Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION BEWEGUNG - Von Robin Wood und Hausbesetzern


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 26, 09.12.1980
       
       Bundeskonferenz der Bürgerinitiativen
       

BUKO 80 - NEIN DANKE!

Am 29./30.11. tagte in der Bremer Uni die Bundeskonferenz der Bürgerinitiativen, die nach eigenem Bekunden die weitere Strate- gie der "Bewegung" klären sollte. Die Themen der Arbeitsgruppen waren der aktuellen Politik der Bundes- und Landesregierungen zur Durchsetzung des Atomprogramms einerseits und den Erfahrungen mit der eigenen Politik andererseits entnommen. Die Diskussionen der Themen wie "Energiepolitik" und "neues Entsorgungskonzept der Bundesregierung", "Atomprogramm und atomare Aufrüstung", "Aktion 1004 " und "Prozesse" wurden plenar in folgenden Fragen bündig zusammengefaßt: Fragender Bewegung an sich selbst --------------------------------- "1. Kann bzw. soll unser Widerstand auf den gegen AKWs beschränkt bleiben? War das die Grundlage unseres bisherigen Erfolgs? Ist unser Widerstand zu trennen vom Kampf gegen den Staat?" Man war also einhellig zu dem Ergebnis gekommen, daß man bislang Erfolg gehabt hat. Merkwürdig die Schlußfolgerung, daß es so nicht einfach weitergehen kann, wo doch unmittelbar das Gegenteil auf der Hand läge. Das Rätsel klärt sich damit, welcher Erfolg da geltend gemacht und in Zweifel gezogen wird. Für ersteres waren in den Diskussionen die "Wißt-Ihr-noch"-Beiträge zuständig, die nicht vom E r g e b n i s, sondern vom E r l e b n i s der bisherigen Aktionen berichteten. Offenbar geht es nicht darum, bei den Bürgern - oder gar beim staatlichen Gegenspieler etwas zu erreichen, sondern man ist sich selbst der Hauptadressat der ei- genen Bemühungen. Und da lautet das Urteil, daß b i s l a n g der Widerstand gegen AKWs dazu getaugt hat, sich als Widerstands- bewegung zu etablieren, belegt mit dem Selbstbewußtsein einer solchen, das man sich mit den Aktionen verschafft hat. Für dieses Unterfangen entdeckt man nun den Anti-AKW Kampf als "Beschränkung". Warum mögen sich die Bürgerinitiativen plötzlich nicht mehr als "Ein-Punkt-Bewegung"? So jedenfalls heißt die despektierliche Selbsteinschätzung, die einen schönen Hinweis darauf gibt, als was die kalkulierte Katastrophe atomarer Stromerzeugung nach jah- relangem Kampf gilt. Was der "Bewegung" zu schaffen macht, ist tatsächlich zum guten Teil ihr eigener Erfolg. Längst nämlich ist es nicht mehr ihr exklusives Selbstbewußtsein, Einspruch gegen eine "lebensbedrohende Technologie" eingelegt zu haben. Längst gehört die "Angst" zum anerkannten Repertoire der staatsbürgerli- chen Öffentlichkeit, und kaum ein Parteipolitiker läßtes sich entgehen, sie mit viel öffentlichem Kopfzerbrechen unter Beistand wissenschaftlicher Statisten über "Risiko und Notwendigkeit der Kernenergie" zu hofieren, um sie in politisches Vertrauen in die "zuständigen" Macher umzumünzen. Das bekommt die "Bewegung" zu spüren, indem mancher alte Mitkämpfer ins bürgerliche Lager ab- bröckelt. Anstatt über diese unheilige Allianz mal nachzudenken, fragt sich die "Bewegung", wie sie genauso weitermachen kann wie bisher, nur eben ganz anders. Man muß die eigenen Aktionen als Widerstand gegen den Staat extra kenntlich machen und/oder sich zusätzliche Punkte suchen, die für diesen Zweck besser geeignet erscheinen: "Bei Krieg und Militär stellt sich die Frage 'Wie halten wir es mit dem Staat?' substantieller" - sagte am Sonntag ein Arbeitsgruppensprecher. Gemerkt hat der Mann schon, was der Staat ihm praktisch zumutet, wenn er mit einem Wahlkampf "Weltfrieden bedroht - wann müssen wir ihn verteidi- gen?" und öffentlichen Truppenvereidigungen seinen Bürgern klar- macht, daß er mit Krieg und seinen Bürgern als dessen Material kalkuliert. Daraus die F r a g e zu machen, wie man dazu steht, ist ein starkes Stück, aber logisch, wenn es nicht schlicht um die Gegnerschaft dagegen geht, sondern Krieg und Militär als "Punkt" dafür gut sein sollen, daß die "Bewegung" ihren Wider- standscharakter auffrischt. Dann hat die Stellungnahme mit Krieg