Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION FRIEDENSBEWEGUNG - Von Waffen und Moral
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DIE FRIEDENSBEWEGUNG BEWEGT SICH VORWÄRTS
"An der Spitze der Friedensbewegung in der Bundesrepublik steht
der Bundeskanzler!" sagte Regierungssprecher Becker und setzte
damit eine typische Regierungslüge in die Welt. Umgekehrt aller-
dings braucht die Friedensbewegung nicht die Führerschaft des
Kanzlers, um zu immer mehr nationaler Verantwortung zu finden.
Der Ruf nach "Frieden" ist nämlich keine Absage an den Nationa-
lismus, sondern d i e zeitgemäße Weise, ihn zu äußern.
5 Thesen zur Friedensliebe
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1.
Wer nach Frieden ruft, hat bemerkt, daß er von einer politischen
Konfrontation seiner Obrigkeit mit einer ausländischen Macht so
betroffen ist, daß es ihn das Leben kosten kann. Das ist ja wohl
auch unausweichlich, wenn die Politiker für jeden Bürger die Er-
gebnisse ihres verantwortlichen Treibens als "drohende Kriegsge-
fahr" an die Wand malen, gegen die sie sich mit der Fortsetzung
dieses Treibens angeblich zur Wehr setzen; wenn die Politiker die
bedingungslose Aufrüstung als das einzige Mittel der
"Friedenssicherung" propagieren - weil der Gegner nicht bedin-
gungslos abrüstet -; und wenn die Politiker mit der Beschwörung
des "gefährdeten Friedens" auf Zustimmung zu eben dieser Politik
dringen. Wer angesichts dessen nach Frieden ruft, der versagt al-
lerdings dieser Politik, die an der Herstellung der
'Kriegsgefahr' mitbeteiligt war, nicht den Gehorsam, sondern be-
ruft sich ausgerechnet dann und so auf das Ideal der nationalen
Politik, wenn und wie es ihm von dieser vorgegeben wird. Die
Übernahme der von oben ventilierten Sprachregelung von der "immer
schwieriger werdenden Weltlage", mit der dann von der Regierung
zu zur Friedensinitiative der Kirchen alle "konfrontiert" sein
sollen und wollen, macht aus der bemerkten Betroffenheit ein ge-
meinsames Anliegen, die Gefährdung der N a t i o n, der
M e n s c h h e i t oder des G l o b u s abzuwenden. Und aus-
gerechnet die heimischen und ausländischen Staatsmänner
(begut)achtet er als die Zuständigkeit, um diese Gefahren von uns
allen abzuwenden.
2.
Der Ruf nach Frieden ist seiner Natur nach ein Appell an die Au-
ßenpolitik, also an die für Geschäft und Gewalt zuständige In-
stanz, sich der Alternativen in Sachen Vaterlandsverteidigung,
Durchsetzung der nationalen Interessen weltweit, kurz: Bewälti-
gung der Konfrontation mit dem Osten anzunehmen. Wenn Tausende
demonstrieren, sie hätten kein rechtes Vertrauen in die Politik
mehr, weil sie anderer Meinung über Gut und Böse in Sachen Rü-
stung sind, und entsprechend andere Bedingungen fürs Mitmachen
vortragen - Bedingungen, die in den meisten Fällen nichts weiter
als Bekenntnisse des eigenen Willens sind, wenigstens vom Krieg
verschont zu bleiben -, dann demonstrieren sie damit ihre immer
noch nicht endgültig enttäuschte Erwartung, die Obrigkeit könnte
ihren Vorstellungen von einer "vernünftigen", "verantwortlichen"
Politik genügen. Ist es denn wirklich so schwer, den Nationalis-
mus einer SPD-Regierung, eines DGB zu kritisieren und nachzuwei-
sen, wer seine Manövriermasse bildet? Weiß keiner mehr, daß Mili-
tärstrategie auf Sieg berechnet ist und was die NATO samt Bundes-
wehr überall auf dem Globus verteidigt?
Nein, angesichts der Kriegsgefahr will keiner Kritiker des Impe-
rialismus sein; und jeder befürwortet mit dem leeren Ideal "nicht
Krieg" durch schlichtes Stillschweigen darüber, wie sich die im-
perialistischen Staaten mit der nützlich gemachten Armut schlag-
kräftig in Szene setzen, sein explizites Einverständnis damit,
daß für den Frieden, den die Politiker gar nicht erhalten, auf
jeden Fall jedes Opfer gerechtfertigt ist.
3.
