Quelle: Archiv MG - BRD OPPOSITION AUTONOME - Vom schwarzen Block


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       Das "Wunder von Hamburg":
       

DIE GEWALT, DER NACHGEGEBEN WIRD, IST FRIEDLICH

Die Hamburger Hafenstraße steht im Blickpunkt der Inflation. Ein für Hamburg und den Rest der Republik "unerträglicher Zustand" soll dort herrschen. Von "Kriegserklärung an die Gesellschaft" durch ein "Gewaltpotential" ist die Rede, ein "rechtsfreier Raum" sei entstanden; und ernste Politiker-Mienen wie Gewaltszenarios, die jedem anständigen Bürger das Grausen lehren, unterstreichen, was hier auf dem Spiel steht: der Rechtsstaat zumindest. Die Sache ist vorerst entschieden. Die SPD-Regierung führte ihre Verhandlungen mit den Vertretern der Hafenstraße mit der eindeutigen Absicht, die Verantwortung für das - bei der Nichteinhaltung des Ultimaten - staatliche Auf- räumen ganz in die Hände derer zu legen, denen man die gewaltsame Räumung androhte. Die Bewohner der Hafenstraße erfüllen das staatliche Ultimatum, oder es wird geräumt. Für diese feinen Al- ternativen der Durchsetzung der Staatsgewalt werden pausenlose Senatssitzungen mit demonstrativer Verhandlungswilligkeit, insze- niert ohne den Schein sachlicher Kompromisse zuzulassen und die Plazierung von 5000 Polizisten, Grenzschutztruppen und GSG 9 um St. Pauli auch nur ein Stück weit zurückzunehmen. Das gehörte ja zum großzügigen Verhandlungsangebot des Senats, die Räumung zügig und mit gewaltigem Polizeiaufmarsch vorzubereiten und der Ohn- macht der Bewohner der Hafenstraße Angst zu machen, damit sie sich gefügig zeigten. Noch das zweite Ultimatum des Bürgermei- sters wurde, während die Hafenstraßenbewohner schon die Barrika- den abbauten, von weiterer Konzentration der Polizeimacht für die Räumung begleitet. Dieses zweite Ultimatum und die daraus hervorgegangene "friedliche Lösung des Konflikts" sollen jetzt der Beweis sein für die Umsichtigkeit und Liberalität des Hamburger Bürgermei- sters, ein Beispiel der "Linie politischer Vernunft" überhaupt. Das ist gut! 1. Die politische Vernunft bestand darin, daß Dohnanyi den Bewoh- nern der Hafenstraße noch eine letzte Chance bot, sich dem Willen der Obrigkeit zu unterwerfen. Dabei spekulierte der Bürgermeister auf die Ausweglosigkeit, die er den Leuten in der Straße macht- voll - und von Tag zu Tag mehr - vorsetzte. 2. Nachgegeben hat nicht die politische Führung in Hamburg. Nach- gegeben haben diejenigen, die gar keine Alternative hatten, die so oder so vor der Staatsgewalt ihre Ohnmacht eingestehen mußten. Die Obrigkeit aber hat ihr Ziel, "Wiederherstellung des Rechtszu- stands", voll und ganz erreicht. 3. Und diese saubere Lösung beweist genausogut, wer der Herr im Haus ist, wie eine Räumung mit allen Schikanen polizeilicher Ge- walt - nur mit weniger Opfern. Die Politik hat sich vor Ort durchgesetzt ohne direkten Gewalteinsatz. 4. Die Union, aber auch Politiker der FDP und der SPD haben das für ein Stück Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols. So mache sich der Rechtsstaat "erpreßbar" - "Verbeugung vor der organi- sierten Gewalt" (CDU), Vor dem Ideal unbedingter und totaler Durchsetzung der Staatsgewalt steht die Sache, die da gelaufen ist, geradezu auf dem Kopf. Wer hat sich denn da vor welcher or- ganiserten Gewalt verbeugt? Aber Fanatikern der Gewalthoheit ist auch schon der Schein zuviel, die politische Führung würde irgen- detwas von ihren Untertanen abhängig machen, gar mit ihnen über Recht und Ordnung verhandeln. Als hätten die Bewohner der Hafen- straße etwas zu verhandeln gehabt. 5. Ausgerechnet Dohnanyi soll es an souveräner Führung gemangelt haben - er habe sich "erpreßbar" gezeigt. Dabei hat er mal gerade mit zwei Varianten staatlicher Durchsetzung gearbeitet, von denen keine sich durch Abwesenheit von Gewalt auszeichnet. Und er war so frei, sich zu den Methoden in ein taktisches Verhältnis zu setzen: Was nützt ihm in seinem Amt mehr? Wann ist es unumgäng- lich, um seine Führungsqualitäten zu zeigen, hart durchzugreifen und abzuräumen? Aber ist nicht der letzte Versuch, "im Allein- gang" - Dohnanyi hat sein Bürgermeisteramt dafür angeboten; daß er sich an sein Ultimatum hält! - die Spitze staatsmännischer Souveränität, wenn er erfolgreich ausgeht? 6. Der Bundespräsident und der Erfolg haben ihm recht gegeben. Vorher hat der Bürgermeister davon gesprochen, daß "nur ein Wun- der" noch die Räumung verhindern könne, so als hätte er sich bei seinem letzten Ultimatum nichts mehr ausgerechnet. So machen Po- litiker auf Dramatik. Jetzt hat Dohnanyi das Wunder vollbracht, hat die SPD in Hamburg einen Landesherrn sitzen, der wegen seiner Umsichtigkeit, seinem Fingerspitzengefühl - oder wie die falschen Bilder für Führungs- qualitäten alle heißen - an Ansehen gewonnen hat. 7. Es ging übrigens einmal um leerstehende Häuser und um Leute, die darin wohnen mochten. zurück