und Militär nichts, dafür umso mehr mit dem Hochhalten der eige- nen, unverwechselbaren Prinzipien zu tun: "In der Frage Kriegsgefahr und Militär müssen wir klarmachen, daß die Autonomie, die wir wollen, unteilbar ist." (Aus der AG "Atomprogramm und atomare Aufrüstung") "2. Welchen Charakter kann bzw. soll unser Widerstand haben? Set- zen wir mit Gewaltfreiheit auf den Staat als Verhandlungspartner, oder müssen unsere Widerstandsformen auf den Staat als Gegner abgestellt sein?" lautet die Schlußfolgerung. A l s o b die gelaufene und lau- fende Atompolitik zur "Verhandlung" stände und ihre Ablehnung nicht g e g e n die Politik der Bundesregierung stände, be- spricht die Bewegung mit dieser fiktiven Frage nichts als Posi- tionen, die es längst in ihr gibt. Da gibt es Lobbyisten wie Jo Leinen (BBU), die mit alternativen Sparkonzepten in Bonner Mini- sterien antichambrieren und mit ihrem D r i n sein den Mit- streitern die harte Nuß zu knacken geben, daß der Kampf darum, den "Betroffenen" im Staat Geltung zu verschaffen, ein Stück des Bodens entzogen ist. Da gibt es auch Burschen, die ihre Betrof- fenheit schon mal g e g e n einen Strommasten kehren bzw. beim Sturm auf ein Stadiontor spüren. Weder die einen noch die anderen wollen darüber befinden, ob man als "Betroffener" gegen die betreffenden Staatsmaßnahmen ist oder dagegen, daß sie o h n e die Betroffenen abgewickelt werden. Als sei die Betroffenheit nicht die klare Widerlegung der Behaup- tung, der Staat betreibe seine Kalkulation mit national rentier- lichem Strom aus strahlenden Atommeilern ohne die Bürger, die in jeder Hinsicht zahlen dürfen, will man sich den Idealismus nicht nehmen lassen, daß ersterer auf letztere zu hören habe. Worüber man sich dann streitet, ist klar. Erlaubt man sich militante Ak- tionen gegen den Staatsapparat bzw. Dinge, die' zum Symbol dessen erklärt werden, um damit zu demonstrieren, daß man den Staat o h n e die Bewegung nicht einfach agieren läßt, oder mischt man gleich auf allen Ebenen mit. Man macht beides, lautet das Resul- tat, und damit die Aktionen der einen wie der anderen "uns alle" voranbringen, darf keine für alle beschlossen werden. Die nächste Frage "3. Wie sehen die Widersprüche zwischen uns aus? Wie geht Solida- rität?" ist damit schon beantwortet. Die " Widersprüche" sind die "Einheit der Betroffenen", die bekanntlich keinen Bundesbürger ausschließt. Da braucht es nur noch die folgende Frage: "4. Welche Ideen gibt es für neue Angriffspunkte und Aktionen?" Diese Frage wurde als erste behandelt, und ihren Sinn hatte jenes Mädchen kapiert, das losheulte, als die Sammlung von Ideen zugun- sten der Strategiedebatte abgebrochen werden sollte, die im stän- digen Wiederholen vorstehender Frage bestand. Diese "Bewegung" befindet nicht einfach Aktionen für nötig, sie h a t sie nötig und die Frage "Was tun?" beantwortet sie sich mit einem mannig- faltigen "w a s tun". Denn freilich besteht der Zweck aller Ak- tionen - und das muß sich auch die "Bewegte" sagen lassen - darin, daß auf folgenden Bundes- und sonstigen Kongressen sich jenes glückliche Resümee ergibt, das der Mann vom Göttinger "Atomexpress" zog: "1. Wir sind nicht in der Lage zu Beschlüssen. 2. Das ist unsere schlechte Lage. 3. Der Grund: Wir können immer nur unsere Nieder- lagen, nicht aber unsere Erfolge beurteilen. 4. Das steckt im Be- wußtsein von jedem von uns. 5. Über das Atomprogramm herrscht in der Bevölkerung und in der Bewegung immer noch viel Unklarkeit. 6. Widerstand, der erfolgreich sein will, muß massenhaft sein. 7. Wir brauchen mehr Diskussionen, bessere Kommunikationsstruktu- ren..." Und das am E n d e des Kongresses. Wäre der Punkt 6. nicht, hätte die Bewegung keinen Namen. Eins aber hat sie auf jeden Fall. Sie verfügt über eine unfehlbare Methode, sich in "Bewegung" zu halten, die durch keine Realität, sei es die der "Baulinie 80" oder die "Unklarheit" in den eigenen Reihen, ge- schlagen werden kann. Krise der Bürgerinitiativen? Ach was! Ausklang -------- "Da wir hier keinen Parteitag abgehalten haben, brauchen wir am Schluß kein Lied zu singen." zurück