Wer nach Frieden ruft, wenn die Kriegsvorbereitung unter dem
Schlagwort der "Friedenspolitik" demokratisch durchgesetzt wird,
der gesteht seiner Obrigkeit zu, daß die Bewahrung des Friedens
schwieriger geworden ist. Der macht von der Abstraktion Frieden;
auf die sich alle staatsbürgerlichen Vorstellungen über und An-
sprüche an den Gang der Welt zusammengezogen haben, auch ohne Zö-
gern den Fortgang zur Abwägung der politischen Willenserklärungen
seiner Regierung als angeblicher Mittel, den Frieden zu erhalten.
Wo die Regierung mit der Demonstration ihrer Bedingungen an einen
Frieden klarstellt, daß ihre Friedenspolitik das Gegenteil von
Nachgeben ist, da hält ihr der Ruf nach besserer Friedenssiche-
rung vor, sie t a u g e n i c h t für diesen Zweck, und venti-
liert von da aus, wie dieses Ziel in "schwierigen Zeiten" dennoch
zu erreichen sei. Und das nicht nur dadurch, daß die Waffen, mit
denen sich die Politik versieht, zu einer Gefahr für die Politik
erklärt werden, sondern auch und gerade dadurch, daß die
"Friedensliebe des Volkes" gegen den "Kriegswillen" der Politiker
ins Feld geführt wird. So wenig sich aber irgendjemand außer ein
paar Faschisten nach einem Stahl- oder Strahlgewitter sehnt, so
wenig wollen Reagan, Schmidt und die übrigen NATO-Häupter nichts
als den K r i e g. Die Sache ist ernster: Der Krieg - und das
liegt sogar noch in der Logik der Abschreckungsideologie - ist
ein fest einkalkuliertes M i t t e l; wenn sich anders die au-
ßenpolitischen Erpressungen nicht mehr durchsetzen lassen, muß
der Gegner eben durch Gewalt gezwungen werden. Und bis dahin ist
selbst den Militärs dieser Welt d i e Drohung, die Nachgiebig-
keit beim Feind erwirkt, lieber. Sie nennen das F r i e d e n -
und ihre Erpressung F r i e d e n s p o l i t i k.
4.
Gerade wer nach Frieden ruft, findet in den Erpressungsmanövern
und -verhandlungen bezüglich der Entwaffnung der Gegenseite, des-
halb auch immer noch das Material, seine Regierung vom Vorwurf
der Kriegstreiberei zu entlasten. Genauso, wie er - und sei es
auch nur ideell mit seinem Konzept eines "Austritts aus der
NATO", einer alternativen ganz neutralen nationalen Politik oder
eines kernwaffenfreien Europa - Reagan und Schmidt auseinanderdi-
vidiert, beweisen ihm die Waffen des Ostens zumindest die Gefahr,
die die SU ebenfalls darstellt und die unserer Regierung das al-
ternative politische Leben schwer macht. So läßt er sich von
Schmidt, Genscher und Co. auf den erkorenen Feind verpflichten
und verlangt auch von ihm, er solle der eigenen Regierung den
Friedenswillen gefälligst nicht so schwer machen, d.h. den seinen
beweisen. So eröffnet er für sich - ganz neutral versteht sich -
jenseits aller unterschiedlichen Zwecke der Herrschaft hüben und
drüben - die S c h u l d f r a g e der Sowjetunion, als wäre
die Kritik an der drüberen Sorte Herrschaft ein guter Grund für
die NATO und als sei das "Bündnis" westlichen Freiheitsverteidi-
gern wegen der polnischen Arbeiter, unterdrückten Afghanen und
sonstigen Völkern hinter dem eisernen Vorhang eingefallen.
5.
Wer nach Frieden ruft, den bringt der von seiner Regierung -
jetzt mit der "Nullösung" angestrebte - Beweis, daß der anderen
Seite der Frieden nicht alles wert ist, in immer größere Beweis-
not für dieselbe Behauptung gegenüber der heimischen Mannschaft.
Dann verstummt bei einem Großteil der Friedensbewegung der Ruf
nach Frieden, wenn vom Staat verlangt wird, er solle das Volk vor
den "Schrecken des Krieges" bewahren. Dann schlägt die Stunde
derjenigen, die sich "endgültig enttäuscht" über die Politik
hüben wie drüben zeigen, und bestenfalls "ohnmächtig" bekunden,
daß das alles ohne ihren Willen geschehe. Der Staat wird sich da-
durch nicht abhalten lassen; denn seit wann kommt es darauf an,
mit welcher Einstellung das Volk sich für das Vaterland opfert.
Begeistert muß und wird kein Demokrat in den Krieg ziehen, son-
dern "bloß" überzeugt, daß es notwendig ist - so oder so.
So weit ist die deutsche Friedensbewegung noch nicht, weil es
noch nicht so weit ist. Deutliche Fortschritte in der Dialektik
der Friedensliebe hat sie anläßlich des Breschnew-Besuchs in Bonn
aber schon gemacht.
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