Quelle: Archiv MG - BRD MEDIEN TV - Was das Volk aufregt
zurück "Eine Welt für alle" -FALSCHES BEWUSSTSEIN FÜR DEN REST DES JAHRHUNDERTS
Nein, unser deutsches Fernsehen ist nicht unkritisch. Es vergißt über der schwarz-rot-goldenen Einheit keineswegs den Rest der Welt. Mutig und kritisch packt es heiße Eisen an. 50 Sendestunden im Monat Mai handeln von den Problemen, die die Zukunft verdü- stern. Nämlich: - Der Umwelt geht es schlecht. - Der "3. Welt" geht es schlecht. - Der Umwelt in der "3. Welt" geht es ganz besonders schlecht. Das wird gnadenlos vorgeführt, in bunten Bildern zwischen der Feier des deutsch-deutschen Staatsvertrags in den Nachrichten und der Spielshow des Abends, also "zur besten Sendezeit". Wichtige Menschen, sogar lebende Präsidenten bezeugen, daß es sich um wirklich wichtige Probleme handelt - würden sonst s i e sich damit befassen?! Bundespräsident Weizsäcker hat neulich noch Ju- gendliche aus der DDR getroffen, die fanden "das Umweltproblem" auch ganz schön drückend - na dann! Es geht, mit einem Wort, um "Bewußtseinsbildung". Probleme werden "bewußtgemacht". Und dann? * Dann wenden wir uns alle, engagiert und entschlossen, ihrer Lö- sung zu. Auch dafür gibt es Hilfestellung, vom Fernsehen und von den wichtigen Persönlichkeiten und den Fachleuten, denen der Mo- derator das Wort erteilt. - Die Umweltprobleme werden beziffert, in Millionen Tonnen Koh- lendioxid, in Kilogramm Dioxin usw. Dann wird die Ziffer divi- diert, durch die Einwohnerzahl der Länder, wo die meisten Dioxide und Dioxine anfallen. Damit weiß jeder von uns, für wieviel Zent- ner Schadstoff er persönlich haftbar zu machen ist - statistisch. Und er kann sich's einteilen: Hier eine Kilowattminute gespart, da ein Liter Benzin nicht verbrannt - und "wenn das alle tun", dann kommt schon das eine oder andere Promille Schadstoffvermei- dung zusammen. Dann zahlen wir noch Flaschenpfand, und mit der Umwelt geht es wieder aufwärts. -- Bei der "3. Welt" wird umgekehrt gerechnet: Als erstes werden die Einwohner der Elendsgebiete auf der Welt und ihre unverant- wortliche Geburtenrate beziffert. Die Ziffer wird dann multipli- ziert - nämlich mit den Zentnern Schadstoffe, die in den anderen Weltgegenden, den reichen Staaten, auf den einzelnen entfallen, statistisch. Die gelten als Unkosten des Wohlstands - d e r L e u t e, nicht der Unternehmen und der Staatsgewalt. Und schon lernen wir schlagartig: So prächtig wie uns k a n n es den Ar- men dieser Welt überhaupt nie gehen können. Schon allein aus Um- weltschutzgründen müssen die arm bleiben - wo doch noch auf die ärmste Putzfrau bei uns mehr Schadstoffe entfallen als auf ein ganzes Negerdorf! Also sind wir aufmerksamen Fernsehzuschauer schwer für Hilfsprogramme, die dafür sorgen, daß die Ärmsten der Armen gerade mal nicht gar so gotterbärmlich dahinvegetieren - dafür müssen sie sich aber auch den Kühlschrank abschminken. Das verlangt nämlich eine problembewußte "Hilfe zur Selbsthilfe", die sicherstellt, daß die Hungerleider nicht "unsere Fehler nach- machen". Nur so kann es mit der "3. Welt" aufwärts gehen. Dafür spenden wir eventuell sogar ein Stück Kaufkraft. - Schließlich die Umwelt der "3. Welt": Das sind die tropischen Regenwälder. Die sind "unsere grünen Lungen", liefern nämlich Sauerstoff und dürfen deswegen auf keinen Fall gerodet werden. Damit die Waldbesitzer und -benutzer da unten das einsehen, kau- fen wir alle keine Teakholz-Schreibtische mehr. Und wenn wir die Weltbank wären, würden wir uns sogar einen Schuldenerlaß überle- gen - für die Ärmsten der Armen; selbstverständlich mit der Auf- lage, daß die unsere grüne Lunge pflegen und nicht so hemmungslos ausbeuten. Das macht unseren "blauen Planeten" wieder wohnlich, für unsere Kinder; und dem Schöpfergott gefällt es auch ... * Es ist traurig, aber wahr: Die öffentliche "Weckung von Problem- bewußtsein" ist nichts als ein