m s P r i n z i p. Und ihr Ideal der nationalen Souveränität haben sie sich aus dem Weißen Haus abgeholt, mögen sie es auch noch so sehr für Antiim- perialismus halten und gegen die Praktiken der US-Politik. Es ist nämlich das Prinzip der US-Weltordnung, nach dem zweiten Welt- krieg überall auf der Erde kooperationswillige einheimische Herr- scher zu etablieren, die an der Ausnutzung ihrer Länder durch die alten kapitalistischen Nationen mitverdienen. Gegen dieses höchst menschenwürdige Prinzip erkennen eben gerade idealistische Grüne die russische These von der begrenzten Souveränität eines sozia- listischen Landes als den reinen Verstoß gegen das, worauf jeder Mensch ein Recht hat: eine einheimische Herrschaft. Der Basis-Idealismus der Demokratie bringt es also in seiner An- wendung auf die aktuelle politische Situation durchaus zu NATO- gerechten Sachaussagen. Und im Namen des Friedens läßt sich der westliche Imperialismus erheblich frecher formulieren, als es der deutsche Bundeskanzler je wagen würde: "S o f o r t i g e r Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghani- stan!" Die dritten im Bunde der echten Repräsentanten des Friedenswil- lens sind die Idealisten des Nationalismus -------------------------------- selber, die deutschen Intellektuellen. Alle linken und Renommier- Berühmtheiten, die die anderen Aufrufe zum Frieden und auch sonst alle kritischen Aufrufe unterzeichnet hatten, haben jetzt den Ha- vemann-Brief an Breschnew unterschrieben und in Zeitungen veröf- fentlicht. Von Pastor Albertz bis Zwerenz, vom linken Elmar Altvater bis zur Wahlfranzösin Romy Schneider, haben alle bekannten Unterschreiber perfide untertänig an Breschnew appelliert, er solle doch Groß- deutschland als Friedensgaranten wieder zulassen. Für den Frieden getraut sich eben auch groß deutscher Nationalismus wieder ans Licht - und zwar in Ost und West! Diesmal soll die Welt am deut- schen Friedenswesen genesen und die Blöcke sollen einen mächtigen Puffer zwischen sich kriegen! "Ursprünglich schien hierdurch (durch die deutsche Teilung) ein gefährlicher Aggressor für immer entmachtet und damit der Frieden in Europa gesichert. Aber das absolute Gegenteil war die Folge, Die Teilung Deutschlands schuf nicht Sicherheit, sondern wurde die Voraussetzung der tödlichsten Bedrohung, die es in Europa je- mals gegeben hat. Es gilt, insbesondere die beiden Teile Deutschlands der Blockkon- frontation zu entziehen. In diesem Zusammenhang sei daran erin- nert, daß die Sowjetunion sich bis in die sechziger Jahre immer wieder für die Entmilitarisierung und Neutralisierung ganz Deutschlands ausgesprochen hat." - weshalb eben auch in den Augen der deutschen Intelligenz, der Frieden jetzt am Breschnew hängt. Viel Ruhe und Frieden verspricht der selbstbewußte deutsche Na- tionalismus den anderen Völkern wahrhaftig nicht, aber immerhin: "Wie wir Deutsche unsere nationale Frage dann lösen werden, muß man uns schon selbst überlassen und niemand sollte sich davor mehr fürchten, als vor dem Atomkrieg." Fehlen der Pariserin Romy Schneider, dem Möchtegern-Alternativ- gutachter, dem kritischen Barden und dem Politpfarrer wirklich das geeinte Deutschland zur Vollständigkeit ihres Glücks? Auch diese Frage ist falsch. Der nationalistische Wiedervereinigungs- Idealismus hat sich eben in der Kultur und in politischen Sonn- tagsreden erhalten, ohne daß auch nur einer damit mehr meinte, als eben die Idee eines großen neutralen Deutschlands. Anderer- seits entbehrt auch dieser nationalistische Wahn nicht des Re- alismus - umso weniger jedenfalls, je mehr ein Waffengang gegen den Osten realistisch wird: Während all dessen feiert die Mannschaft des Krefelder Appell ----------------------------------- die zwei millionste Unterschrift und den ersten Jahrestag. Für ihren Erfolg bedanken sie sich mit einem Beweis in Sachen Glaub- würdigkeit: Daß sie ganz für den Frieden und nicht etwa für die Russen sind, unterstreichen mehrere Redner dadurch, daß sie auch auf die russischen Waffen hinweisen, und so die einzige Spitze des Krefelder Appells gegen die Bonner Politik abstumpfen. Die Rednerin der DKP, die noch einmal die Friedliebende Sowjetunion von der NATO unterscheiden wollte, mußte sich mit geradezu pein- lichem Höflichkeitsapplaus zufriedengeben. Dafür nahm General a.D. Gert Bastian die offenbar kaum mehr in Erscheinung tretenden deutschen Kommunisten in Schutz: Da diese sich aufs gemeinsame Anliegen völlig verpflichten ließen, sehe man nicht ein, warum man sich von ihnen distanzieren sollte. In der Tat. Um der Breite der Bewegung willen bewegt man sich so auf den Friedensappell des DGB zu, den jedenfalls kein Krefelder als Kampfansage an sich auffassen will, obwohl er nur zu diesem Zweck erfunden wurde. Dieser Appell endlich garantiert Breite und Mehr- heiten, verlangt er doch nichts anderes als die Null-Lösung der NATO - um des Friedens willen! "Wir fordern die Regierungen der USA und der Sowjetunion auf, auf die Stationierung weiterer Mittelstreckenraketen zu verzichten, und die bereits" (von wem wohl?) "stationierten Mittelstreckenra- keten abzubauen." Endlich ein Friedensappell, der das deutsche Volk nicht mehr spaltet, der den scheinbaren Widerspruch zwischen Friedensbewe- gung und Friedenspolitik schließt. Rüstungskanzler Schmidt: "Diesen Appell würde ich unterschreiben, wenn er nicht an mich gerichtet wäre." So aber schickt es sich nicht. zurück