K a m p f f ü r f a l s c h e s B e w u ß t s e i n. -- Ein ganzes Volk von Umweltengeln befaßt sich mit den Folgen eines geschäftstüchtigen Naturverbrauchs. Und wie auf Kommando reden alle so darüber, daß sie die hinterletzte Figur der Markt- wirtschaft, den "Verbraucher", mit seiner "Konsumgier" für alle Schäden verantwortlich machen. Im praktischen Alltag weiß jeder, daß der Mensch als Kunde bloß dazu da ist, nach Maßgabe seiner persönlichen Kaufkraft profitträchtige Waren zu versilbern, und ansonsten auf überhaupt nichts irgendeinen Einfluß hat. Am mora- lischen Feiertag oder -abend aber ist jedem klar: Der Kunde ist - ausgerechnet weil er alles zahlen muß! - "König" und deswegen an aller Vergiftung schuld, die die dienstbaren Geistern von Unter- nehmern so veranstalten im Zuge ihrer Geldvermehrung. -- Ein Volk gutmütiger Almosengeber befaßt sich mit den Auswir- kungen des kapitalistischen Weltmarkts auf die Bewohner der Län- der, die mit Rohstoffen oder Schulden oder beidem zum Wachstum des weltweiten kapitalistischen Reichtums beitragen. Und das gleich wieder verkehrt: Wo es ums kapitalistische Wachstum geht, soll noch der ärmste Hund reflexartig denken: "unser aller Wohl- stand". V e r z i c h t e n s t a t t n a c h d e n k e n heißt da die Parole. Wenn's dann ans Spenden geht, soll aber ge- fälligst keiner mehr davon erwarten, als daß den Ärmsten geholfen wird, arm zu bleiben - denn mehr täte den Paupers dieser Erde selber gar nicht gut. Eine ungemein höfliche Form, diese Mann- schaft a b z u s c h r e i b e n! -- Ein Volk von geistigen Globetrottern befaßt sich mit den Ver- heerungen, die die Herrschaft des Dollar und der D-Mark in den entfernteren Weltgegenden anrichten. Und es kennt sofort die Adresse, an die es sich wenden muß: die politischen Herren über D-Mark und Dollar. Nein, nicht um denen das Handwerk zu legen. Umgekehrt: Die sollen sich gefälligst noch viel mehr einmischen "da unten", damit die unvernünftig-geldgierigen Typen vor Ort - die keinen Vergleich mit unseren kultivierten Bundesbankern aus- halten - unsere grüne Lunge respektieren. Genau die Machthaber, die die Weltwirtschaft auf Kapitalwachstumskurs festlegen, sollen im Süden den Traum von der intakten Natur wahrmachen. Ihr impe- rialistischer Zugriff soll das Mittel der Wahl gegen Umweltschäd- linge sein: Was für eine zeitgemäße Weltherrschaftsideologie! * Nimmt man die "bewußtgemachten" Probleme nur ein bißchen ernst, dann geht es um S y s t e m fragen: um n o t w e n d i g e F o l g e n der weltweiten Profitmacherei, dieser herrschenden Freiheit aller Freiheiten im freiheitlichen Weltsystem. Die fernsehamtliche "Bewußtseinsbildung" macht das Gegenteil dar- aus. Nämlich eine moralische Anfrage ans private Gemüt. Das soll sich Verantwortlichkeiten einbilden, wo es gar keine hat - und freundlicherweise über die wirklichen Ursachen hinweggehen, die so schwer ja nicht zu ermitteln sind. Statt vom moralischen Quark - von wegen "wir alle" und "Zukunft unserer Kinder" - zur Sy- stemfrage voranzugehen, soll jede bekannte Ursache - "Profit" - in moralisches Geseiche - "unser aller menschliche Profitgier" - zurückgenommen werden. Gegen die notwendigen Wirkungen eines ökonomischen Systems gibt es nur ein hilfreiches Mittel (und am Ostblock-Sozialismus wollen das doch auch alle eingesehen haben!): dessen Umsturz. Von sol- chen Schlußfolgerungen gegen den weltbeherrschenden Westblock-Ka- pitalismus sollen bewußtseinsgebildete Bürger die Finger lassen. Stattdessen sollen sie spenden, ihre allzuständige - längst v i e l z u zuständige! - Obrigkeit mit Ermunterungen eindec- ken, zumindest im Geiste, und sich einbilden, damit wäre man im Kampf gegen Gift und Elend vornedran und schwer engagiert. Das nutzt zwar keinem Opfer - dafür um so mehr dem System, das sie schafft. Und dafür sind 50 Stunden Sendezeit im Mai wirklich nicht zuviel. zurück